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Trenck’s Gefängnißbibel und ihre Blutschrift

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Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Trenck’s Gefängnißbibel und ihre Blutschrift
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 1, S. 6-7
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1865
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[6]
Trenck’s Gefängnißbibel und ihre Blutschrift.

Die merkwürdigen Schicksale des Freiherrn Friedrich von der Trenck, seine lange grausame Haft in den Festungswerken Magdeburgs sind allgemein bekannt, und manche unserer Leser haben wohl noch die in vielfachen Auflagen und Bearbeitungen verbreitete Selbstbiographie des Gefangenen in den Händen gehabt. Man kann sich daher denken, wie sich der Verfasser dieser Zeilen ergriffen und zugleich von unheimlichem Schauer durchrieselt fühlte, als er vor Kurzem ein Buch zur Durchsicht erhielt, welches jahrelang während Trenck’s Gefangenschaft in dessen Händen war. Es ist dies seine Gefängnißbibel, das einzige Buch, welches man ihm gestattete.

Dieser Umstand an sich wäre wohl schon hinreichend, daß wir das ehrwürdige Buch nur voll innigen Mitleidens für den Gefangenen zur Hand nehmen; allein sobald wir den Band aufschlagen, so fallen uns fast auf allen Seiten äußerst regelmäßige, schöne Schriftzüge auf, die zwar bald mehr bald weniger verblaßt erscheinen, aber trotzdem noch vollkommen leserlich sind. Der freie äußere, auch wohl der obere und der untere Rand der Blätter – Alles ist mit Schrift bedeckt, aber es war nicht Tinte, es war sein eigenes Blut, welches Trenck als Schreibmaterial benutzen mußte!

Diese merkwürdige Bibel befindet sich jetzt im Besitze des Buchhändlers und Autographensammlers O. A. Schulz in Leipzig, von dem sie hoffentlich einmal in eine große öffentliche Bibliothek oder eine Sammlung historischer Merkwürdigkeiten übergehen wird.

Die in ihr enthaltenen meist aus dem Jahre 1759 herrührenden Aufzeichnungen, die wir unsern Mittheilungen zu Grunde legen, sind ganz verschiedener Art; das größte Interesse des Lesers wird darunter jedoch Trenck’s eigene Leidensgeschichte während seiner Gefangenschaft erregen, welche er unter dem Titel erzählt: „Warhaffte, auf Gewissen, Ehr und Beweiß gegründete Erzählung von dem Zusammenhange meiner zur Entweichung aus Magdeburg vorgehabten Anschläge.“

Wenn wir diese ursprünglichen Aufzeichnungen mit den später in Trenck’s Selbstbiographie gedruckten Berichten vergleichen, so fehlt zwar an einzelnen Stellen die völlige Uebereinstimmung, doch ist dieser Umstand leicht erklärlich. Trenck war unter strenger Aufsicht, als er im Gefängnisse jene erste Erzählung niederschrieb. Er mußte deshalb hierin Vieles verhehlen, Anderes durfte er nur halb andeuten, und mancher Name mußte verschwiegen werden, den Trenck später in seiner Biographie ungefährdet nennen durfte. Trotzdem aber besaß er Muth genug, in seinem Berichte die unsäglichen Martern nicht unerwähnt zu lassen, welche ihm übertriebene, barbarische Strenge bereitete. – Schon im ersten Jahre seiner neuen Haft hatte Trenck alle Anstalten zur Flucht aus den Casematten Magdeburgs getroffen, in welche er zuerst eingekerkert worden war, und konnte auf glücklichen Erfolg rechnen, als man ihn plötzlich in das eigens für ihn errichtete Gefängniß in der Sternschanze transportirte. Was den Unglücklichen hier erwartete, das zeigte sich ihm in gräßlicher Deutlichkeit beim ersten Betreten seines Kerkers. In den Boden des Gefängnisses sah er nämlich einen – Leichenstein eingemauert, auf dem sein Name, durch einen darunter befindlichen Todtenkopf hinreichend illustrirt, eingegraben war. Man rechnete also darauf, daß Trenck diese schauerliche Zelle lebendig nicht wieder verlassen würde und daß sie einst als sein Grab dienen sollte. Er wurde in Ketten geschmiedet, die ein Gewicht von achtundsechzig Pfund hatten und jede freie Bewegung seiner Glieder hinderten, bis es endlich seiner außerordentlichen Geschicklichkeit gelang, sich der furchtbaren Fesseln beliebig zu entledigen und dieselben blos zur Zeit der Visitationen anzulegen.

