Wie die Alten den Tod gebildet? Vierter Brief

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Autor: Johann Gottfried Herder
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Titel: Wie die Alten den Tod gebildet? Vierter Brief
Untertitel: Ein Nachtrag zu Leßings Abhandlung desselben Titels und Inhalts
aus: Zerstreute Blätter (Zweite Sammlung) S. 309-325
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Erscheinungsdatum: 1786
Verlag: Carl Wilhelm Ettinger
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Erscheinungsort: Gotha
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[309]
Vierter Brief.


Der Thanatos (Tod) der Griechen war ein fürchterliches Wesen. Bei Homer wird er mit der Erinnys und den Verhängnissen gepaart, wenn er die Menschen mit schweren Händen ereilet. a)[1] Bei Hesiodus ist er seinem sanften Bruder Schlaf sehr unähnlich: er hat ein eisernes Herz in seinem Busen, hält fest, wen er ergreift und ist feindlich auch den unsterblichen Göttern. b)[2] Bei Euripides c)[3] nahet er der sterbenden Alcestis als ein Unterirrdischer, ein Priester des Todtenreichs, ein Bote des Pluto. Er kommt mit seinem Stahl, die Locke der Königin abzuschneiden und sie damit als ein Opferthier dem Orkus zu weihen; Apollo selbst weicht ihm aus, damit er nicht verunreinigt werde. Als Alcestis stirbt, höret sie den Charon ruffen, sie sieht den nahenden [310] Pluto und Nacht bedeckt ihre Augen. Da Herkules sie befreien will, nimmt er sich vor, dem schwarzgekleideten Könige, dem Tode, aufzulauren, wenn er vom Blut des Todtenopfers tränke, ihn sodann mit seinen starken Armen zu umfassen und nicht loszulassen; bis er ihm das treue Weib seines Gastfreundes wieder herauf brächte. Solche Bilder vom Tode hatten die Griechen in ihrer Tradition und Phantasie, denen die Dichter folgten. Der Tod war ihnen ein so fürchterliches gehaßtes Wesen, daß sie seinen Namen nicht gern nannten, a)[4] ja daß ihnen sogar der erste Buchstab desselben; als ein unglückliches Zeichen verhaßt war b)[5] und sie statt θανατος lieber φθονος (Neid) sprachen. c)[6] War dies, wie konnten sie ihm Päane singen oder sein [311] gegenwärtiges Bild lieben? d)[7] Aus Sprache und Kunst ward er verbannet, und in der letzten ein Genius an die Stelle gesetzt, der – nicht den Tod vorstellen sondern seine Idee verhindern, d. i. ihn nicht vorstellen, vielmehr verhüten sollte, daß man nicht an ihn dächte. Sie sehen, m. Fr., die Abhandlung bekommt hiemit eine andere Wendung. An die Gottheit [312] oder an den eigentlichen Begrif des Todes sollen wir bei diesen Genien gar nicht denken; diesem Begrif wollte man vermittelst ihrer eben entweichen. Sie waren nichts als ein Euphemismus der Kunst, den man über den Tod auch in der Sprache liebte: denn was sagen diese zwei Jünglinge anders als was so viele Grabschriften sagen: e)[8] somno perpetuali, aeternali, quieti aeternae, dem ewigen Schlaf oder wie die Griechen auch sagten: dem langen, heiligen Schlummer. Lassen Sie uns m. Fr., in diesem Gesichtspunkt bleiben und wir werden nicht nur diese beiden Jünglinge im rechten Licht sehen, sondern auch Platz gewinnen, eine Reihe andrer schöner Vorstellungsarten zu bemerken, womit Griechen und Römer sich das Andenken des bittern Todes versüßten oder verscheuchten.

