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TBHB 1945-12-26

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1945-12-26
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Entstehungsdatum: 1945
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Originaltitel: Mittwoch, 26. Dezember 1945.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 26. Dezember 1945
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Einführung

Der Artikel TBHB 1945-12-26 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 26. Dezember 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Mittwoch, 26. Dezember 1945.     

[1]      Weiter kam ich gestern nicht. – Bis 4 Uhr war Martha also im Geschäft, aber es war dann noch fortwährend Lauferei von den Leuten, die immer zu spät kommen. Wir tranken dann Bohnen-Kaffee u. Martha legte sich dann hin, um noch etwas zu schlafen, während ich beim Akku sitzen blieb. Auf dem Tisch stand eine kleine Vase mit einigen weißen Winterastern u. einigen kleinen Tannenzweigen, die in der matten Akku-Beleuchtung ganz entzückend aussahen. Ich holte einen Zeichenblock u. Kreide u. machte ein Skizze davon, die gleich die Natur so weit übertrug, daß ich glaube, danach ohne weiteres ein Bild malen zu können.

     Um 9 Uhr ging das Licht an. Martha stand auf u. machte etwas zum Essen, was kein Problem war, den unsere gute Trude war inzwischen dagewesen u. hatte uns eine Schüssel Dade'schen Kartoffelsalat gebracht, der wirklich friedensmäßig mit viel Oel angemacht war, u. Gretl Neumann hatte uns den schon traditionellen Topf gebracht mit etwas Hühnerbraten in prachtvoller Soße, sodaß wir dies nur aufzuwärmen brauchten. Wir aßen also vorzüglich u. wurden satt. Denn entzündeten wir die fünf Kerzen an unserem Weihnachtsbäumchen u. Martha brachte sogar eine veritable Bescherung zustande, indem sie aus Beständen der BuStu eine Papierschere mir Falzmesser, die ich so notwendig brauche, ferner eine Taschenuhr noch gefunden hatte, eine von den billigen Uhren, die wir früher einmal für die Sommergäste verkauften, um die eigenen Uhren zu schonen, die am Strande versanden. Diese Uhren gehen aber vorzüglich. Nachdem drei Uhren von mir, die Borchers zur Reparatur gehabt hatte, von den Russen gestohlen worden waren u. alles, was ich nun noch an Uhren [2] besaß, unzuverlässig oder ganz kaputt war, ist dies ein sehr willkommenes Geschenk. Ferner hatte M. auch noch einen kleinen Reisewecker gefunden, dazu noch zwei Paar wollene Socken, ein Stück Seife, und – das Erfreulichste: eine Kiste Zigarren, keine sehr hervorragende Qualität, aber schön groß von Format, wie ich sie so liebe. Diese Zigarren waren bei Fritz im Zimmer gewesen u. trugen den Vermerk: Für Oha von Fritz zu Weihnachten 1942. Sie waren damals vergessen worden u. nun wieder aufgetaucht u. nun eine ganz große Freude. – Mir selbst war es nur gelungen, ein Stück Speck im Tausch gegen Tabak für Martha aufzutreiben.

     Wir saßen dann am Radio, in dem ununterbrochen weihnachtliche Sendungen gegeben wurden, später auch eine Mitternachtsmesse mit Kardinal Faulhaber aus München. Auch von vielen anderen Sendern wurden Mitternachtsmessen gesendet; aber die Messe, die ich eigentlich hören wollte aus einer Benediktiner-Abtei in England, konnte ich leider nicht bekommen. Welch ein Unterschied war es: seit vielen Jahren hörten wir zu Weihnachten im Radio nichts als Tanzmusik oder nationalsozialist. Propaganda. So blieben wir bis 2 Uhr auf u. hörten.

     Gestern frühstückten wir erst um 10 Uhr mit Ei u. Bohnenkaffee. Alles war uns ins Haus gebracht worden. Nachher machte ich eine Kreideskizze von unserer Krippe, die ebenfalls so fertig ist, daß ich glaube, ohne weiteres daraus ein Bild machen zu können. Es scheint tatsächlich bei mir etwas ganz Neues eingetreten zu sein: die künstlerische Produktion verläuft mühelos u. ohne mühseliges Ringen mit Problemen. Es wäre ja wunderbar, wenn ich nun wirklich dahin kommen sollte, mit Vergnügen zu malen. Die maßlose Anstrengung, die mir das Malen früher bereitet hat u. die bis zur völligen körperlichen Erschöpfung ging, scheint einer bisher nie gekannten Leichtigkeit gewichen zu sein.