Allein auch in jeder anderen Hinsicht behandelte man Trenck mit wahrhaft grausamer Strenge. So erzählt er in jenen Mittheilungen, daß ihn der Hunger oft zur Verzweiflung und dem Wahnsinne nahe gebracht habe und daß der Mangel an hinreichender Nahrung der hauptsächliche Grund seiner ersten Fluchtversuche gewesen sei. Auch aus diesem neuen Gefängnisse, so undurchdringlich es schien, versuchte Trenck zu wiederholten Malen zu entweichen, und diese Fluchtversuche geben ein deutliches Bild der außerordentlichen Kraft, Ausdauer und Geschicklichkeit des Gefangenen. Den aus mehrfach übereinandergefügten eichenen Bohlen bestehenden Fußboden seines Kerkers hatte er durchschnitten, und als Werkzeug hierbei diente ihm nichts als ein großer Nagel, dem Trenck auf seinem Leichensteine die erforderliche Schärfe geben konnte. Dreißig Fuß weit hatte sich Trenck schon unter den Mauern seines Gefängnisses in der Erde bis zu einer Mine hindurchgearbeitet, aus welcher er seine endliche Flucht, wiewohl vergeblich, zu bewerkstelligen hoffte. Wie erfinderisch mußte er sein, um den ausgewühlten Sand aus dem engen Gange, den er sich grub, zu entfernen! Trenck fand jedoch unter den wachthabenden Soldaten oft genug Freunde und thätige Hülfe, und durch diese unterhielt er auch den Verkehr mit der Außenwelt, namentlich mit Wien, von woher er häufig ansehnliche Summen Geldes bezog, durch das er sich immer wieder neue Freunde unter den ihn bewachenden Soldaten erwerben konnte.

Die unterirdischen Arbeiten, welche Trenck’s Flucht vorbereiten sollten, erforderen wahrhaft übermenschliche Anstrengungen. An einer Stelle seiner Beschreibung sagt er selbst: „Mein Leib sah dabei einem Lazaro gleich, denn weil ich das Hemde nicht schmutzig machen durfte, in dem dicken frisnen Rocke aber gar nicht hin und wieder kriechen konnte, so mußte die ganze Arbeit mit nackendem Leibe in dem nassen Sande geschehen, folglich war mir der Rücken von den scharffen Steinen aller Art verwundet, die Ellenbogen, Brust und Finger aber auf dem Sande abgeschunden. Nichtsdestoweniger hatte ich dabey keine andre Krankheit als Hunger, weil ich eben damals magere Kost hatte und bei saurer Arbeit viel essen wollte.“

Auch dieser Fluchtversuch mißlang und zog Trenck die härteste Behandlung zu. Das Bett, welches er mit einem Theile des ausgegrabenen Sandes angefüllt hatte, wurde ihm sogleich genommen, und wie man auch sonst noch unmenschlich mit ihm verfuhr, erzählt er mit folgenden Worten: „Man schmiedete mich also von neuem, doch in eben die vorigen Ketten fest. Der ganze Boden ward aufgebrochen und alle Gräben[1] ausgemauert, womit man Tag und Nacht in einer Arbeit bis den 2. September[2] zubrachte. Ich aber erlitt die unchristliche Strafen, daß ich bis dahin, folglich achtundsechzig Stunden auf der bloßen Erde liegend, von meiner Arbeit ohnehin abgemattet, ohne Schlaf wachen mußte. Sodann mußte ich ohne Strümpfe, entkleydet wie ich bin, ohne Stroh auf dem von denen Maurern benetzten Boden, ohne einmal ein trocken Brett unter dem Kopfe zu haben, mit meinen fürchterlichen Mordketten sitzen und den Kopf an der feuchten Mauer stützend schlafen, und die Schildwachen bekamen die Ordre mich alle Viertel Stunden zu wecken, welches noch gegenwärtig fortdauert. In diesem auch in Algier nie erhörten Zustande konnte ich nichts anderes als den sichern Tod erwarten, wollte aber, nachdem ich so viel erdauert, nicht gern durch einen Selbst Mord meine Feynde lachen, meine Freunde hingegen weinen machen.“

