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TBHB 1946-09

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Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1946-09
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Entstehungsdatum: 1946
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Originaltitel: September 1946
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom September 1946
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Einführung

[Bearbeiten]

Der Artikel TBHB 1946-09 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom September 1946. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über 19 Seiten.

Tagebuchauszüge

[Bearbeiten]
[1]
Sonntag, 1. September 1946.     

[1]      Gestern ist mir eine Unverfrorenheit begegnet, die wirklich eine Gipfelleistung ist. – Es kam am Spätnachmittag dieser Dr. med. Schwaiger aus Bln., mit seiner Frau, der am Montag sich meine Bilder angesehen hatte. Beide hatten damals einen so überaus günstigen Eindruck auf mich gemacht. – Dieser Herr hatte mich bereits durch Petersen, mit dem er bekannt ist, wissen lassen, daß er eine besondere Begabung besäße, den Geldwert von Kunstwerken zu schätzen u. daß er gern bereit wäre, dieses Talent in meinen Dienst zu stellen. Ich ließ ihm durch P. sagen, daß ich es sehr begrüßen würde, wenn er meine Bilder taxieren würde. Er kam dann einige Tage später am Vormittag, doch wollte ich da arbeiten u. ich bat ihn, lieber Nachmittags zu kommen. Ich dachte dabei nicht so sehr an dieses Taxieren, sondern mehr daran, daß das Ehepaar schon bei seinem ersten Besuch darum gebeten hatte, noch einmal wiederkommen zu dürfen u. die Bilder ein zweites Mal zu sehen. Die Sache mit dem Taxieren war mir zwar ganz interessant, aber doch ganz unwichtig. –

     Nun kam gestern dieser Herr u. erzählte mir mit der Miene eines Biedermannes in salbungsvollem Ton, daß es für mich doch überaus gefährlich sein könne, wenn ich etwa zu hohe Preise forderte. Er sagte mir, [2] es sei in Bln. vorgekommen, daß ein Bilderkäufer zum Preiskommissar gelaufen sei u. sich beschwert habe u. daß dieser dann einen sehr niedrigen Preis für das Bild festgesetzt habe usw.

     Das ist natürlich kompletter Unsinn, aber ich hörte mir die Sache geduldig an, um zu sehen, wohinaus der Herr eigentlich wollte. Das ergab sich bald. Er teilte mir mit, daß er gekommen sei, um mich vor diesem u. a. Unheil zu bewahren u. daß er als Gegengabe dafür nur mein Bild „Weidenkätzchen“ erwarte.

     Ich war sprachlos. Ich weiß nicht, wie hoch dieser Mann den Wert dieses Bildes einschätzen mag, den ich mit etwa 800,– Rm. annehme. Der denkbar niedrigste Preis der Vorkriegszeit dürfte 300,– Rm. sein. Nimmt man diesen an, so heißt das, daß dieser Kerl für seine Taxator-Arbeit 300,– Rm. haben wollte, – bloß um mich selbst davor zu bewahren, vielleicht infolge zu hoher Preisgestaltung Unannehmlichkeiten zu haben.

     Ich antwortete dem Kerl selbstverständlich mit einem glatten, wenn auch höflichen Nein, woraufhin der Bursche durchaus nicht aufhörte, mich mit salbungsvollen Worten weiterhin zu überreden u. mich zu überzeugen. Ich habe eine große Kraft gebraucht, um mir alles anzuhören u. dennoch höflich zu bleiben, was mir wirklich bis zum Schluß gelungen ist. Der Kerl ging nämlich durchaus nicht fort, nachdem er merkte, daß er keinen Erfolg bei mir haben würde, sondern er blieb, als ob er am Stuhl festgeklebt sei, bis es dann endlich Abendbrotszeit war. Auch seine Frau schien nichts von dem Beschämenden der Situation zu empfinden, jedenfalls saß sie in ihrem Stuhl u. beobachtete mit neugierigem Interesse, wie die Geschichte ausgehen würde. – Ich habe mich, glaube ich, noch niemals in der Beurteilung von Menschen so getäuscht. –

     Abends erhielt ich ein Telegramm vom Landessender Schwerin, der mich einläd, am kommenden Mittwoch dort meine Einführungsworte zur Rostocker Ausstellung selbst zu sprechen. Ich müßte dann, wenn Dr. Gräbke mich am Dienstag hier mit den Bildern abholt, am Mittwoch früh nach Schwerin rüber fahren u. am Donnerstag wieder nach Rostock zurückkommen. Ulkig komme ich mir vor als ein Mensch, um den man sich bemüht. –

     Dr. Jaeger ist wieder auf einen Sprung hier u. will die Zeichnung zum hl. Pfarrer von Ars kaufen. Das ist die zweite Zeichnung, die in diesem Sommer in der BuStu. verkauft wird. –

     Am Nachmittag, als wir bei dem augenblicklich sehr schönen Wetter auf der Terrasse saßen u. Kaffee tranken, tauchte der Rechtsanwalt Hoffmann aus Berlin auf. Ich habe ihn nicht gesehen, seit die Nazis am Ruder waren, bzw. seit ich damals in Berlin war u. konvertierte. Ich hatte damals eine starke Abneigung gegen diesen ganz auf jüdischen Intellekt eingestellten Mann, sodaß ich den Verkehr [3] deshalb aufgab. Da dies grade zufällig mit dem Aufkommen der Nazis zusammenfiel, war mir in all diesen Jahren der Gedanke quälend, daß er glauben konnte, ich hätte deshalb den Verkehr mit ihm abgebrochen. Nun erschien er heute also wieder u. ich konnte feststellen, daß er diesen Gedanken wohl doch nicht gehabt hat. Er erzählte von seinen Schicksalen in der Nazizeit, die natürlich nicht leicht waren, aber sonst ist er genau wie früher. Solange er auf der Terrasse mit uns saß u. seine Geschichte erzählte, war er auch ganz nett, aber als ich dann mit ihm raufging, um ihm meine Bilder zu zeigen, kam auch dieser jüdische Intellekt wieder zum Vorschein u. reizte mich. Er bleibt 14 Tage hier u. ich bin froh, daß ich eine Woche davon in Rostock sein werde.

     Während ich ihm meine Bilder zeigte, kam die Frau von Robert Schneider. Sie berichtete aus Berlin, daß die Russen nach wie vor Industrien abbauen u. Erzeugnisse beschlagnahmen, sodaß es fast ausgeschlossen erscheint, daß sich die Wirtschaft erholen kann. Alles, was über den angeblichen Wiederaufbau in der Zeitung steht, ist Wahlmache der SED. Auch Hoffmann, der doch schließlich Grund hätte, den Russen u. der SED. Sympathie entgegenzubringen, hat nur ein vernichtendes Urteil darüber. Ebenso sehen die Landleute hier die Sachen an. Es werden von ihnen sehr hohe Abgaben gefordert, doch steht darüber natürlich kein Wort in der Zeitung. Es scheint fast so, als ob dieser Winter noch schlimmer werden würde, als der letzte, wenn man den glauben darf, was die Landleute sagen.

     Morgen muß ich meine Bilder verpacken, es wird viel Arbeit machen. Es werden dann sämtliche Bilder von mir fort sein, sodaß ich, wenn ich von Rostock zurück komme, ganz von vorne wieder anfangen kann. Es ist, als ob damit eine Periode ihren Abschluß gefunden hätte.

Montag, 2. September 1946.     

     Es geschehen wirklich merkwürdige Dinge. Nachdem ich heute mit Hilfe des jungen Konow u. unter erheblicher Anstrengung die sieben Bilderkisten zurecht gemacht u. außerdem alle Zeichnungen u. Aquarelle verpackt habe, sodaß alles für den morgen vorgesehenen Abtransport vorbereitet war, erhalte ich abds. um 9 Uhr eine Postkarte, die eigentlich erst morgen vormittag ausgetragen wird. Die Karte ist von Herrn Dr. Gräpke aus Rostock. Er teilt mir mit, daß erkrankt sei u. daß er mich bittet, „den in Aussicht genommenen Termin zunächst nicht als bindend anzusehen.“ Er schreibt weiter: „Wir müssen das Weitere verabreden, wenn ich wieder ganz auf dem Posten bin.“ – Wann wird das sein? Vielleicht zu Weihnachten –! vielleicht nie –!?

