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Vesperbrot des Orang-Utan „Rolf“ im Zoologischen Garten zu Berlin

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Textdaten
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Autor: Dr. O. Heinroth
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Titel: Vesperbrot des Orang-Utan „Rolf“ im Zoologischen Garten zu Berlin
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 28, S. 889, 896
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[889] [ gemeinfrei erst ab 2025] [896] Vesperbrot des Orang-Utan „Rolf“ im Zoologischen Garten zu Berlin. (Zu dem Bilde S. 889.) Wenige Tiere unserer Zoologischen Gärten erfreuen sich eines so allgemeinen Interesses seitens der Besucher wie die Menschenaffen, die, wenn sie verständig behandelt und jung in die Gewalt des Menschen gekommen sind, mit der Zeit geradezu populär werden können. Unser Bild zeigt uns den jetzt leider verstorbenen „Rolf“, ein Tier, welches im April 1895 etwa fünf- bis sechsjährig als Geschenk des Herrn Dr. Dohr von Sumatra in den Besitz des Zoologischen Gartens in Berlin kam und sich dort vortrefflich hielt und entwickelte, bis eine Lungenentzündung seinem Leben im Mai dieses Jahres ein Ende setzte.

Trotzdem sein Aeußeres wegen der vorstehenden Lippen, der langen Arme und der kurzen Beine keineswegs das war, was man nach menschlichen Begriffen etwa als „chic“ und „anmutig“ zu bezeichnen pflegt, so wußte er sich doch durch sein Thun und Treiben häufig genug die entschiedenste Zuneigung selbst der eleganten Damenwelt zu sichern. In seinem Gelasse des neuen Berliner Affenhauses schon beständig von Schaulustigen umlagert, kam er doch erst zur vollen Geltung, wenn er vom Wärter ru seinen Mahlzeiten in dessen Zimmer abgeholt wurde. Hand in Hand gingen sie durch das Affenhaus, und im Wärterraum angelangt, bestieg „Rolf“ den an der Wand stehenden Tisch, setzte sich nach orientalischer Sitte mit untergeschlagenen Beinen auf diesen und musterte das andrängende Publikum. Inzwischen bedeutete er seinem Wärter durch eine Handbewegung in der Richtung auf den Speiseschrank, daß er wohlgeneigt sei, eine Tasse Thee zu sich zu nebmen. Nachdem er das leere Gefäß empfangen, hielt er es hin, um sich dasselbe füllen zu lassen, wobei er bereits in lüsterner Freude im Vorgenusse schwelgend den Mund spitzte. Unser Bild zeigt diese Scene in vollendeter Weise, allerdings nicht im Wärterzimmer, sondern in der Behausung des Affen selbst. Nachdem „Rolf“ seinen Thee mit Behagen geschlürft, die Tasse wieder zurückgegeben, eine Frucht, ein Stück Weißbrot oder etwas ähnliches verzehrt hatte, war er zu Scherz und Spiel aufgelegt.

Geduldig ließ er sich einen alten Schifferhut aufsetzen und spielte mit dem biedersten Gesichte den „ollen ehrlichen Seemann“, auf die Frage: „Wie, groß bist du?“ stellte er sich in voller Höhe auf die Füße. Stürmisch umarmte er seinen Wärter als Antwort auf die Frage: „Wie lieb hast du mich?“, und wenn einer der Anwesenden nicht glaubte, daß ein Orang lachen könne, so wurde er hier von dem Gegenteil seiner Ansicht überzeugt, denn „Rolf“ lachte, außer wenn er sich freute, auch auf Befehl aber das ganze Gesicht, allerdings ohne jede Lautäußerung. Unser Orang hatte nichts von der leider bei uns so häufigen Kränklichkeit seiner Brüder, er war ein strammer und munterer Bursche, auch war es kein chronisches Leiden, das ihn dem Leben entriß.
Dr. O. Heinroth.