Theodor Körner’s Leier und Schwert

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Autor: A. B.
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Titel: Theodor Körner’s Leier und Schwert
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aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Theodor Körner’s Leier und Schwert.
Nach ungedruckten Privatmittheilungen zweier Zeitgenossen Körner’s.


Weint nicht um mich, beneidet mir mein Glück,
Denn was, berauscht, die Leier vorgesungen,
Das hat des Schwertes freie That errungen.
     (Aus der Zueignung vor Körner’s Liedercyklus.)

Von all den im Befreiungskriege gefallenen deutschen Helden hat wohl keiner im Herzen des ganzen Volkes sich ein bleibenderes und ehrenvolleres Angedenken zu erringen vermocht, als Körner. Er war „zugleich ein Sänger und ein Held“, begeistert von der erhabensten Liebe für sein geknechtetes Vaterland, für dessen Befreiung er sein junges, schönes und so unendlich viel versprechendes Leben opferte. Ganz abgesehen von seiner persönlichen Tapferkeit und von seinem keine Gefahr scheuenden Muthe, hat Körner an den Erfolgen jener blutigen Zeit einen bedeutenden Antheil, denn keiner verstand es so wie er, seine Begeisterung in Worte, in Lieder zu kleiden, die bei Alt und Jung von gleich erhebender Wirkung waren und die den Fahnen des Volksheeres so manchen heldenmüthigen Kämpfer zuführten.

Fünfzig Jahre sind seit der Entstehung jener Lieder verflossen, die inzwischen das geliebte Eigenthum der ganzen Nation geworden sind. Aber Hunderte von Jahren können noch vergehen, ohne daß sich die Wirkung dieser Kraftgesänge abschwächen wird. Der Hauch jener gewaltigen Zeit weht in erhebender Frische in den Körner’schen Vaterlandsliedern, und das ist es, was ihnen auch eine unvergängliche Dauer sichert.

Leier und Schwert“ ist der Titel, welcher der Sammlung jener Lieder in Körner’s Werken voransteht, und in diesen beiden Worten drückt sich das ganze Leben des Dichters aus: er sang und kämpfte; denn nicht blos durch seine Gesänge, auch durch seine That wollte er den wehrhaften Männern Deutschlands ein unsterbliches Beispiel geben.

In den früheren Jahren huldigte der Dichter gern romantischen Leidenschaften und gefiel sich besonders darin, als Troubadour mit seiner Laute umherzuschweifen. Er war ein vorzüglicher Lautenspieler, und, wie er oft sagte, seine Leier war auch sein Stolz, seine Geliebte. Später theilte er seine Liebe zwischen Leier und Schwert, seine Eisenbraut, die ihn in den Tod begleitete.

Allen Verehrern Körner’s – und wer wäre dies nicht! – ist es gewiß nicht uninteressant zu erfahren, daß die süßtönende Begleiterin seiner Streifzüge, die Leier, und auch das erste Schwert, mit dem der Dichter in den Kampf eilte, noch heute wohlbehalten im Besitze einer Leipziger Familie sich befinden. Derselben Familie verdanken wir auch nachfolgende Mittheilungen aus Körner’s Leben und besonders über dessen Erlebnisse und Rettung nach jenem mörderischen Ueberfall bei Kitzen.

Die Körner’sche Familie in Dresden war mit der des Kaufmann Kunze in Leipzig auf das Innigste befreundet, und es herrschte zwischen ihnen der herzlichste Verkehr. Der Appellationsrath Körner, des Dichters Vater, der edle, treue Freund Schiller’s, traf mit Letzterem mehrere Male in Leipzig zusammen; dann waren diese beiden Männer stets willkommene Gäste im Kunze’schen Hause, und dorthin brachte der Rath Körner im Jahre 1799 auch zum ersten Male seinen Sohn mit. Dieser war damals erst acht Jahre alt, fand jedoch in Wilhelm, dem mehrere Jahre älteren Sohne Kunze’s, sofort einen warmen Freund, denn der Knabe Körner muß es schon damals so gut als in späterer Zeit verstanden haben, sich die an Jahren reiferen Personen rasch zu Freunden zu machen.