     Ich habe noch heute Abend ein Telegramm an Herrn Dr. G. aufgegeben mit Rückantwort u. habe um Auskunft gebeten. Sodann habe ich an den Landessender Schwerin geschrieben, daß es mir unter diesen Umständen zu unsicher sei, ob ich dort sprechen soll u. deshalb lieber verzichte. Diesen Brief nimmt Kurt Spangenberg mit, der morgen nach Schwerin fährt. Agnes Eggert fährt morgen nach Rostock u. ich habe sie gebeten, zu Herrn Dr. G. [4] zu gehen u. sich zu erkundigen, was da los ist. Ich halte es für möglich, daß da ganz andere Dinge mitspielen. Herr v. Achenbach ist ja nicht umsonst mit Herrn Stadtrat Matern befreundet, man kann da nie wissen. – Herr Dr. G. hat seine Karte an mich am 27.8. geschrieben, Poststempel 28.8., heute am 2. 9. kommt sie an, regulär erst morgen. Ich kann meine Bilder nicht lange in den Kisten stehen lassen, denn die Kisten sind naß u. die Bilder verderben, ich muß also alles wieder auspacken, wenn es länger dauert, bis Herr Dr. G. wieder so weit ist. Es ist doch etwas komisch, daß ein Museum seine ganzen Ausstellungspläne über den Haufen werfen muß, wenn der Leiter einen Schnupfen hat.

     Man sagt, Herr Stadtrat Matern wäre hier im Ort. In der BuStu. war er bisher nicht. Es ist wenn man will, auffällig. Er soll bei Erichson wohnen.

Dienstag, 3. September 1946.     

     Agnes Eggert hat hier zur Post telephoniert (aus Rostock), das Dr. Gräpke wirklich krank ist u. in Güstrow im Krankenhause liegt. (Warum jemand, der in Rostock wohnt, im Güstrower Krankenhause liegt, ist zwar nicht verständlich). Meine Ausstellung kann erst im November stattfinden, soll dann aber bestimmt sein. – Nun, man wird sehen. Auch hier wundern sich aber alle Leute, die davon hören, daß eine Ausstellung abgesagt werden muß, wenn der Museumsleiter krank ist. Besonders die Schweriner nehmen interessiert davon Kenntnis.

     Ferner kam ein Telegramm von Anneliese, daß Nachricht von Kurt durch einen Kameraden gekommen, ist. Er ist als Sanitäter in der Gegend des Dnjepr-Bogens. Martha ist sehr glücklich.

     Ich grundierte die Leinewand zu dem neuen Bilde „Aufbruch“. Dann packte ich mit Hilfe von Ewald Meier, unserem derzeitigen Hausdiener, der ein netter u. anstelliger Mensch ist die Bilderkisten wieder aus. Ich konnte die Bilder nicht in den Kisten lassen, weil diese sehr feucht sind, ich fürchtete, daß die Bilder stockig werden.

     Eine neue Skizze gemacht, ein „Mann im Kerker“. Bei Gräff gewesen u. um Rat gebeten wegen der Grundierung der Leinewand, doch wußte er mir auch nicht viel zu sagen. Immerhin brachte er mich auf den Gedanken, die Farbe mit dem Spachtel aufzutragen. Es wird mühselig werden, aber ich muß es machen, da die erste Grundierung nicht ausreichend ist.

     Gemeindewahlen am 1. September in Sachsen haben eine große Mehrheit der SED. ergeben. LDP u. CDU. zusammen ergeben etwa die Hälfte der SED Stimmen. Merkwürdigerweise hat die LDP. mehr Stimmen als die CDU. erhalten.

Mittwoch, 4. September 1946.     

     Vormittags die Leinewand nochmals grundiert. Habe die Grundierfarbe mit dem Spachtel aufgetragen aber trotzdem ist die Leinewand noch wie ein Sieb. Es kommt die Zeit näher, wo ich nicht mehr malen kann wegen Materialmangel. –

[5]      Aus Rostock ist von der Museumsleitung Antwort eingetroffen, daß die Ausstellung „voraussichtlich“ im November stattfinden soll. Bis dahin könnte ich noch viel malen.

     In der BuStu. Bilder aufgehängt. Zunächst die Wohnstube, an dem Platz, an dem sie schon vorher war, sodann „Rosen“, „Bäume am Wasser“, „Kätzchen“ „Astern“ u. „Winter-Aster“.

     An der Skizze „Mann im Kerker“ weiter gearbeitet. Vorläufig noch unbefriedigend.

Donnerstag, 5. September 1946.     

     Heute habe ich das neue Bild „Aufbruch“ zu malen angefangen. In der Anlage ist es fertig. Es verpricht sehr gut zu werden, es wirkt wie aus einem Guß u. ist in Farbe u. Komposition überaus wuchtig. Wahrscheinlich werde ich dieses Bild noch mit zur Ausstellung geben u. es wird diese erheblich bereichern, vor allem dadurch, daß das Thema ja nun wirklich zeitnahe ist.

     Nachmittags war Rechtsanwalt Hoffmann da, der vorzüglichen Kaffee mitbrachte. Wahrscheinlich werde ich nicht schlafen können. Er blieb bis gegen 6 Uhr bei mir, nachdem wir auf der Terrasse getrunken hatten, bis es zu regnen anfing.

     Dr. Krappmann schreibt aus Kiel. Er war in der Heimat Schweinfurt. Sein Gesuch in den bayrischen Staatsdienst zu kommen, ist immer noch nicht entschieden. Er schreibt, daß das Gymnasium in Scheinfurt einen Direktor besitzt, einen Zeichen- u. einen Religionslehrer – fast 1 1/2 Jahre nach Beginn des Wiederaufbaues. Die amerikanischen Behörden haben, wie er meint, für die höheren Schulen nicht viel übrig, sie sind ihnen uninteressant. Er sagt: „Wenn man den Durchschnitts-Soldaten in seiner kulturlosen Zivilisiertheit betrachtet, wird einem diese Einstellung verständlich“. – Solche Urteile höre ich sehr oft von einwandfreien Leuten u. dadurch tritt dann immer wieder die Frage auf, ob man nicht doch u. trotz allem die SED. wählen muß? – Auch politisch gehen da im Westen Dinge vor sich, die man nicht begreifen kann. Die Engländer haben ein neues Land „Nordrhein=Westfalen“ ins Leben gerufen, – wozu, weiß ich nicht. Jetzt schreibt Dr. K. daß nun ein zweites, selbständiges Land Hannover entstanden sei, sodaß nun Schleswig-Holstein als kümmerlicher Rest übrig bleibt, mit dem Erfolg, daß die dänische Minderheit in Schleswig mit Lawinengeschwindigkeit wächst. –

Freitag 6. September 1946.     

     Martha fuhr heute morgen mit Herrn Sorg, der momentan mit seinem Auto hier ist, nach Daskow auf Hamsterfahrt. Sie hat allerhand bekommen, vor allem Kartoffeln u. Mohrüben u. Roggen. Das Problem ist jetzt bloß, die Sachen hierher zu bekommen. Sie kam erst gegen 4 Uhr zurück.

