Vernünftige und Christliche Gedancken über die Vampirs/§.36

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Textdaten
Autor: Johann Christoph Harenberg
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Titel: Vernünftige und Christliche Gedancken über die Vampirs ...
Untertitel: §.36 - Warum man der sonderbahren Würckungen des Satans hiebey nichts beyzumessen habe.
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Erscheinungsdatum: 1733
Verlag: Johann Christoph Meißner
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Erscheinungsort: Wolfenbüttel
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Quelle: Digitalisat des Göttinger Digitalisierungszentrums bzw. bei Commons
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§.XXXVI

[117] Ich sehe schon längst voraus, daß diese meine beygebrachte philosophische Erklärung nicht einem jedem gefallen werde. Einige werden sich lieber mit der Würckung der bösen Geister, die in den verscharreten Cörpern das Bluht aufbehalten, und ein neues hinzugebracht haben, herauswickeln. [118] Es ist wahr, man kan auf solche Weise bald fertig werden. Wenn sich eine Finsterniß an den Sternen oder vor der Sonne eräuget, kan man nur vorgeben, daß ein schwarzer und misgünstiger Geist davor liege. CONRAD DIPPEL könnte sagen, daß die Seelen, so baldigst in die Sonne und andere helle Himmels-Cörper nach geschehener Ausreinigung, von den bösen Geistern noch einmahl in einen Klumpen getrieben würden, und also diejenige Finsternis, welche wir der Sonne beizumessen pflegen, veruhrsacheten. Mir deucht, daß wir die Geister auf die philosophische Schau-Bühne ohne Noth und Erforderung der Umstände nicht führen sollen, allermassen sie unserer sonst spotten mögten. Sind auch die geringsten Spuren vorhanden, daß die angesteckte und beklemmte Persohnen eine Verminderung und Aussaugung ihres Bluhts, so von einem Geiste geschehen wäre, gehöriger Weise empfunden hätten: Haben auch die um die Krancken stehenden Persohnen gesehen, daß von den Patienten Bluht weggesogen sey? Warum nimt denn der Satan das vergossene Bluht nicht auch sonst zu sich? Er braucht solches gewislich weder zum essen noch zum trincken. Vielleicht will er sich darin abkühlen, weil er dürre Oerter suchet und solche nicht findet? Aber warum bringet er denn dieserwegen das Bluht in die todten Cörper? Die Jüden, welche vielfältige Mehrleins von den Würckungen der Geister bey den Verstorbenen vorbringen, geben vor, (a)[1] daß der Engel [119] des Todes über das Grab des Verstorbenen sich niedersetze, und alsdenn die Seele in den Leib zurückfahre und denselbigen aufrichte. Ferner soll dieser Engel mit einer theils kalten, theils heissen Kette den aufgerichteten Cörper zwey derbe Schläge geben, durch deren ersten die Glieder auseinander fallen, durch den anderen alle Gliedleins sich zerstreuen. Wo nicht etwa diese Begebenheit dem Jüdischen Volcke allein angehet; so kan man sicherlich glauben, daß durch die aufgegrabenen Vampirs dieses gantze Mährlein zu Boden geworffen sey. M. PHILLIPUS ROHR hat im Jahr 1679. eine philosophische Untersuchung von dem Schmacken und Fressen der Todten in den Gräbern gehalten, (b)[2] und mit einigen Exempeln dargethan, daß der Hencker die schmackenden habe wiederum ausgegraben, und befunden, daß sie den Schleyer, damit ihnen das Haupt verbunden gewesen, halb hinein gegessen gehabt, so ihnen wiederum bluhtig (c)[3] aus dem Halse gezogen worden. Der Herr Rohr sucht zu behaupten, daß einige böse Geister, welche sich gern in den Gräbern aufhalten, solche Wercke ausübeten. Allein wer hat es deutlich dargethan, daß dergleichen fressende Todten, dergleichen es nur zu Pest-Zeiten giebet, nicht begraben worden, ehe sie würcklich todt gewesen? Zu Pest-Zeiten sind alle Leute Gedancken mit dem Tode und den [120] Histörgens, so an jedem Orte den Kindern eingepräget werden, beschäftiget. Dannenhero verfällt man so fort auf auss[e]rordentliche Begebenheiten, so bald man etwas höret oder siehet, davon die Uhrsache sich nicht von einem jeden erfinden läst, nach der üblichen Gewohnheit der Huren, welche sich alle damit entschuldigen, daß sie nicht wissen, wie sie zum Kinde gekommen, wo nicht der Teufel in ihrem Leibe sein Spiel gehabt. Am meisten ist es zu bedauren, daß man dergleichen jämmerliche Mord-Geschichte aus allerley Fratzenmeisters und aus dem Hörensagen zusammen getragen, und sich kein eintziges Exempel findet, welches sich auf eine gründliche Untersuchung und Besichtigung geübter Natur-Kündigers beziehet.


  1. (a) IOANNES BVXTORFIVS in Synag. Iudaic c. XXXVI.p.509.
  2. (b) De Masticatione mortuorum Lipsiae 1679.4.
  3. (c) GEORG. PHILLIP. HARSDORFER in Iämmerlichen Mord-Geschichten ad a. 1345. (ex Hegenezi Chronico Bohem.c.115) p.406.