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Wie es auf dem Monde aussieht

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: J. H.
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Titel: Wie es auf dem Monde aussieht
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Herausgeber: Dr. Christlieb Gotthold Hottinger
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Dr. Hottinger's Volksblatt
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Erscheinungsort: Straßburg
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Originaltitel:
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Originalherkunft: Hottinger’s Volksblatt. Eine Wochenzeitschrift mit Bildern. Jahrgang 1878, Nr. 12, S. 92-95
Quelle: Scan auf Commons
Kurzbeschreibung:
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Wie es auf dem Monde aussieht.

Wer hat nicht, wenn er in einer mondhellen Nacht auf bekanntem Pfade dahinschritt, wieder und wieder seinen Blick hinauf gerichtet zu dem freundlichen Gestirne, dessen mildes Licht die Gegend mit so zauberischem Glanze übergießt? Wer hat sich dabei nicht die Frage vorgelegt: Ist es dort oben wie hier auf unserer Erde, wandeln dort Wesen, die uns gleichen? Und woher rührt die Abwechselung von Licht und Schatten, die auf diesem Himmelskörper wahrzunehmen ist, selbst wenn er am hellsten leuchtet? Zu allen Zeiten beschäftigten solche Fragen Menschen, welche Sinn haben für die uns allenthalben umgebenden Räthsel der Natur. Und je nach dem Bildungsgrade, den sie einnahmen, gaben sie sich darauf gar verschiedene Antworten. Viele Völker, deren geistige Entwickelung noch nicht weit gediehen, zollen dem Monde göttliche Verehrung, bei Vielen haben sich seltsame Sagen über ihn ausgebildet.

Die Hottentotten im südlichen Afrika erkennen in den schattigen Stellen die Gestalt eines Hasen und erzählen darüber folgende Geschichte: Der Mond ertheilte [93] einst dem Hasen den Auftrag, den Menschen diese Botschaft zu überbringen: „Wie ich sterbe und wieder erneuert werde, so werdet auch ihr sterben und wieder erneuert werden.“ Der Hase aber richtete aus: „Ihr werdet sterben wie der Mond, doch nicht erneuert werden wie jener.“ Darob erzürnt, schleuderte der Mond einen Stock nach dem Hasen und spaltete ihm die Lippe. Deshalb genießen die Hottentotten noch heute nichts von dem Fleische dieses Thieres. Die Zunahme des Mondes begrüßen sie mit Gesängen und Tänzen, während einer Mondfinsterniß dagegen singen sie Klagelieder.

Die Bewohner des äußersten Nordens der Erde, die Grönländer, erzählen: Einst spielte ein Seehundsjäger, Aninka, mit Malina, einem Mädchen, blinde Kuh. Dieses schwärzte sich die Hand mit Ruß und fuhr ihm damit ins Gesicht; als darob Aninka ergrimmte, entfloh sie an den Himmel und ward zur Sonne. Der Seehundsjäger mit dem befleckten Gesicht verfolgte sie dahin und wurde zum Mond. Seither bemüht er sich vergeblich, das Mädchen zu fangen und wird darüber müde und magert ab, darum sucht er auf der Seehundsjagd Stärkung und verschwindet; nach seiner Rückkehr gewinnt er allmählich wieder sein volles Gesicht, und die Verfolgung wiederholt sich. Die schwarzen Flecken aber bleiben ihm.

Mondkrater.