     Nachmittags unser Künstler-Stammtisch, zu dem aber nur Koch-Gotha erschien. Er kam mit zu mir, um meine letzten Bilder zu sehen, die er noch nicht kannte. Ich begleitete ihn dann ein Stück nach [6] Althagen u. er erzählte mir auf dem Wege allerhand amüsante Sachen. Herrn v. Achenbach nennt er: „Herr Ach u. Krach“. Unterwegs traf ich Herrn Radder, unseren Konvertiten aus Wustrow, der mir von P. Beckmann die Nachricht brachte, daß er am Sonntag um 18 Uhr bei uns die hl. Messe lesen will. Er will über Nacht bei Frau Longard bleiben, die aber kaum Platz haben wird, da sie allerhand Leute aufgenommen hat. Er muß dann irgendwo bei uns schlafen.

     Herr Heyde brachte mir 8 – 9 Blätter Tabak für 20,– Rm. Ich habe einige zerschnitten u. zu rauchen versucht, doch ist der Tabak noch zu feucht. Ich habe ihn bei mir auf den Tisch zum trocknen gelegt.

     Abends kam mit der Post ein eingeschriebenes Päckchen, Absender: Clemens, Chefredakteur, Hamburg 36. Karl Muckplatz 9. b. A. Wagner. – Ich kenne einen solchen Mann nicht. Das Päckchen enthielt einige Butterkekse, 10 engl. Zigaretten u. ein Tütchen mit Bohnenkaffee. Ich werde abwarten, vielleicht wird sich der Absender melden.

     Vormittags gemalt. Der Anfang ist immer schwer, sodaß ich immer Angst habe, ich könnte das Bild nicht malen.

     Herr Damrow, der Geschäftsführer des Kulturbundes Berlin hatte bei Fritz Fotos bestellt von mir u. von Koch-Gotha außerdem Fotos nach meinen Bildern. Die Fotos von Koch-Gotha u. mir sind eben fertig geworden u. sind sehr gut. Koch-Gotha sah sie u. sagte: „Die greisen Künstler bei der Arbeit“. –

Sonnabend, 7. September 1946.     

     Heute viel gemalt, nach Zeit gemessen; aber nur wenig vorwärts gekommen. Der Kopf des Kindes ist überaus schwer zu meistern, denn es muß ein Kindergesicht sein, das dennoch das Wissen eines reifen Menschen hat. Dieses Problem wäre in der Art von Picasso leicht zu lösen, aber für meine Art ist es sehr schwer. Dennoch bin ich weiter gekommen u. ich hoffe, daß ich es am Montag schaffen werde.

     Fritz fährt morgen mit Herrn Sorg im Auto nach Berlin zum Einkauf.

Sonntag, 8. September 1946.     

     Morgens schönes Frühstück mit Bohnenkaffee, Ei, Weißbrot u. Butter. Fritz hatte mit rührender Sorge fünf Zigarren, die jedoch nur Zigarillos war, aus Ribnitz für mich besorgt, die Zuteilung, die wir so selten erhalten. Später hörte ich im Radio eine schöne Messe aus einem Kloster bei Hildesheim. Briefe geschrieben an den Bischof, Kardinal v. Preysing u. ihn um Verwendung gebeten zur Beschaffung von Künstler-Material aus England, ferner an Else u. an Faensens. Kurz vor 6 Uhr traf P. Beckmann ein, er hörte Beichte u. hielt dann ein Hochamt. Sehr schön. Morgen früh 1/2 8 Uhr wird er noch eine stille Messe lesen. Er schläft im Hause von Frau Longard. Abends saßen Martha u. Vera Wendt bei mir im Zimmer. Fritz ist heute nicht nach Berlin gefahren, da Herr Sorg eine Panne hatte u. der Wagen noch nicht fahrbereit ist. Es kann erst morgen fahren. [7] Die große Sensation ist die Rede, die der amerikanische Außenminister Byrnes in Stuttgart gehalten hat. Ein glücklicher Zufall spielte mir den Tagesspiegel vom 7. September, also gestern, heute schon in die Hand, in dem die Byrnes-Rede im Wortlaut abgedruckt ist. Ich las sie Martha u. Vera vor. Diese Rede wirkt wie eine Flucht aus der stickigen Luft der Pariser Konferenz in die Oeffentlichkeit. Es ist nur schade, daß diese Rede hier in der Ostzone kaum bekannt werden wird, denn dann würde jeder Denkende wissen, wie er am 15. September zu wählen hat. Diese Rede ist eine sehr präzise Erklärung über Deutschland. Byrnes versichert, daß Amerika bereit sei, die Initiative zu ergreifen u. die Art, wie er dies tut, erinnert an das Zerhauen eines sonst unlösbaren Knotens. Auch sprach er von der notwendigen Revision der deutsch-polnischen Grenze. Er fordert die wirtschaftliche Einheit Deutschlands, wie sie in Potsdam beschlossen war. Er erwähnt Rußland nicht, aber jeder sieht u. weiß, daß Rußland diese Einheit verhindert. Er fordert weiter die schnelle Wiederherstellung des deutschen Staates durch eine neue Bundesregierung, ferner die Annahme einer deutschen Verfassung u. die baldige Unterzeichnung eines Friedensvertrages. Vor allem fordert er Aufhebung der Zonengrenzen. – Diese Rede ist deshalb besonders bemerkenswert, als grade eben eine wirtschaftliche Fusion der amerikanischen u. englischen Zone Tatsache geworden ist. B. fordert Rußland u. Frankreich auf, dieser Fusion beizutreten. Das Saargebiet spricht er Frankreich zu, nicht aber das Ruhrgebiet u. das Rheinland, ebenso wenig die von den Polen besetzte Ostgrenze. Die ganze Rede ist für Deutschland sehr hoffnungsvoll u. stärkt meine Absicht, am 15. September einen ungültigen Wahlzettel abzugeben. Das ist auch P. Beckmanns Ansicht, wie ich zu meiner Befriedigung feststellte, noch ehe ich die Rede von Byrnes gelesen hatte. P. Beckmann sagt, daß die SED. eine Flüsterpropaganda in den Dörfern ausstreut, daß die Russen uns den Brotkorb höher hängen werden, wenn die Wahl nicht ihren Wünschen gemäß ausfallen sollte. Die SED-Leute brauchen keine Angst zu haben, sie werden hier mit ebenso großer Mehrheit gewählt werden, wie in Sachsen; aber das darf mich nicht hindern, meinen Protest auszusprechen. – Heute ist die Wahl in Provinz Sachsen u. Thüringen, auch dort wird die SED. siegen. – Das Volk ist viel zu feige, um Nein zu sagen, aber es ist auch wirklich schwer, sich angesichts der überwältigenden Propaganda der SED ein richtiges Bild zu machen. – Der Bürgermeister Dillwitz in Althagen ist ein Mann von Charakter. Man hat ihm jetzt gesagt, er könne Bürgermeister bleiben, wenn er aus der CDU. austreten u. der SED. beitreten werde. So ist es mit zahlreichen anderen Bürgermeistern auch geschehen u. sie sind meist umgefallen. Ihr Umfall wird dann stets in der Landes-Zeitung groß gefeiert. Aber Dillwitz ist fest geblieben, ein braver Kerl.

Montag, 9. September 1946.     

     Morgens stille Messe, vorher Beichte. P. Beckmann frühstückte mit uns u. fuhr dann ab. Er hat jetzt Hilfe bekommen durch einen Geistlichen, der mit den sudetendeutschen Flüchtlingen, die im Laufe des Sommers in großer Zahl angekommen sind, mitgekommen [8] kommen ist. Es soll ein sehr bemerkenswerter Herr sein, ein Religionslehrer. Prof. Rudoff oder so ähnlich. Er will demnächst auch zu uns kommen. Es ist jetzt möglich, daß wir alle drei Wochen hier Gottesdienst haben u. ich werde diese Gelegenheit benutzen, um unsere Sonntags-Andachten einzustellen. Es ist nun wirklich nicht mehr nötig.

     Vormittags gemalt, immer noch am Kopf des Kindes. Er ist jetzt schon ganz gut, jedoch noch nicht so, wie ich ihn haben will.

     Mittags fuhr Fritz mit Herrn Sorg ab.

