Voltaire und Rousseau
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In keinem Lande ist die Wissenschaft und Kunst so innig mit dem öffentlichen Leben verbunden als in Frankreich. Und besonders die Dichter unseres reichen und schönen Nachbarlandes singen nicht, wie der Vogel singt, in harmloser Lust am Gesange, sondern in berechnendem Streben, Einfluß zu üben auf Staat und Kirche, auf Glauben und Sitte. Diese Erwägung tritt uns besonders nahe bei Voltaire und Rousseau, deren Namen in diesen Tagen wieder die ganze Welt zu Haß und Liebe durchklingen. Ist doch am 30. Mai der hundertjährige Todestag Voltaire’s mit so viel Aufsehen wie möglich begangen worden. Wir lieben das Aufsehenmachen nicht, gleichviel ob es nach Menschen-Vergötterung oder Verfluchung klinge, hoffen uns aber den Dank unserer Leser zu erwerben, wenn wir mit unparteiischer Feder die Bilder der beiden [183] Vielgenannten zeichnen, die sich wiederholt gegenseitig angezogen und heftig abgestoßen, aber ohne Zweifel merkwürdig ergänzt und gestärkt haben in dem verhängnißvollen Kampfe gegen den morschen unbeschränkten Staat und die verweltlichte, verfolgungssüchtige Kirche Ludwigs XIV. und XV.
François Marie Arouet, später de Voltaire genannt, ist am 20. Februar 1694 im Dorfe Châtenay, bei Sceaux (Seinedepartement) geboren. Ein schwächlicher und durch eine schiefe Schulter verunstalteter Knabe, voll unruhigen, aber glänzenden Geistes, stand er unter dem schädlichen Einflusse seines ungläubigen Pathen, des Abbé de Châteauneuf, der ihn eiligst in einen verführerischen Kreis eleganter junger Freigeister brachte. Diese schlechten Einflüsse vermochten seine Lehrer in dem Jesuitencollegium Louis-le-Grand nicht aufzuheben. Sie lehrten ihn wohl die Glaubenssätze ihrer Kirche, aber machten ihn dieselben nicht glauben und lieben. 31 Jahre alt, ohne inneren und äußeren Halt, ohne gutes Gewissen und festen Beruf, zweimal ausgewiesen und zweimal gefangen gesetzt, empfing er nach einem ärgerlichen Streithandel den gemessenen Befehl, Frankreich zu meiden. Er wählte seinen Aufenthalt in England, wo auf die religiöse Schwärmerei der Revolutionszeit ein eisiger Hauch des Zweifels gekommen war, der die schönsten Blüthen aus dem Wundergarten der geoffenbarten Religion in den Herzen ertödtete. Nur soviel man mit dem gesunden Menschenverstande begreifen könne, sei werthvoll und bleibend in der Religion, alles Andere Betrug und Täuschung. So verkündeten die ersten Geister Englands mit allen Mitteln des Ernstes und des Witzes. Voltaire lauschte diesen Lehren mit unbeschreiblichem Entzücken und wurde der Apostel der Religion des gesunden Menschenverstandes in Frankreich, als er nach vier Jahren der Verbannung auf Verwenden seiner vielen Freunde dorthin zurückkehren durfte. Seine „englischen Briefe“, in denen er die neue Irrlehre zuerst veröffentlichte, wurden zwar auf Befehl des Parlaments von Henkers Hand verbrannt. Aber von nun an überfluthete er förmlich die Welt mit dichterischen, geschichtlichen, philosophischen und aller Art Schriften, deren Titel nur aufzuzählen viele Seiten des Blattes in Anspruch nehmen würde. Von seinen dichterischen Erzeugnissen wird besonders gern genannt ein sogenanntes Heldengedicht „La Henriade“, welches in der Form schön, voll wohllautender Verse und glänzender Sätze, aber in dem Inhalte unpoetisch, voll trockener Geschichtsschreibung und frostiger Reflexion[1] ist. Ein Meisterstück seiner romanhaften Geschichtsschreibung ist seine: Historie de Charles XII [2], an welcher sich schon die Schüler der höheren Schulen zu bilden und zu erfreuen pflegen. Die