Vom Großvater zum Enkel

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Autor: D.
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Titel: Vom Großvater zum Enkel
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aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 798–800
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[798]
Vom Großvater zum Enkel.

Vor vielen Reminiscenzpoesien von größerer oder geringerer Erbärmlichkeit, die der letzte große Krieg wie Pilze aufschießen ließ, zeichnete sich vortheilhaft ein prächtiges Soldatenlied aus, welches zuerst, so viel ich mich entsinne, im „Hannoverschen Courier“ veröffentlicht wurde. Den meisten unserer Leser ist es bekannt. Wer hat sich nicht erbaut an dem Urkräftigen:

Haut sie, daß die Lappen fliegen,
Daß sie all’ die Kränke kriegen
In das klappernde Gebein,
Daß sie, ohne auszuschnaufen,
Nach Paris und weiter laufen,
Und wir ziehen hinterdrein!

Der Verfasser wurde bald entdeckt in der Person des praktischen Arztes Kreußler aus dem Waldeckschen, der „auch einen Jungen dabei hatte“. Der tapfere Dichter, wackere Vater und gute Patriot nennt sich den Nachkommen einer uralten Fechtmeisterfamilie. Wenn er es nicht sagte, würde man es an seinen Versen merken können. Es liegt etwas darin, was an die eiserne Fechtmeisterfaust erinnert.

Als ich den Namen des Verfassers las, der sich selbst zu seinem Werke bekannte, da gingen meine Gedanken weithin wandern vom kühlfeuchten Ostseestrande nach dem milden Saalthale, nach dem alten tollen Jena, wo ich mich Studirens halber so lange Zeit aufgehalten, da stand ich wieder vor dem Johannisthore mit seinem alten Thurme, den Kirchhof mit dem Kirchlein auf sonniger Höhe zur Rechten, zur Linken eine grüne Gasse mit kleinen Häusern und Gärten. Aus dem größten Hause tönt Waffengeklirr und Commandoruf. Ich trete ein und stehe auf dem akademischen Fechtboden, der hohen Schule der edlen Fechtkunst.

Der schlanke Studiosus, der soeben seine Lection im Säbelfechten nimmt, wird sichtbar matter, die Hiebe fallen bleiern die Paraden werden schwächer. Der Meister wirft den schweren Pallasch in den Winkel und greift nach dem Hiebrappier, um schon nach zehn Minuten, wenn der neue Schüler sich für impotent erklärt, dasselbe mit dem deutschen Stoßrappier zu vertauschen. Jetzt kommt Leben auf die Bude! – Quart über den Arm. – „Quart parirt! Terz nachgestoßen!“ tönt das Commando. „Donnerwetter, nicht liegen bleiben! Zurück!“ – Es geschieht. – „Ausfallen! In Quart fintiren!“ – Wir thun’s, lassen aber dem Wütherich unsere Klinge den Bruchtheil einer Secunde; er faßt sie mit der seinigen, und klirrend fliegt die Waffe gegen die übertünchte Wand, daß eine Kalkwolke uns überpudert.

Wir reiben den schmerzenden Zeigefinger, kratzen uns hinter den Ohren und lesen unsern Spieß vom Boden auf. – „Das heißt ligirt, lieber Herr, echt deutsche Manier, – großer Vorzug unserer deutschen Vorfechtkunst vor der lumpigen französischen!“ – Folgt die Anweisung, wie „man’s macht“, nebst kritischer Vergleichung beider Stockfechtkünste. Bei dieser Beleuchtung zog die französische Waffe und ihre Führung stets den Kürzern.

„Bloß flüchtige Stöße, bei denen Klinge und Arm eine gerade Linie bilden, haben diese Franzosen. Keine Idee von unseren ‚festen‘ Stößen. Das Bischen Fintiren ist bei ihnen die Hauptsache. Und ligiren können sie bei ihrem erbärmlichen Fleuretchen mit der schäbigen Acht erst recht nicht! kein Stichblatt, keine Parirstange, wo man wie bei uns den Finger ordentlich durchstecken und das Spießchen festhalten könnte. Unmöglich, mit dem elenden französischen Dinge die Waffe des Gegners ordentlich zu fassen und vernünftig zu ligiren.“

Und so ging’s weiter bis zu dem großen Jenenser Fechtmeister, dem Kreußler, dem Vater der deutschen Stoßfechtkunst und, fügen wir hinzu, dem Urgroßvater unseres neuen deutschen Kriegsbarden.