     Nachmittags zwei Schweriner Damen, die sich Bilder ansahen, eine alte Pianistin u. eine Sängerin.

     Abends Bilder von Picasso angesehen. Ein Maler, über den ich immer wieder staune.

     Brief von Frau Dr. Riemschneider – Schwerin. Sie schreibt, daß ich ihr meine Bilder schicken soll, falls ich in Rostock auf weitere Schwierigkeiten stoßen sollte. Ich werde aber erst einmal abwarten.

Mittwoch, 11. September 1946.     

     Gestern tauchte plötzlich ein kathol. Geistlicher hier auf, z. Zt. Seelsorger in Forst i. L., vorher Professor an der Universität Breslau ein großer, schlanker Mann mit Glatze, ungemein sympatisch. Er ist Mitglied des Kulturbundes u. auf diese Weise hierher gekommen. Er war bis Stralsund gefahren, wo er dem Pfarramt einen Besuch gemacht hat u. dort traf er P. Beckmann, der ihn gleich an uns gewiesen hat. Er wohnt im Lukas. Er war gleich bereit, sonntags bei uns Gottesdienst zu halten, doch bot ich ihm an, daß er jeden Morgen hier bei uns seine stille Messe lesen könne, was er sehr erfreut annahm. So hatten wir heute früh um 1/2 8 Uhr bereits unsere Messe.

     Nachmittags hatte sich Rechtsanw. Hoffmann wieder mit Kaffee angesagt, den er diesmal selbst bereitete. Der Zufall wollte es, daß er u. der Professor im Kurhause am gleichen Tisch essen u. sich so bereits kennen gelernt hatten. Der Professor kam dann nachmittags ebenfalls. Wir unterhielten uns angeregt über Politik u. die bevorstehenden Wahlen.

     Abends waren Martha u. ich bei Frl. Dr. v. Monroy, die gegenwärtig mit einer anderen Schweriner Dame hier im Hause Schon wohnt. –

     Heute Nachmittag war Frau Frieda Loeber bei mir, um mich zu portaitieren. Sie machte zwei Versuche, die jedoch beide total mißlangen. Ich beobachtete sie beim malen u. es ist klar, daß ihre Malerei manchmal was wird, wenn sie grade Glück hat, aber meist wird es eben nichts. Wenn es aber wird, dann ist es sehr gut.

     Ebenfalls kam Frl. Dr. v. M. mit ihrer Freundin, um meine Bilder zu sehen, woran Frau Loeber dann teilnahm.

     Ich selbst habe mein Bild erheblich gefördert. Das Kind ist fertig, alles andere wird keine großen Schwierigkeiten mehr bieten. Es wird sehr gut.

     Es ist sehr regnerisch, windig u. recht kalt.

     Morgen früh fährt Vera Wendt nach Bln. zurück. Sie war uns ein wirklich angenehmer Gast, bescheiden u. freundlich. [9] Die Wahlen, die letzten Sonntag i. Prov. Sachsen u. Thüringen stattfanden, haben einen ganz wackeren Widerstand gegen die SED. ergeben, die, so weit ich gesehen habe, nirgends die absolute Mehrheit errungen hat gegen die beiden anderen Parteien. Dieses Ergebnis ist sehr hoffnungsvoll. Wenn man, was wohl richtig sein dürfte, die vielen ungültig abgegebenen Stimmzettel diesen beiden Parteien zurechnet, oder sie wenigstens als Protest wertet gegen die SED., dann ergibt sich schon ein ganz gutes Bild.

Donnerstag, 12. September 1946.     

     Heute wieder gut gemalt. Das Bild wird sehr gut werden. Mittags besuchte mich Tommy Abeking, der diesen Besuch niemals unterläßt, wenn er hierher kommt. Er sieht gut aus, hat die Kampftage in Berlin gut überstanden u. hat überhaupt nichts von all den grauenvollen Dingen erlebt, von denen so viele andere berichten. Er hat die besten Erfahrungen mit den russischen Panzer=Offizieren gemacht, die sich tadellos benommen haben. Es ist nichts von all dem geschehen, was man sonst hört. – Es geht ihm auch beruflich gut, er wird jetzt die Lizenz für einen Verlag für Lehrmittel erhalten, was ja seine Spezialität ist. Er sah gepflegt u. wohl aus u. so sympatisch wie imer. Merkwürdig ist das, wenn man seine Schwester kennt, die eine vollendete Dirne ist. – Er übergab mir nicht ohne Stolz einen Artikel im Tagesspiegel, den er über moderne Kunst geschrieben hat u. der wirklich sehr gut ist. – Ich zeigte ihm meine Bilder, die großen Eindruck machten.

     Am Nachmittag waren wieder Rechtsanw. Hoffmann u. unser Professor bei uns. Herr Hoffmann hatte Thee mitgebracht. Sehr lebhafte Unterhaltung über Politik u. deutschen Militarismus, dieser Wurzel allen deutschen Uebels. Nachher zeigte ich den Herren meine Bilder, die allermals eine sehr lebhafte Diskussion hervorriefen. Die Herren gingen erst um 7 Uhr fort.

     Unser Professor klagte heute sehr, daß er im Kurhause nicht satt würde u. wohl deshalb nicht hier bleiben könne. Wir boten ihm daher an, bei uns nach der Frühmesse einen Teller Roggenschrotsuppe zu essen, da diese so wie so für alle unsere Angestellten jeden Morgen gekocht wird. Außerdem soll er jeden Nachmittag bei uns Kaffee trinken u. eine Schnitte Brot essen. Er nahm das Anerbieten dankbar an, sodaß er heute schon bei uns frühstückte. Zur stillen Messe war heute auch das Ehepaar Degner zugegen.

Freitag, 13. September 1946.     

     Nachmittags war ein Dichter mit seiner Frau bei mir, zum Bilder besehen. Die Leute sind aus Warnemünde u. entsetzlich sentimental u. unbedeutend, aber gute Katholiken. Sie waren am letzten Sonntag auch bei uns zur hl. Messe. Morgen fahren sie nach Warnemünde zurück.

     Abends war Hoffmann bei uns, der ebenfalls morgen nach Bln. zurück fährt. H. ist ein Mann, den man auf die Dauer nicht ohne Widerspruch ertragen kann, aber er ist ein überaus gutmütiger u. charakterlich anständiger Kerl. Er will sich im Kulturamt in Zehlendorf, zu dem er sehr gute Beziehungen zu haben scheint, für mich, bzw. für eine Ausstellung meiner Bilder bemühen.

[10]
Sonntag, 15. September 1946.     

     Gestern Abend traf die Pfarrhelferin, die jetzt in Ribnitz bei P. Beckmann stationiert ist, bei uns ein. Eine sehr sympatische, fromme u. dabei sehr aufgeschlossene u. frohgelaunte junge Dame, Berlinerin, Frl. Ruthenberg. Sie erzählte u. a. eine sehr interessante Begebenheit. Die SED. in Ribnitz hat den Vorsitzenden der Ortsgruppe der CDU., Herrn Querhammer, einen 66 jährigen Ribnitzer Geschäftsmann, angegriffen u. allerhand Vorwürfe erhoben. Darauf berief, die CDU. am Freitag eine Versammlung, um Herrn Querhammer Gelegenheit zu geben, sich dazu zu äußern. In dieser Versammlung erschienen auch zwei russische Offiziere mit zwei Soldaten. Der zweite Vorsitzende, Direktor der höheren Schule, hielt eine einleitende Ansprache u. forderte dann Herrn Querhammer auf, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Darauf erhob sich einer der Offiziere u. verlangte sofort eine allgemeine Diskussion. Die Versammlung bestand jedoch darauf, das zuerst Herr Querhammer gehört werden sollte. Währenddem erschien der russ. Kommandant von Ribnitz mit einem Dolmetscher. Der Kommandant verlas in russ. Sprache einen Befehl, der angeblich aus Rostock gekommen sei u. der, wie sich aus der Uebersetzung ergab, die sofortige Schließung der Versammlung verfügte. Herr Querhammer selbst wurde durch die beiden russ. Soldaten verhaftet u. abgeführt, die Ortsgruppe der CDU. wurde für aufgelöst erklärt, d.h. daß über ihren eingebrachten Wahlvorschlag nicht abgestimmt werden kann, da er ungültig ist. Das ist natürlich der Zweck der Uebung.

