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TBHB 1946-05

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Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1946-05
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Entstehungsdatum: 1946
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Originaltitel: Mai 1946
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom Mai 1946
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Einführung

Der Artikel TBHB 1946-05 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom Mai 1946. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über 16 Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Mittwoch, 1. Mai 1946.     

[1]      Gestern Abend traf P. Drost ein, gesund u. frisch wie immer. Er schien etwas enttäuscht, als er hörte, daß er nicht bei uns, sondern bei Frau Longard wohnen sollte, aber wir haben keinen Platz, da Frl. v. Tigerström im Fremdenzimmer wohnt u. oben in der Bodenkammer wohnt Frl. Laabs, die sich etwas erholen soll von den kleinen Unleidlichkeiten, die sie bei ihrer kränklichen Mutter sonst hat.

     Heute morgen las P. Drost bei uns eine stille Messe u. hielt eine kurze Ansprache als Einleitung zu diesen Tagen. Es mögen 15 – 20 Menschen dagewesen sein. Für diejenigen, die etwas entfernt wohnen, gab es nach der Messe bei uns eine Suppe, die in der Diele gegessen wurde. Um 1/2 10 Uhr begann der erste Vortrag im Eßzimmer, der die Frage erörterte: „Wo steht Gott in meinem Leben“, u. zwar nach den beiden Gesichtspunkten: „Wo steht Gott als der Schöpfer“, d.h. wo hat er sich selbst hingestellt? u. dann: „Wo habe ich ihn in meinem Leben hingestellt“. Der zweite Vortrag sponn dann diese Frage weiter vom Gesichtspunkt der Taufe aus. Die Frage lautete nun: „Wo stehe ich vor Gott“, u. die eindringliche Antwort hieß, daß wir alle durch die Taufe unwiderruflich Kinder Gottes geworden sind u. es in Ewigkeit bleiben werden. – Alles, was P. Drost sagte, war schlicht, sehr einfach u. sehr eindringlich, ich glaube, daß alle Zuhörer innerlich berührt gewesen sind.

     P. Drost wird Mittags bei uns essen, aber für sich allein im Seezimmer. Nachmittags um 3 Uhr werden nochmals zwei Vorträge stattfinden. Es geht sehr gut, besonders, da schönes Wetter ist u. die Teilnehmer zwischen den Vorträgen im Garten etwas gehen können. Prof. Triebsch war sehr aufmerksam. Auch Dr. Burgartz war da, obgleich er gestern zu P. Drost gesagt hatte, er wurde heute nicht teilnehmen können, weil er, „politische Pflichten“ hätte. Heute ist nämlich in der ganzen russischen Zone große Maifeier. Die Sache wird groß aufgezogen mit roten Fahnen. Vor einem Jahre war es noch verboten, rot zu flaggen, die Russen hatten selbst angeordnet, daß nur Schwarz-weiß-rot geflaggt werden dürfe. Jetzt, nachdem die Einheitspartei sich gegründet hat, wird einfach die rote Flagge befohlen. – Es geht also los! In Ahrenshoop sehe ich bis jetzt allerdings keine einzige, rote Flagge, die Veranstaltungen finden auch in Althagen statt. Dort gibt es, wie ich gehört habe, 26 Kommunisten, in Wustrow 60, während bei uns hier kaum Kommunisten vorhanden sind.

     Der Kommunismus macht sich indessen trotzdem auch bei uns bemerkbar, indem man uns in der Nacht einige Fensterscheiben in der Bunten Stube eingeworfen hat.

     Am Nachmittag hielt P. Drost seine beiden weiteren Vorträge, von denen der erste über das Ziel des Menschenlebens handelte, der zweite über die Aufgabe, dieses Ziel zu erreichen. – Nach den Vorträgen tranken wir mit ihm zusammen Kaffee in meinem Zimmer u. besprachen allerhand. Ich zeigte ihm auch meine Bilder u. er war vom Christkönigsbild einfach hingerissen. So war der Nachmittag überaus schön.

[2]
Donnerstag, 2. Mai 1946.     

     Die beiden heutigen Vormittags-Vorträge behandelten die Situation, in der wir uns heute befinden, d.h. der Betrachtung des vollkommenen Trümmerhaufens. P. Drost stellte an sehr guten Beispielen aus dem praktischen Leben dar, wie es zu diesem Trümmerhaufen kommen mußte u. zeigte den einzigen Weg, der aus diesen Trümmern herausführen kann, jedoch konnte er keine Hoffnungen machen, daß dieser Weg vom Volke erkannt u. beschritten werden wird. Er deutete nur an, daß nur Einzelne diesen Weg erkennen u. beschreiten werden. Wahrscheinlich wird er in den Nachmittagsvorträgen hierauf näher eingehen.

     P. Drost gab mir gestern Abend noch einen Hirtenbrief der Westdeutschen Bischöfe vom 27. März. ds. Js., in dem mit sehr entschiedener Sprache auf die allgemeine, große Rechtsunsicherheit hingewiesen wird, in der sich das ganze deutsche Volk befindet, eine Rechtsunsicherheit, die keineswegs geringer ist als die unter dem Nationalsozialismus. Insbesondere wird in diesem Sinne von der Bodenreform in der russischen Zone gesprochen. Dabei fällt mir ein, daß ich vor einigen Tagen in einer Zeitung – ich glaube es war die Frankfurter – einen recht scharfen Artikel über das Versagen der deutschen Bischöfe in der Nazizeit las. Der Artikelschreiber hatte wohl Recht. Aber nur zum Teil. Er vergaß nämlich, worauf P. Drost heute hinwies, daß die kathol. Kirche schon mehrere Jahre vor der Machtergreifung durch Hitler den Katholiken verboten hatte, dieser Partei anzugehören u. daß jeder exkommuniziert werden sollte, der dieses Verbot nicht achtete. Damals haben die deutschen Bischöfe mit allem Ernst u. zuweilen auch mit Strenge in diesem Sinne gesprochen, geschrieben u. gehandelt u. haben dafür viel Kritik geerntet auch unter Katholiken, die sich daran nicht kehrten. Man hat also jetzt hinterher kein Recht, das Verhalten der Bischöfe während der Nazizeit zu kritisieren, nachdem die Katholiken trotz des Verbotes eben doch zum großen Teil Nazis geworden waren.

Freitag, 3. Mai 1946.     

     Heute vor einem Jahre, früh 7 Uhr, rückten die Russen bei uns ein; endlose Troßkolonnen, wüste u. verwegene Kerle, richtige asiatische Menschen. –

     Und heute, ein Jahr später beenden wir diese drei heiligen Tage, in denen P. Drost versucht hat, uns Wege zu Gott zu weisen; aber es gibt nur einen Weg: den des Gebetes. Und davon handelten die beiden Vorträge nun des Vormittags. –

     Gestern Nachmittag hatten wir wieder eine sehr schöne Kaffeestunde mit dem Pater, wobei ich ihn nach seinen persönlichen Verhältnissen befragte. Er ist der Sohn einer sehr frommen Kätnersfamilie aus Schlesien u. er erzählte von seinen frommen Eltern u. dem Leben in seiner Kindheit. Er sagte, daß er Theologie viel weniger im Seminar studiert habe, sondern als Kind im Elternhause. Es ergab sich, daß die Geschichten, die er während der Vorträge als Beispiele echter Frömmigkeit hier u. da einflocht, immer Erlebnisse aus seinem Elternhause waren. – Dieser Pater ist ein sehr verehrungswürdiger Mensch, der Christus in sich trägt u. von Christus geprägt ist.

[3]      Von unserem Fritz ist leider immer noch keine Spur zu sehen oder zu hören.

Sonnabend, 4. Mai 1946.     

     Die letzten beiden Vorträge gestern Nachmittag behandelten ausschließlich das Gebet als das Mittel, zu Gott zu kommen u. die Schwierigkeiten des Lebens, besonders unserer Zeit, zu überwinden.

