TBHB 1946-12-07
Einführung
[Bearbeiten]Der Artikel TBHB 1946-12-07 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 7. Dezember 1946. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über eine Seite.
Tagebuchauszüge
[Bearbeiten][1] Von Fritz ein Telegramm, daß sowohl mit Prof. Resch wie mit Dr. Herting noch immer nichts zu erwarten ist. Es sieht also ganz so aus, als würde aus der Ausstellung in Berlin überhaupt nichts werden. Fritz kommt morgen mit Herrn Sorg in dessen Auto zurück u. bringt Justus Schmitt mit.
Vormittags war der alte Dechant Pich bei mir. Er wollte am Sonntag, also morgen, um 4 Uhr Gottesdienst halten, aber ich habe ihm klar gemacht, daß das nicht ginge, da um 4 Uhr das Licht ausgeht. Es ist unmöglich, hier im Hause bei völliger Dunkelheit Gottesdienst zu halten, wo so viele sehr alte Frauen da sind. Ich habe ihm vorgeschlagen, daß er am Mittwoch früh 8 Uhr bei uns eine stille Messe lesen soll. Er sah es ein. Wir werden dann verabreden, wie wir es zu Weihnachten machen werden.
Dechant Pich war in Sachsen, wo er in Bitterfeld einen Bruder hat, ebenfalls Flüchtling aus Sudetenland. Er hatte Sachen für eine Frau mitgenommen, deren Mann im Sudetenlande geblieben ist u. diese Frau ist jetzt in der Gegend von Bitterfeld. Um ihr die Sachen zu bringen, war er dorthin gereist. Inzwischen kam die Einstellung fast des gesamten Personenverkehrs. Der Alte hat für die Rückfahrt hierher 4 Tage gebraucht, von Dienstag bis Donnerstag, unterwegs fast nicht geschlafen u. fast nichts gegessen. Außerdem ist ihm alles Gepäck, bestehend aus zwei Koffern, gestohlen worden. Zuletzt mußte er von Velgast bis Ribnitz zu Fuß gehen, 20 km. Andere mußten bis Rostock gehen – 60 km. Die Reise war unbeschreiblich. Da der Reiseverkehr ohne Ankündigung von heute auf morgen eingestellt worden ist, wurden Tausende davon überrascht. Es hat dramatische Scenen gegeben u. unbeschreiblicher Elend u. Unordnung. Das Maß dieser Russen ist wohl bald voll.