     Abends kam auch Fritz aus Berlin zurück. Er war auch bei Hildegard Wegscheider gewesen, die ihm ebenfalls interessante Sachen erzählt hat. Die SPD hat kürzlich in Bln. eine Versammlung abgehalten. Vorher haben die Russen der SPD. 100.000 Cigaretten angeboten, wenn man darauf verzichten würde, über Korruktionen in der Berliner Stadtverwaltung zu sprechen. Das Angebot ist natürlich abgelehnt worden. – Zu der Geschichte mit der Verschleppung von Jugendlichen u. Kindern in Berlin u. Brandenburg, von der kürzlich der „Telegraph“ zu berichten wußte u. die dann von den Russen, bzw. der SED. heftigst abgestritten wurde, sodaß auch ich glaubte, es handele sich nur um ein Wahlmanöver, sagte Hildegard, daß der Telegraph 300.000 Namen von Kindern besäße, die verschleppt worden seien, jedoch könne der Telegraph nichts machen, weil sonst die Angehörigen der Kinder gefährdet sind. Auch Vera Wendt hatte gesagt, sie wüßte mehrere Jugendliche, die verschleppt worden sein u. könne sie mit Namen u. Adresse nennen. – Fritz ist auch bei Anneliese gewesen. Diese war in Blumberg bei Karl=Ernst Wendt. Er hat ihr erzählt, daß vor einiger Zeit zwei junge russ. Oftiziere bei ihm gewesen seien, ein Leutnant u. ein Oberleutnant, u. an ihn das Ansinnen gestellt haben, er solle in die SED. eintreten. Karl-Ernst hat das standhaft abgelehnt. Darauf sind die Offiziere zu einem anderen Pfarrer gegangen u. haben dort dasselbe versucht, indem sie diesem [11] vorlogen, Karl=Ernst sei bereits zur SED. übergegangen. Der andere Pfarrer hat das aber nicht geglaubt u. hat sich ebenfalls geweigert. Darauf haben die Offiziere die beiden Pfarrer zum Essen eingeladen in der Hoffnung, sie betrunken zu machen u. sie dann leichter überreden zu können. Die Pfarrer haben sich aber gehütet, sodaß zuletzt die beiden Offiziere die Betrunkenen waren. In ihrer Trunkenheit haben sie dann ausgeplaudert, daß Stalin befohlen hätte, mit allen Mitteln dafür zu arbeiten, daß alle Deutschen, besonders die Intellektuellen in die SED. eintreten. –

     So ist also die Situation, in der wir heute zur Wahl gehen. Martha u. ich waren bereits dort gleich nach der Messe, die wir heute um 8 Uhr früh hatten u. die sehr gut besucht war. Ich warf meinen Zettel in die Urne, nach dem ich vorher einen Strich guer darüber gemacht hatte. Ich tat das vorsichtshalber, da Fritz der Meinung ist, daß Wahlzettel, die ohne das Kreuz abgegeben werden, als Stimme für die SED. gelten. Fritz, der Vorsitzender des Wahlausschusses ist u. die Liste führt, meint, daß die Stimmung allgemein gegen die SED. ist u. er will sogar wissen, daß Wähler, deren Name selbst auf der Liste stehen, dennoch einen ungültigen Zettel abgeben.

     Morgens nach der Messe frühstückten wir zusammen mit Frl. Ruthenberg u. unserem Professor, der Rauer heißen soll, im Eßzimmer, da es im Seezimmer zu eng war für 4 Personen.

Prol. R. klagt sehr, daß er im Kurhause nicht satt wird u. so bekommt er jeden Morgen seine Schrotsuppe bei uns, was ihn aber nicht hinderte, heute auch unser Brot u. unsere Butter zu essen, von der wir am Sonnabend mal wieder eine kleine Zuteilung bekommen haben. Ich finde jedenfalls, daß er einen recht guten Appetit hat. Heute Nachmittag muß er in Wustrow Gottesdienst halten. Es ist schlechtes Wetter, starker Südwest, u. er wird wohl morgen darüber bitter klagen.

     Ich habe in all diesen Tagen abends an der Skizze zu dem Bilder „Kerker“ gearbeitet. Jetzt ist sie endlich so weit, daß ich eine größere Zeichnung dafür machen kann. Mein Bild „Aufbruch“ wird sehr gut.

     Abends: Die Wahl hat in Ahrenshoop ergeben:

Wahlberechtigte: 243.

Abgegebene Stimmen: 227

Davon für die SED: 163

     Ungültige Stimmen 64

                                   227

     Von diesen ungültigen Stimmen waren 34 leere Stimmzettel. Es wird sich erweisen, ob diese leeren Zettel von der Wahlbehörde in Ribnitz als ungültig anerkannt werden, – was sie zweifellos sein sollen. Immerhin ergibt dieses Resultat, daß es 64 anständige Menschen in Ahrenshoop gibt.

     Herr u. Frau Dr. Ummus waren Nachmittags da, – sie brachten die Nachricht mit, daß am 20. Oktober in der ganzen russ. Zone Wahlen zu den Kreis= u. Landtagen stattfinden sollen. Diese Wahlen werden dann ein besseres Bild abgeben, da man dann ja auch andere Pateien wählen kann.

[12]
Dienstag, 17. September 1946.     

     Mecklenburg-Vorpommern hat den Vogel abgeschossen, es sind rund 70% Stimmen für die SED. abgegeben worden. Bezeichnend ist, daß die Städte meist unter 50% geblieben sind, besonders in Schwerin sind die wenigsten Stimmen für die SED; aber auf dem Lande u. in den kleinen Städten, wo man –, wie in Ribnitz, – radikal vorgegangen ist u. die bürgerlichen Parteien kurz vor der Wahl einfach aufgelöst hat –, da ist vorwiegend die SED. gewählt worden. Besonders in den Dörfern gibt es ja auch kaum andere Zeitungen als die SED-Landeszeitung u. den Dorfbewohnern kam es bei der Wahl ja schließlich auch nur auf die Wahl ihrer Gemeindevertretung an, wobei es den Leuten völlig gleich ist, ob sich die Liste nun SED=Liste nannte, oder anders. Andere Listen gab es ja kaum. – Daß Herr Molotow von uns 10 Milliarden Dollar Kriegsentschädigung fordert u. diese jetzt schon aus unserer kümmerlichen Produktion entnimmt, davon verstehen die Leute nichts. Was sind 10 Milliarden Dollar für einen Büdner? Eine Summe, von der er sich überhaupt keinen Begriff machen kann u. die man erst etwas begreift, wenn man bedenkt, daß England sich von Amerika 3,5 Milliarden Dollar geliehen hat, um mit dieser Summe seine ganze, riesige Industrie wieder in Gang zu bringen. – Aber alle Leute finden, daß Rußland unser bester Freund ist, weil die SED es in all ihren Zeitungen sagt, u. weil die anderen nichts dagegen sagen dürfen, wenn sie nicht verhaftet u. verschleppt werden wollen auf Nimmerwiedersehen.

     Nachmittags war Herr Emmerich u. seine junge Frau bei mir, um Bilder zu sehen, außerdem zwei Leute aus Schwerin; die Frau (oder Witwe?) eines Augenarztes u. ein Musiker, ein gefälliger, hübscher u. sehr eitler, dummer Mensch. Auch Emmerich u. Frau waren recht langweilig.

