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TBHB 1946-06

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Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1946-06
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Entstehungsdatum: 1946
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Originaltitel: Juni 1946
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom Juni 1946
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Einführung

[Bearbeiten]

Der Artikel TBHB 1946-06 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom Juni 1946. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über 14 Seiten.

Tagebuchauszüge

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[1]
Sonnabend, 1. Juni 1946.     

     Heute wird die BuStu. offiziell eröffnet. Sie sieht erstaunlich gut aus. Wir haben auch etwas Ware neu bekommen, die Herr Bütow aus Berlin mitgebracht hat.

     Heute früh hat es geregnet nachdem wir einige sehr heiße Tage gehabt haben, aber jetzt gegen Mittag ist das Wetter wieder klar geworden. Die heute zu erwartenden Gäste werden so einen guten Eindruck empfangen. Vormittags habe ich das weiße Blütenbild fertig gemalt, es ist sehr schön geworden, wenngleich auch sehr abstrakt. Die Blüten sind wie weißer Schaum, der aus dem gelben Krug aufsteigt u. sich dann in der Luft verliert.

     Ich habe die große Bleistift-Studie des Christkönigs-Bildes in einen Eichenrahmen getan, den Fritz mir zur Verfügung gestellt hat, so habe ich ein schönes Geburtstagsgeschenk für Martha am 8. Juni. Sie wünschte sich ein Bild an der Wand über dem Heizkörper. Dieser Zeichnung wird die Wärme nicht zu sehr schaden.

     Verzeichnis der 10 Zeichnungen angefertigt, die in der BuStu. ausgestellt sind. Sie sind ein Wert von zusammen 3950,– Rm.

     Frau Longard schickte mir gestern durch Martha, die sie besuchte, ein Fläschchen eines kreislauf wirksamen Präparates „Lakarnol“. Sie hat das Mittel aus der Apotheke in Kaiserslautern extra für mich kommen lassen, weil es so überaus gut sein soll. Für morgen Nachmittag hat sie uns zum Bohnenkaffee eingeladen, da werde ich die folgende Nacht wieder nicht schlafen können.

Montag, 3. Juni 1946.     

     Am Sonnabend spätnachmittags tat ich, wozu ich schon längst gereizt war; ich zeichnete eine Studie unserer Treppe, die von der Diele nach oben führt. Diese Raumstudie ist so, daß man sie ohne weiteres als Bild malen kann u. ich werde es wohl tun.

     Am Sonntag war Caritas-Sonntag u. ich forderte die sehr zahlreichen Teilnehmer unserer Andacht zu einer Spende auf. Es kam die stattliche Summe von 43,– Rm. zusammen, die ich heute an das Pfarramt in Barth senden werde. – Nachmittags waren Martha u. ich bei Frau Longard, nachdem wir vorher das Haus von Monheims in Augenschein genommen haben. Es ist furchtbar, in welchen Zustand die Russen dieses schöne Haus versetzt haben.

     Die Sommergäste des Kulturbundes sind nun tatsächlich eingetroffen u. geben dem Ort einen Anstrich von Betrieb, der zweifellos stärker sein würde, wenn das Wetter besser wäre. Seit gestern Abend regnet es, es ist windig u. leider auch nicht sehr warm.

     Heute habe ich angefangen, das Bild mit den rosa Blütenzweigen zu malen.

     Nach dem Mittagessen zeichnete ich Lupinen, von denen Grete uns am Sonnabend einen sehr großen Strauß mitgebracht hatte. Ich habe die Blumen auf den Fußboden gestellt u. zeichnete sie von schräg oben. Die Studie ist sehr brauchbar, jedoch werde ich danach erst eine weitere Bildkomposition zeichnen müssen, ehe sie als Bild verwendbar sein wird.

     Die neuen Sommergäste waren teilweise in der BuStu. Die Sache klappt natürlich nicht. Von den 90 Gästen, die erwartet wurden, sind nur 17 gekommen, aber man hofft, daß die übrigen nachkommen. Ein Maler aus [2] Schwerin sah meine ausgestellten Zeichnungen u. erkannte sofort, daß er andere Zeichnungen von mir auf der gegenwärtigen Wanderausstellung gesehen hatte, woraus zu schließen ist, daß jene Zeichnungen Eindruck gemacht haben müssen in der Masse der übrigen ausgestellten Sachen, sonst hätte er keinesfalls meine Handschrift wieder erkannt. Auch sonst scheinen meine Zeichnungen zu interessieren.

Mittwoch, 5. Juni 1946.     

     Heute habe ich das rosa Blütenbild fertig gemacht. Es hat mir nicht sonderlich viel Spaß gemacht, ist aber trotzdem einigermaßen hübsch geworden. Ich werde es „Blühendes Spalier“ nennen.

     Nach der Lupinen-Naturstudie habe ich einen Bildentwurf in Blei gemacht. Dies verspricht ein sehr schönes Bild zu werden. Morgen will ich das Interieur anfangen, zu malen. Ich habe etwas Sorge, daß der Malgrund nicht gut ist, hoffentlich reißt die Farbe nicht darauf. Das Bild wird sehr groß u. es wäre schlimm, wenn es verdürbe.

     Heute machte ich den Kassen-Abschluß für den Monat Mai der BuStu. Fritz hatte alles sehr schön ordentlich vorbereitet, sodaß diese Arbeit diesmal leicht war. Das Geschäft hat ordentlich Auftrieb bekommen durch Fritz.

     Das Wetter ist sehr schlecht, kalt u. regnerisch, unsere Sommergäste werden davon keine große Freude haben. Es sind immer noch nur wenige Leute hier, doch beleben sie die BuStu. Frau Dr. Meyer interessiert sich für meine Zeichnung „Astern“.

Donnerstag, 6. Juni 1946.     

     Gestern am Spätnachmittag brachten Stechow – Meier einen Teil der Bilderrahmen, heute Vormittag schickten sie einen weiteren Teil, der Rest kommt nach. Leider passen, wie zu erwarten war, einige Rahmen nicht u. müssen nachgearbeitet werden. Das Christkönigsbild u. das andere größere Bild der Bäume am Strande sind im Rahmen, besonders das letztere gewinnt außerordentlich.

     Heute habe ich das Interieur begonnen. Es malt sich auf dem Grunde sehr gut, – wenn er bloß nicht reißt.

     Fritz heute früh nach Rostock gefahren, er fuhr mit Herrn Jesse im Personenwagen, er wird dort allerhand erledigen u. bringt hoffentlich Ware mit.