In ganz Europa verbreitet ist die Vorstellung vom Mann im Monde, der ein Bündel mit Holz trägt. Johann Peter Hebel erzählt das Mährchen in seinen alemannischen Gedichten in der allbekannten sinnigen Weise. Dieter war ein Nichtsnutz, der das Beten versäumte, auch nichts vom Arbeiten wissen mochte. Desto mehr dachte er ans Trinken, und da er kein Geld dazu hatte, nahm er in Haus und Feld, wo er etwas zu nehmen fand. Eines Sonntags stand er frühe auf, ging in den nahen Wald, hieb die schönsten jungen Buchen um und machte Bohnenstecken daraus. Eilig tritt er damit den Rückweg an, ohne sich umzusehen, und ist schon fast zu Haus. Da rauscht ihm etwas ins Ohr: „Jetzt, Dieter, geht’s einen andern Weg, jetzt, Dieter, komm mit mir.“ Und seitdem ist der Dieter von der Erde verschwunden, aber dort oben steht er in der Einsamkeit, im Gebüsch, haut junge Buchen um und haucht in die Hände. Da muß er Tag aus, Tag ein arbeiten, und das Trinken hat ein Ende.

So leicht aber wie diese Fabeln kann sich die Wissenschaft die Beantwortung jener Fragen nicht machen. Durch die in unseren Tagen so erstaunlich vervollkommneten Fernrohre ist uns ein lehrreicher Blick in die ferne Welt des Mondes eröffnet, so daß uns einzelne Theile desselben genauer bekannt sind als große Gebiete der Erde, wie z. B. die Polargegenden und das Innere Afrikas und Neuseelands.

Die Umrisse von Licht und Schatten, die schon dem bloßen Auge wahrnehmbar sind, unterscheidet man durch das Fernrohr als Bergketten und Ebenen. Da man die letzteren früher für Meere ansah, so hat man für sie die Benennung mare, d. h Meer, beibehalten, [94] und man findet auf den Mondkarten ein mare nubium (Meer der Wolken), ein mare tranqillitatis (Meer der Stille), ein mare serenitatis (Meer der Heiterkeit) und andere mehr. Diese großen ausgedehnten Flächen hängen oft miteinander zusammen, und ihre Ränder sind häufig von hohen Gebirgszügen umschlossen.

Die Gebirge, welche unsere Aufmerksamkeit am meisten auf sich ziehen, sind von denen unsrer Erde sehr verschieden. Selten zu längeren Zügen geordnet, dagegen öfter durch tief einschneidende Thäler unterbrochen, ragen ganz vereinzelt dastehende Berge zu einer beträchtlichen Höhe empor. Für die Beobachtung am günstigsten ist das sogenannte Apenninengebirge, das sich von Norden her bis ziemlich in die Mitte ausdehnt; die höchsten Gipfel erheben sich bis nahe an 17,000 Fuß über die nächste Tiefebene. Häufiger als die Kettengebirge sind die Ringgebirge und Krater, die sowohl durch das Fremdartige ihrer Gestaltung als durch ihre Ausdehnung unser Erstaunen erregen. Der Krater des größten europäischen Vulkans, des Ätna, hat eine Weite von 4000 Fuß, gewiß ein gewaltiger Schlund, auf dem Monde aber sind Krater von dieser Ausdehnung sehr gewöhnlich. Gegebene Abbildung versucht dem Leser eine Vorstellung von einem solchen zu bieten. Die hohen gewaltigen Wallebenen, die nach außen sich sanft abdachen, nach innen aber steil abfallen, umschließen eine kesselartige Vertiefung, die bei einzelnen 4000 Fuß beträgt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß ungeheuere vulkanische Kräfte thätig gewesen sein müssen, um diese kolossalen Ringgebirge und Krater hervorzubringen.