meisten seiner vielen Schriften hat er auf dem lothringischen Landgute Cirey, an der Seite seiner gelehrten Geliebten, der Marquise du Chastelet, und auf seinem prächtigen Schlosse Ferney, wo er die letzten 20 Jahre seines Lebens in fürstlichem Glanze zubrachte, mit unglaublicher Schnelligkeit abgefaßt. Glatter Weltmann, behandelt er alle Fragen mit glänzender Oberflächlichkeit, welche sich ängstlich hütet, den Räthseln der Tiefe zu begegnen; geschickter Künstler, gestaltet er alle Gedanken nach der praktischen Nützlichkeit, welche nicht das Ideal, sondern nur den Erfolg sucht; ungläubiger Katholik, entweiht er alle Heiligthümer mit dem unreinen Geiste leichtfertigen Spottes und grober Unwissenheit in allen religiösen Dingen. Altar und Thron unterwühlt er tagtäglich auf’s Neue, aus Leidenschaft und aus Gewohnheit. Und doch hat dieser Zerstörer der Religion bisweilen Bewunderung für die Schönheit des Christenthums gehabt und in einer flüchtigen Rührung dem geschmähten Gotte sogar eine Kirche gebaut. Und ein Papst hat ihm gestattet eines seiner Werke ihm zu widmen und für die Widmung seinen apostolischen Segen gesandt. Und doch hat dieser Aufrührer gegen die Throne gern an Fürstenhöfen verkehrt und seine glänzenden Einfälle von gekrönten Häuptern bewundern und bezahlen lassen. Und die Kaiser von Oesterreich und Rußland, die Könige von Preußen, Dänemark, Schweden und viele andere Fürsten haben ihm die höchsten Huldbezeugungen zu Theil werden lassen. Und doch hat sich dieser selbstsüchtige Spötter der unterdrückten Unschuld angenommen und seinen Zeitgenossen Duldung gepredigt mit Worten und Thaten. Und es wird ihm unvergessen bleiben, daß durch seine rastlosen Bemühungen der Prozeß des unschuldig geräderten Calas nochmals durchgesehen und festgestellt wurde, daß der edle Glaubenszeuge ein Opfer des blinden Fanatismus geworden war.
Voltaire’s eitler Charakter ist eben voll grober Widersprüche, wie es bei Allen der Fall sein muß, die ihre Ruhe und ihre Stütze nicht in dem lebendigen Gott gefunden haben. Daß er von der Langmuth und Geduld dieses Gottes bis in sein hohes Alter gesucht worden ist, zeigt mancher seiner bekannten Aussprüche. Weniger bekannt dürfte sein, was Lord Brougham als gut bezeugt erzählt. In einer Mainacht, um 3 Uhr, ließ der 81jährige„ Patriarch“ Voltaire einen jungen Freund [184] bitten, ob er mit ihm einen Sonnenaufgang genießen wollte; Rousseau’s „Glaubensbekenntniß eines Savoyardischen Vikars“ hätte ihm Lust dazu gemacht. Als die beiden, geführt von einem Diener, der mit der Laterne voranleuchtete, mühsam eine steile Höhe erstiegen hatten, röthete eben die aufgehende Sonne den Osten und bereitete ein ergreifendes Naturschauspiel. Da entblößte Voltaire sein Haupt, sank auf seine Kniee nieder, und als er Worte fand, rief er bewegt: „Ich glaube, ich glaube an Dich!“ und nach neuer, langer Pause noch einmal: „Allmächtiger Gott, ich glaube!“ Aber mit einem Male erhob er sich, entfernte den Staub von seinen Knieen und spottete lästerlich gegen die geoffenbarte Religion. 1778 überschüttete ihn das Paris, das ihn so oft hoch gehoben und tief gebeugt hatte, mit Ehrenbezeugungen, von deren Aufregung er in eine Krankheit verfiel und am 30. Mai starb. Die Kirche verweigerte ihm ihr Grabgeleit und der Abbé Mignot, der ihn in der Abtei von Scelliéres beigesetzt hatte, mußte für diesen eigenmächtigen Schritt schwer büßen. Aber die Revolution hat sich beeilt, ihrem geistigen Vorkämpfer in dankbarer Anerkennung der ihr geleisteten Dienste eine nachträgliche Todtenfeier zu veranstalten, welche an Glanz Nichts zu wünschen übrig ließ.
