TBHB 1946-01-29
Einführung
Der Artikel TBHB 1946-01-29 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 29. Januar 1946. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.
Tagebuchauszüge
[1] Ich glaube, daß dies der beste 29. Januar gewesen ist, den Martha u. ich in diesen 25 Jahren, seitdem wir uns nun kennen, gefeiert haben.
Gleich zum Frühstück trug uns unsere Trude ein Frühstück auf mit Bohnenkaffee, Butter u. für jeden ein Ei. Wir frühstückten im Atelier in der warmen Ecke bei der Heizung. Draußen war Tauwetter eingetreten u. es war warm im Haus. Nach dem Frühstück rauchte ich eine von den Weihnachts-Zigarren von Fritz. Obwohl Martha eine schlechte Nacht gehabt hatte, wurde sie während des Frühstücks zusehends besser.
Später schrieb ich in meinem Zimmer einen ausführlichen Brief an Else. Mittags setzte uns Trude wieder ein fabelhaftes Essen hin mit Hirschfleisch, welches wir von Margot Seeberg für Schnaps bekommen hatten u. das Margot S. von den Russen erhalten hatte. [2] Dazu gab es grüne Erbsen aus einer Büchse u. nachher einen großartigen Flammerie mit Kirschsaft. Am Nachmittag tranken wir mit Trude u. Frl. v. Tigerström Kaffee mit Kuchen, den ebenfalls wieder Trude gebacken hatte. Abends aßen wir dann nur noch einige belegte Brote, die Trude uns zurechtgemacht hatte u. hinterher aßen wir den Rest des Kaffeekuchens auf u. tranken dazu eine Flasche Pommery. Wir ließen die Vergangenheit an uns vorbeiziehen, gedachten der Kinder u. waren voll Dankbarkeit gegen Gott. Morgen um 11 Uhr kommt P. Drost u. liest bei uns eine hl. Messe. – Schöner konnte es nicht sein. –
Nachmittags gegen 4 Uhr gab es eine gewaltige Explosion, bei der das Haus schwankte. In der Gegend des Hohen Ufers stiegen riesige Rauchwolken auf, Frau Dr. Meyer, deren Mann hier grade gegen Typhus impfte, war bei Martha u. erzählte, daß zwei russ. Soldaten mit irgend welchen Sprengkörpern, die sie am Hohen Ufer gefunden hatten, gespielt hätten. Das Ding ist krepiert. Den einen Soldaten hat man als Leiche gefunden, der andere scheint mit in die Luft gegangen zu sein. –
Ich las in einer Zeitung, daß im Januar u. Februar drei aufeinanderfolgende Konjunktionen von Mars u. Saturn stattfinden. Es wird da noch viele solche Unglücksfälle geben. Vor dem Kriege fand die große Konjunktion von Saturn mit Jupiter statt, die mir selbst aber kein Unglück gebracht hat, sondern vielmehr großes Glück, die Verheiratung mit Martha. Es scheint so, als hätten sich Saturn u. Jupiter in meinem Horoskop nun ausgesöhnt u. Saturn kann dann der große Glücksbringer für mich werden. Es ist nun schon 22 Jahre her, daß ich mich mit diesen Dingen befaßte u. voll Sorge über die Rolle dieses Planeten in meinem Leben grübelte. Heute sehe ich mit Staunen, wie all diese sehr unglücklichen Konstellationen meines Horoskops sich zu meinem Glück ausgewirkt haben. Gottes Fügungen sind wunderbar u. man kann nur erschüttert vor dieser unergründlichen Vorsehung stehen, die alles zum Besten wendet.
Von Fritz erhielt ich heute ein Päckchen mit 2 Paketen schweizer Stumpen. Ein rührender Kerl! –