     Am Nachmittag brachten Stechow u. Meier die letzten Rahmen u. arbeiteten gleich die nicht passenden nach. Es sind insgesamt 19 Rahmen, die 144,– Rm. gekostet haben, wobei ich allerdings das Holz selbst geliefert habe. Es bleibt mir nun noch die Arbeit des Abtönens der Leisten.

     Später war Dr. Burgartz da u. teilte mit, daß in Ahr. eine sog. Ortsgruppe des Kulturbundes gegründet sei, für die er den Vorsitz übernommen habe. Er bat mich, in den Vorstand mit einzutreten, was ich zusagte. Er erzählte eine Unmenge von Dingen die ich nicht behalten habe. Jedenfalls soll am Pfingstmontag die erste Veranstaltung des Kulturbundes stattfinden, auf der B. sprechen wird. Ich habe ihm aber gleich gesagt, daß ich keine persönlichen Verpflichtungen übernehmen könne, da ich krank sei. Es ist zum Sommer, wenn, wie Dr.B. sagt, die wirklich Prominenten hier sein werden, eine Kunstausstellung geplant, auf der ich dann allerdings sehr stark herauskommen könnte. – Abwarten! –

     Abends kam Herr Sorg aus Berlin mit einem großen Personenauto mit Anhänger. Er fährt im Auftrage des [3] Magistrats durch die russ. Zone, um Waren für Berlin heranzuschaffen u. natürlich auch für sich selbst. Er hatte einen sehr sympatischen älteren Herrn als Einkäufer bei sich u. ein junges Mädchen, die die Schwägerin des Inhabers der Zigarettenfabrik Garbatti sein soll, ein Mädchen mit rot lackierten Fingernägeln. Dazu noch einen Chauffeur. Alle aßen bei uns ihr mitgebrachtes Essen, sahen sich dann die BuStu. an u. Herr Sorg, der sehr entzückt von dem gepflegten Eindruck war, den das Geschäft macht, versprach Ware zu liefern. Martha brachte dann die ganze Gesellschaft im Kurhause unter.

Freitag, 7. Juni 1946.     

     Vormittags am neuen Bild gemalt, dann die Bilderrahmen angestrichen, was rascher ging als ich gedacht hatte u. nicht übermäßig viel Farbe gekostet hat.

     Abends besuchte uns Inge, Gretes Tochter. Sie hat furchtbar viel durchgemacht u. ist auch heute nur durch äußerste Anstrengung in der Lage, sich u. ihre Töchter durchzubringen. Sie ist für eine Woche hier aus Berlin. Es ist ja überaus bedauerlich, wie es ihr ergangen ist u. immer noch ergeht; aber als sie das letzte Mal hier war im Jahre 1944, da waren wir noch die armen Irren, die in aussichtsloser Verkalkung nicht in der Lage waren, die herrlichen Vorzüge des Nationalsozialismus zu begreifen u. den geliebten Führer zu würdigen. Inzwischen haben sich die Dinge eben geändert.

     Heute war das Haus erfüllt von herrlichen Kuchendüften, die aus der Küche kamen wo die gute Trude eifrig die Vorbereitungen zu Marthas Geburtstag traf.

     Herr Sorg ist mit seinem Anhang heute Vormittag wieder abgefahren, nachdem er im Kurhause wohl recht viel Geld ausgegeben hat.

     Das Wetter ist wieder schön geworden, die Sommergäste haben sich vermehrt u. sollen morgen in größeren Massen herantransportiert werden.

     P. Beckmann schreibt, daß er am Mittwoch Nachmittag um 6 Uhr bei uns das hl. Meßopfer feiern wird.

Sonnabend, 8. Juni 1946.     

     Morgens früh bauten Fritz u. ich mit Trude, die heute schon um 1/2 7 Uhr hier war, den Geburtstagstisch im Seezimmer auf: die große, gerahmte Zeichnung des Christkönigs, recht u. links davor Vasen mit Rotdorn, in der Mitte davon ein kleines gerahmtes Foto von Fritz u. ein Inselbuch: „Marienbilder“ von Inge Meisner. Rechts an der Wand stand noch ein Tisch mit zwei Obsttorten, die Trude gemacht hatte, eine Schüssel mit prachtvollem Räucheraal von Dades u. sonst noch Haushaltsgegenstände wie ein Kochtopf, Siebe usw., die wir grade eben vom Wirtschaftsamt in Rostock zum Verkauf bekommen hatten u. die Fritz aus Rostock mitgebracht hatte. Der Frühstückstisch war hübsch gedeckt u. mit Rotdorn-Blüten belegt. Es gab Bohnenkaffee, Butter von Dades u. für jeden ein Ei, sowie Gebäck, ebenfalls von Trude hergestellt. Wir frühstückten in aller Gemächlichkeit u. waren alle in bester Stimmung.

     Mittags gab es einen vorzüglichen Makkaroni-Auflauf mit Tomatensoße. Um 2 Uhr war große Kaffeetafel mit abermals zwei verschiedenen Kuchen, sehr reichlich, sodaß davon übrig blieb obgleich wir 24 Personen waren. Von Freunden waren Frau Grantz, Frau Meisner, Frau Schönherr da, sonst alle Angestellten u. die Schneiderin Frl. Schwerdtfeger. Auch der junge Herr Schwerdtfeger war da, sowie Frl. Nicksadt, die beide von Rostock auf Pfingstferien hier sind. [4] Die Angestellten hatten allerhand sehr nette Arbeiten gefertigt, ein Teewärmer, ein amüsantes Schwein als Nadelkissen u. a. m. Es war alles in der BuStu. sehr hübsch aufgebaut mit vielen Blumen. Am Schluß des Kaffees hielt ich eine kleine Ansprache. – Es ist alles in allem genommen in diesem Jahre doch schon sehr viel besser als im vorigen Jahre, wo wir diesen Geburtstag fast garnicht feierten u. froh waren, wenn uns die Kosaken in Ruhe ließen.

     Abends aßen wir Räucheraal mit Bratkartoffeln, wozu wir Frl. v. Tigerström einluden, nachher waren wir drei im Seezimmer u. aßen von der vorzüglichen Torte u. gingen dann früh schlafen.

     Das Wetter war schön, aber am Nachmittag tat sich Ostwind auf, der abends nach Norden herumging, wodurch es recht kalt wurde.

Pfingstsonntag, 9. Juni 1946.     