Man denke sich die furchtbare Lage des Unglücklichen, dem man zur Strafe auch nicht einmal den Schlaf, seine einzige Erquickung, mehr gönnen wollte. In Trenck’s Gefängnißbibel finden wir ein ergreifendes Gedicht von ihm niedergeschrieben, welches er bei dieser Gelegenheit verfaßte und das seinen trotz aller Leiden noch ungebeugten Muth sowie ein festes Gottvertrauen bekundet. Trenck führt das Lied auch im zweiten Bande seiner Selbstbiographie an; allein dort ist es verändert und auch nicht so vollständig wiedergegeben, wie wir es in der Blutschrift seiner Bibel finden. Er selbst bezeichnet dies Gedicht, aus dem wir hier einige Verse anführen wollen, als „Lied bey dem Viertelstündigen Wecken in der Nacht.“

Weckt mich nur, Ihr meine Wächter,
Wenn die Viertelstunde schlägt;
Treibt mit mir Eu’r Spottgelächter,
Lauscht nur ob mein Fuß sich regt,
Um den nie erhörten Willen
Eurer Obern zu erfüllen.

Weckt mich nur, ihr Menschen-Knechte,
Denn ihr thut nur was ihr müßt;
Aber den, der ohne Rechte
Meiner Unruh Ursach ist,
Wird sein bös Gewissen wecken
Und mit Vorwurfs-Larven schrecken.

Allen, die in Ketten liegen,
Wird der Schlaf ja noch erlaubt.
Niemand stört dem sein Vergnügen,
Der im Traum sich glücklich glaubt.
Mir allein wird es verhindert,
Daß der Schlaf mein Leyden lindert.

[7] Ein Wechsel, der in der Besetzung des Festungscommandos erfolgte, milderte später die harte Behandlung des unglücklichen Trenck. Sein bisheriger Peiniger, General Bork, wurde durch den menschenfreundlicheren Oberstlieutenant von Reichmann ersetzt, und am Schlusse der in jener Bibel enthaltenen Erzählung des mißglückten Fluchtversuches giebt Trenck, in der Hoffnung auf bald erfolgende Begnadigung, sogar umständlich die Mittel an, wie sein Gefängniß verwahrt werden müsse, um jede Flucht unmöglich zu machen.

In dieser Hoffnung auf die Gnade des Königs hatte sich Trenck indeß getäuscht, und obgleich er am Schlusse seines im Jahre 1759 abgefaßten Berichtes den Vorsatz ruhiger Ergebung in sein Schicksal ausspricht, so versuchte er doch später noch einige Male, sich aus seiner schweren Kerkerhaft zu befreien, bis endlich das Weihnachtsfest des Jahres 1763 ihm die Freiheit brachte.

Außer der merkwürdigen Erzählung seiner verunglückten Befreiungsanschläge enthält die Gefängnißbibel Trenck’s noch eine Menge der verschiedenartigsten Aufsätze, sowohl in Prosa als in Versen, und auf dem Schlußblatte des alten Testamentes giebt der unglückliche Verfasser ein genaues Verzeichniß seiner Arbeiten, von denen wir nur einige noch kurz erwähnen wollen. Der erste Artikel ist ein Brief in Versen an den „Durchlauchtigsten Gouverneur der Festung“, den Erbprinzen von Hessen-Cassel. Trenck bittet denselben auf das Rührendste um Schonung und Milde. Später finden wir eine „Danksagungs-Ode bei Erhaltung einer Flûte traverse. Ein Schäfer-Gedicht“. Trenck hatte um die Vergünstigung gebeten, sich die traurigen Stunden seiner Kerkerhaft durch Musik verkürzen zu dürfen, und der Gouverneur war menschenfreundlich genug gewesen, diese bescheidene Bitte zu erfüllen. Ein Gedicht unter dem Titel: „Brief einer Seele aus dem Fegefeuer an den Gott Zebaoth“, bezeichnet Trenck selbst als „im doppelten Verständniß“ aufzufassen. Der Gefangene ruft darin die Gnade des erzürnten Königs an; indeß hatte auch diese Bitte, die wohl gar nicht in die Hände Friedrichs des Großen gelangte, keinen Erfolg.

