Verklärte Nacht
[61] Verklärte Nacht.
Zwei Menschen gehn durch kahlen, kalten Hain;
der Mond läuft mit, sie schaun hinein.
Der Mond läuft über hohe Eichen,
kein Wölkchen trübt das Himmelslicht,
Die Stimme eines Weibes spricht:
Ich trag ein Kind, und nit von dir,
ich geh in Sünde neben dir.
Ich hab mich schwer an mir vergangen;
und hatte doch ein schwer Verlangen
nach Lebensfrucht, nach Mutterglück
und Pflicht – da hab ich mich erfrecht,
da ließ ich schaudernd mein Geschlecht
[62] und hab mich noch dafür gesegnet.
Nun hat das Leben sich gerächt,
nun bin ich dir, o dir begegnet.
Sie geht mit ungelenkem Schritt,
ihr dunkler Blick ertrinkt in Licht.
Die Stimme eines Mannes spricht:
Das Kind, das du empfangen hast,
sei deiner Seele keine Last,
Es ist ein Glanz um Alles her,
du treibst mit mir auf kaltem Meer,
doch eine eigne Wärme flimmert
von dir in mich, von mir in dich;
du wirst es mir, von mir gebären,
du hast den Glanz in mich gebracht,
du hast mich selbst zum Kind gemacht.
[63] Er faßt sie um die starken Hüften,
zwei Menschen gehn durch hohe, helle Nacht.