     Heute war schönes Wetter, sodaß wir auf der Terrasse Kaffee trinken konnten. – Mein Bild geht der Vollendung entgegen, es wird sehr gut. –

     Nachmittags für BuStu. Buchungen gemacht.

Mittwoch, 18. September 1946.     

     In der BuStu. lernte ich heute Nachmittag eine Frau Kersten (oder ähnlich) kennen, die aus Schwerin ist u. dem Kulturbunde angehört. Ich sprach mit ihr über meine ev. Ausstellung in Schwerin u. über die Rivalität zwischen Venzmer u. Frau Dr. Riemschneider. Währenddem kam Ehm Welk mit seiner Frau in die BuStu. u. Frau Kersten machte mich bekannt. Ehm Welk meinte, gehört zu haben, daß ich im Oktober in Schwerin ausstellen würde. Wir verabredeten, daß er morgen zu mir kommen würde, die Bilder anzusehen. Ich werde vielleicht ihn veranlassen können, die Sache zu betreiben, da er übermorgen nach Schwerin fahren will. Man müßte mir aber schon einen Lastwagen schicken. – Ehm Welk selbst ist ein sympatischer Mann.

     Von Frau Ursula Haeffner vom Landessender Schwerin bekam ich einen Brief, wonach mein „interessantes Manuskript“ immer noch ungesendet [13] beim Landessender liegt. Sie bittet mich um Mitteilung, wann der Termin für die Schweriner Ausstellung genau feststeht, damit mein Referat dann von mir selbst gehalten werden kann. Ich will also versuchen, die Ausstellung noch im Oktober veranstalten zu lassen.

     Nachmittags mit Martha im Kunstkaten, um die Portaitbüste zu besichtigen, die Loeber von Venzmer gemacht hat. Sie ist nicht schlecht, wenn auch nicht zu vergleichen mit dem Kopf von Partikel, den G. Marks gemacht hat. Dieser Kopf ist wirklich sehr eindringlich. Loeber möchte nämlich gern von mir eine Büste machen, aber ich habe keine Lust, 1000,– Rm. dafür auszugeben, wie Venzmer es getan hat, der sich dergleichen heute leisten kann.

     Am „Aufbruch“ bin ich jetzt beim Hintergrunde angelangt, der recht schwierig ist. Es soll ein Aufruhr von Farbe sein, aus dem heraus sich die Figur der alten Frau entwickelt

Donnerstag, 19. September 1946.     

     Nachmittags waren Ehm Welk u. seine Frau u. Frau Kersten da. Die Bilder machten einen sehr starken Eindruck. Frau Kersten, deren Sohn im Kriege gefallen ist u. die eine sehr gefühlsweiche Frau zu sein scheint, brach beim Anblick des Christkönigs in Tränen aus.

     Ehm Welk ist der Vorsitzende der Ortsgruppe des Kulturbundes in Schwerin u. ist also eine maßgebende Persönlichkeit. Außerdem ist er ein prächtiger Kerl. Es will nun auf jeden Fall die Ausstellung in Schwerin machen u. glaubt, mir einen Lastwagen zum Transport der Bilder schicken zu können. Er fährt morgen nach Schwerin zurück.

Freitag, 20. September 1946.     

     Gestern kam ich nicht weiter, weil es dunkel wurde. Es herrschte gestern ein sehr starker Sturm, mehrere Bäume des Dorfstraße wurden entwurzelt u. der elektrische Strom versagte, er ist auch heute noch nicht wieder da.

     Herr Welk wird mir also baldigst Nachricht geben, wann meine Ausstellung sein kann. Seine Frau bleibt noch hier u. er wird sie abholen. Es scheint also, als ob die Sache nun in Schwung käme. Ich habe gleich an Frau Haeffner vom Landessender geschrieben u. ihr die Sachlage mitgeteilt. Ich habe ihr vorgeschlagen, daß ich am Tage vor der Ausstellungs-Eröffnung das Referat selbst im Rundfunk sprechen werde. Herr Welk war sehr einverstanden mit meinem Vorschlag, die Ausstellung mit geladenen Gästen zu eröffnen, wozu ich dann eine Rede halten werde nach einigen einleitenden Worten, die Ehm Welk selbst sprechen wird. Auf diese Art kann diese Sache für Schwerin ein künstlerisches Ereignis werden.

     Heute Vormittag wurde das Bild „Aufbruch“ fertig. Es ist ausgezeichnet geworden. Ich werde sofort einen Rahmen u. eine Kiste machen lassen, [14] damit dieses Bild noch mit zur Ausstellung gelangen kann. Es wird diese sehr bereichern u. man kann mir nicht vorwerfen, daß ich nur Blumen u. religiöse Motive male u. mich an den Gegenwartsereignissen vorbeidrücke.

     Nachmittags war die Schriftstellerin Ilse Langner bei mir in Begleitung einer Frau (oder Fräulein?) Mommen, beides überaus angenehme Menschen, die sich mit großer Gründlichkeit u. tief gehendem Interesse meine Bilder ansahen. Es war für mich eine tiefe Freude, diesen beiden meine Bilder zeigen zu können, Beide baten darum, die Bilder noch ein zweites Mal sehen zu dürfen, was ich ihnen gern zusagte. Solche Menschen stellen Ueberlegungen u. Reflexionen an, die sie aussprechen u. von denen man bereichert wird. So stellte Ilse Langner fest, daß eine Linie in meinem Schaffen von der Weihnachtskrippe ausgeht, über das Portrait von Dr. Tetzlaff führt u. momentan im letzten Bilde „Aufbruch“ endet. Das ist sehr hell gespürt u. mir selbst noch nicht bewußt geworden. Das Erfreulichste aber war, daß Ilse Langner meinte, daß diese Linie noch längst nicht zuende sei, daß man vielmehr noch sehr viel erwarten könne, – während die religiöse Linie im Christkönig kulminiere u. dieser Höhepunkt wahrscheinlich nicht mehr überstiegen werden könne. Auch das scheint mir richtig zu sein. Ich werde höchstens noch einmal etwas ähnliches malen können wie den Christkönig, aber darüber hinaus werde ich kaum kommen.

     Der Sturm gestern hat böse gehaust. Es sind nicht weniger als sechs Bäume in der Dorfstraße entwurzelt worden u. haben mehr oder weniger Schaden getan. Trotz großer Zerstörungen ist das Lichtnetz heute Abend aber schon wieder in Ordnung. Es ist aber sehr kalt geworden, sodaß ich abends den elektr. Ofen angemacht habe.

     Heute haben wir zwei junge Hühner bekommen. Hanschatz hat uns schon vor längerer Zeit einen Stall hinter der Waschküche eingerichtet. Ich hoffe, daß wir noch mehr Hühner bekommen werden. Futter haben wir auch. Da wir im Sommer schon einige Kaninchen bekommen haben, werden wir unseren Speisezettel in Zukunft sehr verbessern können. Gestern u. heute hat Hanschatz uns auch Holz angefahren. Auch Preßkohlen haben wir im Sommer bekommen u. werden vielleicht noch mehr bekommen für die Werkstatt der BuStu. Dennoch werden wir sehr sparen müssen u. die Zentralheizung nur an ganz kalten Frosttagen heizen können. Ich werde in meinem Schlafzimmer einen Ofen stellen lassen u. wir werden dann alle dort sitzen. Wir haben auch Kartoffeln zu enormen Preisen gekauft u. werden hoffentlich im Winter etwas mehr zu essen haben wie im vorigen Jahre.

Sonnabend, 21. September 1946.     

     Vormittags die endgültige Zeichnung zum nächsten Bilde begonnen: „Mann im Kerker“. Der Entwurf war schwierig, ich habe sechs Versuche machen müssen bis ich zur jetzigen Lösung kam.

