TBHB 1946-01-15
Einführung
Der Artikel TBHB 1946-01-15 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 15. Januar 1946. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.
Tagebuchauszüge
[1] Letzte Hand an den Prophetenkopf gelegt. Keilrahmen für drei neue Bilder mit Leinewand bespannt. Schütz-Niehagen war hier, er will Koks liefern, braucht aber Schuhe für sich u. seine Frau. Erzählte von seinem Sohn, der bei Lübeck unter englischer Besatzung auf einem Gut arbeitet, dessen Besitzer zwar PG., aber kein aktiver Nazi war. Dieser ist von den Engländern verhaftet, [2] jedoch nur zu dem Zweck, demokratische Grundsätze zu erlernen. Nach erfolgter Schulung wird er seinen Besitz wieder übernehmen. Auf dem Gut ist kein Pferd, keine Kuh u. kein Schwein fortgekommen, alles ist wie vorher. Der junge Schütz hat als entlassener Soldat von den Engländern Bezugsscheine über einen neuen Zivilanzug u. Wäsche erhalten u. ist vollständig neu eingekleidet. – So ist es bei den Engländern!
Martha ist fieberfrei, aber noch keineswegs gesund. Sie war über Mittag auf, hat sich dann aber bald wieder von selbst hingelegt. – Bütow war bei ihr u. berichtete von seiner Reise nach Berlin, von der er etwas Ware von der Firma Fischer + Co mitgebracht hat. Martha hatte ihm ein Päckchen für Anneliese mitgegeben, aber der Zug wurde etwa 50 km. vor Berlin wieder einmal von den Russen total ausgeraubt u. so ging auch das Päckchen verloren. Justus Schmitt hatte, als er kürzlich hier war, acht Koffer gepackt u. als Frachtgut nach Bln. geschickt. Es war alles darin, was Schmitt's an Garderobe, Leib-und Hauswäsche besaßen. Auch dieser Zug wurde ausgeraubt u. alle acht Koffer gingen verloren. – So ist es bei den Russen.
Anneliese sandte durch Bütow einen Abschiedsbrief, geschrieben Ende März 1945 an Martha durch Anneliese. A. hatte diesen Brief bisher zurückgehalten. Jetzt, wo sie glaubt, daß Kurt lebt, schickt sie ihn. Der Brief ist sentimental, enthält Unsachlichkeiten u. dokumentiert unauslöschlichen Haß gegen mich, indem er mich auch in diesem Augenblick der ziemlich sicheren Todesaussicht mit keinem Worte erwähnt. Dagegen tut er so, als hätte er früher Fritz u. Ruth materiell unterstützt u. er drückt seine Befriedigung aus, daß das nun nach seinem Tode nicht mehr nötig sein würde. In Wirklichkeit ist davon garkeine Rede. Es entspringt das seinem krankhaften Geltungsbedürfnis, aus dem allein sich auch der Haß gegen mich erklären läßt. „Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern!“ – So nett der lange Brief von Anneliese ist, den sie Bütow mitgegeben hat, so deprimierend sind diese wenigen Zeilen. –
Im Radio hörte ich Beethovens Heroika. Sehr, sehr schön!
Den richtenden Christ=König habe ich nun in Bleistift in größerem Format gezeichnet.