Der Knabe Körner wurde Carl gerufen, denn Theodor war nur sein zweiter Taufname. Doch da er unter diesem später seine ersten dichterischen Versuche drucken ließ, so nannte man ihn allgemein von da an nur Theodor Körner. Seinem Vater war dies anfangs nicht ganz lieb, denn Schiller hatte aus herzlicher Liebe zu dem Freunde seinen eigenen 1793 geborenen Sohn [117] ebenfalls Carl genannt, und oft sprechen die beiden glücklichen Väter in ihren Briefen von den Erwartungen und Hoffnungen, die sie in die Entwickelung ihrer Kinder setzen.

In seinen nachgelassenen handschriftlichen Aufzeichnungen beschreibt der erst im vergangenen Jahre verstorbene Wilhelm Kunze den Knaben Körner als einen herzlich guten, aber auch ziemlich verzogenen Knaben, da ihm sein Vater trotz aller Sorgfalt der Erziehung zu viel Willen ließ. Hierdurch wird auch das lange Schwanken des Jünglings in der Wahl eines Lebensberufes erklärbar. Der Hang zum Romantischen machte dem feurigen Körner jede anhaltende Beschäftigung verhaßt; nichts gefiel ihm besser, als das Umherschweifen in Wald und Feld, kleine Ausflüge in Dresdens Umgebung, auf welchen die geliebte Leier seine unzertrennliche Begleiterin war. In Folge ernsten Drängens von Seiten des Vaters entschloß er sich endlich, die Bergwissenschaft zum Gegenstand seines Studiums zu machen und ging 1808 nach Freiberg, wo er auch wirklich eine Zeitlang dem gewählten Berufe mit energischem Fleiße oblag. Der praktische Bergbau zog ihn anfangs ganz besonders an, während er sich später hauptsächlich mit Mineralogie und Chemie beschäftigte. Im Jahre 1810 gab Körner seine bergmännischen Studien auf und kam auf die Universität nach Leipzig, wo er wieder mit Kunze, der sich dem Handelsstande gewidmet hatte, in die freundschaftlichsten Beziehungen trat.

Körner’s Fahrt von Zschocher nach Leipzig.

In jener Zeit gab es unter den Studenten in Leipzig fortwährende Reibungen zwischen den Verbindungen, und es darf bei dem so leicht erregbaren Gemüthe Körner’s nicht Wunder nehmen, daß er bald den thätigsten Antheil an jenen Kämpfen nahm.

Kunze schreibt hierüber: „Körner war bald in so viele Studentenhändel verwickelt, daß ein Duell das andere jagte. Als ein Muster eines fidelen Burschen war er stets von den Pedellen verfolgt und gesucht, so daß er kein festes Quartier mehr behalten konnte und öfters spät Abends in mancherlei Verhüllungen zu mir kam, nur um die Nacht bei mir zuzubringen. Seine Freunde hatten offene Casse bei ihm, und aus Güte des Herzens versetzte er für sie Alles.“

Diese Verwickelungen wurden für Körner immer ärger, und ein Duell war die Veranlassung, daß Körner heimlich von Leipzig fliehen mußte. Ueber diesen für des Dichters ganzes künftiges Leben entscheidenden Zweikampf besitzen wir den Bericht eines Zeitgenossen Körner’s, des Dr. med. G. Müller, und wir nehmen denselben um so lieber hier auf, als dadurch eine wesentliche Lücke in den Biographien des Dichters ausgefüllt wird.