Was der höhnische Spott eines Voltaire nicht anzutasten vermocht hatte, das erreichte die begeisterte Beredtsamkeit Rosseau’s. In farbenreicher, eleganter Sprache, mit einem anmuthenden fremden Beigeschmacke redete er gefühlvoll und hinreißend von den heiligsten Dingen, die er doch nicht liebte. Unwillkürlich gingen seine Schlagwörter und Redensarten auf die Zeitgenossen über und wurden gedankenlos von ihnen nachgesprochen. Sie werden es zum Theil noch, um so mehr, als Rousseau nicht bloß eingerissen, sondern auch auf den Trümmern schimmernde, glänzende Neubauten versucht hat. Aber je unberechenbarer der bezaubernde Einfluß dieses hochbegabten Mannes gewesen ist, um so schwerer wird uns sein Lebensbild, an dessen Zügen Verehrer wie Gegner in Lob und Tadel sich streiten. Natürlich entwerfen wir unsere flüchtige Zeichnung hauptsächlich nach seinen berühmten und berüchtigten Selbstbekenntnissen, die er im 58. Lebensjahre geschrieben hat.
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II.
Jean Jacques Rousseau ist am 28. Juni 1712 in der durch Natur, Geschichte, geistiges und kirchliches Leben so hervorragenden Stadt Genf geboren. Sein erster Lebensschrei war der Todesseufzer seiner Mutter, der Tochter eines evangelischen Pfarrers. Seinem geistig regsamen, aber verschrobenen Vater, einem wenig begüterten Uhrmacher, blieb die Erziehung allein überlassen. Er lehrte den hoffnungsvollen Sohn von 6 Jahren lesen aus ererbten Romanen und Lebensbeschreibungen großer Männer, über welchen sie ganze Nächte zubrachten. Der Knabe verstand Nichts, aber fühlte Alles, und neben einer unbegrenzten Einbildungskraft regte sich in ihm Ehrgeiz und Unwahrheit. Als sein Vater einer Ehrensache wegen aus Genf flüchtig geworden war, kam er in das Haus eines Pfarrers, später zu einem Kupferstecher in die Lehre, der er jedoch entlief aus Furcht vor wohlverdienter Strafe. Als Landstreicher fiel er in die Hände der Frau von Warens, die ihrem Ehemanne im Waadtlande entflohen und zur Beruhigung ihres Gewissens in die römische Kirche übergetreten war. Nach Proselytenart suchte sie auch Andere zum Uebertritte zu bewegen, und ihre Reize haben Rousseau nicht bloß um das Bekenntniß sondern auch um die Sittlichkeit betrogen! Als der kaum Sechzehnjährige in dem Turiner Hospiz der Katechumenen zum Uebertritte vorbereitet wurde, erlebte er Entsetzliches an Lehrern und Mitschülern, aber auf die Klage seines Herzens gegen Gott: Warum hast du mich so schwach gemacht? empfing er nur die strafende Antwort: „Ich habe dich zu schwach gemacht, aus dem Abgrunde herauszukommen, weil ich dir hinlängliche Stärke verlieh, nicht hineinzufallen.“ Nach seinem Uebertritte mit wenig Geld entlassen, setzte er sein abenteuerliches Landstreicherleben zum Theil mit Hilfe einer Drehorgel fort und unterbrach dasselbe nur auf kurze Augenblicke durch Besuche bei Frau von Warens und vorübergehende Stellungen als Lehrer, Dolmetscher, Seminarist, Lakai. In allem Sinnenrausche aber unterließ er nicht, den Gang der französischen Literatur zu verfolgen und Philosophie und Musik mit Erfolg zu treiben. So kam er 1741 nach Paris voll kühner schriftstellerischer Entwürfe und fand Zutritt bei angesehenen Männern und Frauen. Der französische Gesandte in Venedig berief ihn als Sekretär. Aber nach 18 Monaten skandalöser Abenteuer und unerquicklicher Streitigkeiten kehrte er nach Paris zurück, wo er in einem Zeitungsblatte zufällig folgende Preisfrage der Akademie von Dijon las: „Hat die Wiederherstellung der Wissenschaften und Künste zur Reinigung der Sitten beigetragen?