Nach der Fechtstunde stieg ich drüben die sonnige Höhe hinan, um die Gräber der berühmten Fechtmeister zu besichtigen. Die Gräber fand ich nicht, wohl aber ihre kolossalen Leichensteine, aufrecht an die Kirchhofsmauer gelehnt. Vater, Sohn und Enkel in lebensgroßen fast quadratischen Gestalten in den Stein gemeißelt, die Inschriften nur mit Mühe erkennbar. Sind aber auch die Schriftzüge auf dem Steine fast erloschen, so lebt doch eine Erinnerung an den großen Fechter noch heute im Gedächtnisse der Jenenser. Ich erzähle die Geschichte, wie sie mir an Ort und Stelle mitgetheilt wurde.

[799] Es war um’s Jahr 1712, als den starken August, Kurfürsten von Sachsen und König von Polen, einen leidenschaftlichen Liebhaber der edlen Fechtkunst, die Lorbeern des Fechtmeisters Kreußler in Jena nicht schlafen ließen. Kreußler sollte eine neue Waffe erfunden haben, die der bisher gebräuchlichen französischen weit überlegen sei. Der starke Kurfürst wollte sich mit dem erfinderischen Fechtmeister messen; er kam allein und incognito nach Jena. – Kreußler war leider abwesend; und der Kurfürst suchte sich in Erwartung baldiger Rückkehr des heißersehnten Gegners die Zeit zu kürzen, indem er in Stadt und Umgegend umherspazierte. Der Zufall führte ihn im Saalthale hinauf zur Rasenmühle, welche auch damals schon zur Studentenkneipe diente.

Kaum hatte der Fremdling in dem Locale an einem Tische Platz genommen und begonnen, einer vor ihm aufgepflanzten Weinflasche zuzusprechen, als ein Musensohn von der schlimmen Sorte, die man Renommisten nannte, eintrat, Kanonen mit Pfundsporen an den langen Beinen, auf dem Haupte den riesigen Federhut, an der Seite den kolossalen Raufdegen mit tellergroßem Stichblatte.

Mochte ihm nun der Fremde überhaupt nicht gefallen, oder hielt er es für Frevel, daß ein Philister in die geweihete Stätte, wo Musensöhne zechten, einzudringen wagte: kurz, er schleuderte – bei der Rohheit jener Zeiten nichts Ungewöhnliches – seinen wuchtigen Ziegenhainer nach der Flasche des ungebetenen Eindringlings, so daß dieselbe am Boden in Stücke zersprang. Die Ruhe des Fremden, der nach einer andern Flasche rief, entflammte das Ungethüm zur größten Wuth. Die zweite Flasche theilte das Schicksal der ersten. – Da erhob sich der Fremde, legitimirte sich als kursächsischen Officier und forderte den Unhold. Secundanten und Arzt waren alsbald zur Stelle, und die Sache ward in einem Wäldchen bei dem nahen Lichtenhain bierseligen Angedenkens ausgefochten.

Daß die Mensur, einige Schrammen abgerechnet, einen unblutigen Ausgang nahm, mag wohl weniger in der Gewandtheit des Studiosen als in der Mäßigung des Fürsten, der dem rauflustigen jungen Herrn eine andere Lection zugedacht hatte, seinen Grund gehabt haben.

Beide Theile erklärten sich für befriedigt, die übliche Versöhnung fand statt.

Der starke August bot dem Gegner die Hand, die furchtbare Hand, welche frisch geschmiedete Hufeisen zerriß und Reichsthaler krumm bog. Der junge Raufbold schlug in die dargebotene Rechte, welche die seinige wie in einem Schraubstock festhielt und trotz seines verzweifelten Ringens fester und fester einklammerte, bis das Knochengerüst der Hand krachend zerbrach und Blut an den hervorragenden Fingerspitzen zur Erde hinablief. Das war wenigstens grob zu nennen!

Nachdem der Fürst die für immer verkrüppelte Hand losgelassen, konnte er es sich nicht versagen, aus seinem Incognito herauszutreten und die ohnehin schon bestürzten Zeugen seiner Kraftprobe vollkommen starr und stumm zu machen. Er warf sodann dem halb ohnmächtig daliegenden Unglücklichen einen Beutel mit hundert Ducaten zu und entfernte sich stolz und kalt, um schon eine Stunde später seinen Rückweg nach Dresden anzutreten.