     Der gestrige Tag hatte begonnen mit einem feierlichen Hochamt. Es war ja auch der Herz-Jesu-Freitag. Am Schluß der Vorträge versammelten wir uns alle nochmals vor dem Altar, wo P. Drost für uns alle tief empfundene Gebete sprach. Wir sangen dann gemeinsam das Te Deum u. dann noch „Maria breit den Mantel aus“ u. „Meerstern ich dich grüße“. – Nachdem P. Drost das Zimmer verlassen u. alles eine Weile in Stille verharrt hatte, erhob sich die gute, alte Frau Longard und sprach im Namen aller Teilnehmer ihren Dank aus, daß Martha u. ich ihnen allen diese Tage ermöglicht hatte. Ich antwortete, indem ich den Dank gern für uns annahm, ihn aber weitergab an P. Drost u. vor allem an Gott, den himmlischen Vater, der uns diese Gnade geschenkt hat, u. zwar nicht bloß die Gnade dieser Tage, sondern überhaupt seit 1939, seit dem Ausbruch des Krieges. Ich schilderte kurz, wie es vor dem Kriege war: wie wir überhaupt keine Notiz davon genommen hätten, daß außer uns im Orte noch zwei oder drei andere Katholiken lebten, ebensowenig, wie diese von uns Notiz genommen hatten. Als dann der Krieg ausbrach u. wir nicht mehr am Sonntag nach Müritz zum Gottesdienst fahren konnten, haben Martha u. ich still für uns angefangen, eine Sonntagsandacht zu halten. Damals waren noch die Aquinata-Schwestern am Ort, aber das Haus wurde ihnen gekündigt u. damit fielen auch die kurzen Sommerwochen fort, in denen geistliche Herren hier waren u. Messe lasen. Es schien so, als wäre nun alles aus; aber wir kamen dadurch in den Besitz des Altars u. des Paramentenkoffers. Um diese Zeit machte der Rektor in Müritz den Pfarrer Dobczynski darauf aufmerksam, daß hier in Ahrenshoop einige Katholiken säßen u. er kam von da an vier Mal im Jahre zu uns. Inzwischen hatten auch unsere Sonntagsandachten bescheidenen Zuspruch gefunden: zuerst Frau Monheim, die regelmäßig kam, später kam noch der eine oder andere. Auch in der Batterie fanden sich Katholiken.

     So ging es den Krieg hindurch bis Pfr. Dobczynski dann im Juni 1945 starb. Wieder schien alles aus zu sein; aber die Teihnahme an den Sonntagsandachten hatte inzwischen sehr zugenommen, denn es gab nun ja so viele Flüchtlinge aus Schlesien u. Ostpreußen. Da kam P. Drost nach Ribnitz. Der Hl. Geist fügte es, daß Frau Margot Seeberg nach Ribnitz fuhr u. den Dr. Thron besuchte, just in dem Augenblick, als auch P. Drost bei Dr. Thron einen Besuch machte. Frau S. erzählte ihm von uns u. erweckte seine Neugierde, sodaß er sich zu Fuß auf den langen Weg hierher machte. Es war im Winter. Von da an kam P. Drost regelmäßig alle vier Wochen u. als er dann nach Rostock versetzt wurde, empfahl er uns seinem Nachfolger P. Beckmann, der sich unserer mit nicht geringerem Eifer annahm. Und nun konnten wir sogar so etwas wie dreitägige Exerzitien halten. Es ist Gnade über Gnade. –

     Nach dieser Schlußandacht tranken wir wieder bei [4] mir im Zimmer Kaffee, wozu wir auch Frau Longard einluden. Nachher hatte ich noch fruchtbare, religiöse Gespräche mit P. Drost.

     Heute früh ist er nun wieder abgefahren. Vergelte es ihm Gott, was er an uns getan hat. Ich war so erfüllt vom Reichtum dieser Tage, daß ich darüber vergaß, meinem Dank auch Ausdruck zu geben in Gestalt einer geldlichen Entschädigung, die ich ihm nun per Postanweisung nachsenden werde.

     Ich habe eine recht gute Nacht verbracht, nachdem ich am Freitag Abend die zweite Euvernil=Kur angefangen habe. Das Mittel wirkt sehr gut. Da ich an den Nieren keine Beschwerden mehr spüre, sondern nur noch in der Blase, die freilich überaus lästig sind, habe ich nun doch ein wenig Hoffnung, daß ich dieses Leiden vielleicht mit der Zeit wieder los werde, denn auch diese Beschwerden sind durch das Euvernil bereits besser geworden.

     Heute Morgen erhielten wir von Klaus ein Antwort-Telegramm: „Fritz unterwegs zu Euch, eintreffen etwa 8. Mai“. Wir freuen uns überaus. –

     Es ist heute herrliches Frühlingswetter.

Sonntag, 5. Mai 1946.     

     Schönes Frühstück mit Bohnenkaffee, der zwar nach Mottenkamfer schmeckt, aber doch die Lebensgeister aufmöbelt, ein Ei u. Butterbrot, u. alles in Gemächlichkeit hier unten in meinem Zimmer, da wir heute die Andacht ausfallen ließen, denn es war ja in dieser Woche reichlich Gottesdienst. Gesundheitlich geht es mir auch gut, die neue Euvernilkur bekommt mir ausgezeichnet.

     Gestern bekamen wir eine Karte von Otto Wendt, der uns mitteilte, daß er Fritz erwartet. Er fährt also über Hamburg u. muß jeden Tag hier eintreffen, denn Ottos Karte war schon vom Mittwoch vor acht Tagen.

     In der „Täglichen Rundschau“, diesem russischen Propagandablatt u. kommunistischen Hetzblatt steht ein Artikel von „Oberregierungsrat Venzmer“, indem mit lehrerhafter Pedanterie u. Arroganz den Künstlern Anweisungen gegeben werden, wie u. was sie zu machen haben. Dieser ehemalige, in Schwerin lebende Zeichenlehrer ist Präsident der Sektion für bildende Kunst im Kulturbunde. Er sitzt eben in Schwerin, wo es sonst keine Künstler gibt, u. so ist er dieser Präsident geworden, u. jetzt ist er Oberregierungsrat. Es ist wahrhaftig eine Affenschande.

     Gestern Abend besuchte uns Ilse Schuster, die aus Magdeburg für einige Tage hier ist. Sie wird jetzt ebenfalls dort im Kulturbund eine Stellung bekleiden u. sie erzählte von diesem Kulturbund, der immerhin wenigstens einige beachtenswerte Mitglieder hat, die auch offenbar etwas zu sagen haben, während hier in Mecklenburg alle naturhaften Künstler sich zurückhalten. Im übrigen ist auch dort alle Arbeit ohne Sinn, denn Magdeburg ist eine absolute Trümmerstadt u. für kulturelle Bestrebungen ist garkein Raum. Frau Sch. möchte gern, daß ich dort eine Ausstellung mache, da der Vorsitzende dort meinen Namen kennt u. gern bereit ist, eine Sonderausstellung zu machen; aber ich fürchte mich davor. [5] Es ist alles so unsagbar sinnlos. Die Lebensbedingungen in dieser Stadt sind furchtbar. Alles sitzt dicht gedrängt in den wenigen Wohnräumen, die verblieben sind u. die durch die russische Besatzung noch weiter verringert werden. Die Russen haben ganze Straßenzüge, die noch unbeschädigt sind, für sich beschlagnahmt. Solche Straßen dürfen von Deutschen nicht betreten werden. Die Russen haben Frauen u. Kinder kommen lassen u. haben sich häuslich eingerichtet. Die Bolschewisten-Frauen führen ein Faulenzerleben wie alle Russen, sie haben deutsche Dienstmädchen, die die Arbeit tun, während die Bolschewiken ein regelrechtes Bourgois=Dasein führen. Das ist die Rache: diese Bolschewisten werden allesamt für den Kommunismus verdorben.