“ Ergriffen von dieser Frage, arbeitet er in schlaflosen Nächten die Antwort aus, in welcher er „Wissenschaften und Künste auf dem Altar der Tugend opfert“ mit dem strengen Sinne eines Büßers und Schwärmers, während er zu derselben Zeit mit Therese Levasseur in wilder Ehe lebte und die Kinder dieser Ehe in das Findelhaus trug. Seine Antwort erhielt den Preis und begründete seinen Ruhm als Schriftsteller. Im Sonnenscheine dieses Ruhmes gelobte er sich, der Tugend immer das Wort zu reden und sich aus den verführerischen Netzen der vornehmen Pariser Gesellschaft zurückzuziehen. Eine schwere Krankheit bestärkte dieses Gelübde in ihm, so daß er die damals in vornehmen Kreisen übliche Tracht der Allonge-Perücke mit der runden und die seidenen Kleider mit ärmlichen vertauschte, mit seiner Geliebten nach Genf übersiedelte und zur evangelischen Kirche zurücktrat, freilich, wie er erklärte, über den konfessionellen Unterschied erhaben, nur um sein durch den Uebertritt verlorenes Bürgerrecht wieder zu erlangen. Er kehrte jedoch bald unter dem Jubel Frankreichs aus der Schweiz zurück, traf auf der Reise noch Frau von Warens im tiefsten Elende und ließ sich von seiner Gönnerin und Freundin, Frau d’Epinay, in der Waldeinsamkeit von Montmorency ein Häuschen erbauen, die berühmte Eremitage, in deren Stille er seine bedeutendsten Werke schrieb, die „Neue Heloise“, den „Emil“ und den „Contrat social“ (den Gesellschaftsvertrag). Obgleich in der „Neuen Heloise“ die Absicht des Kampfes gegen die unnatürlichen, verkünstelten gesellschaftlichen [186] Zustände zu sehr hervortritt, als daß der Roman ein eigentliches Kunstwerk genannt werden könnte, ist er doch voll glänzender Schönheiten, besonders in der Schilderung von Naturscenen und Naturmenschen und voll tiefer Leidenschaft. Und kaum ein anderes ähnliches Buch hat eine weltgeschichtliche Bedeutung gehabt wie dieses, das bei seinem Erscheinen fast verschlungen wurde und überall die Geister erhitzte zum Sturze der gegenwärtigen Verhältnisse. Ebenso große Bewegung verursachte der „Contrat social“, der die Fahne des politischen Umsturzes aufhißt und einen guten Theil Schuld trägt an den socialen Stürmen, welche bis jetzt unheimlich die Staaten Europas umtoben, die Grundfesten erschütternd. Die unveräußerliche und untheilbare Souveränetät nennt er das Eigenthum des Volkes, das unfehlbare, allmächtige Gesetz den allgemeinen Willen. Alle müssen gegen Alle einen Vertrag eingehen, der auf Gleichheit aller Staatsglieder beruhe. So erwachse die rechte bürgerliche Freiheit; Freiheit und Gleichheit bedingen sich wechselseitig. Kaum waren diese Ansichten in die Welt gezogen, so baten Rousseau die Polen und Corsen, daß er ihnen Verfassungen schreibe. Verhältnißmäßig am wenigsten begeistert wurde der „Emil“ aufgenommen, obwohl es doch das allerbedeutendste Rousseau’sche Buch ist. In Form eines Romans gibt der Verfasser ein Lehrgebäude der Erziehung, welches im ersten Buch von der Behandlung neugeborener Kinder bis zu dem Zeitpunkte, da diese sprechen lernen; im zweiten Buch, von der Behandlung der Knaben bis zum 12. Jahre; im dritten, von derselben bis zum 15. Jahre; im vierten, von derselben des Jünglings bis zum Heirathen; im fünften, von der Erziehung der Frauen