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TBHB 1946-11

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Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1946-11
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Entstehungsdatum: 1946
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Originaltitel: November 1946
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom November 1946
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Einführung

[Bearbeiten]

Der Artikel TBHB 1946-11 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom November 1946. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über 11 Seiten.

Tagebuchauszüge

[Bearbeiten]
[1]
Sonntag, 3. November 1946.     

[1]      Ich habe inzwischen wieder mit Fieber im Bett gelegen, heute am Vormittag bin ich aufgestanden, fühle mich aber sehr matt.

     Am Freitag-Nachmittag hatten die Fischländer bildenden Künstler eine Versammlung bei Möller-Knecht. [2] Dr. Burgartz hat den Vorsitz der Ortsgruppe Ahrenshoop des Kulturbundes niedergelegt. Wir Künstler beschlossen daher, diese Ortsgruppe machen zu lassen, was sie will, uns selbst aber als selbständige Sektion Fischland zusammenzuschließen. Wir wählten den Maler Holtz – Wustr. zum Vorsitzenden, der das nicht anders erwartet hatte u. dementsprechend bereits allerhand Schriftstücke zur Besprechung mitgebracht hatte, die er von seinem Freunde Venzmer bekommen hatte. Unter anderem war da auch ein Brief des Herrn Venzmer an die einzelnen Sektionen, in welchem er einen Passus aus einer Rede mitteilte, die Herr Dr. Willi Bredel kürzlich irgendwo gehalten hat u. in der er feststellt, daß die Künstler immer noch nicht „zeitnahe“ arbeiten. Herr V. bittet die einzelnen Sektionen um Stellungnahme dazu. – Es wurde mit erfreulicher Einmütigkeit zum Ausdruck gebracht, daß wir uns solche Einmischung in unsere Arbeit verbitten u. daß die künstlerische Freiheit des Schaffens unbedingt gewahrt werden muß.

     Während wir die Sitzung hatten, holte Martha Frau Dr. Riemschneider u. Barbara vom Hafen Althagen ab. Beide sind ausgezeichnet bei Lukas-Saatmann untergebracht. Abends saßen wir bei der Kerze u. mir wurde immer elender bis ich um 8 Uhr erklärte, ins Bett gehen zu wollen. Ich hatte 384 Fieber. Offenbar sind es wieder Nierensteine, die das Fieber verursachen, obwohl ich keine besonderen Schmerzen habe. Auch am Sonnabend blieb ich im Bett da das Fieber noch etwas anstieg. Wir hatten um ½5 Uhr Messe, die als Allerseelen-Messe gedacht war. Ich blieb im Bett u. der Pfarrer brachte mir die hl. Kommunion. Der Pfarrer ist ein Dechant Joseph Bich.

     Gestern bekam ich wiederum einen Angriff in der Landeszeitung unter dem Titel: „Es brasselt“, unterzeichnet von einem J. Wermann, Künstlerkollektiv Techentin. Diese Auslassungen sind höchst geschmacklos u. dumm. Der Herr J. W. regt sich besonders auf, daß ich bei dem „Gnadenbild“ weder der Jungfr. Maria noch dem Jesuskinde die Gesichter gemalt habe. Von meinen Bildern meint er, „die Farben aber sind scheußlich“. Er lobt dagegen meine Zeichnungen u. von dem Holzschnitt „Rufender Johannes“ ginge ein starker Eindruck aus. – Auch Frau Dr. R. weiß nicht, wo Techentin auf der Landkarte zu suchen ist u. woraus dieses „Künstlerkollektiv“ besteht. Dieses Wort ist z. Zt. sehr modern, es wird bei uns nach russischem Muster alles kollektiviert.

     Heute findet, sich in der Landeszeitung eine Notiz, daß meine Schweriner Ausstellung um 14 Tage verlängert ist bis zum 17. November. Das Künstlerkollektiv Techentin u. was dazu gehört wird sich also noch 14 Tage länger über meine Bilder, ärgern können.