     In der Nacht zog ein schwächeres Gewitter vorüber, heute früh um 7 Uhr ein sehr starkes. Beide Gewitter erfaßten uns nicht, aber seitdem ist es sehr kalt u. stürmisch geworden u. recht unerfreulich. Die Andacht war schwach besucht. Herr Nickstadt verabschiedete sich nach der Andacht, weil er eine Stellung als Schiffsbau-Ingenieur in Warnemünde erhalten hat. So sehr es mich freut, daß er endlich eine Stellung gefunden hat u. er auf diese Weise nun befreit ist aus der unerfreulichen Lage, in der er sich hier befand, seitdem er auf seiner Flucht aus Breslau hier bei seinem Schwiegervater gelandet war, so tut es mir doch sehr leid, diesen sehr angenehmen Menschen zu verlieren. Es ergab sich von selbst, daß ich ihm nach der Andacht einige meiner Bilder zeigte. Auch seine Tochter Brigitte wird nun kaum noch oft hierher kommen. –

     Nachmittags 1/2 6 Uhr hielt Pfr. Pleß aus Prerow Gottesdienst in der Schule bei nicht übermäßiger Beteiligung der Bevölkerung. Das religiöse Leben im Orte ist überaus dürftig. Heute am Pfingstsonntag war kein einziger männlicher Ahrenshooper dort. Außer mir selbst war nur Herr Gläser, u. Onkel Fritz, der Bruder des verstorbenen Kurhauswirtes Neumann, sowie der Lehrer Deutschmann da. Auch der neue Lehrer, der jetzt für Deutschmann eingesetzt ist, war nicht anwesend. Ebenso waren die anwesenden Frauen fast durchweg Flüchtlinge oder Villenbesitzer, unter ihnen Frau Kleinberg, die einen wahrhaft bejammernswert verhungerten Eindruck machte. Pfr. Pleß sprach inhaltlich nicht grade sehr gut, aber sehr herzlich. Er ist ein vorzüglicher Mann. Ich begrüßte ihn nach der Andacht u. wir verabredeten, daß er beim nächsten Male in 3 Wochen zu uns kommen will.

     Der Regen hat am Nachmittag aufgehört, aber es ist recht kalt. – Uebrigens war auch noch Herr Brandt im Gottesdienst. Er ist regelmäßiger Besucher, was nicht hindert, daß er sonst ein großer Schieber ist. – Frau Langner=Richter spielte Harmonium u. konnte es nicht unterlassen, am Schluß mit kleinen Schulmädchen sehr schlecht weltliche Maienlieder vorzutragen.

Dienstag, 11. Juni 1946.     

     Von dem Kulturbund-Abend, der gestern im Baltischen Hof stattfand, habe ich mich gedrückt. Fritz war da u. erzählt, das Dr. Burgartz sich bei seiner Ansprache ziemlich blamiert hat. Er ist kein Redner u. hat sich total verwirren lassen.

     Heute Vormittag am Interieur gemalt. Mittags ließ sich ein Prof. Lindt aus Königsberg, Maler, u. seine Frau melden. Das Ehepaar wohnt in Schwerin u. ist dort in einer einzigen Stube untergebracht, die zum Schlafen, Wohnen, Essen u. Arbeiten [5] dienen muß. Er wollte gern meine Bilder sehen u. benahm sich dabei sehr gut. Er wie sie waren sympatische Leute, er muß jedoch schon morgen nach Schwerin zurück. Am Nachmittag will Frau Dr. Barbara v. Renthe aus Chemnitz meine Bilder sehen. Sie ist mit Dr. Ziel über Pfingsten hier.

     Nachmittags: Außer Frau Dr. v. R. waren noch mehrere andere Damen da, um meine Bilder anzusehen, es waren etwa 8 Personen insgesamt. Nachher unterhielt ich mich noch mit Frau v. R., die dem Stadtrat in Chemnitz, Gesundheitswesen, angehört. Ihr geschiedener Mann, Peter Jaeger, ist in Berlin ebenfalls im Gesundheitsamt als Arzt. Es scheint, als wäre Sachsen dasjenige Land, welches am erfolgreichsten im Wiederaufbau ist, jedenfalls berichtete Frau v. R. viel Positives, auch über ihre Zusammenarbeit mit Kommunisten, mit denen sie gut arbeitet, obgleich sie selbst parteilos ist u. einen adeligen Namen hat. Dennoch ist sie skeptisch. Die Unstimmigkeiten zwischen Russen u. dem Westen sind zu groß u. sie hält es für möglich, daß die Westmächte sich eines Tages aus Berlin zurückziehen u. den Russen das Feld überlassen.

     Für mich persönlich hält auch Frau v. R. es für richtig, wenn ich mich wenigstens diesen Sommer noch künstlerisch zurückhalte u. ruhig weiterarbeite. Es ist ja durchaus möglich, daß durch den Kulturbund im Sommer einflußreiche Leute herkommen, die dann von sich aus etwas unternehmen oder in Gang bringen in meinem Interesse. Auch ich bin dieser Meinung. Ich habe eine große Abneigung davor, mich an irgend einer Ausstellung zu beteiligen.

Mittwoch, 12. Juni 1946.     

     Gestern war Deutschmann bei mir u. berichtete, daß ein Offizier der GPU. im Orte ist, der ihn wieder ausgefragt hat. Er hat auch nach Fritz gefragt. Außerdem war er voller Mißtrauen gegen unsere Kulturbund=Gäste. Er meinte, es würden auch Leute aus dem Westen kommen, die hier spionieren wollen, wieviel Militär hier ist usw. Der Offizier will über Wochenende zur Erholung hier bleiben u. suchte Quartier. Deutschmann hat ihm das Haus von Prof. Reinmöller empfohlen. Herr Jesse hat ihm nämlich gesagt, daß hier drei Grundstücke beschlagnahmt werden sollen. Siegert, das ja bereits beschlagnahmt ist, ohne daß jemand weiß, was damit gemacht werden soll, sodann Bachmann u. Reinmöller. Bachmann ist für den Sommer für den sog. „Pastor“ Kleinschmidt reserviert, der dort seine Familie untergebracht hat, nur über Reinmöller ist bisher nicht verfügt. Reinmöller selbst soll in Moskau sein.

     In Dierhagen hat sich am Sonnabend wieder ein tolles Stück ereignet. Eine Horde Soldaten hat einen Bauern, der mit seinem Gespann grade von der Verlobungsfeier seines Sohnes kam, angehalten u. im Pferde u. Wagen fortgenommen u. haben den Bauern erschossen u. sein Haus geplündert. Es sollen fremde Soldaten aus Markgrafenheide gewesen sein. Sie sind mit dem Gespann u. der Beute abgefahren u. haben auch die Leiche des Bauern mitgenommen.