„Körner hatte,“ berichtet Dr. Müller, „einem Duelle, die zur Zeit der modischen Spionage Napoleon’s stets entdeckt und ganz besonders hart bestraft wurden, nicht ausweichen können und war mit seinem Gegner, den üblichen Secundanten und dem Arzte – [118] Dahl – an einem Sonntagsmorgen auf dem Kampfplatze, einem Gehölze bei dem Dorfe Eutritzsch, gegen eine Stunde den Leipzig entfernt, zufammengetroffen. Da Körner ein guter Fechter war, so hatten ihn die Secundanten gebeten, seinen Gegner zu schonen, weil dieser weniger in Führung der Waffen geübt. Körner hatte dies auch beobachtet, damit nicht eine erhebliche Verwundung stattfände, durch die das Duell leicht verrathen werden konnte. Der ungeübte Gegner hatte aber weder Schonung noch Rücksicht genommen, und Körnern eine Prima mit dem Schläger über den Kopf gehauen, durch welche nach Spaltung des Hutes die Spitze des Schlägers an der Stirn herabgeglitten war, und am Bogen der Augenbrauen die Augenhöhlenschlagader an derjenigen Stelle zerschnitten, wo diese durch die Oeffnung am Augenhöhlenrande auf die Stirn tritt, worauf sich die Schlagader offenbar in die Augenhöhle zurückgezogen hatte, ein Fall, der für die Technik unerfahrener und ungeübter Wundärzte eine schwere Aufgabe war. Auf dem Kampfplatze war Dahl zwar schon bemüht gewesen, die Blutung zu stillen, da dieses jedoch nicht hatte gelingen wollen und die Spaziergänger aus Leipzig bei der vorschreitenden Tageszeit Störung veranlaßten, so war beschlossen worden, den Verwundeten nach der Stadt zu bringen. In Ermangelung eines Wagens war nun Körner mit einem leichten Verbande um den Kopf zu Fuße fortgewandert. Wenn aber an einem warmen Sommermorgen ein junger Mann in einen langen Mantel gehüllt mit verbundenem Kopfe auf einer Promenade einherschreitet und von Zeit zu Zeit Blut von sich giebt, da das über das Gesicht fließende Blut sich stets im Munde sammelte, so ist dieses in einer kleinen Stadt, wie es Leipzig damals war, eine Erscheinung, die bald zum Tagesgespräch wurde, und deshalb war Körner’s Duell so bald dem Universitätsgerichte verrathen worden.“

An demselben Morgen wollte unser Berichterstatter einen Freund, der in Leipzig Arzt war, in dessen Wohnung in der Grimmaischen Vorstadt besuchen. Erst nach wiederholtem Klopfen öffnete man ihm, und er fand in jener Wohnung den verwundeten Körner, mit dessen Behandlung jener Arzt und zwei Studenten der Medicin beschäftigt waren. Es wollte diesen wenig erfahrenen jungen Leuten nicht gelingen, die starke Blutung zu stillen, und man befand sich in großer Verlegenheit, da man sich um so mehr hüten mußte, weitere ärztliche Hülfe zu requiriren, als nach damaligen Gesetzen in Sachsen noch die Aerzte der Duellanten stets bestraft wurden. Müller sah jedoch ein, daß bei längerem Zögern eine Verblutung erfolgen mußte, und er übernahm es, selbst einen erfahrenen Wundarzt herbei zu holen. Glücklicher Weise wurde jedoch, als er zu jenem Zwecke das Haus kaum verlassen hatte, die Blutung gestillt und alle Gefahr damit beseitigt. Es wurde nun beschlossen, Körner in die Wohnung eines Freundes zu schaffen, da in seiner eigenen Wohnung das stattgefundene Duell leichter verrathen werden konnte. Nach Müller’s Bericht sollte Körner, sobald er geheilt wäre, auf die neu errichtete Universität nach Berlin gehen, wo man es hoffentlich mit den Zeugnissen nicht so genau nehmen würde, für den Fall nämlich, daß jenes Duell entdeckt und wie gewöhnlich mit Relegation von der Leipziger Universität bestraft werden möchte. Schon am nächsten Tage war denn auch wirklich eine Vorladung vor das Universitätsgericht erfolgt, der Körner allerdings nicht Folge leisten konnte, worauf denn auch dessen Relegation durch Anschlag an das schwarze Bret erfolgte. In Berlin aber wurde er später wegen nicht ausreichender Zeugnisse dennoch nicht zur Universität zugelassen.

Im August des Jahres 1811 ging Körner nach Wien, und hier begann für ihn ein neues Leben, denn er hatte sich das Ziel gestellt, fortan nur der Dichtkunst seine Kräfte zu weihen. Mit welchem Erfolge er dies that, ist bekannt. Hauptsächlich beschäftigte er sich in Wien mit dramatischen Arbeiten, durch die der zwanzigjährige junge Mann bald die Stelle eines k. k. Hoftheaterdichters erhielt. Er glaubte sich am Ziele seiner Wünsche angelangt, denn auch die Liebe beglückte ihn. Eine vorzügliche, tugendhafte und schöne Schauspielerin, Toni Adamsberger, hatte sein Herz gewonnen, und selbst Körner’s Eltern segneten diesen Bund, da auch sie von den Vorzügen dieses holden Mädchens bezaubert waren.