An mehreren Stellen sagt Trenck selbst von sich, daß er recht eigentlich „für die Feder“ geboren sei, und in seiner Selbstbiographie erzählt er, wie er nach seiner Befreiung während eines Aufenthaltes in Leipzig „seinen Freund Gellert“ aufgesucht und diesem verschiedene literarische Arbeiten in gebundener und ungebundener Sprache zur Beurtheilung vorgelegt habe. Von allen diesen wären nun Trenck’s Fabeln ganz besonders von Gellert gelobt und der Verfasser zur Fortsetzung dieser Gattung Gedichte aufgefordert worden, wogegen der ängstliche Herr Professor die politischen Abhandlungen Trenck’s als der persönlichen Sicherheit ihres Urhebers gefährlich bezeichnete. In Trenck’s Bibel befinden sich eine Anzahl Fabeln, welche zum größten Theile Gellert’s Lob rechtfertigen. Fast immer aber hat der Inhalt auch dieser Gedichte mehr oder weniger Bezug auf das unglückliche Verhängniß des Verfassers.

Auch Aufsätze satirischen Inhaltes weist Trenck’s Bibel auf. Ein Gedicht: „Geschichte des Major von Mops“, geißelt unbarmherzig einen feigen Maulhelden, wie Trenck in der Einleitung sagt: einen russischen Officier Namens von Mohr, den er 1749 in Petersburg als Knutmeister kennen gelernt habe. In der von uns mehrfach angeführten Biographie dagegen versichert Trenck, daß unter diesem Major von Mops kein Anderer als der Landmilizmajor von Bruckhausen gemeint sei, welcher den armen Gefangenen während dessen schwerer Haft auf das Unerhörteste gepeinigt habe. Dieser Satire folgt eine „Arie des Major Mopsen bei Betrachtung seines Stockes“.

Natürlich gebot ihm die Vorsicht, sich die Verspotteten durch genauere Bezeichnung nicht noch mehr zu Feinden zu machen, denn es ist unzweifelhaft, daß die zu den poetischen Ergüssen benutzte Bibel oft genug von seinen Wächtern revidirt wurde. Aus diesem Grunde führt auch Trenck in der Erzählung seiner Fluchtversuche nur diejenigen ihm behülflich gewesenen Mannschaften der Besatzung namentlich an, von denen er wußte oder annehmen konnte, daß sie inzwischen verstorben waren. Mit wahrer Dankbarkeit und Rührung spricht er besonders von einem Grenadier Namens Gebhardt, der sich ihm als der treueste Freund und Helfer erwiesen habe. Gebhardt und dessen Frau vermittelten lange Zeit die Correspondenz Trenck’s mit der Außenwelt, und jene Beiden waren es, welche dem Gefangenen wiederholt das aus Wien bezogene Geld verschafften. Gebhardt verlor gleich zu Anfang des siebenjährigen Krieges sein Leben und Trenck dadurch die bisherige Hülfe bei dem Verkehr mit seinen auswärtigen Freunden. Manche andere Verse Trenck’s zeigen, daß derselbe trotz aller seiner Leiden sich im Ganzen seine heitere Stimmung zu bewahren wußte, während andere Gedichte in französischer Zunge seine bekannten ungewöhnlichen Sprachkenntnisse darthun. Freilich läßt der Anblick des Blutes, mit dem auch diese heiteren Verse geschrieben sind, im Leser keine frohe Laune aufkommen.

Auch mit politischen Abhandlungen beschäftigte sich Trenck in seiner Haft, und seine Bibel enthält in dieser Beziehung einen höchst merkwürdigen Aufsatz, der einen überaus verheißungsreichen Titel führt. Es sind dies die: „Gedanken über die mögliche Mittel zu gäntzlicher Veränderung der sogenannten Politic oder Staats-Klugheitsgrundsätze und dem daraus folgenden und sicher ohne Unterbrechung zu erhaltenden Frieden der ganzen Chrystenheit.“