     Auch in Magdeburg haben die Russen die gesamte Industrie ausgeplündert u. nach Rußland verschleppt, es ist so gut wie nichts dort geblieben. Die Bevölkerung wird vorläufig noch mit Wegräumen des Schutts beschäftigt, wenn diese Arbeit einmal getan sein wird, was freilich noch sehr lange dauern wird, dann wird es keinerlei Beschäftigung mehr geben u. dann erst wird die Katastrophe sich auswirken. – Auch in Ribnitz wird momentan das Werk von Bachmann abmontiert u. nach Rußland verfrachtet, alle arbeitsfähigen Männer hier sind zu dieser Arbeit dorthin dienstverpflichtet. So wie hier ist es überall, vor allem in der Provinz Sachsen im Industriegebiet. Es wird so werden, wie schon früher gesagt worden ist: Deutschland wird ein großer Kartoffelacker.

     Eben, 11 Uhr, ein Telegramm von Fritz. Demnach ist er von Königslutter, wo er bei Klaus war, nach Bebra gelangt, von dort nach Eisenach u. befindet sich jetzt, d.h. am 4. Mai in Erfurt, wo er das Telegramm aufgegeben hat. Er wird von dort, „in wenigen Tagen“ nach Lüdersdorf bei Schwerin kommen, wo er 14 Tage in Quarantäne bleiben muß. Demnach können wir ihn also keinesfalls vor drei Wochen erwarten. –

     Ein sehr netter Brief von Elisabeth Thiel aus Doberan.

     An Else geschrieben über Glaubensdinge als Antwort auf ihren letzten Brief.

     Es waren heute mehrere Herren vom Kulturbund aus Rostock hier mit zwei Autos, natürlich Herr v. Achenbach u. ein evang. Pastor Kleinschmidt mit seiner Frau, der sich im Kulturbund oft aufspielt u. sich den Anschein gibt, Kommunist zu sein. Ich kenne ihn persönlich nicht. Frau Dross ist zu Herrn v. A. gegangen, als sie hörte, daß er hier wäre, um sich zu beklagen, daß ein Bild von ihr auf dem Transport vom Kulturbunde nach hier verloren gegangen sei. Frau v. A. hat versucht, der Frau Dross den Eintritt zu verwehren, da die Herren angeblich eine sehr wichtige Konferenz hätten, aber impertinent wie Frau D. ist, hat sie sich nicht abspeisen lassen u. hat wenigstens festgestellt, daß alle Herren zu einem üppigen Mahle versammelt waren, dessen Duft ohnedies das ganze Haus erfüllte, daß es Alkohol u. Cigarren gab u. daß alle sehr fröhlich waren. Ich glaube es schon. Diese Herren leben allesamt einen sehr guten Tag u. essen auf, was anderen entzogen wird. Kommunismus! – Aber ich denke, daß diesen Herrn v. A. sein Schicksal wohl bald erreichen wird, denn er hat wegen seiner eitlen Arroganz [6] jetzt schon viele Feinde in Rostock. Gegen 6 Uhr sah ich den Herren abfahren in zwei Autos, einer großen Limousine für 6 Personen u. einem kleinen Wagen für 2 Personen, in dem eine Dame saß. Es wird wohl das Auto des Herrn Pastor Kleinschmidt, des Kommunisten, gewesen sein. Alle diese Leute leben von den Steuern der Mitbürger u. den Mitgliedsbeiträgen des Kulturbundes einen guten Tag, indessen das Volk hungert. Ich werde mich hüten, mit diesen Leuten etwas zu tun zu haben.

     Abends war noch Ilse Schuster da u. sah meine Bilder an. Sie war der Meinung, daß meine Bilder das größte Interesse der Kunstkreise in Magdeburg finden würden u. sie will dort entsprechend berichten. Aber was werden in Magdeburg schon für Kunstkreise sein? Vielleicht fünf oder sechs anständige Maler, – wenn es hoch kommt! – Ich sagte ihr, daß ich vorerst kein sehr großes Interesse an einer Ausstellung hätte. Dieser ganze Betrieb ist nicht sehr einladend. – Immerhin scheint der Kulturbund nach dem, was Ilse Schuster berichtet, in Magdeburg nicht so korrupt zu sein wie in Rostock, wo die Korruption unter der Leitung des Herrn v. Achenbach sehr bald beträchtliche Ausmaße annehmen dürfte.

Dienstag, 7. Mai 1946.     

     Gestern habe ich die Arbeit an der Himmelskönigin wieder aufgenommen. Es ist immer schwer, in eine Arbeit wieder reinzukommen, die man eine Zeit lang unterbrochen hat; aber ich kam ganz gut vorwärts. Das Bild wird nicht leicht werden.

     Heute bekamen wir einen Brief von Fritz vom 1. Mai aus dem Durchgangslager Erfurt. Er hat viele Schwierigkeiten zu überwinden, der arme Kerl, bis her heimkommt.

     Gegen Abend kam Herr Kreuzberg, der allein hier ist u. bei Achenbach wohnt. Er will zwei Tage hier aquarellieren. Er ist doch noch Geschäftsführer der Sektion; aber die Situation ist schwierig u. mit viel Aerger verbunden. Er ist ein sehr zurückhaltender Mensch u. erzählt nicht viel, sodaß man die Dinge mehr erraten muß. Vielleicht wird er morgen nach dem Abendessen noch einmal kommen u. dann vielleicht etwas mehr auftauen

Donnerstag, 9. Mai 1946.     

     Der Vorrat meiner Zigaretten, der den ganzen letzten Teil des Krieges u. das Jahr danach gereicht hat, ist nun am Ende u. damit wird es nun ernst mit der Forderung, sich das Rauchen abzugewöhnen. Ich habe schon sehr oft den Versuch dazu unternommen, aber so lange ich Cigaretten besaß, war ich zu schwach, mich freiwillig des Rauchens zu enthalten. – Nachdem nun aber der Vorrat zu Ende geht, bleibt nichts anderes übrig. In der Hoffnung mir die Abgewöhnung zu erleichtern, begann ich am Dienstag eine Novene zum hl. Joseph mit der Bitte um Hilfe u. Beistand. – Martha, die nichts davon weiß, fing merkwürdigerweise an diesem Dienstag beim Kaffee an, davon zu sprechen, daß sie mit Cigaretten allerhand tauschen könne, vor allem Butter. Ich bot ihr den Rest meiner Cigaretten, 120 Stück, an. Sie war sehr erstaunt. Ich sagte, daß die Cigaretten nun doch alle wären u. da sei es egal, ob ich einige Tage früher oder später aufhören müsse mit rauchen. – Das war also die erste, prompte Wirkung der Novene. Sonst aber kann ich nicht finden, daß der hl. Joseph mir die Entbehrung erleichtert. [7] Gestern Abend war Herr Kreuzberg bei uns. Er berichtete, daß die Idee, Ahrenshoop zum Kurort der Kulturbundes zu machen, von der Reichsleitung des Kulturbundes in Berlin ausgeht. Es wird heute im Dorfe erzählt, daß in den nächsten Tagen der Präsident der Landesverwaltung Högner u. a. hohe Regierungsleute höchstpersönlich herkommen sollen, um Ahrenshoop zu besichtigen. – Sonst ist Herr K. ein sehr vorsichtiger Mann, der nur das beantwortet, was man ihn fragt, was nicht grade sehr unterhaltsam ist. Etwas Neues wußte er nicht mitzuteilen.

Das Bild „Himmelskönigin“ ist schwierig.

Sonntag, 12. Mai 1946.     