Unterdessen aber zogen von Westen her die verderbenschwangern Gewitterwolken immer dichter über Deutschland zusammen; der französische Usurpator traf alle Anstalten, unserm geknechteten Vaterlande den Todesstoß zu versetzen. Allein jetzt regte sich auch mächtiger als je die Vaterlandsliebe und gab sich durch Tausende von erhebenden Beispielen kund. Im Frühjahr 1813 erschien der Ausruf an die deutsche Jugend zur Bildung von Freicorps und fand in Körner’s Herzen sogleich den lautesten Wiederhall. Das Vaterland war in Gefahr! Sollte der hochherzige Körner da allein zurückbleiben und nichts für die Rettung der Freiheit seines Volkes wagen? Er verließ die geliebte Braut, gab seine glänzende Stellung auf und eilte nach Breslau, wo er unter Lützow’s Schaaren als Jäger eintrat. Begeisterung erfüllte ihn, als er die Menge edelmüthiger Waffengenossen um sich sah, und rasch entstanden jene feurigen Kriegslieder, die bald Gemeingut aller Befreiungskämpfer wurden.

„Im April 1813,“ berichtet Kunze, „kam Lützow’s Freischaar nach Leipzig, und Körner, als Oberjäger, ließ sich bei mir einquartieren. Er beabsichtigte damals zwölf freie deutsche Lieder herauszugeben und brachte deren elf mit, als er zu mir kam. Das zwölfte „Lützow’s wilde, verwegene Jagd“ schrieb er am 24. April 1813 hier auf dem Schneckenberge. Hierauf dictirte er es mir in die Feder, gab mir die übrigen elf Lieder sammt dem Titel als Manuscript und wünschte, daß ich für die Herausgabe besorgt sein möchte.“

Die Herausgabe jener Lieder unterblieb damals noch, doch waren die meisten derselben bereits in Aller Munde.

„Es war an einem Sonnabende,“ fährt Kunze sort, „als Körner das erwähnte zwölfte Lied vollendete; am Tage darauf sollte das Corps abmarschiren. Bei der Aufstellung auf dem Markte wurde Körner zum Officier ernannt. Seine Uniform erforderte wenig Abänderung, und auch dabei konnte ich ihm helfen. Die Uniform wurde bei mir in der Eile mit der Officiersabzeichnung versehen; einen Säbel konnte ich ihm geben, dagegen ließ er mir den Hirschfänger, den er bisher getragen hatte, zurück. Gegen Mittag rückte das Corps aus, und lange Zeit erfuhr ich nichts von ihm.“

Bei der Unsicherheit der damaligen Verkehrswege darf dies nicht auffallen; nicht allein Kunze, sondern auch Körner’s übrige Leipziger Freunde, deren er eine Menge zählte, blieben ohne Nachricht von ihm. Wir wissen, welche Ungeduld sich der kühnen Lützow’schen Freischaar bemächtigte, als sie die ersehnte Thätigkeit so lange nicht entfalten konnte und meist größern Armeecorps zugetheilt wurde. Die Verzweiflung erreichte den höchsten Grad, als der am 4. Juni 1813 zwischen den Franzosen einerseits und von Preußen und Russen andererseits geschlossene Waffenstillstand bekannt ward. Der Kampfesmuth der Lützower sollte also wieder ohne Nahrung bleiben. Lützow, der inzwischen Körnern zu seinem Adjutanten erhoben hatte, beschloß, mit seiner Reiterschaar vom sächsischen Voigtlande aus sich mit der Infanterie seines Corps zu vereinigen.

Von französischer Seite hatte man Lützow von dem abgeschlossenen Waffenstillstand in Kenntniß gesetzt, allein die kampfesmuthige Schaar stellte die Feindseligkeiten nicht ein, weil Lützow vorgab, diesen Waffenstillstand nicht respectiren zu können, da er keine officielle Anzeige desselben von seinen Vergesetzten erhalten habe. Die Franzosen geriethen hierüber in die äußerste Wuth, und Napoleon gab den Befehl, das Lützow’sche Corps – diese brigands wie er sie nannte – aufzusuchen und zu vernichten.

Der Herzog von Padua, welcher damals Befehlshaber der französischen Truppen in Leipzig war, erhielt die Weisung, den Plan seines kaiserlichen Protectors sofort in’s Werk zu setzen, und alsbald ließ jener General mobile Colonnen bilden, welche das Lützow’sche Corps aufsuchen sollten. Eine dieser Colonnen bestand aus einem Bataillon württembergischer Infanterie unter dem Commando des Oberstlieutenant Kechler, und derselbe Officier, welcher damals Adjutant Kechler’s war, hat uns die folgenden nähern Umstände mitgetheilt, damit seine so oft geschmähten Landsleute eine Rechtfertigung finden möchten.