     Frau Dr. R. hat, wie Martha mir sagt, sich das neue Bild „Mann im Kerker“ angesehen u. ist sehr beeindruckt davon. Der Zweck ihres Hierseins ist eine Spielzeug-Ausstellung, die sie im Landesmuseum für Weihnachten vorbereitet u. wofür wir ihr einiges Material überlassen.

[3]
Dienstag, 5. November 1946.     

     Am Sonntag-Nachmittag kam noch Dr. Meyer, um nach mir zu sehen. Er empfahl mir, noch einmal eine Euvernil-Kur zu machen, da ich dieses Medikament noch habe. Er nahm Urin mit.

     Abends mit Frau Dr. Riemschneider, Barbara u. Fritz im Atelier, doch zog ich mich gegen 8 Uhr zurück u. ging ins Bett. Das Fieber war aber vorbei, nur war ich sehr matt. Frau Dr. R. fuhr am Montag früh nach Schwerin zurück.

     Am Montag begann ich die Euvernil-Kur, die ich bis Freitag durchführen will. Es geht mir gesundheitlich sehr viel besser. Der „Mann im Kerker“ macht mir noch immer viel zu schaffen.

     Heute bekamen wir durch Vermittlung von Schönherr 30 Centner Kartoffeln aus Daskow. Es war sehr schwierig, da Daskow im Kreise Franzburg-Barth liegt u. keine Lebensmittel den Kreis verlassen dürfen. Polizeiposten halten in Damgarten jeden Transport auf. Infolgedessen mußten die Kartoffeln im Motorboot gebracht werden, um den Polizeiposten zu umgehen. Das Boot hatte 110 Centner geladen, viele Wustrower waren daran beteiligt. Es kam erst kurz vor 6 Uhr in Wustrow an, wo Fritz mit den Wagen von Holzerland u. Spangenberg wartete. Da diese beiden schon von 4 Uhr ab gewartet hatten u. nur mit viel Schnaps gehalten werden konnten, waren sie inzwischen schwer betrunken, besonders Spangenberg. Aber schließlich waren die Kartoffeln doch gegen 8 Uhr hier. Morgen früh werden sie eingemietet. Dann sind wir eine große Wintersorge los.

     Von der Museumsleitung Rostock heute Antwort auf meine Anfrage wegen meiner Ausstellung. Es bestätigt sich, daß Dr. Graebke Rostock verlassen hat u. in eine Westzone ausgerissen ist. Sein Nachfolger Dr. Fiesel (?) teilt mit, daß aus der Ausstellung wegen vieler fadenscheiniger Grunde nichts würde, auch habe sich die Sektion für Bild. Kunst in Rostock dagegen gestellt. Es ist also wirklich so, wie Frau Dr. R. u. früher schon Ehm Welk sagten. Man war aber zu feige, mir das mitzuteilen. –

     An Gert H. Theunissen, den berliner Kritiker, einen Brief geschrieben u. versucht, ihn für Schwerin zu interessieren.

Mittwoch, 6. November 1946.     

     Heute ist „Mann im Kerker“ fertig geworden. Gott sei Dank. Dieses Bild hat mir schwer zu schaffen gemacht. Es ist das Einundzwanzigste dieses Jahres. –

     Herrn Dr. Fiesel geantwortet.

Donnerstag, 7. November 1946.     

     Johannes R. Becher, der als Präsident des Kulturbundes im Sommer hier im Hause Strohschnitter gewohnt hat, ist heute wieder hier, um das Haus von Prof. Niemöller für sich in Besitz zu nehmen. Mit ihm sind Stadtrat Matern u. Herr v. Achenbach hier. – Wie ich höre, müssen die im Hause untergebrachten Flüchtlinge sofort räumen. Herr Becher wird also Ahrenshoop als [4] Dichtersitz erwählen, wie Gerhard Hauptmann etwa auf Hiddensee gelebt hat. Hoffentlich wird er hier auch so gut dichten wie jener dort. –

     Nachmittags war P. Joh. Beckmann auf dem Rade hier. Er besprach allerhand Flüchtlingsfragen u. auch Existenzfragen des alten Dechanten Pich. Er will versuchen, ihm eine bessere Unterkunft zu verschaffen, denn der alte Herr wohnt jetzt mit seiner 80-jährigen Wirtschafterin in einem einzigen, engen Raum. Er wird von nun an 1 x in der Woche bei uns eine stille Messe lesen.