     Mittags Brief von Frau Dr. Riemschneider-Schwerin, vom 16.9. Sie teilt mir mit, daß der Programm=Ausschuß [15] des Kulturbundes beschlossen habe, meine Bilder dort auszustellen u. zwar im Oktober. Sie schreibt, daß es jetzt eine eigene „Sektion für Ausstellungswesen für kulturpolitische Ausstellungen“ gäbe, wodurch der Instanzenstreit zwischen ihr u. Venzmer beseitigt worden sei, da diese Sektion nun die höhere Instanz sei. Sie möchte nun, daß ich die Bilder umgehend schicke. Außerdem war sie in Rostock, um sich dort über die Hintergründe des Versagens in meiner Ausstellung zu informieren. Sie behauptet, daß Venzmer dahinter stecke; aber ich glaube das nicht. – Nach diesem Brief traf ein Telegramm ein, in dem Frau R. mich um meine Einwilligung zur Ausstellung bittet. Ich habe gleich telegraphiert u. zugleich einen Brief geschrieben. Die Sache scheint also vorwärts zu gehen.

     Nachmittags waren Martha u. ich mit Prof. Rauer zum Tee bei Triebsch eingeladen. Es war sehr nett, es gab echten Tee u. vorzüglichen Apfelkuchen aus weißem Mehl.

     Abends kam Frl. Ruthenberg u. bleibt über Nacht.

     Vom Kardinal habe ich eine Absage bekommen Er läßt mir durch seinen Sekretär mitteilen, daß es seine vordringlichste Aufgabe sei, für Kleidung u. Nahrung einzutreten u. daß er außerdem die notwendigen Beziehungen nicht hätte.

Sonntag, 22. September 1946.     

     Morgens Gemeinschaftsmesse. Prof. Rauer fährt morgen nach Forst zurück, sodaß wir morgen früh die letzte Messe haben. Er war ein Mann, der uns nicht grade mit hl. Geist erfüllt hat, ein etwas langweiliger Rationalist, der sehr auf seine eigene Bequemlichkeit bedacht ist u. mehr nimmt als gibt. Wir lassen ihn schmerzlos scheiden, zumal er uns täglich morgens eine Suppe gekostet hat. Frl. Ruthen= oder Rautenberg? war ebenfalls zum letzten Male hier, da ihre Zeit abgelaufen ist u. sie wieder nach Bln. zurückkehrt. Sie verlangte heute nach Tisch, meine Bilder zu sehen. Ich zeigte ihr vorsichtshalber nur die religiösen Bilder, aber selbst dabei war sie recht unzulänglich.

     Frau Ranke verabschiedete sich. Sie gibt ihr provisorisches Heim hier auf, um nach Fürstenberg zurückzukehren, wo ihr Vater wohnt.

     Herr Venzmer war da u. erkundigte sich nach meiner Ausstellung. Er hatte in Schwerin nur kurz mit Ehm Welk gesprochen. Er ist ein Umstandskrämer u. voller Bedenken u. Vorbehalte, wenn es nach ihm ginge, würde die Ausstellung nie zustande kommen. Er beklagte sich wieder heftig über Frau Dr. Riemschneider. Nun, ich hoffe, daß an diesen Differenzen die Ausstellung nicht scheitert.

Martha ist nachmittags bei Frau Kurth, die singt in Begleitung von Herrn Knochenhauer. Am Bilde „Mann im Kerker“ gezeichnet. Gut. –

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Montag, 23. September 1946.     

     Die neue Gemeindevertretung hat mich heute in den Gemeinderat gewählt, zusammen mit Herrn Degner. So sind beide Gemeinderäte Katholiken. Ich traute mich nicht, mich der Wahl zu entziehen u. nahm die Wahl an. Fritz, der Mittags zufällig im Gemeindeamt war, wo die Vertretung zu ihrer ersten Sitzung zusammengekommen war, brachte mir diese Nachricht, da man ihn beauftragt hatte, mir dies mitzuteilen u. mich zu fragen, ob ich die Wahl annehme. Man hatte ihm gesagt, daß man im Falle meiner Ablehnung ihn wählen würde. Fritz wird aber viel besser den Vorsitz im Kulturbunde übernehmen, wenn Dr. Burgartz einmal weggeht, womit zu rechnen ist.

     Prof. Rauer trank bei uns Kaffee, da er heute Nachmittag abreisen wollte, doch fährt weder das Boot von Althagen, noch der Dampfer von Wustrow, beide sind kaputt. Er muß nun morgen früh mit dem Omnibus ab Wustrow fahren.

     Nachmittags waren drei Damen da, um Bilder anzusehen: eine Malerin, Katholikin, die Kirchen ausmalt, sowie zwei andere Damen, von denen die eine die Freundin von Lina Bittner – Berlin ist.

     Die Russen benehmen sich wieder mal wild. Heute Nacht ist eine Patrouille in mehrere Häuser eingedrungen, um sich die Ausweispapiere vorlegen zu lassen, wodurch die dort wohnenden Sommergäste in Furcht u. Schrecken versetzt worden sind. Es sind auch Uhren u. a. Wertsachen fortgenommen worden. Heute am Tage haben die Russen zwei Herren u. eine Dame, die im Darss spazieren gingen u. keine Ausweise bei sich hatten, festgenommen u. nach Wustrow gebracht. Dergleichen ist unerhört u. wird hoffentlich auf das Wahlergebnis am 20. Oktober nicht ohne Einfluß bleiben.

Dienstag, 24. September 1946.     

     Nachmittags 3 Uhr traf ein Auto ein mit einem Brief von Frau Dr. Riemschneider. Sie teilt mit, daß sie grade durch einen glücklichen Zufall einen Wagen bekommen habe u. sie ihn schicke, um die Bilder abzuholen. Abgesehen davon, daß die Bilder ja erst wieder verpackt werden müssen, ist der Wagen auch zu klein. Es ist ein alter Postwagen zum Paket-Transport, allseitig geschlossen, es ist ausgeschlossen, daß die beiden großen Kisten hineingehen. Zum Glück war Konow heute früh gekommen, um die Kiste für das Neue Bild „Aufbruch“ anzufertigen. Es blieb nichts anders übrig, als den Fahrer über Nacht im Dorf unterzubringen, denn es war unmöglich, die Kisten so rasch fertig zu machen. Ich habe mit Konow den ganzen Nachmittag gepackt, erst abends um 8 Uhr waren wir endlich fertig. Für das Bild „Aufbruch“ war der Rahmen noch garnicht fertig, ich mußte zu Meier nach Althagen schicken u. bekam den Rahmen, konnte ihn aber nicht mehr streichen. Das muß Frau R. in Schwerin machen lassen. Fritz fotographierte das Bild noch rasch. Ich habe [17] ein ganz wehes Gefühl, daß ich mich schon von diesem Bilde trennen muß, noch ehe ich es selbst recht angesehen habe.

     Vormittags war nochmals Herr Rubinstein (?) da in Begleitung der Wandmalerin von gestern, ich glaube Frl. Lange oder Langner mit einem zweiten Namen. Herrn R. gefiel das Bild „Aufbruch“ ausnehmend gut. Ich zeigte ihm auch die Zeichnung zum „Mann im Kerker“, die ihm ebenfalls sehr gefiel. Er war von dieser neuen Richtung meiner Produktion so entzückt, daß er sie über den „Christkönig“ stellte. Er sagte mir, ich solle doch in Berlin-Zehlendorf ausstellen, wo das dortige Kulturamt stets sehr ausgezeichnete Ausstellungen von bester Qualität veranstaltet. Er scheint dorthin gute Beziehungen zu haben u. will die Sache vermitteln. Er will im Oktober noch einmal herkommen. Es scheint so, als hätte er die Möglichkeit, in Zehlendorf eine Ausstellung der Fischland-Künstler zu arrangieren. Er beschrieb mir diese Sache. Es dient dort eine große Villa für diese Zwecke. Unten soll eine sehr große Diele sein, wo meine Bilder hängen sollen. Ein helles Treppenhaus führt nach oben, wo gut Graphik aufgehängt werden kann, hier will er Zeichnungen von Frau Holtz-Sommer hängen. In den obersten Zimmern sollen dann Bilder anderer Fischländer Künstler hängen. Es scheint mir das eine recht gute Sache zu sein. Es will sich so allerhand machen, aber es ist alles ungewiß u. man weiß nie, was daraus wird.