Zuerst bemerken wir, daß unter diesen beiden Jünglingen der Schlaf eigentlich der Hauptgenius [313] sei: denn da die ganze Vorstellung auf einer Allegorie beruhet, so muß Er seinen Bruder Bedeutung geben; sonst würde dieser, der eigentlich nur ein Schatte von ihm ist, unkenntlich. Vom Tode nämlich kann dieser zweite Genius durchaus keine Attribute haben, weil er eben seine Idee verdrängen soll und mit ihm nichts gemein hat; er muß sie also vom ersten borgen d. i. sich in dessen Begrif verlieren. Am deutlichsten ist daher der Schlaf bezeichnet, sowohl durch Ueberschrift a)[9] als Symbole; er allein kann auch die ganze Idee, die ausgedrückt werden soll, ausdrücken, so daß sein Bruder eigentlich nur der Symmetrie wegen dasteht. Oftmals hat sogar diese ihn nicht herbeischaffen mögen und statt seiner steht die Parze oder gar das Bild der Verstorbenen da: b)[10] sie ist verschleiert, hält in der einen Hand die Schale des [314] Todes, aus der sie getrunken hat, die andre Hand liegt auf ihrem Haupt, das gewöhnliche Zeichen der Ruhe bei den Alten. Oefters ist auch der Todte selbst ruhend vorgestellt, mit diesen Genien oder ohne dieselbe; c)[11] welches alles Einerlei saget.

Zweitens. Wenn also der zweite Genius nur von dem Ersten seine Bedeutung nimmt und sich gleichsam in die Allegorie seines Namens verliert: so haben wir, wenn nur Einer derselben erscheint, keine Ursache ihn für etwas anders als den Schlaf zu halten, gesetzt daß er hier auch den langen Schlaf bedeuten sollte: denn von der Gottheit des Todes selbst oder von seinem abstracten Begrif hat er kein Sinnbild. So ist z. B. der Genius vor Leßings Abhandlung d)[12] mit dem Aschenkruge im Arm und mit der herabgesenkten Fackel der Schlaf, ob er gleich hier [315] den Todesschlaf bedeutet. Daß es der herannahende Tod nicht seyn könne, zeigt der Schmetterling, der an der Erde kriecht und der Aschenkrug selbst: Seele und Körper sind schon getrennt und der Schlaf hält nur den Ueberrest des letzten in seinen Armen. Auch die Stellung des Genius zeigt kaum etwas mehr, als jene schwachen Füße, die dem Schlaf gewöhnlich zugeschrieben wurden, a)[13] die er also auch in andern Bildern, [316] Theils damit die Kunst keinen Fehler bilden dürfte, Theils zum Zeichen der Ruhe über einander schläget. Der Genius auf Leßings Titelkupfer ist der Schlaf, ob er gleich hier den Todesschlaf bedeutet: das Erste zeigt seine Stellung und Gebehrde, seine Flügel und die herabgesenkte Fackel; nur der Todtenkranz in seiner Hand, der Schmetterling auf derselben und der vor ihm hingestreckte Leichnam machen ihn zum aeternali, dem Todesschlafe. Er endet [317] die Allegorie, die damit anfing, daß Pallas dem Gebilde das Prometheus den Schmetterling aufs Haupt setzte; jetzt ist dieser von ihm geflogen und ruhet auf der Hand des Schlafes. Ein Mehreres vom Tode wollte das Bild nicht sagen: dann weiterhin führt Merkur die Seele in die Gestalt der Psyche weiter.

Drittens. Wenn Einer oder zwei Genien vorkommen: so muß man ihre Bedeutung nicht über die Schranken ihrer Allegorie treiben: denn sie sind eigentlich blos Symbole der Ruhe, Bewahrer der Urne oder des Todtenhauses. b)[14] Als solche stehen sie da, sie mögen die [318] Fackel aufgerichtet oder gesenkt, die Füße gestellt oder verschlungen haben, ja gesetzt, sie hätten auch andre Attribute, oder umfaßten gar die Ecke des Grabmals. Was sie sagen wollen, sagen sie in jeder Stellung: „störet den Körper nicht; er schläft: wir haben ihn zur Erde bestattet und sind Hüter seiner Ruhestäte.“ Gerade so gab Homer diese Allegorie bei dem Leichnam Sarpedons an und ihr folgten die Künstler. Wir dürfen uns also nicht verwundern, wenn diese Genien auch ohne Fackel stehen oder neben derselben einen Köcher, Blumenkränze und andre Insignien tragen. Nur Genien sind sie und da ihre Bedeutung bekannt war, durfte der Künstler ihre Stellung wie bei andern Genien ändern. Ja wenn er statt ihrer auch ein paar andre Figuren, entweder die Fackeln selbst c)[15] oder opfernde Knechte d)[16] oder gar Flußgötter [319] und Greisen a)[17] setzte: so war und blieb der Zweck ihrer Gegenwart derselbe. Sie sollten das Heiligthum umringen und ehren, für dessen Schonung so manche Flüche und Bitten der Grabschrift sprachen.