     Am Freitag fuhr Martha mit dem Lastauto von Litzau nach Rostock, um im Wirtschaftsamt vorzusprechen u. sich sonst zu orientieren. Sie kam erst abends gegen 8 Uhr zurück. Herr Kreuzberg fuhr mit demselben Auto zurück. Martha hatte denselben Eindruck wie ich, daß Herr Kreuzberg umgefallen ist. Als er das erste Mal hier war, äußerte er sich sehr kritisch über Herrn v. Achenbach, aber jetzt wohnte er in dessen Hause u. es schien mir so, als nähme er für ihn Partei. Auch politisch scheint er sehr für die Russen zu sein, möglicherweise ist er gar Kommunist, mindestens aber in der neuen Einheitspartei. Es scheint mir, als wäre da Vorsicht am Platze.

     Ich habe jetzt alte Zeichnungen von mir aufgefunden aus den Jahren 1919 bis 1921, sogar eine Zeichnung aus dem Jahre 1917 aus Mazedonien. Es ist sehr schade, daß alle übrigen Zeichnungen, die ich damals in Mazedonien gemacht habe, verloren gegangen sind. Ich habe gestern diese alten Zeichnungen in Passepartouts getan, sie sind fast 30 Jahre alt.

     Gesundheitlich geht es wieder schlechter. Ich habe heute angefangen, Tabletten zu nehmen, die ich kürzlich aus der Apotkeke in Ribnitz bekommen habe, hoffentlich helfen sie etwas.

     Die „Himmelskönigin“ macht langsam Fortschritte. Das Bild ist schwer, namentlich das Jesuskind. Das Gesicht Marias ist ungefähr da. –

     Das Nichtrauchen fällt mir sehr schwer, aber mit Hilfe des hl. Joseph gelingt es mir, standhaft zu sein u. mir nichts anmerken zu lassen, sodaß Martha darüber erstaunt ist.

     In der BuStu. werden jetzt recht hübsche Rosenkränze aus Perlen gemacht, vor allem von Frau Degner. Die Beschaffung von Kreuzen ist allerdings ein noch ungelöstes Problem. Martha nahm zwei Muster nach Rostock mit u. zeigte sie im dortigen Pfarramt, wo man sehr entzückt war. Dort ist immer noch der kleine Kaplan, der mich damals, als ich mit der Mittelohrentzündung in der Klinik lag, versehen hat. Ich glaube, er hieß Jansen.

     Von Frau Knecht bekam ich einen blühenden Zweig geschenkt, sie hatte einen ganzen Arm davon voll. Es ist eine satt-rosa Blüte, ich vermute, daß es eine Art Zierpflaume ist. Bei Reinmöller gibt es davon viele Büsche. Ich machte gleich eine Zeichnung davon. Diese ist völlig abstrakt. Es scheint, als wenn meine Malerei, wenn es sich um Blumen handelt, ganz von [8] immer entschiedener sich zum Abstrakten hinwendet. Anders ist auch die Fortführung der natürlichen Wirklichkeit zur reinen Idee der Dinge nicht zu erreichen. Ich bin mir klar darüber, daß ich mir auf diese Weise den Weg zum Verständnis in breiteren Schichten völlig verbaue, aber ich kann mich deshalb nicht abhalten lassen. Ich sehe, daß es keinen anderen Weg gibt, um das auszudrücken, was ich meine, u. daß dieser Weg richtig ist. Das Bild, das ich auf diese Weise mache, ist zwar bestimmt kein Bild dessen, was Gott eigentlich gedacht hat, als er das Ding schuf u. zu dem das Ding hinstrebt; aber mein Bild liegt doch bestimmt auf dieser Linie insofern, als es die rohe Malerei überwindet u. von der Vielheit der Formen zur Einheit strebt. Mögen die Menschen das nun verstehen oder nicht, es soll mir gleich sein.

Montag, 13. Mai 1946.     

     Man hört heute, daß gestern im Kurhause die maßgebenden Leute versammelt waren, die die Vorbereitungen zu treffen haben, um Ahrenshoop zum Erholungsort für geistig Schaffende zu machen. Es soll auch der Herr „Oberregierungsrat“ Venzmer aus Schwerin dagewesen sein. Diese Sache gewinnt also offenbar Gestalt.

     Heute wurde mein Bild der Himmelskönigin fertig, – eigentlich ganz überraschend. Martha ist von diesem Bilde sehr entzückt. – Leider fühlt sie sich heute nicht wohl u. ist ins Bett gegangen.

     Im Garten hat Trude heute Tomaten gepflanzt, sowie Dahlien. Ich kann mich nun nicht mehr um den Garten kümmern u. so wird er langsam verwahrlosen. Die Tomaten sind einfach in die Erde gesetzt worden ohne jeden Kompost, denn es ist zu schwer u. zu mühsam, den Kompost nach vorn zu bringen; aber dafür wird auch nichts draus werden. Die Steinterrasse vor dem großen Hause ist total verunkrautet, da kann man nichts mehr bei tun.

Dienstag, 14. Mai 1946.     

     Heute von Erichson Nachricht, daß Fritz im Quarantänelager Fürstenberg ist, wo er offenbar Erichsons Schwiegersohn Dr. Glöde angerufen hat, um uns diese Nachricht zu übermitteln. Danach können wir Fritz nicht vor dem 22. Mai erwarten. So schieben sich die Termine immer weiter hinaus.

     Von Pater Joh. Beckmann Nachricht aus Ribnitz, daß er am kommenden Sonntag nachmittags zu uns kommen wird, um Erna, das Mädchen von Frau Longard, mit ihrem Verlobten zu trauen. Dieser war Soldat, Gefangener, u. ist seit einiger Zeit hier. Das Paar will heiraten, kann es aber nur Sonntags tun, da er dienstverpflichtet ist nach Ribnitz, wo er das Werk von Bachmann abzubauen helfen muß. Die Arbeit wird drei Monate dauern. – Bachmann scheint damit völlig erledigt zu sein. Sein Haus hier ist ebenfalls beschlagnahmt worden u. soll, so viel ich weiß, für die Künstler mit zur Verfügung gestellt werden, die der Kulturbund hierher transportieren wird. Am kommenden Sonntag soll abermals eine Beratung hierüber hier stattfinden, zu der auch des Landrat erscheinen soll.

     Das Bild der Himmelskönigin ist, wie ich heute feststellen konnte, wirklich sehr schön geworden. Merkwürdigerweise hatte ich gestern garkein Gefühl dafür, es war mir ganz gleichgültig. – Heute habe ich noch einmal das letzte [9] Bild vorgenommen, das ich vor meiner Erkrankung malte, bzw. als ich bereits krank war. Ich habe es noch einmal überarbeitet u. ihm stärkere Kontraste gegeben. Es sieht jetzt besser aus. – Sodann habe ich eine Holzplatte zurechtgeschnitten, auf die ich die gelben Narzissen malen möchte, die ich während der Krankheit gezeichnet habe. Ich werde das Bild auf die ungrundierte Holzplatte malen.

     Martha ist nicht wohl, ging gestern schon am späten Nachmittag ins Bett u. blieb heute vormittag liegen, doch ist sie nachmittags wieder auf.

     Das Nichtrauchen fällt mir doch recht schwer. Ich hatte gedacht, daß die ersten Tage am schwersten sein würden, doch ist das nicht der Fall. Ich rauche jetzt seit einer Woche nicht, aber das Bedürfnis ist jetzt viel stärker als zu Anfang.

     Der einzige Apfelbaum, den wir haben, ist in diesem Jahre über u. über mit Blüten bedeckt, die eben grade aufgehen. Aber nun hat heute ein kalter Nordwind zu wehen begonnen, der sicher bis zum fünfzehnten anhalten wird u. Gefahr des Frostes mit sich bringt. Aber auch ohne Frost wird es keinen Insektenflug geben u. die Früchte werden nicht ansetzen.

Mittwoch, 15. Mai 1946     

     Schlechte Nacht gehabt, wieder Urindrang, wahrscheinlich Wirkung des kalten Wetters.