In Zeitz erfuhr Kechler. daß Lützow’s Corps in der fünf Stunden entfernten Stadt Gera angelangt sei, und er sandte deshalb seinen Adjutanten als Courier nach Leipzig, um schleunig Verhaltungsbefehle einzuholen. Der Adjutant, den man von Seiten des französischen Generalstabes in Leipzig höchst mißtrauisch behandelte, erhielt die Weisung: daß Kechler’s Colonne dem Lützow’schen Corps, sobald dies bei Zeitz vorübermarschirt sei, auf dem Fuße folgen solle, jedoch ohne einen Angriff zu unternehmen. Am nächsten Tage fand auch bei Zeitz der Vorbeimarsch der Lützower statt, und Kechler’s Truppen folgten jenen, dem erhaltenen Befehle gehorchend. [119] Etwa nach einer Stunde des Marsches ritt Lützow mit seinem Adjutanten Körner gegen die Württemberger zurück und forderte durch einen Trompeter den Commandanten der Colonne zu einer Besprechung auf. Die nun von Lützow gestellte Frage, ob ein Angriff beabsichtigt sei, beantwortete Kechler verneinend und setzte hinzu, daß er nur Befehl habe, Lützow zu folgen. Es wurde dann zwischen diesen beiden Officieren verabredet, daß keines der Corps das andere angreifen dürfe, ohne dasselbe von dem Beginn der Feindseligkeiten vorher in Kenntniß zu setzen.

So folgte Kechler’s Colonne am 17. Juni 1813 dem Corps Lützow’s bis in die Gegend von Kitzen, wo beide Truppen Halt machten, und hier erfuhr Kechler, daß indessen eine starke Heerabtheilung mit Reiterei und Artillerie unter dem Befehle des Generals Fournier von Leipzig her bereits in dem nahegelegenen Städtchen Lützen eingetroffen sei. Dorthin begab sich Kechler mit seinem Adjutanten und meldete Fournier das Vorgefallene. Mit dem zwischen Kechler und Lützow getroffenen Uebereinkommen wegen eines Angriffes schien Fournier einverstanden, aber nur zu bald ließ sein ganzes Benehmen erkennen, daß er beabsichtige, so rasch als möglich mit überlegener Macht Lützow meuchlerisch zu überfallen. Kechler und sein Adjutant (unser Gewährsmann) beschlossen, Lützow vor der ihm drohenden Gefahr schleunig zu warnen, denn die Achtung gegen die muthigen Freiheitskämpfer und die auch durch Despotengewalt nie zu unterdrückende Vaterlandsliebe war auch in jenen braven Officieren mächtiger als der Gehorsam, den sie gezwungen und mit blutenden Herzen dem Tyrannen Napoleon hatten schwören müssen. Kechler sandte deshalb sogleich mit jenem geheimen Auftrage den Cavallerieoberlieutenant Grafen Ferdinand von Reischach an Lützow ab, um diesen von dem ihm drohenden Unheil in Kenntniß zu setzen. Graf Reischach erreichte jedoch Lützow’s Schaar nicht mehr zeitig genug, denn Fournier hatte in aller Eile durch die Reiterei Normann’s Lützow überfallen und sein Corps aus einander sprengen lassen. Es steht fest, daß Normann, der am 18. Oktober 1813 gegen den Willen des Königs von Württemberg mit 800 Reitern zu den Alliirten überging, nur nothgedrungen dem Befehle Fournier’s Folge leistete, und die eben erzählten Thatsachen beweisen, wie leicht es jenen Truppen werden mußte, die keinen Verrath ahnenden Lützower zu werfen.

Körner, der als Parlamentär einer feindlichen Abtheilung entgegenritt und nicht an Gegenwehr dachte, erhielt von dem Officier der Feinde einen Säbelhieb über den Kopf und konnte sich nur mit Mühe in den nahen Wald retten, wo er wie durch ein Wunder seinen Verfolgern entkam. Ermattet sank er vom Pferde und erwartete den Tod, denn er vermochte nicht mehr, sich weiter zu schleppen. Aber als Held und Dichter wollte er sterben, noch hatte er Macht über seine Sinne und blutend entwarf er das herrliche Sonnet:


Abschied vom Leben.