mit vielen Abschweifungen handelt. Lehrreich und verführerisch verbindet es überall Wahrheit und Lüge, Heilsames und Heilloses mit bezaubernder, verstrickender Gewalt, wie schon der berühmteste Abschnitt des Buches, das oben bereits erwähnte „Glaubensbekenntniß eines Savoyardischen Vikars“, bezeichnend lehrt. Im ersten Theile dieses Bekenntnisses findet sich eine sich möglichst einschmeichelnde Darstellung einer sogenannten natürlichen Religion, im zweiten eine, meist hämische Beurtheilung der geoffenbarten Religion. Mitten drin steht, befremdend genug, ein Preis Jesu Christi und der Majestät der Bibel. Besonders um dieses viel besprochenen Glaubensbekenntnisses willen beschloß das Parlament, in Uebereinstimmung mit den Geistlichen (1762), der „Emil“ solle zerrissen und verbrannt, der Verfasser eingesperrt und sein Vermögen eingezogen werden. Rousseau entkam noch zu rechter Zeit nach der Schweiz, wo er aber auch von Ort zu Ort fliehen mußte, von dem Hirtenbriefe des Erzbischofs von Paris und dem Verdammungsurtheil des Genfer Magistrats verfolgt. Unter dem Schutze Friedrichs des Großen von Preußen fand er eine Ruhestätte im Kanton Neuenburg, bis die Dorfgemeinde, in der er sich niedergelassen hatte und mit der er zum hl. Abendmahle gegangen war, zu viel von seinen Irrlehren gehört hatte, als daß sie ihn länger dulden mochte. 1766 erhielt er einen freien Geleitsbrief, um nach Paris zurückzukehren. Kurze Zeit richtete er sein Augenmerk auf England, aber bald finden wir ihn in Paris, und der Marquis von Girardin räumt ihm sein Landhaus in Ermenonville ein. Dort verbringt er seine letzten Lebensjahre in immer steigendem Menschenhaß, in welchem er sich mit vielen seiner besten Freunde und Freundinnen überworfen hat. 1778 starb er plötzlich; wie man glaubt, hatte er sich selbst vergiftet. In Ermenonville wurde er in aller Stille begraben, bis die Revolution auch ihm eine neue Todtenfeier veranstaltete.
Ein Mann von bewundernswerthen, außerordentlichen natürlichen Gaben, fühlte er sein Lebenlang den Zwiespalt nicht bloß seiner Zeitrichtung und seiner Anschauung, sondern auch seiner Stellung und seiner Leistung. Mußte er doch in seinem Tagebuche den Augenblick einschreiben, wo er aufhörte Hunger zu leiden. So wurde er der Anwalt der Masse, welche in schäumendem Zorne die Grundlagen der Gesellschaft zu zertrümmern sucht und ließ seinen Zornesruf mitten in den Akademieen und Sälen der Vornehmen und Hochstehenden erklingen. Er fluchte dem Verderben seiner Zeit und verkündete die Schrecken der Revolution mit Worten, die das Herz erbeben machen, ward aber selbst von den Fluthen dieses Verderbens fortgerissen. „Ergriffen, ja besessen von einer bitteren Reue, sagte er im eigenen Namen und im Namen des in Sünde versunkenen Frankreichs die Beichte. Aber es war eine Reue zum Tode, und statt des Friedens der Vergebung versank er selbst in Haß, der sich verzweifelt heraussehnt in ein verlorenes Paradies.“
Voltaire’s und Rousseau’s Asche haben die Söhne der Revolution im Pantheon zu Paris beigesetzt. Ihre Geister aber ruhen nicht, sondern verführen noch immer Viele, welche nicht von dem Pfingstgeiste der Wahrheit geleitet sein wollen. Uns seien sie ein neuer Beweis für das Wort Augustins, dessen Selbstbekenntnisse etwas ganz Anderes sind als die Rousseau’s: „Gott, du hast uns zu dir geschaffen, und unser Herz ist unruhig in uns, bis daß es ruhet in dir.“