TBHB 1946-06-22
Einführung
[Bearbeiten]Der Artikel TBHB 1946-06-22 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 22. Juni 1946. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über eine Seite.
Tagebuchauszüge
[Bearbeiten][1] Es geht mir auch heute gesundheitlich gut, wenn ich von einem leichten Durchfall absehe, der die unerfreuliche Nebenwirkung des neuen Medikamentes zu sein scheint.
Habe wieder gut gemalt heute, hauptsächlich habe ich die weibliche Figur im Sofa sitzend fertig gemalt. Diese hat mich sehr aufgehalten, sodaß ich sonst nicht viel weiter gekommen bin. Das Bild wird aber sehr gut. Es ist erregend zu malen.
Abends mit Fritz, der sein neues Steckenpferd „Ahnenforschung“ mit Leidenschaft reitet. Er hat große Rollen gefunden mit akademischen Urkunden des Urgroßvaters, Großvaters u. Vaters u. hat sie sortiert. Dabei befanden sich auch riesengroße Speisekarten von Stiftungsfesten ärztlicher Vereine, die künstlerisch von L. Pietsch in Lithographie gezeichnet sind u. Pornographien übelster Art darstellen. Die Urkunden des Urgroßvaters sind noch recht anständig, aber schon die des Großvaters nehmen bedenklich an künstlerischem Wert ab, während die unter Wilhelm II gegebenen Urkunden des Vaters von einer bodenlosen Geschmacklosigkeit sind. Der rapide Verfall unserer Kultur geht deutlich daraus hervor, allerdings würde man heute dergleichen nicht mehr machen. Man ist wieder geschmackvoller geworden, aber ich weiß nicht, ob man das als Kultur=Zunahme verbuchen kann. Es ist einfach eine rationale Angelegenheit einer fortgeschritteneren Zivilisation.