Donnerstag, 13. Juni 1946.     

     An Stelle des gestern von uns erwarteten P. Joh. Beckmann erschien zunächst ein fremder Geistlicher per Rad, der sich Kaplan so u. so vorstellte. Er sagte, daß er in Güstrow Kaplan sei, krank gewesen sei (Fleckfieber) u. jetzt in Müritz zur [6] Erholung sich aufhalte. Er sei heute, bzw. gestern in Daskow gewesen zu Besuch bei dem früheren Inspektor der Gutes das inzwischen ja aufgeteilt worden ist, u. da sei plötzlich der P. Beckmann auch dort erschienen. Der Kaplan u. P. Beckm. kannten sich nicht u. P. Beckm. ist nie vorher in Daskow gewesen, es war das erstemal. P. Beckm. hat erzählt, daß er auf dem Wege nach hier sei u. hat dem Kaplan von uns berichtet, so daß dieser den Wunsch bekam, ebenfalls herzukommen. P. Beckmann habe ihn dann dazu aufgefordert u. habe ihn eingeladen, die Messe bei uns zu lesen. So kamen also alle beide.

     Der Kaplan, dessen Namen ich noch nicht behalten habe, hielt ein Hochamt. Leider war ich selbst durch diese plötzliche Veränderung der Situation gleich wieder arg mitgenommen, denn es gab vor dem Hochamt allerlei Beratungen über das Technisch, wo der Kaplan schlafen sollte usw. All sowas wird mir seit meiner Krankheit zu viel, die Nerven versagen u. ich mache schlapp. Es ist dann schließlich so verabredet worden, daß der Kaplan bei uns schläft, während P. Beckmann bei Frau Longard schlief, dagegen essen beide bei uns, denn Frau L. hat nichts mehr, wie sie sagt. Wir haben also nach dem Hochamt zusammen zu Abend gegessen, was zu machen war, weil der Kaplan sie Lebensmittel – : Brot u. Kartoffeln – mitgebracht hat. Nachher kamen wir überein, daß der Kaplan auch heute noch bei uns bleibt. Er las heute früh eine stille Messe u. wird auch morgen noch einmal den Gottesdienst halten. P. Beckmann hält heute in Wustrow Gottesdienst u. kommt am Nachmittag noch einmal hierher zurück. Für mich ist das insofern störend, als ich auf diese Weise heute nicht arbeiten kann, weil in meinem Arbeitsraum des Gottesdienst stattfindet u. wir nicht alles forträumen können; aber der Gottesdienst entschädigt dafür ja reichlich.

     Gestern nach dem Hochamt zeigte ich den beiden Geistlichen noch meine Bilder. Der Kaplan ist ein netter Mensch, aber an P. Beckmann kann er nicht heran.

     Gesundheitlich geht es mir heute nicht besonders, es macht sich wieder der Harndrang bemerkbar. Ruth hat wieder Euvernil geschickt, sodaß ich eine neue Kur machen kann, wenn es schlimmer werden sollte.

     Von Else Nachricht, daß es ihr nicht gut geht, sie leidet an Rheuma sehr stark u. muß Moorbäder nehmen. Sie wird sogar mit einem Auto in einen Badeort verbracht, weil sie nicht gehen kann.

     Die Zeichnung der Astern hat nun doch nicht Frau Dr. Meyer gekauft, sondern Frau Inge Meisner. Sie hat einen sehr hübschen, schmalen, silbernen Rahmen gebracht in den diese Zeichnung ganz vorzüglich hineinpaßt. Sie hat 200,– Rm. angezahlt, 100,– Rm. bleibt Rest.

     Nachmittags kam P. Beckmann noch einmal, wie er versprochen hatte, kurz heran. Er erzählte, daß in Wustrow ein junger Mann sei, Sohn einer dort ansässigen Familie, von Beruf Bäcker, der in Bayern ein junges Mädchen kennen u. lieben gelernt habe u. der nun katholisch zu werden wünsche, um dieses Mädchen heiraten zu können. Es spricht für den feinen Takt des P. B., wenn er den Uebertritt des jungen Mannes nicht in der wustrower Kirche vollziehen will aus der der junge Mann eben ausgetreten ist. Er fragte, ob seine bedingte Taufe wie auch seine Eheschließung bei uns stattfinden könne, was wir natürlich gern zusagten.

[7]
Freitag, 14. Juni 1946.     

     Gestern am Spätnachmittag kam, von Martha hergebeten, Dr. Meyer, um sich nach mir zu erkundigen, da mein Zustand in diesen letzten Tagen wieder viel schlechter geworden ist. Er meinte, daß ich keine neue Euvernil=Kur zunächst machen solle. Die Urinprobe, die ich ihm gesandt hatte, war von ihm noch nicht untersucht worden, es waren allerhand Verzögerungen damit gewesen. Er empfahl mir ein Medikament, das wir vielleicht durch Ruth bekommen können, zur Steigerung des Blutdruckes.

     Der Kaplan, der Eussner heißt, war mit dem Rade zum Darss gewesen bis in die Nähe des Leuchtturms u. verspätete sich abends, da er den Weg verfehlt hatte. Wir saßen nach dem Abendbrot noch bei mir im Zimmer u. sprachen über Kunst. Er gestand, daß er weder zu meinem Bilde „Himmelskönigin“, noch zum „Christkönig“, ein Verhältnis habe. Er ist wohl ein guter Geistlicher, aber von bescheidenen Anlagen.

     Heute fürchterliches Wetter: Nordwind, Regen u. sehr kalt. Wir hatten heute früh eine Gemeinschaftsmesse, trotz des Wetters waren Leute gekommen. Ich weiß nicht, wie der Kaplan heute nach Müritz kommen will, zwar würde ihn der Wind treiben, aber die Wege sind grundlos, denn es hat die ganze Nacht geregnet u. es sieht nicht, so aus, als würde es so bald wieder aufhören.