Viertens. Wir wollen uns also auch hüten, die Namen dieser allegorischen Gestalten auf Figuren anzuwenden, die nicht an ihrer Allegorie Theil nehmen: denn wie reich war auch bei Grabmählern die Kunst der Alten an ausschmückenden Genien und Knaben! Wenn z. B. zwei derselben blasend auf spielenden Centauren reiten: b)[18] so gehören sie offenbar zu einem bacchischen Zuge, dergleichen, nebst vielen andern frölichen Figuren, Etrusker und Römer auf ihren Todtenmahlen liebten. Vom Schlaf und Tode haben sie kein [320] Attribut mit sich: c)[19] denn das umgeworfene Horn und Gefäß, über welches die Centaure traben, gehören auch zum bacchischen Zuge. Noch schwerer ists, in der bekannten schönen Ludovistschen Gruppe der beiden Brüder, die man gemeiniglich Castor und Pollux nennt, den Schlaf und den Tod zu erkennen. d)[20] Sie sind als Opfernde bekränzt und vor ihnen steht der Altar, auf dem die Eine Fackel das Feuer anzündet; die andre Figur hat eine Opferschale in der Hand: und nicht beide, sondern nur Einer hat beide Fackeln. Wo erscheinen nun sonst Schlaf und Tod bekränzet? e)[21] vor welchem [321] opfern beide? a)[22] Ueberdem zeigt die beistehende kleine Gestalt, die offenbar nur als ein Symbol dabei ist, daß das Opfer eine den Kalathus tragende Göttin gelten soll und also nenne man irgend welche zwei Heldenfreunde, die ein solches Opfer brachten; b)[23] den Schlaf aber und [322] seinen Bruder oder ihre Mutter Nacht nenne man nicht: denn keine Person der dreien ist hier durch ein Symbol kennbar. Freilich wünschte ich, Pausanias hätte uns nur in zwo Reihen gesagt, mit welchen Attributen Schlaf und Tod [323] zu Sparta in ihren Bildsäulen vorgestellt waren; c)[24] allein bei Pausanias wünscht man so etwas oft vergebens.

Endlich m. Fr. sehen Sie, daß da durch meine vielleicht zu lange Deduction unsre beiden Genien aus der Mythologie ganz wegrücken, ja selbst am Grabe einen engern Platz einnehmen, als Leßing ihnen anwies, sie dagegen, als blos allegorische Bezeichnung der Ruhe im Grabe einen viel weitern Umfang bekommen und brauchbare Gestalten für alle Völker werden. Alle Menschen schlafen: alle Menschen sterben; die Bedeutung beider Figuren in ihrer Analogie ist allen verständlich, oder wenigstens kann in kurzer Zeit allen verständlich werden. Auch in christlichen Tempeln können also diese Bilder stehen: denn sie sind nicht heidnisch. Von keinem Thanatos, des Pluto Priester ist hier die Rede, [324] sondern vom Schlaf und seinem Bruder. Nur hüte man sich, daß man keine der beiden Figuren über ihre Grenzen rücke: denn sollen Schlaf und Tod handelnde Personen werden: so müssen sie etwas mehr und anders als die umgekehrte Fackel tragen.