     Ich zeigte P. Beckmann den „Mann im Kerker“, doch war es schon dunkel u. ich mußte Licht einschalten. Dabei sah ich, daß ich vielleicht noch einmal über das Bild hingehen muß, die Hände sind immer noch nicht gut u. es scheinen mir auch die Augen noch zu dunkel zu sein. Auch an den Füßen muß ich wohl noch etwas tun.

     Heute Abend wurde das Licht nicht abgeschaltet, sodaß wir ununterbrochen Strom hatten. Leider war man nicht darauf vorbereitet u. konnte die gute Sache zu wenig ausnutzen.

Freitag, 8. November 1946.     

     Auch heute wurde das Licht nicht ausgeschaltet, u. zwar ist der Grund dafür die russische Revolutionsfeier, die, wie man sagt, drei Tage dauern soll, so daß wir auch morgen noch Aussicht auf Licht haben.

     Abends gingen Martha u. ich zu Frau Longard, deren Tochter, Frau Kaemper, eben hier ist. Frau L. war wieder ganz die gütige alte Dame mit dem erfrischenden Schuß von Ironie, der alles, was diese Frau sagt, so amüsant macht. Aber es schien mir doch, als wäre sie heute etwas stiller gewesen als sonst, was freilich durch das sehr lebhafte Temperament ihrer Tochter bedingt sein mag. Wir tranken guten, russischen Tee, den Frau K. mitgebracht hatte.

     Vormittags malte ich wieder am „Mann im Kerker“, verbesserte etwas am Gesicht besonders den Augen, an den Händen u. Füßen, bin aber immer noch nicht zufrieden. Fritz hatte viel in der Gemeinde zu tun, da eine große Zahl neuer Flüchtlinge angekündigt ist, weshalb auch abends eine Versammlung stattfand. Es ist ein rechter Segen, daß Fritz uns diese Arbeiten abnimmt.

     Unsere Kartoffeln sind immer noch nicht in der Miete, da sich ergeben hat, daß sehr viele schlecht sind u. aussortiert werden müssen, was im Eßzimmer auf dem Fußboden geschieht.

     Hanschack hat uns heute ein Kaninchen, geschlachtet, das in der Hauptsache am Sonntag gegessen werden soll.

Sonnabend, 9. Nov. 1946.     

     In der Landeszeitung erschien abermals ein Artikel von Frau Dr. Riemschneider über meine Ausstellung, in welchem sie mit großem Vergnügen meinen Gegnern eins auswischt. Sie stellt fest, daß durch meine Ausstellung Leben u. Bewegung entstanden sei u. daß die Besuchsziffer alles hinter sich lasse, was bisher auf Kunstausstellungen im Landesmuseum erzielt worden sei. Sie meint ferner, daß Jugendliche u. Arbeiter sich durchweg für meine Bilder ausgesprochen hätten, während die Intelligenz [5] sich kopfschüttelnd verhielte, – nur bei meinen Herren Kollegen u. ihrer Begleitung gäbe es verstohlenes Gekicher u. Gemäcker. –

     Am Nachmittag hatten wir wieder wie im vorigen Jahre eine Versammlung der Mitarbeiterinnen in der BuStu. Ich hielt ihnen vor meinem Bilde „Mann im Kerker“ einen Vortrag über das, was für mich der Gegenstand meiner künstler. Arbeit ist. Alle waren sehr dankbar.

     Der „Mann im Kerker ist heute endlich fertig geworden, doch mag es sein, daß ich am Montag noch einige abrundende Pinselstriche machen werde.

     Die russische Revolutionsfeier ist leider vorbei, das Licht wurde heute wieder um 6 Uhr abgeschaltet.

     Gesundheitlich geht es etwas besser, die Mattigkeit hat aufgehört. Gott sei Dank!

Sonntag, 10. November 1946.     