     Heute morgen das Narzissenbild angelegt. Plötzlich kam Martha von drüben ins Haus gestürzt mit dem Ruf: „Fritz kommt!“ – Er hat von Ribnitz aus bei der Post angerufen. Er wird versuchen, schnellstens rüber zu kommen, sodaß wir ihn stündlich erwarten können.

     Bald nach 4 Uhr traf er ein. Er sieht gut aus, wenn auch sein Civil sehr zusammengestoppelt ist. Wir tranken Kaffee, da er in Ribnitz zu Mittag gegessen hatte u. er erzählte, – erzählte –, erzählte! – Er ist sehr viel reifer geworden, nicht mehr so verspielt, er hat Verantwortungsgefühl u. ein Bewußtsein von persönlicher Würde. Wir sind sehr glücklich, daß er nun wieder da ist. – Gott, der ihn in dieser ganzen Kriegszeit so gnädig behütet hat, sei Lob u. Dank! –

Freitag, 17. Mai 1946.     

     Fritz ist ganz der alte, nur viel reifer, verständiger u. ernster, was aber seinem Sinn für Humor keineswegs Abbruch tut. Es ist eine große Freude, ihn hier zu haben, ihn zu sehen, mit ihm zu sprechen. Er hat natürlich Mühe, sich in alles wieder einzuleben, womit aber nicht gesagt ist, daß er sich hier fremd fühlt. Er nimmt nach u. nach Besitz von den Dingen u. stellt fest, wie sehr alles ruiniert ist durch den langen Krieg. Es ist alles kaputt, denn in diesen Jahren ist ja nichts repariert worden, aber vieles ist verdorben.

     Von Klaus hat er einen Brief mitgebracht, der erkennen läßt, wie dieser unglücklich veranlagte Mensch unfähig ist, mit dem Leben fertig zu werden. Ich habe diesen Brief sehr oft gelesen, aber ich weiß immer noch nicht, was ich ihm antworten soll, was ich ihm raten soll. Ich glaube, daß man ihm garnicht raten u. helfen kann, denn er befindet sich in einer völligen Verworrenheit. Man müßte ihn wohl völlig herausnehmen aus seinem Leben u. Beruf, ihn auf völlig neue Grundlage stellen; aber wie soll das geschehen, – u. würde es Zweck haben? Er erwartet immer noch persönliches Glück vom Leben, aber was er Glück nennt, ist keines. [10] Man müßte ihn dazu bringen, freiwillig auf dieses eingebildete Glück zu verzichten, u. indem man dieses Glückstreben ganz u. ausschließlich auf Gott u. das Jenseits richtet, doch sehe ich nicht, wie das erreicht werden könnte.

     Das Narzissenbild ist nicht leicht. Es geht nur langsam damit voran. Gestern u. heute habe ich nur an dem Tisch gemalt, auf dem die Vase steht u. an der Vase selbst, aber ich bin noch nicht zufrieden.

     Gestern zeigte ich Fritz sämtliche Bilder, die ich seit 1944 gemalt habe u. von denen er ja noch keines gesehen hatte. Sie machten starken Eindruck auf ihn. Es war natürlich zu viel u. zu neu, als daß er eine richtige Stellung dazu finden konnte, – das muß erst nach u. nach kommen. Ich möchte, daß er einige der Bilder photographiert, damit ich damit etwas machen kann. Ich denke daran, Redslob zu interessieren u. dazu brauche ich Fotos.

Montag, 20. Mai 1946.     

     Gestern Nachmittag fand die Trauung der Erna von Frau Longard u. ihres Bräutigams statt. Wir hatten das ganze Haus, vor allem aber den Altarraum sehr schön mit Blumen geschmückt. Es gab Tulpen aus unserm Garten, Goldlack u. Flieder aus Althagen, wo er bereits anfängt, zu blühen, Maiglöckchen u. wilde Kirsche aus unserem Garten.

     Um 6 Uhr traf pünktlich P. Beckmann ein. Er hatte Vormittags in Dierhagen u. dann in Wustrow Gottesdienst gehalten. Es ist immer erstaunlich, was dieser keineswegs sehr kräftige Mann leistet. Erna wurde derweil im kleinen Hause mit weißem Schleier u. Myrtenkranz versehen. Sie trug ein schwarzes Kleid u. sah sehr hübsch aus. Dann wurde das junge Paar unter Vorantritt blumenstreuender Kinder ins große Haus geleitet. Sie empfingen erst in der „Sakristei“, d.h. in Marthas Schlafstube, den nötigen Brautunterricht u. legten dann nacheinander die Beichte ab. Nach der Beichte sangen wir. „Fest soll mein Taufbund immer stehen." Es war überaus voll, sodaß die Tür offen stehen bleiben mußte. Unter den Gästen war auch Frau Graeff, eine abgestandene Katholikin, die seit vielen Jahren keiner hl. Messe mehr beigewohnt hat u. die Nazi gewesen war. – Dann begann das hl. Hochamt, zu dessen Eingang wir „Lobe den Herrn“ sangen. Wir haben überhaupt viel gesungen, zum Offertorium, zum Sanktus u. zur Kommunion, zum Schluß: „Lobt froh den Herrn“.

     P. Beckmann vollzog die Trauung sehr feierlich, zuerst mit einer kurzen Ansprache, sodann sprach er alle Gebete in deutscher Sprache, was sehr schön war. Daran schloß sich dann das feierliche Hochamt. Obwohl P. Beckm. sehr ermüdet war u. er nur eine ganz kurze Predigt hielt, war doch alles besonders schön. Es schien mir, als ob er die liturgischen Texte viel besser sprach, bzw. sang, als wir es sonst bei ihm gewöhnt waren. Alle waren in sehr gehobener Stimmung. Als alles vorbei war, sprach ich Frau Graeff an u. drückte ihr meine Freude aus, daß sie unseren Gottesdienst besucht hatte u. sprach die Hoffnung aus, daß es nicht das letzte Mal gewesen sein möge. Sie war darüber arg verlegen.

     Nach dem Hochamt ließen wir P. Beckm. etwas Zeit zur Erholung in meinem Zimmer in dem bequemen Sessel, aber dann mußten wir bald zu Frau Longard, wo wir ein bescheidenes, aber gutes Abendbrot aßen mit Kartoffelsalat u. Preßwurst aus einer Büchse, anschießend Kaffee, in dem Bohnenkaffee enthalten war u. sehr viel [11] Kuchen mit einer falschen Schlagsahne. Der Tisch war mit bescheidenen Mitteln sehr hübsch gedeckt u. Frau Longard machte in ihrer überaus liebenswürdigen Art die unterhaltende Wirtin. Es gab zum Schluß sogar ein Gläschen Schnaps, den wir freilich aus Eierbechern trinken mußten, da Frau L. nicht so viele Gläser besaß. Wir waren acht Personen. Um 11 Uhr gingen wir wieder nach hause. Ich war sehr müde, konnte aber gleichwohl nicht schlafen infolge des Bohnenkaffees.

     Heute früh um 8 Uhr hatten wir noch eine hl. Messe. Wir frühstückten dann mit P. Beckmann. Martha zeigte ihm dann die Bunte Stube u. vor allem die Rosenkränze, die Frau Degner gemacht hat als Muster. Wir besprachen die Möglichkeiten. P. Beckmann pflichtete meiner Ansicht bei, daß diese Rosenkränze vom Pfarramt gekauft u. bezahlt werden müßten, damit wir vom Erlös die Flüchtlinge bezahlen können, die diese Sachen machen, während das Pfarramt die Rosenkränze zu einem wesentlich billigeren Preis weitergeben soll. Auf diese Art würde das Pfarramt praktische Flüchtlingsfürsorge ausüben. P. Beckmann wird heute Abend nach Berlin fahren u. er wird dort versuchen Kruzifixe für diese Rosenkränze zu bekommen. – Er ging dann noch zu Triebsch u. wird von dort nach Ribnitz zurückfahren. Ich sprach auch mit ihm über Triebsch u. wir kamen überein, nach Pfingsten an irgend einem besonderen Festtage die Taufe vorzunehmen. Ich bin der Meinung, daß es bei Triebsch nicht so sehr darauf ankommt, daß er alle dogmat. Glaubenswahrheiten beherrscht, als darauf, daß er endlich zum Empfang der Sakramente kommt. Pater Beckmann pflichtete, dem bei u. er wird versuchen, in diesem Sinne mit Triebsch zu reden.