Erlauben Sie mir, m. Fr., daß ich zum Schluß des Briefes mich noch über die Allegorie freue, die der Schöpfer in unsre Natur, mithin in das Gefühl auch der Gedankenlosesten Menschen durch diesen Wechsel von Licht und Dunkel, von Schlaf und Wachen gelegt hat. Mich dünkt, er habe uns dadurch täglich an den Umkreis unsres Schicksals erinnern wollen und sende uns zu dieser Erinnerung den Schlaf, des Todes Bruder. Sanft rauschen seine dunkeln Flügel herbei und umschatten uns mit der nächtlichen Wolke. Der holde Genius senkt seine Fackel täglich nieder und erquickt uns, wenn der Tag unsre Augen blendete, mit einigen Tropfen der Vergessenheit aus seinem ambrosischen Horne. Müde vom Glanz der jungen Sonne sehn wir [325] die alte Mutter Nacht kommen mit ihren zwei Knaben auf dem Arm, in einen dunkeln Schleier gehüllt; aber mit einer weithin stralenden Sternenkrone. Indem sie auf der Erde unsern Blick verengt und umdunkelt, weckt sie die Augen unsres Geistes auf zu grossen Aussichten weiter Welten. Aber die Blicke dahin sind für unsern Erdengeist nur Träume; mehr kann die Mutter des Schlafs und der Ruhe uns nicht geben. –

Künftig sehen wir, was die Alten über den künftigen Zustand Tröstendes geträumt haben, sofern es nehmlich ihre Kunst auszudrücken vermochte. Und dies wäre denn das weitere Feld, worauf ich Sie verwies, als wir diesen beiden Genien keine Bedeutung, die alle andre Bilder des Todes ausschlöße, zu geben wagten.


