Verordnung, betreffend das Berufungsverfahren beim Reichs-Oberhandelsgericht in Patentsachen
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(Nr. 1236.) Verordnung, betreffend das Berufungsverfahren beim Reichs-Oberhandelsgericht in Patentsachen. Vom 1. Mai 1878.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.
verordnen auf Grund des §. 32 des Patentgesetzes vom 25. Mai 1877 (Reichs-Gesetzbl. S. 501 ff.) im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths, was folgt:
§. 1.
[Bearbeiten]- Die in Gemäßheit des §. 32 Absatz 1 des Patentgesetzes vom 25. Mai 1877 bei dem Patentamt einzureichende Berufungsschrift muß die Berufungsanträge, sowie die Angabe der neuen Thatsachen und Beweismittel enthalten, welche der Berufungskläger geltend machen will.
§. 2.
[Bearbeiten]- Ist die Berufungsschrift nicht rechtzeitig eingegangen oder nicht in deutscher Sprache abgefaßt oder enthält sie nicht die Berufungsanträge, so hat das Patentamt die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
- Der Berufungskläger kann binnen einer Woche nach Zustellung dieses Beschlusses auf die Entscheidung des Reichs-Oberhandelsgerichts antragen.
§. 3.
[Bearbeiten]- Ist die Berufung zulässig, so wird die Berufungsschrift von dem Patentamt dem Berufungsbeklagten mit der Auflage mitgetheilt, seine schriftliche Erklärung binnen vier Wochen nach der Zustellung bei dem Patentamt einzureichen.
- Die Erklärung muß die Gegenanträge sowie die Angabe der neuen Thatsachen und Beweismittel enthalten, welche der Berufungsbeklagte geltend machen will.
§. 4.
[Bearbeiten]- Das Patentamt legt die Verhandlungen nebst den Akten erster Instanz dem Reichs-Oberhandelsgericht vor und benachrichtigt hiervon die Parteien, unter Mittheilung der Gegenerklärung an den Berufungskläger.
§. 5.
[Bearbeiten]- Das Reichs-Oberhandelsgericht trifft nach freiem Ermessen die zur Aufklärung der Sache erforderlichen Verfügungen.
- Beweiserhebungen finden, soweit die Umstände nicht ein anderes erfordern, durch Vermittelung des Patentamts statt.[91]
§. 6.
[Bearbeiten]- Das Urtheil des Reichs-Oberhandelsgerichts ergeht nach Ladung und Anhörung der Parteien.
- Die Ladungsfrist beträgt mindestens zwei Wochen.
§. 7.
[Bearbeiten]- Die Geltendmachung neuer Thatsachen und Beweismittel im Termin ist nur insoweit zulässig, als sie durch das Vorbringen des Berufungsbeklagten in der Erklärungsschrift veranlaßt wird.
- Das Gericht kann auch Thatsachen und Beweise berücksichtigen, mit welchen die Parteien ausgeschlossen sind.
- Eine noch erforderliche Beweisaufnahme erfolgt nach der Bestimmung im §. 5.
§. 8.
[Bearbeiten]- Von einer Partei behauptete Thatsachen, über welche die Gegenpartei sich nicht erklärt hat, können für erwiesen angenommen werden.
- Erscheint in dem Termin keine der Parteien, so ergeht das Urtheil auf Grund der Akten.
§. 9.
[Bearbeiten]- Das Reichs-Oberhandelsgericht kann zu der Berathung Sachverständige zuziehen; dieselben dürfen an der Abstimmung nicht Theil nehmen.
§. 10.
[Bearbeiten]- Zu den Kosten des Verfahrens, über welche das Reichs-Oberhandelsgericht nach §. 32 Absatz 2 des Patentgesetzes zu bestimmen hat, gehören außer den aus der Kasse des Patentamts zu bestreitenden Auslagen diejenigen den Parteien erwachsenen Auslagen, welche nach freiem Ermessen des Gerichtshofes zur zweckentsprechenden Wahrung der Ansprüche und Rechte nothwendig waren.
§. 11.
[Bearbeiten]- In dem Termin ist ein Protokoll aufzunehmen, welches den Gang der Verhandlung im allgemeinen angiebt.
- Das Protokoll ist von dem Vorsitzenden und dem Gerichtsschreiber zu unterschreiben.
§. 12.
[Bearbeiten]- Die Verkündung des Urtheils erfolgt in dem Termin, in welchem die Verhandlung geschlossen ist, oder in einem sofort anzuberaumenden Termin.
- Wird die Verkündung der Entscheidungsgründe für angemessen erachtet, so erfolgt sie durch Vorlesung der Gründe oder durch mündliche Mittheilung des wesentlichen Inhalts.[92]
- Die Ausfertigungen des mit Gründen zu versehenden Urtheils werden durch Vermittelung des Patentamts zugestellt.
§. 13.
[Bearbeiten]- Wird beantragt, daß in Abänderung der Entscheidung des Patentamts die Zurücknahme des Patents auf Grund des §. 11 Nr. 2 des Patentgesetzes ausgesprochen werde, so findet die Vorschrift des §. 29 Absatz 3 dieses Gesetzes entsprechende Anwendung.
§. 14.
[Bearbeiten]- Die zur Praxis bei dem Reichs-Oberhandelsgericht berechtigten Rechtsanwälte und Advokaten sind befugt, im Berufungsverfahren in Patentsachen die Vertretung zu übernehmen.
§. 15.
[Bearbeiten]- Im übrigen ist für das Berufungsverfahren in Patentsachen das den Geschäftsgang beim Reichs-Oberhandelsgericht normirende Regulativ maßgebend.
- Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
- Gegeben Berlin, den 1. Mai 1878.