     Heute war seit langer Zeit wieder mal ein schöner Sonntag. Marthas Schwester Emma hatte etwas Bohnenkaffee geschickt, sodaß wir ein sehr schönes Frühstück mit einem Ei hatten. Vormittags schrieb ich Briefe an Agathe Lindner = Frau Ehm Welk, sowie an Frau Ursula Kerstan u. bedankte mich bei beiden für die nützlichen Kritiken, die sie über meine Ausstellung geschrieben haben. Ich stellte beiden anheim, sich dafür eine Zeichnung von mir auszusuchen. Desgleichen schrieb in an Frau. Dr. Riemschneider. – Mittags aßen wir unser Kaninchen in Form von Fricassee, es war sehr schmackhaft wie Hühnerfleisch. Nachmittags 4 Uhr war bei starker Beteiligung von Sudetendeutschen hl. Messe. Später wurde das Licht nicht abgeschaltet, sodaß ich Abends Martha vorlesen konnte. Ich hatte damit gestern schon angefangen: Chesterton, Der Held von Nottinghill. – Nachmittags machte ich einen Entwurf für ein Schlußwort für die Landes-Zeitung. Ich fühle mich ziemlich wohl. – Im übrigen stimmt es leider nicht, daß der „Mann im Kerker“ fertig ist, es ist noch einiges daran zu tun, vor allem im Centrum.

Montag, 11. November 1946.     

     Gesundheitlich geht es weiter gut. Heute früh fand ich im Urin einen beträchtlichen Klumpen schleimigen Eiters, der wohl infolge der Euvernil-Kur abgegangen ist. Hoffentlich bin ich nun endlich diesen Dreck los. – Bei diesem Wohlbefinden, habe ich heute Vormittag auch gut arbeiten können, sodaß ich glaube, daß der „Mann im Kerker“ nun endlich fertig ist. Ich habe heute früh noch sehr viel daran geändert, an den Beinen wie auch an den Händen u. dem ganzen Centrum.

     Ich habe heute wieder an der Hausecke gegraben, wo ich 1000 Rm. vergraben habe, habe aber nichts gefunden.

Mittwoch, 13. November 1946.     

     Der „Mann im Kerker“ hat die Probe bestanden, er ist wirklich fertig.

     Heute früh um 8 Uhr hatten wir, wie von jetzt an jeden Mittwoch, eine stille Messe. Dechant Pich kommt von Wustrow herüber. Degners u. einige andere [6] Leute nahmen daran teil. Nach der Messe frühstückten wir mit dem Dechanten, der nun langsam etwas aus sich herauskommt u. von seiner Heimat erzählt. Ich schrieb dann einen Artikel für die „Demokrat. Erneuerung“, den ich gestern entworfen habe, las dann in einem Buch „In jungen Jahren“ von Adam Scharrer, demselben, der mich in der Landeszeitung so runter gemacht hat. Es ist eine Biographie u. nett geschrieben, wennschon nicht überragend. – Vom Landessender Schwerin bekam ich 30,– Rm. Honorar für meine Sendung am 9. Oktober, dieses Honorar ist das Einzige, was ich selbst von dieser Sendung gemerkt habe.

Donnerstag, 14. November 1946     

     Gestern Abend brannte, noch ehe das Licht abgeschaltet wurde, die Sicherung durch. Fritz bemühte sich später abends nach 9 Uhr, als das Licht wieder eingeschaltet war, darum u. fand wirklich den Fehler u. konnte ihn abstellen.

     Von Else Brief. Leidet wieder an Rheuma, die Aermste. – An Erich Bauknecht geschrieben, der in 14 Tagen Geburtstag hat.

Freitag, 15. November 1946.     

     Gestern kein Licht bis 1/2 10 Uhr abends, doch ging ich vorher schlafen. – An Else geschrieben. – Fritz ist gestern nach Prerow gefahren u. wird heute zurückkommen, hoffentlich bringt er mir Farben mit vom Kollegen Luke, der dafür von uns Waren aus der BuStu. erhält. – In der Dorfstraße werden jetzt Bäume gefällt, damit die neu hinzugekommenen Sudetendeutschen Heizmaterial haben. Es ist das symbolisch für die ganze deutsche Wirtschaft: überall Raubbau, nichts wie Raubbau. Nach wie vor werden Fabrikanlagen demontiert u. ins Ausland verschleppt, die Russen verschleppen sogar die besten Facharbeiter u. was hier noch an Fabriken arbeitet, das arbeitet für die Russen, die die Produktion nach Rußland verfrachten. Dabei wird gelogen u. den Leuten Sand in die Augen gestreut. So wird ein großes Aufheben vom Ausbau der Hafenanlagen in Wismar u. dem lebhaften Schiffsverkehr dort gemacht, aber daß es sich dabei ausschließlich um Verfrachtung unserer Erzeugnisse nach Rußland handelt, davon sagt niemand etwas.