     Nachmittags fand bei Knecht in der Veranda das Krippenspiel der Frau Seeberg statt. Es war aber derart voll, daß wir das Lokal wieder verließen, da wir nichts sehen konnten. Die Ankündigung, daß das Spiel nach einer Stunde wiederholt werden würde, gab uns den willkommenen Anlaß, mit Anstand wieder zu gehen. – Draußen trafen wir Frau Neumann mit Gretl, Herrn Bachmann u. seine Frau u. luden sie zu uns zu einem Plauderstündchen ein. Anschließend daran mußten wir dann leider zu Küntzels zum Tee, wo es entsetzlich langweilig war. Paul erzählte, daß Herr Dr. Ziel im Auftrage von Frau Kroog bei ihm gewesen sei u. daß Paul einen Mietvertrag mit Frau K. abschließen werde für das Haus. Er glaubt, doch noch etwas von seiner Pension zu bekommen, denn auch Herr Ziel sei dieser Meinung, es würden wohl 50% der Pensionen bezahlt werden. Außerdem habe ihm sein Hauswirt in Dahlem mitteilen lassen, daß er die Wohnung nun anderweitig vermietet habe u. daß er bereit wäre, die in der Wohnung stehenden Möbel für 800 – 1000 Rm. zu kaufen. Somit wäre dann also die pekuniäre Schwierigkeit beseitigt, was ja sehr erfreulich ist, aber Grete klagt dennoch, als ob es ihr furchtbar schlecht ginge. –

     Abends gab es dann kein Licht, welches erst heute Morgen um 1/2 11 Uhr wiederkam. Heute Nachmittag werden wir nun nach Wustrow fahren zum Gottesdienst. Ich muß den Koffer mit den Paramenten u. Geräten mitnehmen u. nachher wollen wir mit dem Pater hierher zurück, damit er morgen früh nochmals bei uns Messe liest.

     Vom Kulturbund, Sektion für bildende Kunst, erhielt ich Nachricht auf meine Anfrage betr. Lebensmittel Karten. [3] Danach steht den bildenden Künstlern nur die Arbeiterkarte zu, nicht die Schwerarbeiterkarte. Hoffentlich wird das den Gemeinden nicht amtlich mitgeteilt, denn dann gehe ich meiner Schwerarbeiterkarte wieder verlustig. Ferner teilt mir die Sektion mit, daß ich nun doch Arbeiten oder Reproduktionen von solchen der Sektion einreichen müsse zwecks Aufnahme in die Sektion. Ich ersehe daraus, daß ich bisher lediglich in den„Kulturbund“ aufgenommen bin, nicht aber in die „Sektion für bildende Künste“, was natürlich allein von Wichtigheit ist für mich. Ich weiß nicht recht, was ich machen soll, denn es ist ja unmöglich, hier Bilder photographieren zu lassen. Ich könnte nur Reproduktionen von den Bildern 1918 – 1921 einsenden. Im übrigen finde ich es ziemlich seltsam, daß die Rostocker ein solches Verlangen an einen Künstler stellen, der schon vor 27 Jahren im Vorstande der Novembergruppe u. dort selbst in der Jury war. Wer sind denn die Leute in Rostock, die da die Jury ausüben? Es sind das doch Künstler, die selbst völlig unbekannt sind!

     Nachmittags. Eben kommt Frau Hanschak u. sagt, daß die Russen ihren Mann mit dem Gespann geholt haben u. er deshalb nicht nach Wustrow fahren kann, denn er ist jetzt um 3 Uhr noch nicht zurück. Es blieb nichts anderes übrig, als daß Frau Hanschak u. das Mädchen von Frau Schröder einen Handwagen mit dem Paramentenkoffer nach Wustrow ziehen, Martha ist mit Frau Triebsch zu Fuß gegangen. Es wird eine starke Anstrengung für Martha werden, besonders, da es auf dem Rückwege stockfinster sein wird. Der Mond geht erst später auf. Ich selbst bin zuhause geblieben. Sollte Hanschak noch kommen u. die Pferde es leisten können, werde ich hinterher fahren u. Martha wenigstens abholen.