TBHB 1946-08-30
Einführung
[Bearbeiten]Der Artikel TBHB 1946-08-30 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 30. August 1946. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.
Tagebuchauszüge
[Bearbeiten][1] Nachmittags bei Knecht Versammlung der Künstler, an der auch Venzmer teilnahm. Es wurde allerhand besprochen u. positive Ergebnisse erzielt. Abends verabschiedeten sich Petersens ganz kurz.
Ich las abends eine politische Rede Dr. Schumachers vom 17. März 1946 in Nürnberg, die in einer Zeitschrift abgedruckt war („Die Gefährten“ 1946/1.) Gott sei Dank, daß mir dieses Blatt in die Hände kam, diese Rede gab mir wieder Mut u. Zuversicht. Ich quäle mich seit langem mit meiner Unklarheit, was ich bei der Wahl zu tun habe. Zwar gibt es hier nur eine Wahlliste, u. diese ist unpolitisch. Da sie aber von der SED. aufgestellt ist, wird sie eben dennoch als SED=Liste betrachtet, obgleich nur vier Parteimitglieder darin stehen. Wird sie also gewählt – u. sie muß gewählt werden, so ist das eben eine Entscheidung für die SED. Soll ich sie also wählen, oder soll ich einen ungültigen Zettel abgeben als Protest? Ich war schon so weit, mich zur Wahl zu entschließen; aber diese Rede Dr. Schumachers hat mir Klarheit gebracht. Ich [2] werde einen ungültigen Zettel abgeben, genauso, wie ich es stets bei den Nazis getan habe. Es hat das zwar keinen praktischen Wert, aber ich handele wenigsten nach meinem Gewissen. Die Rede Dr. Schumachers hat mir zum Bewußtsein gebracht, daß es im Westen eben doch noch starke Kräfte gibt, die die Ziele der SPD. vertreten u. daß es durchaus nicht hoffnungslos ist, für diese Ziele einzutreten. Man verliert hier im Osten völlig den Ueberblick, weil man kaum Zeitungen aus dem Westen bekomt u. man vergißt, daß der russ. Kommunismus doch wahrscheinlich durch diesen Krieg innerlich ausgehöhlt wird. – Es war mir z.B. interessant, von Ilse Schuster zu hören, daß in Magdeburg erst jüngst wieder die russ. Verordnung erneuert werden mußte, nach der es streng verboten ist, Russen in Privatwohnungen zu beherbergen. Eine solche Verordnung wäre nicht nötig, wenn es bei der russ. Besatzungstruppe nicht nach wie vor viele Deserteure gäbe, also viele Soldaten, die nicht nach Rußland zurück wollen. – Man muß also nach wie vor weiterkämpfen u. den Kommunismuß genau so ablehnen wie den Nationalsozialism. u. wenn man nicht aktiv kämpfen kann, dann muß man es wenigstens passiv tun u. seine Mitarbeit verweigern vor dem eignen Gewissen.
Ich denke, daß ich auch künstlerisch mich entscheiden werde. Ein Bild eines Kosaken-Offiziers wird man zwar niemals ausstellen können, aber man kann es doch wenigstens malen u. damit zeigen, wie diese Leute aussehen.