     Dr. Meyer, der bei dem Ueberfall in Dierhagen die erste Hilfe geleistet hat, erzählte den Hergang. Drei bewaffnete Russen seien nach Dierhagen gekommen. Sie haben zuerst den Bürgermeister, der schon im Bett lag, aufgesucht, haben sofort das Telephon abgerissen u. dem Bürgermeister mit einer Maschinenpistole über den Kopf geschlagen, daß ihm sofort das Blut in die Augen lief. Es ist dann Lärm geschlagen worden u. drei Einwohner kamen zur Hilfe, von denen zwei durch Bajonettstiche u. Schüsse schwer verletzt wurden. Die Russen sind dann getürmt, nachdem sie noch geplündert haben, – auch noch in anderen Häusern Auf dem Rückmarsch begegneten sie einem Bauern, der mit seinem Gespann von der Verlobungsfeier seines Sohnes kam. Was geschehen ist, weiß man nicht, man fand morgens die Leiche mit drei Wunden u. einem von Stiefelabsätzen zertretenen Gesicht, vom Gespann war nichts zu sehen. Es heißt, daß die Russen aus Warnemünde gewesen seien.

Sonnabend, 15. Juni 1946.     

     Kaplan Eussner ist gestern gegen 6 Uhr mit dem Rade wieder nach Müritz zurückgefahren, obgleich das Wetter schlimm war. Der starke Nordwind hatte sich im Laufe des Tages zum Sturm gesteigert, begleitet von unaufhörlichem Regen. Es hat im Hause an mehreren Stellen so durchgeregnet, daß wir Eimer aufstellen mußten. Der Strom versagte. – Vor seiner Abfahrt besah er nochmals meine Bilder. Zu den Bildern „Himmelskönigin“ u. „Christkönig“ konnte er immer noch kein Verhältnis gewinnen, dagegen wollte er den „Pfarrer von Ars“ gern kaufen. Als ich ihm aber den Preis von 900,– Rm. nannte, bekam er doch einen Schrecken.

     Auch heute noch ist Nordwind u. Regen. Es ist sehr kalt, ich sitze mit einer Decke bei mir im Zimmer, will aber doch versuchen, an meinem Bilde weiter zu arbeiten.

     Dr. Burgartz sagte mir neulich, daß er damit rechne, daß ich im Sommer, wenn die wirklich prominenten [8] Kulturbundleute hier sein würden, einen Vortrag über Kunst halten würde. Ich habe diese Tage dazu benützt, einen solchen Vortrag auszuarbeiten.

Sonntag, 16. Juni 1946.     

     Gestern Nachmittag war Dr. Meyer da u. spritzte mir ein Leber-Präparat ein.

     Am Tage habe ich gemalt. Das große Bild bietet seine Schwierigkeiten, solange die Werte noch nicht fest stehen. So hat mich der Blumentopf rechts am Fenster lange aufgehalten u. er ist auch jetzt noch nicht gut, er kann erst fertig werden, wenn der kleine Topf, der davor auf dem Regal steht, fertig ist.

     Fritz will heute über Land fahren um Kartoffeln heranzuschaffen.

     Gestern bekamen wir von Schw. Ephrem aus Müritz die Nachricht, daß Schw. M=Salesia, die frühere Oberin, gestorben ist. Brustkrebs. Sie war eine sehr fromme Frau u. ein guter Mensch, der Herr wird sie freundlich aufnehmen. Ihr Todestag war der 26. Mai.

     Es ist draußen trübe u. immer noch sehr kalt. Der Sturm hat viel Schaden angerichtet, sodaß wir auch keinen Strom haben. Wenigstens ist es heute ruhig.

     Nachmittags. Es ist über Mittag schön warm geworden, sodaß wir nachmittags draußen auf der Terrasse Kaffee trinken konnten. Grete kam mit ihrer Tochter Inge u. jammerte uns etwas vor, daß sie nichts zu essen hätten. Es scheint dort im Hause heute Morgen einen Riesenkrach gegeben zu haben, weil Paul sich dagegen wehrte, daß Inge ihre beiden Kinder hier lassen will. Nun schimpfen die beiden auf Paul. Aber solche Auseinandersetzungen sind ja nur die Wirkungen längst vergangener Bosheiten. Ich höre, daß Paul nach Völpke geschrieben hat, ob er dorthin kommen könne u. Ernst soll ihm zugesagt haben. Ich gönne ihm eine solche Erholung.

     An Else habe ich ebenfalls geschrieben als Antwort auf ihren kürzlich erhaltenen Brief, in dem sie mitteilt, daß sie ab morgen in ein Moorbad geht zur Kur wegen ihres Rheuma. Sie scheint sehr ernsthaft krank zu sein.

     Seit heute habe ich nun den allerletzten Rest von Tabak aufgeraucht. Von nun an muß also endgültig gedarbt werden. Es wird mir bitter schwer werden.

     Gestern hat die neue Außenminister-Konferenz in Paris begonnen. Es ist das nun die dritte Konferenz nach dem Kriege. Wenn es jetzt wieder nicht zu einer Einigung kommen sollte, dann ist kaum noch Hoffnung, daß ein Ausweg gefunden werden kann. Amerika ist zunächst mit einem neuen Plan hervorgetreten, Deutschland in 12 – 13 Bundesstaaten zu gliedern. Eine solche Lösung wurde ich sehr begrüßen, es würde dann eine einheitliche Regierung eingesetzt werden, die den russisch=kommunistischen Strebungen hier im Osten doch Widerstand leisten könnte.

     Fritz hat leider mit seiner Kartoffel-Fahrt nicht viel Erfolg gehabt er hat nur zwei Centner mitgebracht. – Morgen soll es wieder mal etwas Butter geben.

Montag, 17. Juni 1946     

     Es geht mir heute wieder schlechter, wäre morgens am liebsten liegen geblieben. Gleichwohl habe ich Vormittags das neue Bild erheblich vorwärts gebracht. Nach Tisch habe ich dafür fast drei Stunden lang im Bett gelegen u. geschlafen.

[9]
Mittwoch, 19. Juni 1946.     

     Fürchterliches Wetter, Sturm u. Regen, Kälte, Schmerzen im Bein. Trotzdem habe ich das Interieur heute ein gutes Stück vorwärts gebracht.

     Fritz, der arme Kerl, fuhr heute früh mit offenen Lastauto nach Rostock, doch war es geschäftlich notwendig.

Donnerstag, 20. Juni 1946     
Fronleichnam     

     Das Wetter ist besser geworden, aber durchaus nicht gut.