Die Wunde brennt; – die bleichen Lippen beben. –
Ich fühl’s an meines Herzens matterm Schlage,
Hier steh’ ich an den Marken meiner Tage –
Gott, wie Du willst! Dir hab ich mich ergeben. –

5
Viel gold’ne Bilder sah ich um mich schweben;

Das schöne Traumbild wird zur Todtenklage. –
Muth! Muth! – Was ich so treu im Herzen trage,
Das muß ja doch dort ewig mit mir leben! –

Und was ich hier als Heiligthum erkannte,

10
Wofür ich rasch und jugendlich entbrannte,

Ob ich’s nun Freiheit, ob ich’s Liebe nannte:

Als lichten Seraph seh’ ich’s vor mir stehen; –
Und wie die Sinne langsam mir vergehen,
Trägt mich ein Hauch zu morgenrothen Höhen.


Noch sollte dies aber nicht des edlen Dichters Schwanengesang sein, denn mitleidige Bauern fanden ihn am nächsten Morgen und brachten den Verwundeten mit heldenmüther Aufopferung vorsichtig in das nahe Dorf Groß-Zschocher, und obgleich ein feindliches Commando jenes Dorf besetzt hielt, ward Körner doch glücklich beim Gärtner des Rittergutes untergebracht und versteckt. Auch wundärztlicher Beistand war bei der Hand, doch mußte man rasch auf weitere Hülfe und Flucht denken.

Zuerst schrieb der verwundete Dichter an seinen Vater, um diesen nicht in Ungewißheit über sein Schicksal zu lassen und um entstellenden Gerüchten vorzubeugen. Auch hier war größte Vorsicht nöthig für den Fall, daß der Brief unterwegs in falsche Hände gerathen möchte, und auch um die französische Postspionage zu täuschen. An seinen Vater schrieb daher Körner:

„Ohnfern Leipzig, am 13. Juni 1813.

Euer Wohlgeboren nehme ich mir die Freiheit zu melden, daß, du Sie durch mancherlei Nachrichten über meinen Zustand in Besorgniß sein dürften, ich Ihnen betheuern kann, ich sei gesund und noch mein eigner Herr. Ich denke von hier, aus dieser Versicherungscasse meines Ichs, nach meinem zweiten Vaterlande, doch bis jetzt nur nach Karlsbad zu wandern. Ich bitte Euer Wohlgeboren, dieses meiner lieben Frau nach Wien zu melden, da mir vielleicht die Gelegenheit dazu fehlen sollte. Lassen Sie sich also durch kein Gerücht schrecken; ich lebe jetzt bei vortrefflichen Leuten, die mir jeden Schmerz vergessen machen. Genehmigen Sie mit Ihrer ganzen Familie die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung.

Lorenz Juranitsch.“

Dies ist der Name des jugendlichen Helden aus Körner’s Trauerspiel „Zriny“, und der Verwundete wählte diese Unterschrift, um seinem Vater jeden Zweifel über die Urheberschaft des mit schwacher Hand geschriebenen Billets zu ersparen.

Hier in Groß-Zschocher konnte jedoch Körner unmöglich bleiben, da er Entdeckung fürchten und auch bessere ärztliche Hülfe haben mußte. Nichts lag in diesem Zustande der Noth ihm näher, als der Gedanke an seine Freunde in Leipzig. An Kunze schrieb er deshalb:

     „Lieber Wilhelm!

Du wirst mir einen sehr großen Freundschaftsdienst erweisen, wenn Du zu mir heraus, zum Gärtner des Gutsherrn kommst. Ich liege stark verwundet, doch keineswegs gefährlich. Deiner Betty tausend herzliche Grüße. Verschwiegenheit brauche ich Dir wohl nicht erst anzurathen!