     Von Schwester Gertrud Dobczynski ein Brief aus dem Krankenhaus Stralsund, sie liegt dort am schwerem Typhus darnieder u. macht sich viel Sorgen um die Pfarrei, in der es große Schwierigkeiten zu geben scheint. Jetzt, nachdem sie zusammengebrochen ist, hat man endlich Hilfe nach Barth geschickt.

     Von Petersen aus Berlin ein Telegramm, daß meine Bilder in Schwerin bleiben möchten, um von Berliner Herren besichtigt zu werden. Ich habe sofort an Frau Dr. Riemschneider telegraphiert u. gleichzeitig geschrieben.

     In der Landeszeitung nimmt wieder einmal ein Prof. Herrich gegen mich Stellung u. behauptet, daß eine zweckfreie Kunst Reaktion wäre, Kunst hätte politisch zu sein.

Sonnabend, 16. Nov. 1946.     

     Gestern Abend kam Fritz von Prerow zurück u. brachte mir einige Farbtuben von Luke mit, darunter auch eine Tube Zinkweiß, leider nur eine kleine. Es scheint aber so, als [7] wäre Aussicht, allmählich wieder Farben im Handel zu erhalten. –

     Heute Brief von Schw. Gertrud Dobczynski, die in Stralsund sehr schwer an Typhus in Krankenhause liegt. Habe ihr sofort geschrieben. Es scheint, daß sie bereits auf dem Wege der Besserung ist. – Ferner von Prof. Resch ein Brief. Er hat meine Ausstellung in Berlin mit der Kommission des Kulturbundes besprochen. Er schreibt, daß die Herren mich kennen, daß sie aber Fotos sehen wollen. Ich sandte gleich 10 Fotos an ihn. – Eva brachte endlich die Manuscribte, die ich ihr zum tippen gegeben hatte. Ich sandte das eine als „Schlußwort“ meiner Ausstellung an die Landeszeitung, das andere „Dank an Schwerin“ an die Demokrat. Erneuerung. Das dritte mit dem Titel „Von der anderen Seite gesehen“ hielt ich noch zurück, es ist ebenfalls für die Demokratische Erneuerung bestimmt. – Fritz hat von Rena einen illustrierten Katalog der gegenwärtig im Berliner Schloß hängenden französischen Ausstellung erhalten, der prächtige Bilder enthält. Bei uns im Osten ist alles sehr rückständig, sodaß man sich kann zu malen traut. Heute ist wieder in der Täglichen Rundschau ein Schmähartikel über expressionistische Malerei in der Dresdner Kunstausstellung von einem Kritiker namens Gustav Leuteritz. Man muß sich die Namen dieser Kerle merken.

Sonntag, 17. Nov. 1946.     

     Heute ist der letzte Tag meiner Ausstellung in Schwerin –.

     Beim Frühstück eine Mappe mit Reproduktionen nach Zeichnungen von Matisse angesehen, die Fritz aus Frankreich mitgebracht hat. Es sind sehr schöne Blätter aus den Jahren etwa 1925 – 1938. – Nachher einen Brief an E. Th. Holtz – Wustrow geschrieben über die Anmaßung gewisser Leute, die uns zwingen wollen, sog. „zeitnahe Kunst“ zu machen.

     Um 4 Uhr Hochamt bei sehr starker Beteiligung. Dechant Pich ist für die nächste Zeit Gast beim Pfarrer von Marlow, sodaß erst in 14 Tagen wieder Gottesdienst sein wird.

Montag, 18. November 1946.     