Als Papa Kreußler wenige Tage später nach Hause zurückkehrte und von dem Vorgefallenen Kunde erhielt, regte sich etwas von verletzter Standesehre in ihm. Die Jenenser Fechterei war in seinen Augen beleidigt. Er mußte Revanche haben und machte sich sogleich auf den Weg nach Dresden. Mit dem Schüler war der starke Kurfürst – so oder so – leicht fertig geworden: lass’ sehen, ob auch mit dem Meister.

Kaum hätte einer seiner eigenen Schüler den alten Kreußler wieder erkannt, wenn er ihm nach seiner Ankunft in Dresden täglich in den späten Morgenstunden in der Nähe des kurfürstlichen Schlosses begegnet wäre. Die sonst so stattlich in Allongeperrücke, bordirtem Rocke und Stoßdegen daherschreitende Gestalt war hier in die verkümmerte Figur eines unter Sorge und Aerger zusammengeschrumpften Dorfschulmeisterleins metamorphosirt. Der abgegriffene Dreispitz, der kümmerlich dünne Haarbeutel, das fadenscheinige schwarze Röcklein, die schwarzgewesenen wollenen Strümpfe nebst den plumpen Schuhen machten die Täuschung vollständig. Der linkische Gang und die gebückte Haltung trugen das Ihrige dazu bei, den berühmten Fechter mit einem undurchdringlichen Incognito zu umgeben.

Auf welche Weise es nun nach einigen mißlungenen Versuchen dem Rächer der Jenaischen Fechterehre endlich gelungen sei, in die Nähe des Kurfürsten zu gelangen, haben wir nicht in Erfahrung bringen können. Vielleicht hat ein gutes Trinkgeld seine Dienste gethan. Für gewiß ist uns versichert worden, daß Kreußler am dritten Tage nach seiner Ankunft vor der offenstehenden Thür des kurfürstlichen Fechtsaales sich befand und mit sichtbarem Interesse den Fechtübungen des Kurfürsten und mehrerer Herren seines Hofes zuschaute.

Während einer Pause bemerkte man den Gaffer vom Saale aus. Seine kurfürstlichen Gnaden geruhten unter die Thür zu treten und den Fremdling zu fixiren. Die mundaufreißende Bewunderung, welche derselbe ob der nie gesehenen Wunderdinge an den Tag legte, und die ihn fast die schuldige tiefe Reverenz vergessen ließ, schmeichelte dem fürstlichen Herrn ein wenig. Er winkte dem Fremden, in den Saal zu kommen, und ertheilte ihm seine gnädige Erlaubniß, die Fechterkünste in aller Bequemlichkeit in der Nähe anstaunen zu dürfen.

In die Ecke gedrückt, den Dreispitz zwischen den Knieen, stand das Schulmeisterlein und blickte unverwandten Auges nach der imposanten Gestalt des Fürsten hinüber, der soeben antrat, um an einem neuen Gegner seine Geschicklichkeit zu erproben. – Das also war der starke August, der ihn, den Kreußler von Jena, in höchsteigener Person aufgesucht hatte, um sich mit ihm zu messen! Dieser Wunsch konnte erfüllt werden!

Wer den Schulmeister in der Ecke beobachtet hätte, würde durch den scharfen, verständnißvollen Blick, mit welchem er den blitzschnellen Bewegungen der fürstlichen Klinge folgte und sie kritisirte, an seiner Identität irre geworden sein; doch nahm sich Niemand der hohen Herren diese Mühe. Erst als die Waffen wieder ruhten, wandte sich irgend ein hochgeborener Herr an den in Bewunderung aufgelösten Zuschauer mit der Frage, ob er auch das Fechten verstehe. Kreußler verneinte. Ob er es nicht versuchen wolle? Eine entsetzt abwehrende Bewegung war die Antwort, welche laute Heiterkeit hervorrief. Dies war der Mann, mit dem man sich einen gnädigen Spaß erlauben konnte. Auch der Kurfürst schien Geschmack an der Sache zu finden.