     Heute morgen kam Herr Michelsen, der sog. Kurdirektor, der vom Kulturbund eingesetzt ist u. schlug vor, den Pastor Kleinschmidt, diesen Kulturbund-Bonzen, für den das Haus Bachmann reserviert war, im Hause Monheim unterzubringen, da es im Bachmann'schen Hause an Möbeln fehlt u. wohl auch andere Bedenken bestehen, weil dieses Haus ja beschlagnahmt ist. Fritz fuhr mit Michelsen gleich hin. M. war bereit, alle Reparaturen auf Kulturbund-Kosten machen zu lassen u. für Möbel zu sorgen. Fritz hat deshalb heute gleich zwei Oefen aus dem Hause hierher schaffen lassen, wozu vier Mann nötig waren. –

Nachmittags machte der angehende Konvertit aus Wustrow mit seiner Braut bei uns Besuch. Es sind sehr nette, bescheidene Leute, besonders die bayrische Braut. Der junge Mann ist offenbar sehr bei der Sache, seine Konversion ist keine Vernunft-Angelegenheit. Er ist in Bayern gewesen u. dort sehr stark vom Katholizismus angerührt worden, sodaß es nicht nur u. allein die Braut ist, die ihn zum Uebertritt treibt. So etwas ist schön, man erkennt daraus, wieviel guter, religiöser Wille auch hierzulande brach liegt, ohne daß man's weiß.

     Das Interieur-Bild geht langsam seiner Vollendung entgegen. Ich mußte heute die Rückwand noch einmal malen, da der rote Ton, den ich ihr im Schatten gegeben hatte, unmotiviert war u. nun störte, nachdem ich jetzt die rechte Lichtseite fertig habe. Das Bild wir ungemein räumlich.

Freitag, 21. Juni 1946.     

     Heute fühle ich mich zum ersten Male seit längerer Zeit wieder etwas wohler, die Müdigkeit u. Schwäche ist nicht mehr so spürbar. Vielleicht ist daran ein Medikament schuld, das mir Margot Seeberg dankenswerter Weise mitgebracht hat u. „Myoston“ heißt. Wenn das der Fall ist, dann müßte dieses Mittel gradezu ein Wundermittel sein, denn ich habe nur heute Mittag 15 Tropfen davon eingenommen. Ich kann mir kaum denken, daß das schon so gewirkt haben sollte, – u. wenn es doch so ist, dann fürchte ich, daß dieses Medikament, das ziemlich teuer ist, Giftstoffe enthält, die nachher Rückschläge bringen. Aber zunächst einmal freue ich mich, daß es mir besser geht. Auch das Wetter mag daran beteiligt sein, es war heute zum ersten Mal seit langer Zeit warm u. sonnig ohne Regen u. Wind.

     In der Zeitung steht, daß am 15. September in Mecklenburg-Vorpommern Gemeindewahlen stattfinden sollen. Ich bin noch mißtrauisch u. kann kaum glauben, daß die neue Einheits-Partei sich so ohne weiteres einer Wahl stellen wird Wahrscheinlich wird dann auch an mich die Frage herantreten, ob ich mich in die Gemeindevertretung wählen lassen soll. Ich denke, daß ich es tun werde, um [10] auf diesem Wege in die Verwaltung etwas mehr Schwung zu bringen, denn mein Nachfolger, Herr Schöter, schläft allmählich auf seinem Bürgermeisterstuhl ein. Er ist sonst durchaus einwandfrei, aber leider ohne jede Initiative. Infolge dessen herrscht im Ort eine Kartoffelnot, die fast zur Katastrophe wird. Jeder versucht, auf eigene Faust zu Kartoffeln zu kommen, wodurch die Schiebergeschäfte einen fabelhaften Auftrieb bekommen. Man hat Glück, wenn man alte, vorjährige Kartoffeln für 50,– Rm. pro Centner bekommen kann. Auch wir sind am Ende damit. Es wäre Pflicht des Bürgermeisters, die Sache in die Hand zu nehmen, wie ich es vor einem Jahr ja auch getan habe. Wie stolz war ich damals wenn es mir gelungen war, mit dem Lastwagen 60 Centner heranzuschleppen, – u. damals war es schon ein Kunststück, den Lastwagen überhaupt zu bekommen, weil der widerliche Kosaken-Hauptmann in Wustrow den Wagen dauernd für sich beanspruchte. – Wenn man daran zurückdenkt, dann sieht man doch, daß heute alles schon viel besser u. leichter ist.

     Infolge meiner besseren Gesundheit habe ich heute auch mein Bild sehr fördern können. Ich habe den ganzen Hintergrund durchgearbeitet u. die im Sofa sitzende Figur ebenfalls. Ich glaube, daß ich morgen die linke Seite mit dem zweiten Fenster fertig malen werde.

Sonnabend, 22. Juni 1946.     

     Es geht mir auch heute gesundheitlich gut, wenn ich von einem leichten Durchfall absehe, der die unerfreuliche Nebenwirkung des neuen Medikamentes zu sein scheint.

     Habe wieder gut gemalt heute, hauptsächlich habe ich die weibliche Figur im Sofa sitzend fertig gemalt. Diese hat mich sehr aufgehalten, sodaß ich sonst nicht viel weiter gekommen bin. Das Bild wird aber sehr gut. Es ist erregend zu malen.

     Abends mit Fritz, der sein neues Steckenpferd „Ahnenforschung“ mit Leidenschaft reitet. Er hat große Rollen gefunden mit akademischen Urkunden des Urgroßvaters, Großvaters u. Vaters u. hat sie sortiert. Dabei befanden sich auch riesengroße Speisekarten von Stiftungsfesten ärztlicher Vereine, die künstlerisch von L. Pietsch in Lithographie gezeichnet sind u. Pornographien übelster Art darstellen. Die Urkunden des Urgroßvaters sind noch recht anständig, aber schon die des Großvaters nehmen bedenklich an künstlerischem Wert ab, während die unter Wilhelm II gegebenen Urkunden des Vaters von einer bodenlosen Geschmacklosigkeit sind. Der rapide Verfall unserer Kultur geht deutlich daraus hervor, allerdings würde man heute dergleichen nicht mehr machen. Man ist wieder geschmackvoller geworden, aber ich weiß nicht, ob man das als Kultur=Zunahme verbuchen kann. Es ist einfach eine rationale Angelegenheit einer fortgeschritteneren Zivilisation.

Sonntag, 23. Juni 1946.     

     Andacht heute morgen sehr schwach besucht, warum, weiß ich nicht vielleicht Zufall.

