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TBHB 1945-11-25

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1945-11-25
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Entstehungsdatum: 1945
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Originaltitel: Sonntag, 25. November 1945.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 25. November 1945
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Einführung

Der Artikel TBHB 1945-11-25 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 25. November 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Sonntag, 25. November 1945.     

[1]      Die Flüchtlinge sind bis jetzt noch nicht eingetroffen. Heute hatten wir wieder einmal eine schöne Andacht, ich war zum ersten Male seit meiner Erkrankung frisch u. konnte gut sprechen. – Nach der Andacht blieb noch Carmen Grantz bei uns u. hatte allerhand Fragen über die Messe. Sie hat erstaunlich viel Verständnis u. ist auf dem besten Wege. Dabei stellte sich ganz nebenher heraus, daß sie an dem Tage, als der Pater Drost hier Messe las, die hl. Kommunion empfangen hat. Sie hat nicht gewußt, daß das nicht ging, es hatte sich von selbst gemacht. Der Pater ging nämlich selbst, bei mir anfangend, die erste Reihe entlang u. verteilte die Kommunion u. wer nun in der ersten Reihe kniete, empfing sie eben, wenn der Knieende sie nahm. Und so war es bei Carmen. Alles, was geschieht, geschieht mit Gottes Willen oder Zulassung, – so auch dieses. –

     Vom Bürgermeister Herwagen aus Wustrow bekam ich gestern einen Brief. Ich hatte ihm geschrieben als Antwort auf einen ersten Brief in Sachen Fischland-Krankenhaus, in welchem er m. E. seine Amtsbefugnisse überschritt. In der Abwehr war ich vielleicht zu scharf geworden u. ich hatte mir deshalb schon ein schlechtes Gewissen gemacht. Nun wies er dies zurück, sehr energisch, aber doch in sehr netter Form. Ich habe mich ihm sofort geantwortet u. mich entschuldigt.

     Heute nachmittag ist wieder evangel. Gottesdienst. Triebsch will uns um 3 Uhr dazu abholen.

     Abends: Herr u. Frau Triebsch waren da u. er erzählte, wie seine Sache gegen Dr. Ziel ihren Fortgang genommen hat. Da Ziel selbst noch nicht von Chemnitz zurück ist u. da Frau Ziel sich anderwärts darüber geäußert hatte, daß sie neuerdings von dem Ehepaar Triebsch sehr kühl begrüßt würde u. daß das wahrscheinlich mit der von Dr. Z. vorgenommenen Lebensmittelkarten-Verteilung [2] zusammenhinge, woran jedoch ihr Mann völlig unschuldig sei –, u. nachdem Frau Z. damit zu erkennen gegeben hat, daß sie die Hintergründe mindestens ahnte, hat sie Triebsch veranlaßt gesehen, zu Frau Z. zu gehen. Er hat ihr mit großer Exaktheit den wahren Sachverhalt dargestellt, u. es ergab sich, daß Frau Z genau informiert war u. auch den Inhalt jenes Briefes kannte, den Dr. Z. im Gemeindeamt diktiert hat. Herr Triebsch hat es so dargestellt, daß ungenannte Personen, welche draußen vor der Türe des Gemeindebüros warten mußten, bis Herr Z. seinen gemeinen Brief diktiert hatte, von dem Inhalt Kenntnis erhalten u. Triebsch Mitteilung gemacht hätten, was ja auch teilweise stimmt. Er hat dann weiter gesagt, daß er zu mir gegangen sei, um mich über diese Sache zu befragen u. ich hätte ihm dann bestätigt, daß Herr Z. tatsächlich einen solchen Brief diktiert hat. Er hat aber nicht gesagt, daß ich diesen Brief vernichtet habe. Frau Z. war darüber sehr erschüttert, sodaß sie nur mit tränenerstickter Stimme sprechen konnte. Sie gab alles zu u. erklärte, daß sie diesen Brief ihres Mannes von Anfang an für ein großes Unglück angesehen habe, sodaß sie mehrere Nächte nicht hätte schlafen können. Herr Triebsch hat das zur Kenntnis genommen, hat aber weiter gesagt, daß er nun ja gewärtig sein müsse, daß ihm dasselbe passieren würde wie dem Oberstleutnant Küntzel, u. daß, – wenn das der Fall sein würde, das ganze Dorf nun diesmal genau wissen werde, wer der Denunziant gewesen sei. – Darauf ist Frau Z. in Tränen ausgebrochen. Die Frau tat Herrn Triebsch sehr leid, er drückte ihr sein Bedauern über den Vorfall aus, sagte ihr aber, daß er den Verkehr mit ihrem Mann abbrechen müsse u. daß er sich hiermit von ihr verabschieden wolle. – So hat sich die Frau also doch, wie ich es immer angenommen habe als der anständige Charakter erwiesen, u. man darf wohl annehmen, daß hinter dieser nach außen hin so harmonischen Ehe viel Tragik verborgen ist. Der Mann kann ja kaum jetzt erst mit seinen 56 Jahren zum Denunzianten geworden sein, er wird es ja wohl schon früher gewesen sein. –

     Nachher gingen wir zum evang. Gottesdienst, mußten aber auf den Pfarrer lange warten, da dieser wieder von der russ. Sperre lange aufgehalten worden war. Er hat ausreichende russische Ausweise aus Barth, aber diese Soldaten kümmern sich nicht darum, sie tun, was sie wollen, um die Leute zu ärgern u. den Verkehr unmöglich zu machen. Beim letzten Gottesdienst hatte sich schon dieselbe Sache ereignet, jedoch hatte der Aufenthalt nicht so lange gedauert, wie diesmal. Wir warteten wohl eine Stunde. Da um 5 Uhr das Licht ausgeht, mußte der Gottesdienst abgekürzt werden. Dennoch hielt er wieder eine ganz vorzügliche Predigt zum heutigen Totensonntag. – Martha u. ich sprachen ihn nachher kurz. Er bedauerte sehr, daß ich den Bürgermeisterposten niedergelegt hätte, aber ich tröstete ihn, daß mein Nachfolger ihm sicher ebenfalls alle Unterstützung zuteil werden lassen würde. Dessen Frau, die ich bisher nicht kannte, war übrigens auch da. Sie begrüßte mich u. stellte sich vor. Sie scheint eine freundliche, sympathische Frau zu sein. Der Pastor erzählte von den Zuständen im Landesinneren. Er stammt von einem Gut in der Nähe von Neubrandenburg, Friedland, Altentreptow. Das Gut ist seit Generationen im Besitz der Familie. Der Bruder, der es bewirtschaftete, wurde erschossen, seine Schwester starb. Er erzählte furchtbare Dinge. Es geht, – wovon wir nichts wissen –, eine Selbstmord=Epidemie durch das ganze Land, es zählen die Selbstmörder nach Zehntausenden. Dazu Typhus, Diphtherie, Flecktyphus usw. Es ist grauenhaft.

     Nach dem Gottesdienst kam das junge Ehepaar Garthe, doch überließ ich diese Martha allein.