Ein übermüthiger Junker drückte dem Schulmeister ein Rappier in die zitternde Rechte und begann ihm eine Lection zu ertheilen. Seine Bemühungen schienen auf unfruchtbaren Boden zu fallen. Knickbeinig, die Fußspitzen nach innen gekehrt, die Brust eingezogen, mit dem Rücken den schönsten Kreisabschnitt bildend, setzte der ungelenke Schüler allem Schieben und Drücken, Ermahnen und Spötteln des eleganten Lehrmeisters einen unüberwindlichen passiven Widerstand entgegen. Das Rappier führte er zum Ergötzen der Umstehenden, als ob es eine Gabel gewesen wäre.

Dem Junker riß der Geduldfaden, er griff nach seiner Waffe und machte Miene, den ungeschickten Novizen zum allgemeinen Vergnügen mit schulgerechten Stößen zu bearbeiten. Doch was war das? Seine Stöße wurden ja parirt, wenn auch auf die ungeschickteste Weise! Es war doch wohl Zufall? Nochmals angegriffen! Umsonst! Die anwesenden Herren lachten immer ausgelassener, diesmal auf Kosten des Junkers, der sich durch das unbändige Gelächter bis zur Wuth erhitzte und mit aller ihm zu Gebote stehenden Kraft und Gewandtheit seine Fechterehre zu retten suchte. Umsonst! Seine Finten, einfache und doppelte, seine Cavaden, Battüden, und wie die Fechterkniffe sonst noch heißen, scheiterten an der eisernen Ruhe des linkischen Naturalisten; ja er mußte es sogar erleben, daß dieser mit beispielloser Frechheit, den bocksteifen rechten Fuß hurtig vorgeschoben, zur Offensive überging und, blitzschnell nach einem Ausfalle des Gegners dessen Klinge an der Spitze niederdrückend, die seinige sehr unsanft unter den Arm des Junkers schob, so daß derselbe zurückspringend die getroffenen Rippen mit den Fingern rieb.

Jetzt wurde man stutzig. Das Lachen verstummte. Der Schulmeister war demüthig zurückgetreten und hatte seinen Hut vom Boden aufgenommen, als ob er sich entfernen wollte. Der Kurfürst folgte ihm mit den Augen; es mochte eine Ahnung in ihm aufdämmern. Jetzt winkte der hohe Herr; Kreußler näherte sich.

„Schulmeister,“ sprach der Fürst, „man sieht Euch nicht an, was für ein Kerl in Euch steckt. Ihr versteht mehr von der Sache, als Ihr scheinen machen wollt. Hier, nehmt das Fleuret und stellt Euch mir gegenüber. Ich fühle mich berufen, das Fechter-Renommée meines Hofes zu salviren!“

[800] Von Widerstreben gegen diesen fürstlichen Befehl konnte nicht die Rede sein. Kreußler sprach etwas Weniges von hoher Ehre und eigenen fehlenden Meriten und stellte sich auf den ihm angewiesenen Platz. Der Wettkampf begann.

Wer dieses in seiner Art einzige Paar einander gegenüber gesehen, der hätte sich selbst bei nur oberflächlicher Sachkenntniß doch einen deutlichen Begriff von dem Unterschiede deutschen und welschen Fechtens machen können.

Kreußler war wieder ganz er selbst. Keine Spur mehr von dem plumpen Naturfechter. Das linke Knie mit dem schräggestellten Fuße ein wenig gebogen, das rechte gestreckt, den Unterleib leicht einwärts gezogen, die gewaltige Brust ausgedehnt und trotzig dem Feinde dargeboten, das Gesicht mit seinen festen Zügen stolz erhoben und unverwandt auf seinen berühmten starken Gegner gerichtet, dessen Bewegungen er keine Secunde aus den Augen verlor, – so stand er da. In der ausgestreckten Rechten hielt er, des Angriffs gewärtig, mit festem Griffe das Rappier, die Spitze in Augenhöhe des Feindes, während die Linke in der Schultergegend der Brust ruhte, jeder Zoll ein Fechter. Erstaunt waren alle Blicke auf die fremde und in ihrer ruhigen Festigkeit doch so imponirende Erscheinung gerichtet.

Der Kurfürst musterte die Haltung des räthselhaften Fremdlings mit einem schnellen Blicke. Der Mann schien ihm zu gefallen. Sodann begrüßte er den Gegner durch die bei den Welschen übliche tanzmeisterhafte Verbeugung, während seine Waffe den Boden berührte, und ging sofort zum Angriff über.