     Nach Tisch mit Martha Spaziergang zum Hohen Ufer, – seit sehr langer Zeit das erste Mal. Wir besichtigten das ehemals Kröner'sche Haus. Es befindet sich dort keine Spur einer ehemaligen Einrichtung mehr, nur ein weißer [11] Kachelofen ist noch dort. Im Garten lag ein Waschbecken, sonst keine Türklinken, keine Fensterriegel u. keine einzige Fensterscheibe. Nebenan im Hohmeyer'schen Hause ebenso. Dort hat man sogar versucht, den Fußboden aufzureißen. Wir gingen dann weiter zur Batterie, wo riesige Trümmern von Eisenbeton herumliegen, Reste von Geschützen. Scheinwerfern u. sonstigem Kriegsgerät. Diese Trümmer werden niemals beseitigt werden, weil es einfach unmöglich ist, sie werden noch späteren Generationen erzählen von den einstigen Befestigungsanlagen, die hier waren. Auch die übrigen dahinterliegenden Häuser sind völlig ausgeplündert, darunter auch das nie fertig gewordene Haus des üblen Malers Fischer-Uwe, der sich mit Hilfe des Gauleiters von Mecklenburg Hildebrandt im Kriege dort ein Haus bauen ließ. Die riesigen Betonbrocken der gesprengten Befestigungsanlagen sind weit in den Aeckern zerstreut. Das ehemalige Batteriegelände aber ist bereits sehr ordentlich als Acker bestellt.

     Wir gingen dann nach Althagen hinab. Die Baracken der Batterie sind größtenteils ebenfalls völlig zerstört, einige sind schon zusammengefallen. Der große Platz innerhalb des Lagers ist ebenfalls gärtnerisch bestellt, Flüchtlinge haben dort Garten-Parzellen erhalten. Die Baracken hätte man vorzüglich zur Unterbringung von Flüchtlingen verwenden können.

     Wir besuchten Karmen Grantz, die nicht wohl war, ohne direkt krank zu sein. Ihre Mutter sahen wir nicht, da sie schlief. Auf dem Wege nachhause trafen wir Herrn + Frau Dr. Burgartz, mit denen wir uns über die unerfreulichen Zustände im Kulturbunde unterhielten. Er schimpfte weidlich, ist aber gleichwohl der Vorsitzende der hiesigen Ortsgruppe. Während wir sprachen, stiegen aus Richtung Ahrenshooper Mühle gewaltige schwarze Rauchwolken auf, was uns veranlaßte, dorthin zu gehen. Es ergab sich, daß der große Strandkorb-Schuppen von Frau Niemann in hellen Flammen stand, wahrscheinlich durch spielende Kinder verursacht. Der Schuppen ist mitsamt dem Inhalt total niedergebrannt, ohne daß unsere Feuerwehr auch nur einen Versuch zur Rettung unternommen hätte, der wahrscheinlich auch zwecklos gewesen wäre.

     Zuhause Kaffee getrunken u. nachher an Erich Friese geschrieben, von dem ich in diesen Tagen einen Kartengruß mit der Frage nach unserem Ergehen erhalten hatte. Sodann kam Robert Schneider, der seit gestern hier ist um nach seiner Mutter zu sehen. Er rauchte eine friedensmäßige Cigarre u. schenkte mir eine davon, ein unerhörter Genuß. Er hatte diese Cigarren hier im Hause u. hat sie jetzt hier gefunden. Er hat die ganze Kampfzeit in Berlin mitgemacht u. erzählte sehr anschaulich u. plastisch von seinen aufreibenden u. nicht ungefährlichen Erlebnissen. Seine Fabrik hat schon im Mai vorigen Jahres, sofort nach abgeschlossenem Kampf, wieder zu arbeiten begonnen. Ueber die gegenwärtigen Verhältnisse hat er noch nicht gesprochen, er wird noch einmal wiederkommen, doch konnte ich aus einigen Bemerkungen entnehmen, daß er die Lage pessimistisch beurteilt, solange die Russen zu sagen haben.

     Abends aßen wir herrliche Erdbeeren, die Frau Schönherr uns besorgt hat.

     Ich fühle mich auch heute verhältnismäßig wohl, der große Spaziergang war eine beachtliche Leistung.

[12]
Dienstag, 25. Juni 1946.     

     Heute wurde das große Bild fertig, obwohl ich damit noch nicht gerechnet hatte.

Mittwoch, 26. Juni 46.     

     Vormittags Rabarber mit Jauchewasser begossen u. sonst ein wenig im Garten getan. Es ist endlich wieder schönes Wetter. Nachmittags waren wieder einige Leute zur Besichtigung von Bildern da: ein älterer Herr mit weißem, kurzen Kinnbart, der von Beruf ursprünglich Forstmann war u. sich jetzt Bildhauer nennt, sodann eine Dame, die vielleicht seine Frau war. Ferner eine andere, sehr große, schlanke ältere Dame, die, wenn ich nicht irre, Weberin ist. Später kam noch der Maler u. Graphiker Heiling dazu u. schließlich noch Dr. Burgartz. Anfangs war auch die alte Frau Dettmann dabei, die aber dummes Geschwätz machte u. glücklicherweise bald ging. Die übrigen waren sehr verständig u. gingen gut auf die Bilder ein, sodaß ich in der Lage war, dazu etwas zu sagen.

     Die große, schlanke, ältere Dame war eine Frau Dodell u. ist die Enkelin des Malers Kallmorgen. Sie scheint ja ganz ungewöhnlich von meinen Bildern beeindruckt gewesen zu sein. Martha erzählt mir, daß sie nach dem Besuch bei mir noch bis zum Geschäftsschluß in der BuStu. gewesen sei u. immerfort nur begeistert von meinen Bildern gesprochen habe.

     Der Herr mit dem Kinnbart, dessen Namen niemand weiß, hat darum gebeten, mit mir einmal allein sich unterhalten zu dürfen.

     Dr. Burgartz, der ja von je her sehr für meine Bilder eingenommen ist, sprach davon, daß er im Herbst nach Berlin fahren wolle u. daß er bei dieser Gelegenheit gern versuchen wolle, mir die Möglichkeit einer geschlossenen Kollektiv-Ausstellung zu vermitteln. Es ist das sehr gut von ihm gemeint u. es würde durchaus meinen Wünschen entsprechen; aber Herr Dr. B. ist nicht der Mann dazu, der dergleichen fertig bringt.

Donnerstag, 27. Juni 1946.     