     Vormittags Leinewand aufgespannt u. grundiert für ein neues Bild, dessen Entwurf schon seit Wochen vor mir steht u. das ich zunächst „Der Alte“ nennen will.

Mittwoch, 20. November 1946.     

     Gestern übertrug ich die Zeichnung des neuen Bildes auf die Leinewand, heute legte ich die Farben an, womit ich etwa zur Hälfte fertig wurde. Ich habe kein Terpentin mehr u. muß morgen versuchen, mit Malmittel weiter zu arbeiten, was teuer wird.

     Nachmittags war Deutschmann bei uns mit seinem Briefmarken-Katalog. Wir denken daran, einige der Briefmarken zu verkaufen, die ich in den letzten Kriegsjahren gekauft habe, um Geld anzulegen, denn langsam fängt das Geld an, knapp zu werden.

     Die Lichtverhältnisse sind seit gestern wieder geändert. Es wird um 4 Uhr ausgeschaltet u. bleibt bis 6 Uhr dunkel. Dann gibt es Licht bis 8 Uhr. Von 8 – 9 Uhr ist es wieder dunkel u. ab 9 Uhr [8] gibt es wieder Licht. Diese Einteilung hat zwar den Vorteil, daß man zwischen 6 – 8 Uhr Abendbrot essen kann, aber sonst ist eben der ganze Nachmittag zerrissen u. man kann nichts anfangen.

Donnerstag, 21. Nov. 1946.     

     Heute die Anlage des neuen Bildes fertig gemacht. Ich hatte kein Terpentin mehr u. habe Malmittel benutzt. Da der Grund stark saugt, wird es nichts schaden, aber es war mühselig zu arbeiten.

     Paul hat heute Geburtstag Martha hatte uns beide angemeldet zu 6 Uhr Abends, da jedoch Neumond ist u. es überaus dunkel ist war Grete gestern hier u. riet uns, doch lieber nicht zu kommen, da Paul es uns nicht zumuten wolle. Man weiß bei ihnen nie, ob es so ist wie sie sagen u. ob es nicht ein Vorwand ist, daß wir nicht hinkommen sollen. Mir ist es natürlich recht so, aber Martha möchte doch gegen 4 Uhr hingehen, um zu gratulieren. Da werde ich dann mitgehen.

Freitag, 22. November 1946.     

     Eins der beiden Küken, die wir vor einiger Zeit mit der Glucke kauften, ist eingegangen. Hoffentlich bleibt wenigstens das andere.

     Vormittags gemalt. Das Bild scheint leicht von der Hand zu gehen.

     Von Ruth vier Päckchen mit allerhand Nahrungsmitteln. – Von Prof. Resch ein Telegramm daß am Dienstag Sitzung ist u. bis dahin Fotos erwünscht wären. Habe zurücktelegraphiert, daß ich die Fotos schon am letzten Montag abgesandt habe. Hoffentlich kommen sie bis dahin an.

Sonnabend, 23. November 1946.     

     Heute früh große Aufregung: Es war über Nacht in der BuStu. eingebrochen worden. Einbrecher waren durch das Fenster zu Dohnas hin eingestiegen, nachdem sie sachgemäß eine Scheibe aufgeschnitten hatten in genau derselben Weise wie damals, als der Schmuck gestohlen worden war. Sie haben sehr geschickt die Kasse geöffnet, ohne sie regelrecht zu bedienen, um das Klingelzeichen zu vermeiden. Der Inhalt betrug aber nur 150, – Rm. Wechselgeld. Sie haben dann aus Schubladen allerhand wertvolle Sachen herausgeholt, sowie aus dem sog. Zwischenstock alle bezugsscheinpflichtigen Waren, sowie Zwirn, Garn, Reißverschlüsse, vor allem sehr wertvolle Stoffe u. Kleider usw. – Fritz hat sofort Ribnitz angerufen u. der dortige Polizeichef kam gleich im Auto herüber. Bis Mittags 2 Uhr hatten wir alle gestohlenen Waren einschl. dem baren Gelde wieder zurück. Der Polizeichef hatte, Leute im Verdacht u. hat nun zugegriffen u. es ergab sich, daß der Verdacht richtig war. Es handelt sich um Flüchtlinge, die im Hause Reinke-Bloch wohnen u. um deren Komplizen. Von diesen wohnen ein Paar gegenüber bei Permin u. es gelang, die Gans welche grade eben bei Paetows gestohlen worden war, aus dem Ofen zu holen, in dem sie grade gebraten wurde. Das ganze [9] Dorf atmet erleichtert auf, weil nun diese Bande, die uns das Leben seit Monaten unsicher macht, dingfest ist.