Mittwoch 22. Mai 1946.     

     Gestern das kleine Bild mit den gelben Narzissen fertig gemalt. Es ist sehr abstrakt, jedoch hat man doch noch den Eindruck eines Tisches, auf dem eine Vase mit gelben Blumengebilden steht, nur daß es Narzissen sind, erkennt man nicht mehr. Es ist aber sehr durchgearbeitet, der Hintergrund geht ganz in der Komposition auf. Auch farbig ist es sehr warm in gelben u. rotbraunen Tönen.

     Ich versehe meine Zeichnungen, die nun alle in Passepartouts sind, mit farbigen, schmalen Leisten als Rähmchen an der Innenkante der Passepartouts, wie ich es bei Koch-Gotha gesehen habe, wodurch die Zeichnungen ein sehr schönes Ansehen bekommen. Ich werde diese Zeichnungen im Sommer in der BuStu. ausstellen, nachdem nun wirklich feststeht, daß Ahrenshoop Kurort für Künstler u. andere Kulturschaffende werden soll. Es heißt, daß die ersten Gäste ab 1. Juni erwartet werden sollen, u. zwar auch aus den westlichen Zonen. Die Sache wird anscheinend groß aufgezogen. Es ist sogar ein Kurdirektor eingesetzt worden in Person des Herrn Michelsen aus Ribnitz, eines sehr sympatischen Mannes, der bereits hier ist u. im Kurhause wohnt. Das Kurhaus ist ganz gerüstet, Gretl Neumann hat alles sehr geschickt u. energisch betrieben, sie hat sogar eine Kuh angeschafft. Ich habe mit Fritz die Möglichkeiten besprochen, in der BuStu. geeignete Wandflächen zu schaffen, um Zeichnungen aufhängen zu können. Bilder will ich dann nur im Atelier zeigen nach vorheriger Anmeldung solchen Leuten, die sich besonders interessieren. Ich verspreche mir davon sehr viel in ideeller Beziehung, da ich annehme, daß auch viele Schriftsteller u. Kunstverständige Kritiker herkommen werden. Ich entgehe auf diese Art dem sonst üblichen Ausstellungsbetrieb u. dem dummen [12] Geschwätz des Banausentums. Ob dabei auch ein materieller Erfolg erzielt werden kann, steht dahin u. es ist mir das auch ziemlich gleichgültig. Es kommt mir nur darauf an, einen kleinen Kreis von Leuten zu finden, die sich interessieren u. dann weiter arbeiten. Ich selbst werde ja kaum noch viel tun. Es ist möglich, daß ich noch einige hübsche Bilder malen werde, aber wohl kaum noch etwas Neues. Ich habe das Gefühl, daß ich mit dem Christkönig u. der Himmelskönigin alles gesagt habe, was ich zu sagen hatte. Auch sonst erübrigt sich nun meine weitere Mitarbeit in den Belangen des irdischen Lebens, seitdem Fritz wieder da ist u. in eifriger u. sehr verständiger Weise die Interessen des Geschäftes wahrnimmt u. für Martha sorgt. Er war gestern in Ribnitz u. hat in ausgezeichneter Weise mit dem Wirtschaftsamt u. anderen maßgebenden Stellen verhandelt, sodaß die Behörden am Gedeihen unseres Geschäftes interessiert werden. Daran hat es in diesem ganzen ersten Nachkriegsjahr gefehlt, denn ich selbst konnte es nicht mehr.

     Obwohl es mir gesundheitlich ganz gut geht, habe ich doch das Gefühl, daß ich es nicht mehr sehr lange in diesem irdischen Leben treiben werde. Ich habe körperlich in dieser letzten Zeit zwar sehr erfreulich zugenommen, aber dennoch bin ich leicht müde u. kann nicht viel leisten. Es ist auch noch keineswegs so, daß alle Krankheitssymptome vorbei wären. Es besteht immer noch ein gewisser Urindrang, der Urin sieht sehr trübe aus u. ist auffällig schaumig, sodaß ich annehme, daß viel Einweiß darin ist. Aber vielleicht gibt sich das auch noch, wenn ich noch einmal eine Euvernilkur mache. Fritz hat mir diese Tabletten noch einmal mitgebracht von Klaus. Ich will in Juni die Kur noch einmal wiederholen.

Donnerstag, 23. Mai 1946.     

     Gestern Nachmittag war der Maler Holst aus Wustrow u. seine Frau, die ebenfalls Malerin ist u. unter ihrem Mädchennamen Sommer als Künstlerin einen gewissen Ruf genießt, bei mir, um meine Bilder zu sehen. Koch-Gotha hatte sie wieder neugierig gemacht. Der Christkönig machte den weitaus stärksten Eindruck auf sie. Frau Holst=Sommer ist eine sehr energische, zielbewußte Frau, – als Frau nicht grade sehr fraulich, aber als Künstlerin doch recht beachtlich. Das Einzige, was ich ihr vorzuwerfen habe, ist, daß sie sich mit diesem eitlen Dummkopf von Mann eingelassen u. ihn geheiratet hat. Er hat, solange wir vorher Kaffee tranken, pausenlos von sich erzählt, von seinen Krankheiten u. Gebrechen, von seiner Tüchtigkeit u. Arbeit usw. Die Frau gab mir später einen guten Tipp zur Beschaffung von Bilderrahmen.

     Ich zeichnete gestern den ganzen Tag ein einem blühenden Zweig wilder Kirsche, ohne jedoch zu einem recht befriedigenden Resultat zu kommen.

Sonnabend, 25. Mai 1946.     

     Gestern an Klaus geschrieben als Antwort auf den Brief, den er Fritz an uns mitgegeben hatte u. der die Haltlosigkeit dieses Menschen in erschütternder Weise offenbart. Ich habe sehr ernst geschrieben u. ihn darauf hingewiesen, daß er Schuld über Schuld auf sich geladen habe, für die er einst Rechenschaft abzulegen habe. Sehr vieles, ja das Meiste ist überhaupt nicht mehr gut zu machen. Er hat seine Frau Irmingard, anstatt ihr Stütze u. Schutz zu sein, wirklich in verzweifelte Verhältnisse gebracht u. bei der törichten Art der Erziehung seiner beiden Jungens legt er jetzt schon den Grundstein für ein späteres, zerfahrenes u. fruchtloses Leben. Ich habe ihn sehr ernst ermahnt, endlich umzulernen, umzudenken u. Buße zu tun. [13] An dem wilden Kirschenzweig gestern weitergearbeitet. u. ihn so weit gebracht, daß er als Grundlage für ein Bild dienen kann. Die Zeichnung selbst ist zwar noch nicht gut, jedoch enthält sie jetzt Entwicklungsmöglichkeiten, die ein gutes Bild versprechen. Ich spannte dazu einen neuen Keilrahmen auf u. grundierte die Leinewand noch gestern Abend, aber die restliche Grundierfarbe, die ich noch habe, ist nicht mehr recht zu gebrauchen, sodaß die Leinewand heute morgen, nachdem sie trocken geworden war, allzu porös geworden war. Ich konnte deshalb damit nichts anfangen u. mußte sie noch einmal grundieren, fürchte aber, daß auch jetzt noch nichts daraus wird.

