TBHB 1951-02-07
Einführung
[Bearbeiten]Der Artikel TBHB 1951-02-07 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 7. Februar 1951. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.
Tagebuchauszüge
[Bearbeiten][1] Nachmittags war Frau Dr. Falke mit ihrem Bruder Dr. Richter zum Tee bei uns. Frau Dr. F. brachte berliner Pfannkuchen mit, die zwar vom gestrigen Fastnacht waren, aber doch noch sehr gut schmeckten. Vorher hatte ich das neue Bild „Vorstadt“ oder „An der Mauer“ gefirnißt weil es in den dunklen Partien sehr eingeschlagen war, was sehr störte. Ich hatte gehofft, Frau Dr. F. dafür interessieren zu können, aber sie gab kein Zeichen besonderen Interesses. – Die Zeichnung.„Trio“ hatte ich auf der Staffelei stehen. Dr. Richter fragte, ob ich dieses Bild jetzt malen würde. Das gab mir die willkommene Gelegenheit, zu sagen, daß ich damit längst angefangen hätte, wenn ich die dazu nötige Leinewand hätte. Ich hoffe, daß Frau Dr. F. diesen Wink mit dem Zaunpfahl verstanden hat u. mir einen Vorschuß zahlen wird. – Beide sind abends mit Elisabeth zum Vortrag von J. H. Schulz gefahren, vielleicht wird Frau Dr. F. zu Elisab. etwas darüber sagen.
Herr Dr. R. ist sehr stark interessiert am Bilde „Der Wartende“. Er erzählte mir, daß er einen großen Bücherschrank habe, dessen oberen Teil man abnehmen u. als selbständigen Schrank auf den Fußboden stellen könne. Dadurch würde er eine schöne Bilderwand gewinnen, die er mit meinen Bildern vollhängen wolle. Vorerst aber handelt es sich darum, daß er eine Forderung hereinbekommen müsse, die er erfolgleich eingeklagt habe, aber leider hat er trotzdem das Geld noch nicht erhalten. Sobald das der Fall sein wird, will er kaufen –, sicher nicht im Einverständnis mit seiner Frau, die dieses Geld lieber in schönen Kleidern anlegen möchte. – Außer dem Wartenden interessiert er sich sehr für die Schiffbrüchigen. –
An dem Bilde, an dem ich male –, nach dem Birkenwerder Motiv, gibt es viele Schwierigkeiten. Jetzt habe ich alles endlich so weit hin, aber der Vordergrund ist noch nicht gelöst. Ich hoffe, daß ich heute endlich die Lösung gefunden habe. Dr. R. sah das Bild u. wußte damit nichts anzufangen. Er meinte: „wer kauft sowas?” – Ich fragte zurück, was ihm daran nicht gefiele. Er sagte, es mache auf ihn den Eindruck eines Kinderspielzeugs. Ich sage: „Nun ja, das will ich wohl auch“. Ich setzte ihm auseinander, daß ich beim Malen ganz genau dasselbe Vergnügen hätte wie ein Kind, welches mit seinem Baukasten eine Stadt zusammenbaut. Das Kind tut das, weil ihm das Bauen eines Raumes Vergnügen macht, u. ich tue genau dasselbe. Ich führte ihn in den von mir gemalten Raum hinein, wobei mich Elisab. in einer sehr ausgezeichneten Weise unterstützte. Sie sprach nicht von Ästhetik oder sonst gelerntem Kram, sondern sie sprach aus einem echten Erlebnis heraus, sodaß man unmittelbar fühlte, daß sie wirklich in diesem Bilde drin ist u. den [2] gemalten Raum erlebt u. mit ihrer Fantasie erfüllt. Ich war ordentlich überrascht davon u. war ungemein erfreut. Es war das um so schöner, als E. in den letzten Tagen durchaus nicht besonders erfreulich gewesen war. Sie erlebte in diesen Tagen einen heftigen Überdruß an ihrem Beruf. Die Art ihrer Tätigkeit macht das verständlich u. ich mache ihr deshalb keinen Vorwurf, aber sie will gleich das Kind mit dem Bade Ausschütten u. ihren ganzen Beruf an den Nagel hängen. Sie war dabei äußerst unbeherrscht u. nicht sehr angenehm. Hoffentlich geht nun diese Stimmung, die wohl jeder junge Arzt dann u. wann haben mag, bald vorüber –, oder wenn nicht, so wird sie sich hoffentlich etwas mehr zusammennehmen. Solchen Stimmungen sind gewiß alle Ärzte leicht ausgesetzt, deren Streben nach etwas mehr geht als nach Geldverdienen u. nicht nur Ärzte. Mir geht es doch auch so. Ich kann in der DDR nirgends ausstellen, weil es mich anwidert, Kumpels, Mauer u. Eisengießer zu malen. Heute kann bei uns ein Maler nur dann Anspruch auf Interesse haben, wenn er Arbeiter malt. Wir andern malen ein Bild nach dem anderen u. stellen es gegen die Wand, u. daß ist bestimmt nicht das, was ich mir einst unter meinem Künstler=Beruf vorgestellt habe. Es gehört schon recht viel zähe Energie dazu, trotzdem weiter zu malen u. wenn nicht von Zeit zu Zeit mal ein paar Leute herkämen, um sich die Bilder anzusehen, würde es ganz schlimm sein.
Nachdem Elisab. in so verständnisvoller u. sehr überzeugender Weise von meinem Bilde gesprochen hatte, sagte Dr. R., daß er nun das Bild mit ganz anderen Augen ansähe, daß es ihm jetzt sogar sehr gefiele. – Ich freute mich sehr.! Solche Besuche von Interessenten regen mich doch sehr an, man hat das unbedingt nötig.