TBHB 1947-01-20
Einführung
[Bearbeiten]Der Artikel TBHB 1947-01-20 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 20. Januar 1947. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.
Tagebuchauszüge
[Bearbeiten][1] Heute Vormittag habe ich das Bild „Vernichtung“ fertig gemalt. Vielleicht nenne ich es besser „Untergang“. Ich glaube, daß es ein sehr gutes Bild geworden ist, das erste des Jahres 1947. – Nachmittags habe ich die Skizze der zwei Herren, die sich Zoten erzählen, auf eine Holzplatte übertragen. Zu dieser Skizze wurde ich durch das Buch „Der Untertan“ von Heinrich Mann angeregt.
Es ist leider wieder recht kalt geworden, wenn auch noch nicht so scharfer Frost wie letzthin. Tack hat bis heute an unserer Heizung gearbeitet, der Heizkörper im Seezimmer ist am stärksten mitgenommen, fast alle Röhren sind geplatzt. Auch jetzt ist dieser Heizkörper noch nicht dicht, aber es scheint nicht so schlimm zu sein, jedenfalls haben wir gegen Abend den Ofen angeheizt.
Abends in der Dunkelheit kamen Küntzels. Grete erzählte von ihren Erlebnissen ihres jüngsten Aufenthaltes in Berlin, wohin sie gefahren war, um ihre Tochter Inge zu pflegen, die an Rheumatismus schwer erkrankt war u. wobei sie zuerst durch die Einschränkung des Personenverkehrs vor Weihnachten u. nachher durch den Frost viel länger aufgehalten worden war, als sie beabsichtigt hatte. Sie war Ende November nach Berlin gefahren u. ist erst in diesen Tagen wieder zurückgekehrt. – Auf der Hinfahrt wurde ihr Zug auf freier Strecke aufgehalten durch russische Soldaten, die damals nach Rußland zurück transportiert wurden u. aus diesem Anlaß überall plünderten. Auch diesen Zug wollten sie ausplündern, doch wurden sie durch andere russische Soldatenabteilungen daran gehindert. Im Zuge waren Leute, die diese Vorkomnisse schon kannten u. darüber erzählten, aber auch in Berlin waren diese Dinge allgemein bekannt, besonders wußte man dort über skandalöse Zustände in Stralsund zu berichten. Stralsund scheint überall in besonders schlechtem Ruf zu stehen. – Grete wohnte bei ihrer Tochter Inge in der englischen Zone Berlins, der Unterschied ist wie Tag u. Nacht. [2] Nach dem, was sie erzählt, tun die Engländer wirklich sehr viel, um den Deutschen zu helfen, besonders den Kindern, aber auch den Frauen, die bei ihnen irgendwie beschäftigt u. im Dienst sind. – Es war sehr interessant, diese Dinge zu hören, fatal ist bloß die dumme Art, in der Paul seine Torheiten zum Besten gibt.
Es ist mir mit viel Leukoplast gelungen, meinen Tabakpfeifenkopf wieder zusammen zu bringen.
Das Leben der hl. Theresia beschäftigt mich sehr. Ich lese es sehr langsam u. gründlich u. abends von 1/2 11 Uhr an, wenn wieder Licht ist, lese ich Martha daraus vor, wobei auch Frl. v. Tigerström zuhört. Ich verstehe jetzt erst, daß das, was die Heilige die 2. Stufe des innerlichen Gebetes ist u. sie Gebet der Ruhe nennt, dasselbe ist, was ich erstmalig unmittelbar nach meiner Firmung erlebte, dann jedesmal während der Exerzitien u. zuweilen auch sonst nach der hl. Messe u. Kommunion. Das Wort „Gebet“ hat mich bisher immer irritiert, es ist vielmehr ein seelischer Zustand, der mehr oder weniger lange anhält u. eigentlich mit dem, was wir unter Gebet verstehen, nichts zu tun hat, da wir unter „Gebet“ ja immer die Vorstellung von einem eigenen Tun haben wie beim gewöhnlichen Wortgebet. Seitdem ich das nun verstanden habe, ist mir die ganze Sache sehr viel klarer geworden.