Waldeinsamkeit
Waldeinsamkeit.
Ich hab’ in meinen Jugendtagen
Wohl auf dem Haupt einen Kranz getragen;
Die Blumen glänzten wunderbar,
Ein Zauber in dem Kranze war.
Doch der ihn trug hat Manchem mißfallen;
Ich floh den gelben Menschenneid,
Ich floh in die grüne Waldeinsamkeit.
Im Wald, im Wald! da konnt’ ich führen
Feen und Hochwild von stolzem Geweih’,
Sie nah’ten sich mir ganz ohne Scheu.
Sie nah’ten sich mir ganz ohne Zagniß,
Sie wußten das sei kein schreckliches Wagniß;
Daß ich kein Vernunftmensch, wußte die Fee.
Doch wie die übrigen Honoratioren
Des Waldes mir huldreich gewesen, fürwahr
Wie haben mich lieblich die Elfen umflattert!
Ein luftiges Völkchen! das plaudert und schnattert!
Ein Bischen stechend ist der Blick,
Verheißend ein süßes, doch tödtliches Glück.
Erzählten mir Hofgeschichten, zum Beispiel:
Die skandalose Chronika
Der Königin Titania.
Saß ich am Bache, so tauchten und sprangen
Silberschleier und flatterndem Haar,
Die Wasserbacchanten, die Nixenschaar.
Sie schlugen die Zither, sie spielten auf Geigen,
Das war der famose Nixen-Reigen;
War klingende, springende Raserey.
Tobsüchtig gelaunt, die schönen Kinder;
Zu meinen Füßen lagerten sie,
Tällerten, trillerten welsche Romanzen,
Zum Beispiel das Lied von den drei Pomeranzen,
Sangen auch wohl ein Lobgedicht
Auf mich und mein nobeles Menschengesicht.
Lautlachend, und frugen bedenkliche Dinge,
Zum Beispiel: „Sag’ uns zu welchem Behuf
„Der liebe Gott den Menschen schuf?
„Hat eine unsterbliche Seele ein Jeder
Oder von steifer Leinwand? Warum
Sind Eure Leute meistens so dumm?“
Was ich zur Antwort gab, verhehle
Ich hier, doch meine unsterbliche Seele,
Was eine kleine Nixe geschwätzt.
Nicht so die Erdgeister, sie dienen und helfen
Treuherzig den Menschen. Ich liebte zumeist
Sie tragen Rothmäntelchen, lang und bauschig,
Die Miene ist ehrlich, doch bang und lauschig;
Ich ließ nicht merken, daß ich entdeckt,
Warum sie so ängstlich die Füße versteckt.
Und bilden sich ein, daß Niemand es wisse.
Das ist eine tiefgeheime Wund’,
Worüber ich nimmermehr spötteln kunnt’.
Ach Himmel! wir Alle gleich jenen Zwergen,
Kein Christenmensch, wähnen wir, hätte entdeckt,
Wo unser Entenfüßchen steckt.
Niemals verkehrt ich mit Salamandern,
Und über ihr Treiben erfuhr ich von andern
Des Nachts wie leuchtende Schatten vorbei.
Höschen und Wämmschen anliegend enge,
Von Scharlachfarbe, goldgestickt;
Ein güldnes Krönlein, gespickt mit Rubinen,
Trägt auf dem Köpfchen ein Jeder von ihnen;
Ein Jeder von ihnen bildet sich ein,
Ein absoluter König zu sein.
Ist freilich ein Kunststück, ich will es bekennen;
Jedoch der unentzündbare Wicht,
Ein wahrer Feuergeist ist er nicht.
Die klügsten Waldgeister sind die Alräunchen,
Ein fingerlanges Greisengeschlecht;
Woher sie stammen, man weiß es nicht recht.
Wenn sie im Mondschein kopfüber purzeln,
Das mahnt bedenklich an Pissewurzeln;
So geht mich nichts ihr Ursprung an.
Feuer besprechen, Vögel beschreien,
Auch pflücken in der Johannisnacht
Sie lehrten mich Sterne und Zeichen deuten,
Sattellos auf dem Winde reiten,
Auch Runen-Sprüche, womit man ruft
Die Todten hervor aus ihrer Gruft.
Wie man den Vogel Specht bethört,
Und ihm die Springwurz abgewinnt,
Die anzeigt, wo Schätze verborgen sind.
Die Worte, die man beim Schätzegraben
Mir alles expliciert – umsunst!
Hab nie begriffen die Schatzgräberkunst.
Wohl hatt’ ich derselben nicht nöthig dermalen,
Ich brauchte wenig, und konnt’ es bezahlen,
Wovon ich die Revenüen genoß.
Der Himmel hing, wo Elfenreigen
Und Nixentanz und Koboldscherz
O, schöne Zeit! wo sich zu grünen
Triumphespforten zu wölben schienen
Die Bäume des Waldes – ich ging einher,
Bekränzt, als ob ich der Sieger wär’!
Und alles hat sich seitdem verändert,
Und ach! mir ist der Kranz geraubt,
Den ich getragen auf meinem Haupt.
Der Kranz ist mir vom Haupt genommen,
Doch seit der schöne Kranz mir fehlt,
Ist meine Seele wie entseelt.
Es glotzen mich an unheimlich blöde
Die Larven der Welt! Der Himmel ist öde,
Ich gehe gebückt im Wald herum.
Jagdhörner hör’ ich, Gekläffe von Hunden;
Im Dickicht ist das Reh versteckt,
Wo sind die Alräunchen? ich glaube, sie halten
Sich ängstlich verborgen in Felsenspalten.
Ihr kleinen Freunde, ich komme zurück,
Doch ohne Kranz und ohne Glück.
Die erste Schönheit, die mir hold war?
Der Eichenbaum, worin sie gehaust,
Steht traurig entlaubt, vom Winde zerzaust.
Der Bach rauscht trostlos gleich dem Styxe;
Todtblaß und stumm, wie’n Bild von Stein,
Scheint tief in Kummer versunken zu sein.
Mitleidig tret’ ich zu ihr heran –
Da fährt sie auf und schaut mich an,
Als sei ihr ein Gespenst erschienen.