Obgleich Trenck den unbedruckten Raum auf mehr als sechshundert Seiten seiner Bibel dazu verwandte, um diese Aufgabe zu lösen, so ist er dennoch, wenigstens so weit uns das Manuscript vorliegt, damit bei weitem nicht fertig geworden, sondern nur bis zum zweiten Capitel gekommen. Das Vorhandene läßt allerdings noch keine klare Darlegung von den Mitteln erkennen, die schließlich den ewigen Frieden der Welt verschaffen sollen. Trotzdem zeigt sich Trenck im ersten Capitel jener Arbeit als erfahrener Menschenkenner, indem er die Temperamente in ihren Kennzeichen und Aeußerungen auf das Ausführlichste beschreibt und dann immer angiebt, zu welchen Staats- und andern Verrichtungen Menschen dieses oder jenes Temperaments geeignet sind. Das zweite Capitel dieses Fragmentes handelt von der Seele, und hier tritt Trenck als ein scharfer Gegner der damals so verbreiteten Ansichten des Halleschen Philosophen Wolff auf. Dieser Abschnitt beweist zugleich, daß Trenck seine Bibel nicht blos benutzt hat, um darin allerhand Gedanken und Einfälle aufzuzeichnen. Er belegt vielmehr seine Behauptungen, die allerdings ziemlich freidenkerischer Art sind, mit einer Masse von Citaten aus den Schriften des alten und neuen Testaments. Das Muckerthum und den Pfaffentrug greift er mit den schärfsten Waffen an, doch darf man hieraus nicht schließen, daß Trenck ein sogenannter „Freigeist“ war, denn von seiner wahrhaft gläubigen Gesinnung zeugen in jener Bibel eine Menge geistlicher Lieder, die er während seiner Gefangenschaft verfaßt hat und welche von ihm oft zu seinem eigenen Trost, wie er selbst sagt, in schweren Leidensstunden gesungen worden sind.

Wahrhaft unbegreiflich erscheint es, daß man Trenck nach seiner eigenen Versicherung wohl die Erlaubniß zum Schreiben gewährte, aber ihm dabei keine Tinte zukommen ließ. Um sich eine Flüssigkeit zum Schreiben zu verschaffen, stach sich Trenck in die Finger und fing das Blut in einem Scherben auf; war es darin geronnen, so erwärmte er es wieder in der Hand und warf die „fibrösen“ Theile fort. Eine genaue chemische Untersuchung der Schriftzüge in seiner Bibel hat bestätigt, daß Trenck sich stets des Blutes zum Schreiben bediente; nur zuweilen findet sich etwas Ruß dem Blute beigemischt.

Trenck erzählt, daß er acht ganze Bände auf solche Weise während seiner Haft geschrieben habe. Auf dem Museum zu Berlin befindet sich unsers Wissens noch ein derartiger Band nebst zwei von Trenck gravirten Zinnbechern. Diese letztere Arbeit bildete ebenfalls eine Zeit lang die Unterhaltung des Gefangenen. Als Werkzeug hatte er nichts Anderes, als einen fein gespitzten Nagel und vermittelst dieses dürftigen Instrumentes versah er die Becher, welche man ihm bald von allen Seiten brachte, mit wirklich kunstvollen Gravirungen. Nicht nur die Figuren waren von größter Regelmäßigkeit und Naturtreue, auch die auf den Bechern vielfach angebrachte Schrift war vorzüglich schön und dabei ohne alle optischen Hülfsmittel so außerordentlich fein ausgeführt, daß auf dem schmalen Rande eines Bechers oft zwei Zeilen Schrift unter einander standen, die nur mittelst eines Vergrößerungsglases gelesen werden konnten.

Mit Trenck zugleich war der ehemalige Gouverneur der Festung Reisse, General Wallrabe, Staatsgefangener in Magdeburg, weil er die ihm anvertraute Festung an die Oesterreicher verrathen hatte. Er genoß zwar eine weit bessere Behandlung als Trenck, mußte aber bis zum Tode Friedrich’s des Großen, vierzig Jahre lang, in Haft bleiben. Auch Trenck’s fernere Schicksale waren abenteuerlich genug und der vielgeprüfte Mann beschloß sein Leben 1794 zu Paris auf dem Schaffot durch Robespierre’s tyrannisches Machtwort.




  1. Die von Trenck gemachten Gräben sind hier gemeint.
  2. Dieser Fluchtversucht Trenck’s hatte am 31. August 1757 stattgefunden.