TBHB 1946-05-22
Einführung
[Bearbeiten]Der Artikel TBHB 1946-05-22 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 22. Mai 1946. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.
Tagebuchauszüge
[Bearbeiten][1] Gestern das kleine Bild mit den gelben Narzissen fertig gemalt. Es ist sehr abstrakt, jedoch hat man doch noch den Eindruck eines Tisches, auf dem eine Vase mit gelben Blumengebilden steht, nur daß es Narzissen sind erkennt man nicht mehr. Es ist aber sehr durchgearbeitet, der Hintergrund geht ganz in der Komposition auf. Auch farbig ist es sehr warm in gelben u. rotbraunen Tonen.
Ich versehe meine Zeichnungen, die nun alle in Passepartouts sind, mit farbigen, schmalen Leisten als Rähmchen an der Innenkante der Passepartouts, wie ich es bei Koch-Gotha gesehen habe, wodurch die Zeichnungen ein sehr schönes Ansehen bekommen. Ich werde diese Zeichnungen im Sommer in der BuStu. ausstellen, nachdem nun wirklich feststeht, daß Ahrenshoop Kurort für Künstler u. andere Kulturschaffende werden soll. Es heißt, daß die ersten Gäste ab 1. Juni erwartet werden sollen, u. zwar auch aus den westlichen Zonen. Die Sache wird anscheinend groß aufgezogen. Es ist sogar ein Kurdirektor eingesetzt worden in Person des Herrn Michelsen aus Ribnitz, eines sehr sympatischen Mannes, der bereits hier ist u. im Kurhause wohnt. Das Kurhaus ist ganz gerüstet, Gretl Neumann hat alles sehr geschickt u. energisch betrieben, sie hat sogar eine Kuh angeschafft. Ich habe mit Fritz die Möglichkeiten besprochen, in der BuStu. geeignete Wandflächen zu schaffen, um Zeichnungen aufhängen zu können. Bilder will ich dann nur im Atelier zeigen nach vorheriger Anmeldung solchen Leuten, die sich besonders interessieren. Ich verspreche mir davon sehr viel in ideeller Beziehung, da ich annehme, daß auch viele Schriftsteller u. Kunstverständige Kritiker herkommen werden. Ich entgehe auf diese Art dem sonst üblichen Ausstellungsbetrieb u. dem dummen [2] Geschwätz des Banausentums. Ob dabei auch ein materieller Erfolg erzielt werden kann, steht dahin u. es ist mir das auch ziemlich gleichgültig. Es kommt mir nur darauf an, einen kleinen Kreis von Leuten zu finden, die sich interessieren u. dann weiter arbeiten. Ich selbst werde ja kaum noch viel tun. Es ist möglich, daß ich noch einige hübsche Bilder malen werde, aber wohl kaum noch etwas Neues. Ich habe das Gefühl, daß ich mit dem Christkönig u. der Himmelskönigin alles gesagt habe, was ich zu sagen hatte. Auch sonst erübrigt sich nun meine weitere Mitarbeit in den Belangen des irdischen Lebens, seitdem Fritz wieder da ist u. in eifriger u. sehr verständiger Weise die Interessen des Geschäftes wahrnimmt u. für Martha sorgt. Er war gestern in Ribnitz u. hat in ausgezeichneter Weise mit dem Wirtschaftsamt u. anderen maßgebenden Stellen verhandelt, sodaß die Behörden am Gedeihen unseres Geschäftes interessiert werden. Daran hat es in diesem ganzen ersten Nachkriegsjahr gefehlt, denn ich selbst konnte es nicht mehr.
Obwohl es mir gesundheitlich ganz gut geht, habe ich doch das Gefühl, daß ich es nicht mehr sehr lange in diesem irdischen Leben treiben werde. Ich habe körperlich in dieser letzten Zeit zwar sehr erfreulich zugenommen, aber dennoch bin ich leicht müde u. kann nicht viel leisten. Es ist auch noch keineswegs so, daß alle Krankheitssymptome vorbei wären. Es besteht immer noch ein gewisser Urindrang, der Urin sieht sehr trübe aus u. ist auffällig schaumig, sodaß ich annehme, daß viel Einweiß darin ist. Aber vielleicht gibt sich das auch noch, wenn ich noch einmal eine Euvernilkur mache. Fritz hat mir diese Tabletten noch einmal mitgebracht von Klaus. Ich will in Juni die Kur noch einmal wiederholen.