     Eine schlechte Nacht gehabt, viel Schmerzen im Bein. Ich machte gegen 3 Uhr Licht u. fand, daß meine Venen in auffälliger Weise sehr dick geschwollen waren, sowohl an Armen u. Händen wie auch an den Beinen. Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat. Am Morgen war diese Erscheinung dann wieder verschwunden. Martha ist in einer rührenden Weise besorgt um mich.

     Heute sollen bereits zehn Gäste im Kurhause eintreffen. Es heißt, daß viele sehr prominente Künstler herkommen sollen. Fritz bemüht sich außerordentlich, das Geschäft auf einen ordentlichen Stand zu bringen.

     Die politische Entwicklung bewegt sich in der von mir erwarteten Weise weiter. Die pariser Außenminister-Konferenz hat sich „vertagt“, um nicht das hoffnunglose Wort zu gebrauchen, sie sei ergebnislos abgebrochen worden. Man will Frieden schließen mit den ehemaligen Feinden, kann aber nicht verhindern, daß ein Krieg der Gegensätze unter den ehemaligen Freunden ausbricht. Der Oberbürgermeister von Frankfurt meldet bereits ganz öffentlich den Anspruch seiner Stadt an, die neue Hauptstadt des Deutschen Reiches zu werden, was nur so viel bedeuten kann, daß man ein Auseinanderbrechen des Reiches in eine westliche u. östliche Hälfte für unvermeidlich hält. Damit wäre dann das Reich endgültig erledigt. Die Russen entwickeln mehr u. mehr eine Politik des Ausgleiches in der östlichen Zone, man sagt, sie wollten ihre Besatzung noch weiter vermindern, sodaß hier bei uns nur noch Rostock u. Schwerin besetzt sein sollen. Da nun in der westlichen Zone der Hunger immer größer wird, während man bei uns zur Not leben kann, gewinnen die Russen mehr u. mehr Sympathie. Sonst aber schweigt man. Es verlautet kein Wort davon, daß der Osten sich selbständig machen wird, aber ich erwarte es mit immer größerer Gewißheit.

     Wir beginnen, uns auf einen kohlenlosen Winter einzurichten. Wir werden die Zentralheizung still legen müssen u. versuchen, Kachelöfen zu bekommen. Es ist uns endlich gelungen, das alte Flüchtlings-Ehepaar Meier mit ihrem idiotischen Sohn los zu werden, sie ziehen jetzt eben um in das „Haus am Meer“, wo Frau Lenhardt sehr froh ist, daß jemand in dem leer stehenden Hause wohnt u. die verbliebenen Reste in Ordnung hält. Wir werden den Kachelofen, der in ihrem bisher bewohnten Zimmer in kleinen Hause steht, abreißen u. in mein Atelier stellen lassen, bei mir unten werde ich vielleicht einen eisernen Kanonenofen aufstellen lassen, damit ich wenigstens mein Schlafzimmer etwas anwärmen kann. Die Kohlennot bereitet mir ernsthafte Sorge.

Montag, 27. Mai 1946.     

     Die Andacht gestern war schwach besucht, da zur gleichen Zeit ein Propaganda-Redner der CDU. in Althaben im Ostsee-Hotel eine Rede hielt. – Nachmittags waren wir bei Küntzels zum Kaffee anläßlich des Geburtstages von Grete, die uns ihren Garten zeigte. Sie hat umfangreiche [14] Gemüsebeete angelegt, was gewiß sehr viel Arbeit gemacht hat u. dauernd erfordert. Im übrigen war es so langweilig wie immer. Das Ehepaar sagt sich dauernd versteckte Unfreundlichkeiten, bzw. pöbelt sich gegenseitig unverhohlen an u. verpestet damit die Atmosphäre. Nach zwei Stunden hatte ich genug u. wir brachen wieder auf, wobei ich gut meine Krankheit vorschützen konnte. Ich war in der Tat so erschöpft, daß ich es nicht länger ertragen konnte. Abends gingen wir dann früh schlafen. Ich hatte in der Nacht vorher wieder sehr wenig geschlafen u. holte das in dieser Nacht wieder gut ein, obschon wir in der Nacht das erste Gewitter hatten. Heute regnet es, was sehr nötig ist für das Wachstum, es war überaus trocken. Starker Nord-Ost-Wind der letzten Tage hatte alles ausgedörrt.

     Heute Morgen habe ich das Kirschblüten-Bild angelegt. Beim Ordnen u. Zurechtmachen meiner alten Zeichnungen fand sich eine Zeichnung aus dem Jahre 1923, die mir ungemein gut gefällt. Es ist ein Interieur, die rechte Stube im kleinen Haus, ehe das Zimmer für die BuStu. umgebaut worden ist. Ich will davon ein Bild malen in ziemlich großem Format, etwa 150 x 110 cm., Querformat. Es wird mich zwar sicher sehr anstrengen, aber es reizt mich sehr. Vor einer parallel zur Bildfläche stehenden Wand, die ich mir in hellrosa Tönen denke, steht ein Sofa, altmodisch grün, davor ein Tisch mit weißer Decke, Fußboden mit braunem Teppich. Das Sofa steht in einem Winkel, welcher durch einen schweren, grünen Vorhang gebildet wird u. in diesem Winkel sitzt eine lesende Frau, deren Buch auf dem Tisch liegt. Rechts ist ein Fenster, durch das gelbes, warmes Sonnenlicht hereinflutet, ein Tisch mit Blumen u. ein Glasschrank, der aber nur andeutungsweise da ist u. durch den man zeitweise hindurchsieht. Links vorn Vorhand ist noch ein Fenster, dessen Licht durch grüne Bäume gedämpft wird, ebenfalls mit Blumen. Das Ganze ist sehr räumlich, sehr lebendig u. sehr farbig. –

     Die zu erwartenden Sommergäste sollen erst am kommenden Sonnabend eintreffen. Die Ahrenshooper sind sehr in Erwartung. – Heute brachte Frau Burgartz die neuen Lebensmittelkarten-Bescheinigungen. Man hat mich diesmal wieder um eine Stufe herabgesetzt. Frau B. sagte mir, daß die Russen wieder schärfere Bestimmungen erlassen hätten. Dafür kosten diese Bescheinigungen jetzt neuerdings 1,– Rm. Gebühren an den Kulturbund, der damit seine schmale Kasse auffüllt.

     Seit heute habe ich eine neue Euvernil-Kur begonnen, die ich vier Tage einhalten will.

Dienstag, 28. Mai 1946     

     Gestern Nachmittag Leinewand aufgespannt 150 x 115. Für dieses Maß hatte ich Keilrahmen, das frühere Bild „Jo + Jupiter“ war darauf, das wir kürzlich aufgefunden haben u. das so wie so total verdorben war, weil es jahrelang in dem feuchten Raum meines früheren Ateliers gestanden hat. Es soll nun das Interieur darauf kommen. Ich habe die Leinewand auch gestern grundiert, leider war die Grundierfarbe nicht mehr recht brauchbar. Ich werde die Fläche, die sehr ungleichmäßig geworden ist, mit Schmirgelpapier abreiben müssen u. dann wahrscheinlich ein zweites Mal grundieren müssen.

