Allgemeines Deutsches Kommersbuch:347

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Schauenburg:
Allgemeines Deutsches Kommersbuch
Seite 692, 693
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[692]

Rei=sen, war mei=sten=teils auf Rei=sen. Bis
Ni=ni=ve und Ba=by=lon kam fech=tend un=ser Schuster, von
Je=ri=cho bis As=ka=lon jed=we=de Her=berg wußt er, auch
trieb er lan=ge sich her=um, auch trieb er lange sich her=um in
Memphis und Pe=lu=si=um, in Memphis und Pe=lu=si=um.

     2. Einst thät der Schuster Ahasver am Jordanufer ruhen. Da
kam ein Mann vom toten Meer |: mit sehr zerrissnen Schuhen. :|
Der sprach zu ihm: Ich treffe dich, mein Freund, zu guter Stunde;
verstopfe mir mit Pech und Stich des Schuhes schwere Wunde, |: allein,
ich sag es dir vorher, :|: daß meine Tasche gänzlich leer. :|

     3. Der Schuster sah verdrossen drein und hinterm Ohr sich kraute;
doch weil er einen hellen Schein ums Haupt des Wandrers schaute,
so zog er Pfriem und Draht dazu behend aus dem Tornister und setzte
auf des Fremden Schuh zwei regelrechte Riester, verschmierte fein mit
Pech die Naht und schlug die krummen Absätz grad.

     4. Es war das Liebeswerk gethan, gebessert war der Schade; da
sprach der fremde Wandersmann, erbitt dir eine Gnade! Der Schuster
in den Staub sich warf und flehend hob die Hände: Vergönn mir, daß
ich wandern darf bis an der Dinge Ende. Solang der Erdengarten
blüht, des Wanderns werd ich nimmer müd!

[693]

     5. So sei es, sprach der Herr und gab dem Schuster seinen Segen.
Zieh fröhlich denn am Wanderstab auf grad und krummen Wegen;
und wird dir müde dein Gebein und sehnst du dich nach Ruhe, so
wirst du dem willkommen sein, dem du geflickt die Schuhe. So sprach
der Herr und hob die Hand und grüßte lächelnd und verschwand.

     6. Das ist von Ahasver die Mär, von vielen mißverstanden. —
Er zieht noch heute flott umher, zumal in deutschen Landen. Besonders
da, wo Pappeln stehn, die eine bei der andern, könnt ihr den wackern
Schuster sehn vergnügt im Staube wandern. Doch heißt er nicht mehr
Ahasver — jetzt heißt er Bruder Straubinger.

Rudolf Baumbach.


          775.     Gedanken.

     Singw.: Ach, wie wär’s möglich dann ec.

     1. Wär ich ein Krokodil oder ein Sumpfreptil oder ein Lurch, ein
Lurch, oder ein Lurch, sumpft ich tagaus, tagein, — doch um ein Mensch
zu sein, sumpf ich die Nacht allein — dann aber durch!

     2. Wär ich ein Schnabeltier, müßt ich den Schnabel hier halten
zur Stund, zur Stund, halten zur Stund. Aber nach Menschenpflicht
halt ich ihn grade nicht; was durch den Kopf mir kriecht, muß aus dem
Mund!

     3. Wär ich ein Spaltbazill, müßte ich wimmeln viel in Mensch
und Tier. Aber als Mensch allhie laß ich mich wimmeln nie, sitze
bis morgen früh feste beim Bier!

     4. Wär ich ein Tapir — ja, aber was kommt mir da plötzlich
zu Sinn, zu Sinn, plötzlich zu Sinn? Wer denn — du liebe Zeit!
— bürgt mir mit Sicherheit, daß ich in Wirklichkeit kein Tapir bin?

R. Schultz.


          776.     Wünsche.

     Singw.: Da streiten sich die Leut herum ec. oder: Wenn ich einmal der Herrgott ec.

     1. Wärst, Mädchen, eine Perle du, so möcht das Meer ich sein,
dann rauscht und stürmt ich immer zu: Auf ewig bist du mein. Und
wärest du der Tau im Thal, so möcht die Sonn ich sein! Wie küßt
ich dich mit heißem Strahl! Und ewig wärst du mein.

     2. Und wärest du ein lichter Stern, so möcht die Nacht ich sein:
dann wärst du ewig nah und fern nur mir, nur mir allein. Und
wärst die junge Erde du im holden Maienschein, dann fänd in dir ich
Glück und Ruh und möcht begraben sein!

     3. Das wünsch ich mir wohl tausendmal und wünsch es ewig neu
und werd auch wieder tausendmal mir selber ungetreu; denn flösse von
St. Gotthards Höh als Rheinweinstrom der Rhein, — dann möcht
ich nur der Bodensee, doch ohne Boden sein!

Friedrich Hornfeck.