  1. a) Iliad. π. 853. ρ. 485. 672 φ 565. etc.
  2. b) Theog. 762. seq.
  3. c) Alcest. prolog. seq.
  4. a) Meurs. de Funere Cap. 1. Gronov. thes. Vol. 11. p. 1086. seq.
  5. b) ν. citat. ap. Gor. inscr. T. I. p. 84.
  6. c) Gori inscr. T. I. p. 157. II. p. 53.
  7. d) Es ist so manches darüber geschrieben, wie die Gaditaner, die einzigen der Sterblichen, die dem Tode Päane sangen, ihn gebildet haben mögen; ohne zu fragen, ob sie ihn auch gebildet hatten? Ich finde davon keine Spur: er hatte blos eine Ara. Auch aus dem Umstande, daß sie ihm Päane sangen und ihn also für eine erbittliche Gottheit gehalten haben müsten, hat man zu viel gefolgert. So wohl dem Pluto als der Proserpina haben Griechen und Römer geopfert, Gelübde gethan und ihnen Denkmale das Danks nach der Wiedergenesung errichtet; es sind derselben noch bis jetzt übrig. Daß sie es dem Tode nicht thaten, war blos Euphemismus der Sprache.
  8. e) Callimach. epigr. 14. 21. Gori. Inscr. I. p. 384. Bellori Luc. p. 9. Fig. 8. et ibi cit.
  9. a) Leßings erste Tafel P. 26 Winkelmans Allegorie S. 76. Callimach. ed. Ernesti. Vol. 2. p. 524.
  10. b) Leßings zweite Tafel P. 29.
  11. c) Gori inscr. T. III. tab. 17. T. I. p. 384. 139. Boissard. tab. 90. et. etc.
  12. d) S. 1.
  13. a) Allenthalben wo die zwei Genien ohne Verschränkung der Füße stehn, ist die schwache Gestalt dieser Glieder känntlich: s. Passeri Luc. T. III. tab. 45. 52. Gruter. inscr. p. 944. 1087. Montfaucon comp. Semler. tab. 131. Fig. I. tab. 132. Fig. I. Bellori Sepulcr. Fig. 52. Oder ihre Füße sind gar verdeckt:Montfaucon tab. 130. Fig. 4. Oder sie sitzen, liegen und schweben. Fabretti inscr. p. 273. Montfauc. tab. 130. Fig. 8. tab. 132. Fig. 4. Auch stehend sind sie immer gestützt, es sei nun auf die Fackel, oder an das Todtenhaus oder auf ein anders Insigne; kurz die incerti pedes somni sind allenthalben känntlich. Auch[316] ist ihr Ursprung nicht dunkel. Denn da schon auf dem Kasten des Kypselus im ältesten Styl der Kunst die beiden Knaben also gebildet waren: so muß dieses Symbol aus der ältesten Mythologie seyn; und kennen wir nicht schon in Aegypten den Sohn der Nacht, der selbst seinem Namen nach an beiden Füßen hinkt und schwach ist? Es ist der Gott des nächtlichen Stillschweigens, Harpokrates, ein Sohn der Buto, der von einem Vater im Schattenreiche erzeugt worden und daher diesen unsichern Tritt hat: (S. Iablonski Panth. L. 2. c. 6. p. 263–65.)
  14. b) Sie heissen daher auch Dii Manes, von denen man weiß, daß ihnen die Ruhe der Verstorbnen anempfohlen wurde. Gori inscr. T. I. p. 382. und verlieren sich in den Begrif der schützenden Genien des Verstorbnen. (S. Gori inscr. T. I. p. 193. 194. Fabretti inscr. p. 72–74. Saggi dell’ academia di Cortona T. VI. p. 131. u. a.) nach Etruskischen und Römischen Begriffen nämlich.
  15. c) Boissard. topogr. tab. 148. 144. Gruter. inscr. p. 578. 607.
  16. d) Belleri Luc. Fig. 13. 14. P. III. Fig. [?] Passeri Luc. T. III. tab. 46. 47. etc.
  17. a) Gori inscr. T. III. tab. X. T. I. p. 303.Cypressenbäume Pass. Luc T. III. tab 44. 48. Victorien und Lorbeerbäume tab. 55 Der Uebergang wird sehr känntlich, so bald man mehrere Grabmähler vergleichet.
  18. b)Leßings Tab. 5.
  19. c) Nach Smerius Angabe (Gruter. inscr. p. 606.) ist der Eine Genius eine Psyche, von deren Bilde ich weiterhin reden werde.
  20. d) Leßing S. 39.
  21. e) Bei Paßeri (Luc. T. I. tab. 38.) ist ein bekränzter Genius, der mit der herabgesenkten Fakel davon eilt und auf eine Urne rückwärts wieset; wahrscheinlich das Bild einer vom Tod gestörten Hochzeitfreude. Dieser bekränzte Genius ist aber [321] weder der Schlaf noch der Tod, wie seine Handlung weiset, sondern ein fröhlicher, glücklicher Gott und wahrscheinlich der Hymenäus.
  22. a) Bei Paßeri (Luc. T. III. Fig. 52) und sonst sind unter andern Spielen die kleinen Genien auch opfernd vorgestellt: sonst aber hatte der Genius des Schlafs selbst mit großen Göttern seine Aufschriften und Altäre. Gruter. inscr. p. 67. Fig. 8. p. 84. Fig. I. p. 90. n. 5. Pausan. Corinth. cap. 31.
  23. b) Ich halte diese schöne Gruppe für ein Opfer an die Hygiea, die (z. B. Murator. Inscr. T. I. p. 20. und sonst) durch den Kalathus bezeichnet ist und lasse den beiden Jünglingen ihren Namen Kastor und Pollux, bis sich ein näherer Aufschluß findet. Schlaf und Tod können sie auch nach [322] der Proportion und Schönheit der Gestalten nicht seyn: denn in Absicht jener wäre es völlig gegen das Anschaulich der Allegorie, die Söhne so groß und Mutter so klein vorzustellen, welche Proportion bei ähnlichen Allegorieen und ihrem Hauptbegrif die alten Künstler nie also beleidigten. In Ansehung der Schönheit konnten nach allen Beschreibungen der Dichter beide keine idealischen Gestalten haben; daher ich auch gar nicht anstehe, mich in der Variante von Abbildung des Schlafs, über die sich Leßing (S. 27.) mit Recht beschweret, mich für die Abbildung des Pighius (Spanhem. in. Callimach. p. 524. ed. Ernest.) zu erklären. Sie ist viel charakteristischer für diesen Gott, als die verschönete des Boißards; denn auch der Orphische Hymnus nennet ihn κεκραμενον, den starken und wohlgenährten.
  24. c) Vom gesundmachenden Schlaf im Tempel Aeskulaps hat er die Vorstellung bezeichnet (Corinth. c. 10.) Er schläfert nämlich einen Löwen ein; welche Handlung sich selbst deutet.