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Vermächtniß (Goethe)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Johann Wolfgang von Goethe
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Titel: Vermächtniß
Untertitel:
aus: Goethes Werke: Vollständige Ausgabe letzter Hand. Bd. 22, S. 261–262
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1829
Verlag: J. G. Cotta
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Erscheinungsort: Stuttgart und Tübingen
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Quelle: Google, Kopie auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[261]
 Vermächtniß.


Kein Wesen kann zu nichts zerfallen,
Das Ew’ge regt sich fort in allen,
Am Seyn erhalte dich beglückt!
Das Seyn ist ewig, denn Gesetze

5
Bewahren die lebend’gen Schätze

Aus welchen sich das All geschmückt.

Das Wahre war schon längst gefunden,
Hat edle Geisterschaft verbunden,
Das alte Wahre fass’ es an.

10
Verdank’ es, Erdensohn, dem Weisen

Der ihr die Sonne zu umkreisen
Und dem Geschwister wies die Bahn.

Sofort nun wende dich nach innen,
Das Centrum findest du da drinnen

15
Woran kein Edler zweifeln mag.

Wirst keine Regel da vermissen,
Denn das selbstständige Gewissen
Ist Sonne deinem Sittentag.

[262]
Den Sinnen hast du dann zu trauen,
20
Kein Falsches lassen sie dich schauen

Wenn dein Verstand dich wach erhält.
Mit frischem Blick bemerke freudig,
Und wandle, sicher wie geschmeidig,
Durch Auen reichbegabter Welt.

25
Genieße mäßig Füll’ und Segen,

Vernunft sey überall zugegen
Wo Leben sich des Lebens freut.
Dann ist Vergangenheit beständig,
Das Künftige voraus lebendig,

30
Der Augenblick ist Ewigkeit.


Und war es endlich dir gelungen,
Und bist du vom Gefühl durchdrungen:
Was fruchtbar ist allein ist wahr;
Du prüfst das allgemeine Walten,

35
Es wird nach seiner Weise schalten,

Geselle dich zur kleinsten Schaar.

Und wie von Alters her, im stillen,
Ein Liebewerk, nach eignem Willen,
Der Philosoph, der Dichter schuf;

40
So wirst du schönste Gunst erzielen;

Denn edlen Seelen vorzufühlen
Ist wünschenswerthester Beruf.