     In Rostock wird, wie ich höre, eine Ausstellung der beiden Verstorbenen: Partikel u. Oberländer, vorbereitet, – also trotz der Krankheit des Herrn Dr. Gräpke! Irgendwas scheint da also nicht zu stimmen. –

     In Schwerin tut Frau Riemschneider nach wie vor so, als ob sie, bzw. das Museum, die Ausstellung meiner Bilder mache, während doch der Kulturbund die Sache nun machen will. Sie schickt den Wagen u. schreibt von ihrem „Halbrundraum“, von dem sie mir schon früher sprach u. den ich für ungeeignet halte, weil er zu klein ist. Diese Meinung bestägte mir auch sowohl Herr Venzmer, wie auch Ehm Welk. Herr Welk wird ja wohl Ende der Woche nochmals herkommen u. mir Näheres berichten.

Mittwoch, 25. September 1946.     

     Mittags 1 Uhr fuhr das Auto mit meinen Bildern ab jedoch mußte die Kiste mit dem neuen Bilde „Aufbruch“ zurückbleiben, da sie nicht mehr hineinging. Mit in der Kiste ist die „Weihnachtskrippe“. Spangenberg hat aber diese Kiste noch heute nach Althagen zu Litzau gefahren, der sie mit seinem Lastwagen nach Ribnitz zur Bahn bringen wird, von wo sie dann per Eilfracht hoffentlich wohlbehalten nach Schwerin gelangen wird. Fritz hat noch ein gutes Foto vom „Aufbruch“ gemacht.

     Abends besuchte uns Frl. v. Monroy, eine Nichte [18] der verstorbenen Frau Schorn, aber selbst schon sehr alt u. gebrechlich. Sie ist die Erbin des Hauses, aber da sie durch die Verhältnisse alles Vermögen verloren hat, weiß sie nicht, was sie mit dem Erbe anfangen soll. Sie ist ehemalige Oberlehrerin u. wohnt mit anderen Verwandten in einem Hause in Schwerin, das aber größtenteils von einem russischen Oberst u. dessen Frau bewohnt wird, dazu ein Koch zwei Schofföre u. ein Bursche zur Bedienung dieser kommunistischen Familie, die im übrigen sich keine Gelegenheit entgehen läßt, ihren Deutschenhaß an den Tag zu legen. Das Personal wetteifert mit der Herrschaft hierin. Der Koch verpflegt alle zusammen reichlich u. alle freuen sich über den Hunger, den die Deutschen angesichts dieses üppigen Lebens doppelt verspüren.

Freitag, 27. September 1946.     

     Bei prachtvollem Herbstwetter begleitete ich nach dem Mittagessen Martha nach Althagen zu Frau Rewoldt, bei der wir gegen andere Dinge Aepfel + Birnen, zwei Eier, ein wenig Bohnen u. vor allem Tabak eintauschten. Frau R. ist sehr alt geworden. Wir wollten dann in der „Hoffnung“ Kaffee trinken, doch war alles zu. So wurde der Weg für mich doch reichlich anstrengend u. wir kehrten deshalb bei Carmen Grantz ein, um etwas zu verschnaufen. – Abends war eine sehr gut besuchte u. recht anregende Sitzung der Ortsgruppe des Kulturbundes, die bis nach 11 Uhr dauerte. Hierbei trat Fritz zum ersten Male als Vertreter des Vorsitzenden Dr. Burgartz auf, sowie als Kassenführer u. machte seine Sache ausgezeichnet.

     Ich habe einen neuen Bildentwurf in Arbeit: ein alter Jude auf der Flucht, der erschöpft zusammengekauert eingeschlafen ist. Für das andere Bild: „Mann im Kerker“ fehlt mir noch der Keilrahmen, den mir erstmalig Konow machen will.

Sonntag, 29. September 1946.     

     Gestern Abend war Ilse Langner mit ihrer Freundin Frau Annamarie Mommsen bei uns. Es war ein ungemein anregender Abend, sie blieben bis 11 Uhr bei uns u. ich freute mich, mit ihnen einen so guten Kontakt zu finden. Am Montag fahren sie nach Bln. zurück.

     Konow brachte den Keilrahmen für das Bild „Mann im Kerker“. Er hat ihn ausgezeichnet gemacht, morgen kann ich die Leinewand aufspannen u. vielleicht schon grundieren.

     Gestern Brief geschrieben an Chefredakteur Clemens in Hamburg, von dem ich kürzlich das Päckchen mit Cigaretten u. Kaffee erhielt. Ferner eine Entgegnung geschrieben gegen eine flegelhafte Kritik, die in der Landeszeitung über moderne Kunst erschienen ist. Ich will das Manuskript an die „Demokratische Erneuerung“ in Schwerin schicken, wahrscheinlich wird man es ablehnen.

     Ehm Welk ist gekommen. Ich sprach ihn eben in der BuStu. Mit der Eröffnung meiner Ausstellung will man den Wahlrummel der Landtagswahl abwarten. Diese ist am 20. Oktober, sodaß die Eröffnung dann am 27. Oktober sein wird. [19] Es ist also wiederum ein neuer Aufschub. Da die Ausstellung 4 – 6 Wochen dauern soll, würden die Bilder erst im Dezember für Rostock frei sein u. erst 1947 für Berlin.

     Abends gingen Martha u. ich auf einen kurzen Besuch zu Küntzels. Ich bin seit dem Mai zu Gretes Geburtstag nicht mehr dort gewesen. Besonders Paul war sehr erfreut über unseren Besuch. Er setzte uns Tee vor u. drehte mir zwei Cigaretten aus Tabak, den er selbst gebaut hat. Er hat nun 15 Pflanzen. Sie plagen sich sehr mit der Heranschaffung von Kartoffeln, die sie aus Daskow, 15 km. von Ribnitz entfernt im Fußmarsch holen.

     An Pastor Kleinschmidt – Schwerin geschrieben über die Mängel dieser Saison u. Vorschläge zur Abstellung derselben gemacht.

[19]
Montag, 30. September 1946.     

[19]      Vormittags Leinewand aufgespannt u. grundiert. Ich habe den Grund wieder gespachtelt, da die Farbe so dick u. zäh war, daß ich sie nicht streichen konnte. Ich habe damit ja beim „Aufbruch“ recht gute Erfahrung gemacht.

     Nachmittags kamen zwei Telegramme. Das eine ist von Frau Dr. Riemschneider, wonach meine Ausstellung bereits am 6. Oktober 11 Uhr in Schwerin eröffnet werden soll, u. zwar mit meiner Ansprache. Das andere ist von Frau Karsten desselben Inhalts, jedoch schränkt sie den Termin durch das Wort „voraussichtlich“ wieder etwas ein. Es widerspricht also durchaus dem, was Ehm Welk sagte, der außerdem der Ansicht war, es sei besser, wenn er selber spräche, weil das geehrte Publikum sonst der Meinung sein könnte, daß ich für meine Bilder Propaganda machen wollte. – Nun, ich werde jedenfalls am Sonnabend früh nach Schwerin fahren.

     Dr. Burgartz trank bei uns Kaffee u. besprach, mit Fritz Fragen der Ortsgruppe. Fritz übernimmt mehr u. mehr die Vertretung des Dr. B. in diesen Dingen, vor allem, wenn im Oktober Berliner Journalisten hier sein werden.

     Am 6. Oktober, soll in Rostock auch die Musik-Hochschule eröffnet werden. Es werden also an diesem Tage die Schweriner führenden Leute wahrscheinlich in Rostock sein.