Groß-Zschocher, am 18. Juni 1813.
Dein Theodor.“

Beide Briefe wurden einem zuverlässigen Boten übergeben und zuvörderst an den als treuen Freund bewährten Kaufmann Kunze nach Leipzig geschickt. Wie erschrak dieser, der seit jenem Tage des Ausmarsches nichts wieder von Körner erfahren, als er jetzt diese Trauerbotschaft erhielt! Doch hier galt es rasches, entschlossenes Handeln. Kunze ging also zuerst zu dem in Leipzig wohnenden Besitzer des Rittergutes Groß-Zschocher, um dessen Rath zu hören. Es war dies aber ein überaus ängstlicher Mann, der den unüberlegten Schritt (wie er es nannte!) seines barmherzigen Gärtners tadelte und auf schleunige Fortschaffung Körner’s drang. Es war allerdings eine gefährliche Sache, mit der feindlichen Partei auch nur im geringfügigsten Verkehr zu stehen, denn die französische Besatzung Leipzigs unter dem Befehle des Herzogs von Padua ahndete jedes derartige Verbrechen auf das Strengste.[1]

Durch den schlechten Erfolg des ersten Schrittes ließ sich Kunze jedoch durchaus nicht abschrecken; er suchte vielmehr einen andern, nicht minder bewährten und ergebenen Freund Körner’s, den Dr. Wendler, einen allgemein geachteten Arzt, auf und hier fand er sogleich bereitwilliges Gehör und die Versicherung thätigster Mithülfe, um den verwundeten Helden mit eigner Gefahr dem sichern Verderben zu entreißen. Allein die größte Vorsicht war nöthig. Nach reiflicher Ueberlegung beschlossen die beiden hochherzigen Freunde des Dichters, einen redlichen, ihnen ergebenen Fischer mit in’s Geheimniß zu ziehen. Vorher wurden jedoch dem treuen Boten wohlweislich Kleider und eine Perrücke für Körner mitgegeben, damit er sich bei seiner weiter beabsichtigten Flucht unkenntlich machen konnte. Auch ließ man ihm einen Platz im Walde genau bezeichnen, wo sich morgen zu einer bestimmten Stunde die rettenden Freunde einfinden und ihn abholen wollten.

Am nächsten Tage in der frühesten Morgendämmerung fuhren Kunze und Dr. Wendler auf dem Kahne des Fischers nach dem Dorfe [120] Schleußig, einem als Ziel bei Spazierfahrten auf dem Wasser sehr beliebten Orte. Von hier aus begaben sie sich, scheinbar wie harmlose Spaziergänger, in den Wald und trafen auch an der bezeichneten Stelle Körner in seiner Verkleidung. Es war eine Scene traurigen und zugleich erhabenen Wiedersehens, doch durften sich die drei Männer den Ausbrüchen ihrer Gefühle nicht rückhaltlos hingeben, denn noch immer streiften feindliche Truppen in der nächsten Umgebung, um nach flüchtigen Lützowern zu suchen. So rasch, als es Körner’s Zustand gestattete, eilte man zu dem harrenden Kahne, und diesen führte der treue Fischer auf den kleinen Gewässern zwischen der Pleiße und Elster, welche das Holz durchkreuzen, bis an die Wiese hinter dem ehemaligen Rudolph’schen Garten. Bei Dr. Wendler, der dort ein Besitzthum hatte, wurde Körner in einer Dachkammer versteckt und vor Allem in chirurgische Behandlung gegeben. Der größte Theil der edelmüthigen Rettung war gelungen, doch schwebten die Retter und der Gerettete noch immer in großer Sorge wegen nachträglicher Entdeckung.

„An selbigem Tage“ – erzählt Kunze weiter – „wurden noch viele von Lützow’s Schaar gefangen (in Leipzig) eingebracht, welche in dem Garten auf der Bastei an dem Schlosse Pleißenburg bivonakirten. Mit Württemberger Officieren, die bei mir im Quartier lagen, ging ich auf die Bastei und bat die Officiere, Körner unter den Gefangenen aufzusuchen. Ich ergriff diese Finte, um die Officiere sicher zu machen, weil ich Furcht hatte, sie möchten mir Unruhe anmerken, die wohl denkbar war. Als es nach wenig Tagen mit Körner so weit war, daß er transportirt werden konnte, so fuhr Dr. Wendler mit ihm in Begleitung zweier Damen, als gälte es eine Spazierfahrt, zum Thore hinaus auf sein Gut Kahnsdorf. Dort pflegte sich Körner noch einige Zeit, fuhr von da nach Frohburg zu dem Freiherrn von Blümner, dann nach Chemnitz und so durch den Beistand treuer Freunde wurde er glücklich über die böhmische Grenze nach Karlsbad gebracht. Wir schöpften jetzt freier Athem. – Viele von Körner’s Cameraden wurden damals noch in dem Walde von Groß-Zschocher versteckt aufgefunden und gefangen genommen. Er selbst wurde nicht entdeckt und rettete so eine nicht unbedeutende Feldcasse, die er bei sich hatte und welche er später mir zur Verwahrung gab.“

