TBHB 1946-04-14
Einführung
[Bearbeiten]Der Artikel TBHB 1946-04-14 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 14. April 1946. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über eine Seite.
Tagebuchauszüge
[Bearbeiten][1] Die Besserung hielt gestern den ganzen Tag über an. Abends bekamen wir einen Brief von Fritz u. Ruth vom 21. u. 23 März. Fritz ist sehr unruhig, da ihm erklärlicherweise die bevorstehende Reise hierher sehr gefahrvoll u. ungewiß erscheint, er aber doch voll Verlangen ist, möglichst rasch herzukommen. Als er den Brief schrieb, hatte er noch keine Kenntnis von meiner Erkrankung. Es hört dort in der amerikan. Zone natürlich die übelsten Gerüchte über die Gefahren, die ihn in der russ. Zone erwarten u. die wie immer sehr übertrieben sind. Hier bei uns sind die Russen nun wirklich fort, auch Zingst u. Prerow sollen geräumt sein, nur am Leuchtturm Darsser Ort liegt noch eine Wachabteilung.
Auch von Dr. Krappmann aus Kiel, sowie von Else erhielten wir gestern einen Ostergruß.
Die Lektüre des medizin. Buches habe ich wieder aufgegeben. Es ist wohl wissenswert, aber nicht erfreulich, daß diese meine Erkrankung normalerweise nicht heilbar ist u. schon infolge der Aufzehrung der Kräfte schließlich zum Tode führt. So sehe ich, daß der Herr mir den großen Wunsch wohl erfüllen will, daß ich nämlich nicht eines plötzlichen u. unvorhergesehenen Todes sterben möchte, sondern in bewußter Vorbereitung auf diesen wichtigsten Augenblick des Lebens. Wenn ich nun trotzdem auch heute eine Besserung meines Zustandes feststellen kann, so kommt mir das nach der Lektüre des medizin. Buches wie ein Wunder vor. Ich halte es für möglich, daß sich der Eiterherd auflöst, teils durch den Harn, in dem ich ja häufig Blutgerinnsel festgestellt habe, vor allem aber durch den Darm. Der wiederholte, heftige Durchfall könnte darauf hindeuten, obgleich ich nicht recht sehe, wie der Eiter in den Darm gelangen soll. Jedenfalls erkenne ich nun den Sinn der mir von Dr. Lasch so auffällig feierlich gegebenen Versicherung, daß es sich bei der Erkrankung nicht um Krebs handele. Ich hatte daran garnicht gedacht u. Dr. L. hat mich erst auf diesen Gedanken gebracht, der, wie ich aus dem medizin. Buch sehe, auch durchaus nicht abwegig ist. Mag dem nun sein, wie es will, ich bin mit allem zufrieden, wie Gott es will, sein Wille geschehe u. Er sei gelobt u. gepriesen in Ewigkeit. Amen.
Nach einem angenehmen Frühstück las ich mit Martha die Liturgie des heutigen Palmsonntag u. die Leidensgeschichte. Vor acht Jahren war ich grade wegen der Mittelohr-Entzündung operiert worden u. empfing am Palmsonntag die letzte Oelung. Dennoch lebe ich heute noch. –