     Später: Martha hatte übertrieben: es ist nur ein Teil des Geldes wiederbeschafft u. auch von den gestohlenen Waren fehlt noch ein Teil. Wahrscheinlich ist dieser Teil schon weiter verschoben, denn die eigentlichen Einbrecher sind zwei ortsfremde Kerle, der eine aus Ribnitz, der andere aus Berlin. Die Polizei hat vorläufig nur den einen gefaßt, bei den hier im Orte wohnenden Leuten handelt es sich um Hehler, Weiber aus dem Osten, die die Gelegenheiten auskundschafterten.

Mittwoch, 27. November 1946.     

     Nichts von Belang. Ich male an dem neuen Bilde, das anscheinend wenig Schwierigkeiten macht. Es ist draußen ziemlich warm, dennoch fühlte ich mich heute nicht sehr wohl. Ich schlief in der Nacht nicht gut u. hatte heute leichte Schmerzen im Bein. Es wird nichts Schlimmes sein, wahrscheinlich ist es die Unterernährung, die sich immer fühlbarer macht, obgleich wir in den letzten Tagen Butter essen konnten, die Martha organisiert hat.

     In Berlin hat die Schauspielerin Käte Dorsch dem 23 jährigen Lauselümmel u. sog. Kunstkritiker Wolfgang Harig eine wohlgezielte Ohrfeige gelangt für eine Kritik, die er in der Tägl. Rundschau geschrieben hat. Das ist im höchsten Grade erfreulich.

     Ich warte immer noch vergeblich auf Nachrichten aus Berlin wegen der Ausstellung. Das Telegramm von Petersen ist nun schon 12 Tage alt, doch will das nicht viel heißen, da ein Brief von Berlin hierher 10 Tage braucht.

     Im „Petrusblatt“ steht eine Notiz, nach welcher die irische Bevölkerung der Stadt Berlin 2000 Rinder als Schlachtvieh geschenkt hat u. daß diese Rinder jetzt durch das erste deutsche Schiff, das seit der Kapitulation Bremen verläßt, aus Dublin abgeholt werden. Diese selbe Notiz war auch in der Tägl. Rundschau u. in der Landeszeitung zu lesen, doch war der Zweck der Reise u. die Fracht mit keinem Worte erwähnt. Es wurde nur als Beweis der „Wiederaufbaues Deutschlands“ gebracht, als ob das Schiff dem Export deutscher Erzeugnisse diente.

Donnerstag, 28. November 1946.     

     Fritz fährt morgen früh nach Berlin, einesteils geschäftlich, andernteils, weil er sich etwas davon erhofft seinen Geburtstag mit Rena Bluhm zu verleben. Hoffentlich erlebt er keine Enttäuschung.

     Mit meinem Bilde bin ich nun so weit, daß ich die Figur des Alten anfangen kann. Das Bild ist in der Komposition sehr durchgereift, aber farbig bietet es doch allerhand schwierige Probleme.

     Heute brannte aus unbekannten Gründen den ganzen Tag das Licht. Wir saßen Abends noch mit Fritz zusammen, Martha hatte einige Kleinigkeiten für ihn als Geburtstagsgeschenk. Wir waren aber alle [10] sehr müde u. gingen früh schlafen.

Freitag, 29. November 1946.     

     Fritz ist heute früh abgefahren. Er fährt zuerst nur bis Schwerin u. wird bei Frau Dr. Riemschneider übernachten, um sich die Spielzeug-Ausstellung anzusehen, die im Landesmuseum am letzten Sonntag mit anscheinend großem Erfolg eröffnet worden ist.