Des Dichterhelden fernere Schicksale auf seiner kurzen, aber ruhmvollen Laufbahn sind allgemein bekannt. Er war der gefeierte Liebling des Lützower Freicorps, seiner für Deutschlands Befreiung kämpfenden Waffenbrüder. Dieses herrliche Ziel aber sollte für Körner unerreichbar bleiben, denn schon am 26. August 1813 fand er in dem Kampfe bei Gadebusch den Heldentod. Sein Schwanengesang war das Schwertlied gewesen, das er kaum beendet hatte, als die Angriffssignale ertönten. Die Trauer der Lützower um ihren gefallenen geliebten Cameraden war eine wahrhaft ergreifende, und eine Menge rührender Züge hat uns die Geschichte des Corps davon bewahrt.

Es währte lange Zeit, ehe die Todesbotschaft an Körner’s Angehörige und Freunde gelangte. Monate lang waren sie in Ungewißheit über die Schicksale des Helden geblieben. Kunze erfuhr erst nach der Schlacht von Leipzig, am 23. October, seines gefallenen Freundes Heldentod durch Körner’s Waffenbruder, den Grafen Dohna. Welche Trauer diese unerwartete Nachricht bei der großen Menge seiner Leipziger Freunde hervorrief, ist kaum zu beschreiben.

Erst jetzt konnte Kunze die Herausgabe der ihm von Körner übergebenen zwölf freien deutschen Lieder ohne Gefahr wagen, und er ließ dieser Sammlung den Bericht über des Dichters Tod, wie ihn Graf Dohna als Augenzeuge gegeben, vordrucken.

Körner’s Vater kam erst im Frühjahre 1814 nach Leipzig und ward von Kunze an jene Stelle im Walde geführt, wo man seinen Sohn damals verwundet aufgefunden hatte. Auch der alte Gärtner in Groß-Zschocher, der ungeachtet der ihm drohenden strengen Bestrafung den schwer verwundeten Helden aufnahm und pflegte, ward aufgesucht, und Körner’s Vater setzte dem Braven für den Rest seines Lebens ein Jahrgehalt aus.

Seinen Bericht schließt Kunze folgendermaßen:

„Körner’s Vater gab hierauf eine kleine Sammlung meist noch ungedruckter Gedichte seines Sohnes unter dem Titel „Leier und Schwert“ heraus, was mich veranlaßte, mir von dem Vater als ein Andenken Körner’s Laute zu erbitten, mit welcher er früher stets als Troubadour umherstreifte. Beide, Leier und Schwert Körner’s, sind in unverändertem Zustande, so wie sie 1813 waren, in meinem Besitz.“

Wie wir schon oben bemerkten, ist im vergangenen Jahre dieser treue Freund Körner’s gestorben, aber des unsterblichen Dichters Nachlaß, Leier und Schwert, wird von der Familie als ein unschätzbares Vermächtniß bewahrt und geehrt.

Körner’s nicht minder treuer Freund, Professor Dr. Wendler, ist ebenfalls unlängst vom Leben geschieden. Er erhielt nach Körner’s Tode von dessen Familie ein nicht minder herzliches Andenken, das Bild des Dichterhelden, das von dessen einziger geliebter Schwester Emma gemalt worden war.

A. B.

  1. Wir wollen nur ein Beispiel der französischen Gerichtspflege anführen. Am Tage vorher, am 17. Juni, hatte bei Ankunft eines Parlamentärs ein kleiner Zusammenlauf von Neugierigen stattgefunden und man hatte der Aufforderung, auseinander zu gehen, nicht rasch genug Folge geleistet. Einige übelberüchtigte Subjecte hatten sich sogar zu Thätlichkeit hinreißen lassen. Eine dazu niedergesetzte Commission verhängte über die Ruhestörer sehr strenge Festungs-, Zuchthaus- und Gefängnißstrafen. Die Stadt aber mußte zur Sühne, daß ein so furchtbares Verbrechen in ihren Mauern vorgekommen war, nur – 80,000 Thaler Contribution zahlen.