Seine Gewandtheit war nicht geringer als seine Kraft. Doch wie er auch sich abmühen mochte, den Fremden zu treffen, – seine Mühe war fruchtlos. Seine schnellen, kräftigen Stöße trafen auf ebenso schnelle, kräftige Paraden. Vergeblich änderte er die Stellung; bald begann er sogar, hitziger geworden, den Gegner zu umkreisen. Nach französischer Art führte er Parade und Angriff mit gekrümmtem Arm aus; die linke Hand gesticulirte hoch emporgestreckt in der Luft umher; er retirirte, er avancirte in wilden Sprüngen: Alles umsonst. Kreußler avancirte allerdings nicht, doch retirirte er auch nicht – nicht einen Zoll. Wer nach den Grundsätzen seiner Schule auf der Mensur auch nur eines Strohhalms Breite hinter sich weicht, ist infam.

Da seine wüthenden Anfälle und schnellen Rückzüge nicht zum Ziele führten, versuchte es endlich der Fürst, den Gegner zum Ausfall zu verlocken, und hielt Stand. Dies hatte Kreußler erwartet. Mit kaltem Blute wußte er den günstigen Moment so gut wahrzunehmen, daß bereits nach wenigen Augenblicken die fürstliche Klinge von der seinigen in der ungünstigsten Lage überrascht, unwiderstehlich gefaßt und der riesenstarken Hand, welche sie führte, entwunden wurde. Weithin über die Köpfe der Zuschauer geschnellt, fiel sie klirrend zu Boden. Was noch kein Mann vollbracht zu haben sich rühmen konnte, hatte der Fechtmeister von Jena vollbracht. Der stärkste Mann seiner Zeit war entwaffnet und besiegt.

Augenblicklich schien sich zwar Etwas wie Zorn in dem Kurfürsten regen zu wollen, wenigstens wechselte er schnell die Farbe und starrte wie abwesend seinen Gegner an, der eine Anrede zu erwarten schien. Bald jedoch siegte seine natürliche Gutmüthigkeit, und er machte der allgemeinen Verlegenheit ein Ende, indem er an Kreußler mit den Worten herantrat: „Entweder seid Ihr der Beelzebub selbst, oder – der Kreußler von Jena!“

Kreußler verbeugte sich: „Das Letztere, Kurfürstliche Gnaden!“

Der Kurfürst war erfreut und äußerst huldvoll; er streckte seinem Sieger zum Willkommen die Hand entgegen. Der Fechtmeister schien zweifelhaft zu sein, ob er einschlagen solle; doch überwand er seine Bedenken, reichte dem Fürsten seine Rechte und bemerkte nur trocken: „Doch wenn ich Eure Kurfürstlichen Gnaden unterthänigst bitten dürfte: keinen Händedruck, wie den auf der Rasenmühle!“

Der Kurfürst lachte gnädig und ließ sich sodann vom Jenenser Meister einen Vortrag über die Vorzüge der von diesem verbesserten Fechtkunst halten, von welcher Seine Kurfürstlichen Gnaden sehr erbaut gewesen sein sollen, so daß sie selbige später selber sich anzueignen und zu cultiviren beschlossen haben. Kreußler aber wurde zur Tafel befohlen und mit allen Zeichen der höchsten fürstlichen Gnade entlassen. Jedenfalls konnte er nach Jena mit dem erhebenden Bewußtsein zurückkehren, einem deutschen Fürsten, der als der größte Freund gallischen Wesens bekannt war, eine sehr eindringliche Lection über das Thema ertheilt zu haben, daß nicht alles aus Gallien Eingeschleppte das Beste zu sein braucht.

Du aber, deutscher Jüngling, kommst Du Studirens Halber nach dem alten, tollen Jena: nimm die gute Gelegenheit wahr! Schöpfe die echte deutsche Stoßfechtkunst nach den Kreußler’schen Grundsätzen aus der Quelle, die noch am lautersten fließt. Ein scharfes Auge und eine sichere Faust kommen Dir wohl noch zu statten, wenn das Vaterland Dich ruft. Diese beiden und ein Herz, das auf dem rechten Flecke sitzt, werden uns nicht nur auf dem Fechtboden, sondern auch auf dem Schlachtfelde, wenn es noth thun sollte, gegen welsche Finten und Tigeraffensprünge zum Siege verhelfen. Infam Derjenige, der einen Schritt hinter sich weicht! – „Haut sie, daß die Lappen fliegen!“ soll dann mit Kreußler’s Urenkel unsere Devise sein.
D.