     Gestern wurde erzählt, daß am Sonnabend ein Last=Auto bei Reinmöller vorgefahren sein soll, mit dem Russen alle Kleider u. Wäsche von Prof. R., sowie Teppiche u. Möbel abgeholt haben sollen. Ich sah allerdings ein sehr hoch mit allerhand Möbeln bepacktes Auto hier vorbeifahren. [15] Reinmöller ist nun schon wochenlang fort, ohne daß man mehr von ihm weiß, als daß er im Lager von Neu=Brandenburg sein soll. Es ist doch ein fast unerträglicher Zustand, daß irgendwelche Menschen einfach u. willkürlich abgeholt u. verschleppt werden, ohne daß man erfährt, wo sie sind, was mit ihnen wird. Diese Methoden haben die Nazis angefangen u. unsere „Befreier“ wenden dieselben an. Wenn schon der Kommunismus bei uns in Ostdeutschland als Norm gelten soll, so könnte man sich damit ja durchaus abfinden, man könnte ihn sogar als notwendig bejahen, aber daß damit ein Zustarnd völliger Rechtlosigkeit verbunden sein soll, ist ein unerträglicher Gedanke. – Aber wer führt den Kommunismus ein? Antwort: Die Russen im Verein mit der sog. Einheitspartei, – von einer Volksabstimmung ist garkeine Rede, denn sie würde klar ergeben, daß die Mehrheit des Volkes das nicht will. Es ist genau dieselbe Diktatur wie unter den Nazis, – vielleicht noch schlimmer. –

Am Sonntag Abend tauchte plötzlich der Bruder von Frl. v. Tigerström bei uns auf. Martha erzählt mir, daß er nach Schweden wolle. Was er hier will, weiß ich nicht, jedenfalls nächtigt er bei uns.

Mittwoch, 29. Mai 1946.     

     Gestern legte ich das andere Blumenbild an, blühende Zweige, die mir Frl. Schröder, die Hausdame von Reinmöller in der vorigen Woche geschickt hatte, ich glaube, daß es Quittenblüten sind. Ich male dieses Bild auf eine Sperrholzplatte, die von einer Kodak-Reklame herrührt.

     Danach nahm ich mich der Leinewand wieder an, rieb sie mit Sandpapier ab u. mußte feststellen, daß die Fläche so porös war, daß man so nicht gut darauf malen konnte. Ich besaß noch eine Blechbüchse, die Fritz einmal aus Frankreich geschickt hatte u. in der weiße Oelfarbe war, womit ich Fensterrahmen angestrichen hatte. Diese Büchse war noch halb voll, sehr eingedickt, aber doch noch brauchbar. Ich setzte Terpentin zu u. strich damit die Leinewand noch einmal sehr mager. Nun habe ich Sorge, ob sich auf diesem Grunde malen läßt, da Oelfarbe doch zu reißen pflegt, wenn man auf sie auf weiß gestrichene Gegenstände aufträgt, allerdings wohl nur, wenn es sich um weißen Lack handelt. Nun weiß ich nicht, ob in jener Oelfarbe Lack enthalten war, glaube es aber nicht, bzw. ich möchte es nicht glauben. Wenn solcher darin war, so hoffe ich, daß die Leinewand ihn aufgesogen hat u. er nicht weiter schädlich ist. Die Leinewand ist so weit ganz gut geworden, doch will ich sie vorsichtshalber nochmals mit Sandpapier bearbeiten. Das handgewebte Leinen hat sehr viele Knoten, die teilweise recht störend sind, vielleicht bekomme ich sie weg, kann aber mit dem Sandpapier die Fläche doch etwas aufrauhen, damit der Grund noch etwas saugt. Ich habe noch nie auf solchem Oelgrund gemalt.

     Fritz ist in der BuStu. sehr eifrig tätig. Ich sah es mir gestern an. Es ist erstaunlich, was er gemacht hat. Der Turm, der in den letzten Kriegsjahren verschlossen war u. als Vorratsraum diente, ist wieder eingerichtet u. wirkt mit wenigen, sehr mäßigen Ausstellungsgegenständen doch sehr anständig. Er hat seine großen Fotos aufgehängt u. auf den Tischen Radierungen von Schultze-Jasmer unter Glas. Er ist jetzt dabei, Wände zu spannen, an denen meine Zeichnungen hängen werden, die ich nun nach u. nach fast alle mit gezeichneten Rähmchen versehen habe. Den Rest mache ich heute u. morgen fertig. Am Pfingstsonnabend soll alles fertig sein, denn dann kommen die ersten Gäste. Am Pfingstsonnabend ist Marthas Geburtstag.

[16]      Nachmittags war der junge Stechow aus Althagen da mit einem Herrn Meier, der wohl Flüchtling ist u. Werkmeister irgend einer Fabrik, ein sehr intelligenter, sympatischer Mensch. Beide zusammen haben sechs Schaukelpferde gemacht, von denen aber erst drei fertig sind. Wir haben sie sofort gekauft u. die noch zu machenden drei Stück ebenfalls. Die Stücke sind ganz ausgezeichnet, sehr solide u. stabil gearbeitet, nur daß der fertige Anstrich mangelhaft ist, weil sie keinen Firnis haben. Wir werden nun noch Sattelzeug u. Zaumzeug dazu machen u. haben damit wirklich ganz große Zugstücke im Laden. Man wird heutzutage dergleichen kaum in den Großstädten finden. Diese Pferde u. unsere wirklich bemerkenswert guten Puppen, die wir von den Damen machen lassen, die wir beschäftigen, sind wirklich sehenswert. Wir beschäftigen vier Damen zur Herstellung von allerhand Dingen wie Gürtel, Haarnetze, Einkaufsnetze usw. u. können uns mit dieser Produktion sehen lassen. Dazu haben wir noch eine ältere Dame als Verkäuferin, Frau Handschuch, sie war einmal die Frau eines Geschäftsinhabers für Eisenwaren u. Haushaltungsartikel in irgend einer Stadt im Osten u. hat alles verloren, sie ist sehr gewissenhaft u. reell. Auch die anderen Damen sind alle Flüchtlinge bis auf die Tochter des Briefträgers Fiek, der verschollen ist, ebenso wie ihr Mann.

     Vorläufig geht das noch alles, aber die Zeit wird kommen, wo kein Mensch mehr Geld hat. Deutschland geht immer mehr dem völligen Ruin entgegen. Trotzdem arbeiten wir weiter, als ob nichts geschehen wäre. So habe ich den beiden Herren Stechow u. Meier heute die Maße meiner sämtlichen Bilder gegeben u. lasse Rahmen machen. Dabei las ich heute in der russisch redigierten Täglichen Rundschau, dem zur Zeit maßgebenden Organ in der russischen Zone, eine Kritik über drei berliner Kunstausstellungen, die den Gipfel der Unverschämtheit darstellt. Dieser Kritiker bemängelt vor allem, daß die deutschen Künstler sich nicht mit dem aktuellen Zeitproblemen befassen. Was sollen sie da wohl malen: Plündernde Kosaken u. betrunkene Offiziere? Im übrigen reißt dieser Kerl die Arbeiten der Künstler runter, daß es nur so eine Art ist. Es ist wirklich eine unerhörte Unverschämtheit, die mir aber beweist, daß es garkeinen Sinn hat, an die große Oeffentlichkeit zu gehen.

Donnerstag, 30. Mai 1946     
Himmelfahrts-Tag.     

     Seit manchem Jahr konnte in diesem Jahre der Himmelfahrtstag wieder als richtiger Festtag begangen werden. Die Geschäfte waren geschlossen u. die Arbeit ruhte.

     Nach dem Essen besichtigte ich die BuStu, wo Fritz Wände gespannt hatte, um meine Zeichnungen aufhängen zu können. Er hat das sehr sorgfältig mit Rupfen gemacht u. es sieht sehr gut aus. Morgen will ich daran gehen u. die Zeichnungen aufhängen, ich kann gut u. bequem 12 – 15 Zeichnungen hängen.

     Von Ruth ein sehr netter Brief.

Freitag, 31. Mai 1946.     

     Heute Nachmittag habe ich meine Zeichnungen in der BuStu. aufgehängt. Es sind insgesamt 16 Zeichnungen, die der BuStu. nun erst ein richtiges Gesicht geben, obgleich sie für sich isoliert hängen. Der ganze Laden bekommt dadurch das Ansehen einer Kunstausstellung, während der Verkauf der anderen Sachen mehr Nebensache bleibt. Aber auch sonst macht der Laden jetzt wirklich einen bemerkenswert guten Eindruck.

     Morgen sollen 90 Gäste vom Kulturbunde eintreffen.

     Vormittags am Kirschblüten-Bilde gemalt.