     Vormittags erschien plötzlich Dr. Tetzlaff, aus Greifswald kommend, bei uns auf der Bildfläche. Er hat Urlaub von Badenweiler u. zum ersten Male Gelegenheit, seine Mutter u. die übrigen Familienmitglieder zu sehen, so weit sie da sind. Zwei Brüder sind noch nicht wieder zuhause, aber sie sind alle am Leben u. bei guter Gesundheit. Dr. T. selbst, der ja noch nie gesund ausgesehen hat, tut das auch jetzt nicht u. es scheint ihm nicht schlechter zu gehen als sonst, seitdem er wirklich krank geworden ist u. von Berlin fortging. Er wollte morgen wieder nach Greifswald zurückfahren, doch ließ er sich leicht überreden, über Sonntag zu bleiben u. bei uns das hl. Meßopfer zu feiern. Trude ist nach Ribnitz gefahren, um von P. Beckmann Wein u. Hostien zu holen.

     Am großen Bilde war noch einiges zu tun, was ich am Vormittag getan habe. Es ist nun doch sehr schön geworden. Nachmittags zeigte ich Dr. T. die Bilder. Er war über die Entwicklung erstaunt u. sehr beeindruckt besonders vom Christkönigsbild.

     Später war Frau Masurek aus Berlin da u. schenkte [13] mir eine Cigarette, wofür ich ihr als Gegenleistung meine letzten drei Bilder zeigte. Sie erzählte vom Leben in Berlin, woraus wieder einmal hervorgeht, daß es immer noch weiter abwärts geht. Die Leute verkaufen das, was sie an Werten noch besitzen u. gerettet haben, für teures Geld an Engländer u. Amerikaner, um sich auf dem Schwarzen Markt für noch teureres Geld Lebensmittel kaufen zu können. Frau M. selbst hatte früher ein Geschäft für Herren-Konfektion u. macht heute sogen. neue Sachen aus alten. Wenn dann diese neuen Sachen wieder alt geworden sein werden, wird es nichts mehr geben, ebenso wenn das Geld für die Werte auf dem Schwarzen Markt ausgegeben u. die Nahrungsmittel aufgezehrt sein werden. – Es sind das schreckliche Perspektiven.

     So nimmt es nicht Wunder, daß einige Kluge unter unseren Kulturbund-Gästen mit Plänen umgehen, sich hier bei uns anzusiedeln, weil sie das Beispiel von uns sehen, indem wir von einigen Leuten allerhand Gegenstände herstellen lassen: Schaukelpferde, Segelboote u. a. Spielsachen, Haarnetze, Hüte, Gürtel usw. Wir produzieren doch wenigstens u. das Geschäft sorgt für den Absatz. Es kann daraus durchaus etwas werden. Jedenfalls leben wir noch nicht vom Kapital, sondern geben noch anderen Verdienst. –

Freitag, 28. Juni 1946.     
Herz-Jesu-Fest.     

     Dieser Festtag war immerhin nicht ohne jede äußere Gnadenerweisung. Wir schickten gestern Trude nach Ribnitz zu P. Beckmann, den sie natürlich nicht antraf, aber es wurde mit der Wirtin verabredet, daß heute jemand kommen würde, um Wein u. Hostien abzuholen. Heute Nachmittag ist Dr. Tetzlaff selbst rübergefahren, da jetzt neuerdings ein Motorboot ab Althagen um 6 Uhr nachmittags regelmäßig nach Ribnitz fährt u. um 8 Uhr wieder zurückkommt.

     Nachmittags kam Robert Schneider mit seiner Mutter, um meine Bilder zu sehen. Er brachte eine Flasche original Luxemburger Sekt mit, dazu eine kleine Schachtel mit zerschnittenen Cigarrenstummeln, die sich aus der Peife noch sehr gut rauchen lassen. Das Zeigen der Bilder ist ja immer eine etwas schwierige Sache, denn letzten Endes ist auch Robert Schneider ein Banause, aber gutmütig. Vor dem Christkönigs=Bilde verstummte er völlig. Es macht dieses Bild doch auf alle immer einen tiefen Eindruck. Sekt, Pfeife u. Bilder gaben dann doch einen guten Zusammenklang u. es war schließlich doch eine Freude.

     Martha war vorher kurz bei Frau Longard gewesen u. brachte ein Päckchen Sanatogen mit, welches der Sohn aus Kaiserslautern für mich gesandt hatte. Das Praparat Myoston, das ich regelmäßig nehme, hat eine offensichtlich gute Wirkung. Wenn nun Sanatogen noch dazu kommt, sollte es wohl werden.

     Am Vormittag habe ich eine Sperrholz-Platte zurechtgeschnitten u. habe die Treppe aufgezeichnet, [14] ich denke, daß ich am Montag dieses kleine Bild anfangen will. Es ist ja ziemlich belanglos, aber wird sicher ein hübsches Bild werden. Solch kleine leichte Sachen sind eben doch auch von Wichtigkeit.

     Es regnet wieder, aber es ist wenigstens warm.

     Den Vortrag, um den mich Dr. Burgartz gebeten hat, habe ich nun ebenfalls im Konzept fertig. Ich habe ihn ziemlich gründlich u. sorgfältig verfaßt u. ich könnte ihn nun jederzeit halten. Ob es wirklich dazu kommt, daß ich ihn halten werde, ist ja noch ungewiß, aber es war doch gut, mich einmal prinzipiell dazu zu stellen.

     Abends kam noch der ehemalige Forstmeister mit seiner Frau, Flüchtlinge aus Ostpreußen jetzt in Schwerin, der sich als Holzbildhauer aufgetan hat u. als Kulturbundgast hier ist. Er möchte sich gern hier niederlassen u. sucht ein Haus. Wir sprachen die Möglichkeiten durch. Er ist ein gebildeter u. kultivierter Mann u. scheint in Ostpreußen viel zurückgelassen zu haben. Jetzt besitzt er wohl nichts mehr. Seine Frau ist eine sehr energische u. lebensbejahende Person, reichlich hart u. materiell. Er heißt Genée u. mag etwa 55 Jahre alt sein, nicht unsympatisch. Ob er als Bildhauer etwas kann ist allerdings noch zweifelhaft, er ist reichlich konventionell, ein richtiger feiner Mann mit gesellschaftlichen Manieren, die Frau ist ganz Dame, aber offenbar praktisch u. erfahren in der Landwirtschaft, zupackend.

     Später um 10 Uhr kam Dr. Tetzlaff von Ribnitz zurück u. brachte das Notwendige mit, um morgen die hl. Messe lesen zu können. Wir richteten noch rasch den Altar.