     Nachdem Fritz fort war, kam Post aus Schwerin von Frau Dr. R. Sie schickt mit Fotos, u. zwar 4 Ansichten des Ausstellungssaales mit meinen Bildern u. ein sehr schönes Foto von der „Weihnachtskrippe“. Außer dem schreibt die Landeszeitung, daß sie mir gern das Schlußwort über meine Ausstellung erteilen wolle, aber Bedenken habe, weil mein Artikel allzupersönlich sei. Die Redaktion bittet um Aenderungen. Diese Bitte ist wohl berechtigt, aber es interessiert mich nicht mehr. Da heute grade Herr Dr. W. Bredel im Auto hier ist, um seine Frau abzuholen, die für einige Tage bei Frau Ristow im Hause Erichson zu Besuch hier war, wollte ich ihm die Antwort mitgeben, doch kam er nicht in die BuStu. So werde ich morgen telegraphieren u. gleichzeitig einen Brief schicken.

     Es ist plötzlich kalt geworden nachdem wir einige Tage fast Frühlingswetter gehabt haben.

     Mein Bild macht Fortschritte, es wird sehr gut. –

     Während Fritzens Abwesenheit schläft Paschke drüben im Kl. Hause.

Sonnabend, 30. November 1946.     

     Mein Tabak ist wieder alle, es beginnt wieder die Zeit des qualvollen Kampfes gegen den Wunsch, zu rauchen, der zuletzt doch immer mit einer Niederlage endet u. dann peinigende Erschöpfungszustände verursacht. Aber es ist nicht mehr zu verantworten, Tabak zu kaufen. Ich habe einmal von Heyde für 200,– Rm. gekauft u. dann nochmals für 300,– Rm. Wo soll das hinführen.

     Heute Morgen erhielt ich einen Brief eines Herrn Edgar Zieger aus Sellin auf Rügen. Dieser Herr hatte mich in Schwerin am Eröffnungstage in der Ausstellung angesprochen u. gefragt, ob ich ihm den „Hl. Pfarrer von Ars“ verkaufen könne. Ich bedauerte u. sagte ihm, daß die Bilder nach Berlin weitergehen müßten, er möge später wieder mal anfragen. Ich glaubte, daß er die Sache dann vergessen würde. Aber nun wiederholt er seine Bitte, fragt nach dem Preis –, oder nein, das tut er überhaupt nicht –, u. möchte das Bild zu Weihnachten haben. Ich werde ihm schreiben, daß er das Bild für 1000,– Rm. haben kann, vielleicht holt er es sich selbst aus Schwerin ab. – Das Bild ist klein u. wird insofern keine große Lücke hinterlassen, aber als Bild wäre es doch sehr wertvoll auch für Berlin, obgleich ich heute schon nicht mehr ganz mit dem Bilde einverstanden bin. Der Preis für ein so kleines Bild kommt mir zwar fantastisch vor, aber ich kann für das Geld grade 3 Pfund Butter kaufen. Und die habe ich sehr nötig Oder so viel Tabak, daß ich ein halbes Jahr rauchen kann. – Wer dieser Herr Zieger ist, weiß ich nicht. Auf seinem Briefkopf ist nur sein Name u. der Ort zu sehen, sowie die Bankkonten u. Fernsprecher. Einen solchen scheint er [11] also zu haben, woraus man schließen kann daß er einen volkswirtschaftlich wichtigen Betrieb haben muß, sonst hätten die Russen ihm den Fernsprecher gesperrt. Auf Geld scheint es ihm nicht anzukommen. Ich entsinne mich, daß er ein sehr großer, breitschultriger blonder Mann war im Alter von etwa 45 Jahren, freundliches Wesen, aber kein sog. Intellektueller, ein Geschäftsmann oder ähnliches. Es ist auffällig, daß grade ein solcher Mensch sich für den Pfarrer von Ars interessiert. Wenn er Katholik sein sollte, so sieht man es ihm jedenfalls nicht an. – Aber ich gestehe, daß mich diese Sache doch sehr aufgemuntert hat – es ist doch ein Erfolg.

     Das neue Bild macht Fortschritte. Ich habe heute den Kopf des Alten gemalt, er ist gut geworden.