Vergleicht man die angegebene Höhe einzelner Mondberge mit derjenigen unserer Erdgebirge, so findet man, daß die Gebirge des Mondes verhältnißmäßig, besonders wenn man den kleineren Durchmesser des Mondes in Betracht zieht, die unsrigen an Höhe übersteigen. Man hat den verschiedenen Bergen die Namen großer Gelehrten, besonders Sternkundiger beigelegt; so gibt es ein Gebirge Plato, Eratosthenes, Ptolemäus, Tycho, Copernicus, Kepler u. s. w. Eine andere höchst sonderbare Erscheinung sind die sogenannten Rillen, spaltenartige Vertiefungen, die theilweise die beträchtliche Länge von 20 Meilen erreichen. Sie sind meist gradlinig, selten gebogen und durchschneiden bisweilen Krater; eine einzige gleicht in ihren Windungen einem Flusse. Man hat diese sonderbaren Gebilde auf verschiedene Weise zu erklären gesucht. Manche möchten in diesen Linien gerne die Werke der Mondbewohner, etwa Landstraßen, erblicken, eine Annahme indeß, welche nicht haltbar erscheint; am wahrscheinlichsten ist, daß die Rillen ihre Entstehung derselben Ursache wie die Krater verdanken.

So weicht also die Gestaltung der Oberfläche des Mondes gar sehr von der unserer Erde ab. Wichtiger noch ist, daß dem Monde eine Lufthülle fehlt. Den Schluß, daß dies der Fall ist, hat man unter Anderem in Folge der Beobachtung der Sternbedeckungen gemacht. Wie bekannt, gelangen von der Sonne Strahlen auf die Erde; ehe sie da ankommen, müssen sie die Lufthülle durchdringen, welche unsere Erde umgibt. Dadurch verlieren sie an ihrer ursprünglichen Stärke. Würde nun auch den Mond dieselbe Luft einhüllen wie die Erde, so müßten uns die Sterne, sobald sie in ihrem Laufe in die Nähe des Mondes kommen, ebenfalls in ihrem Glanze schwächer erscheinen, als wenn wir sie im freien Weltenraume erblicken. Die sorgfältigsten Beobachtungen haben aber nie die kleinste Verminderung im Glanz der betreffenden Sterne wahrnehmen lassen. Daher ist anzunehmen, daß der Mond entweder gar keine Atmosphäre besitzt oder nur von einer überaus feinen und niedern Lufthülle umgeben ist, die ganz und gar nicht mit der unsrigen verglichen werden kann, so daß wohl kein einziges Erdengeschöpf auch nur die allerkürzeste Zeit auf dem Monde auszudauern vermöchte.

Vom Monde sieht man den Himmel also vermuthlich auch am Tage schwarz; denn blau ist die Farbe der Lufthülle, welche die Erde umgibt, nicht die des Weltenraumes. Keine Morgenröthe, kein Erbleichen der Sterne kündet dort den Aufgang der Sonne an; ganz plötzlich, wie mit einem Schlage, tritt das Licht an die Stelle der Nacht. Von einem schwarzen Himmel herab, von dessen dunkler Wölbung die Erde und viele Sterne leuchten, sendet die Sonne ihre Strahlen während der Dauer von zwei Wochen[1], den Boden zu unerträglicher Gluth erhitzend, und da das Sonnenlicht durch keine Lufthülle gemildert wird, so erblickt man auch dort die Sonne viel heller als auf unserer Erde. Für unsere Augen würde dieses grelle Licht unerträglich sein und wohl Erblindung zur Folge haben.

Fehlt nun dem Mond eine Lufthülle, so folgt daraus, daß auf demselben kein Wasser vorhanden ist; denn dessen Dämpfe müßten den Mond mit einem Dunstkreis umgeben und sich zu Wolken verdichten. Aber sein schwarzer Himmel ist stets wolkenlos; kein Regen, kein Thau – so müssen wir vermuthen – benetzt den Boden; kein Lüftchen regt sich, kein Wind braust darüber hin. Stumm ist es am Boden wie am Himmel.

Diese starre Oede können wir uns unmöglich mit lebenden Wesen bevölkert denken, sie müßten denn in jeder Beziehung anders beschaffen sein als die Geschöpfe unserer Erde. Wir könnten dort oben weder athmen noch ein gesprochenes Wort vernehmen; denn es fehlt ja die Luft, die den Schall fortpflanzt und an unser Ohr trägt. Immerhin bleibt die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß doch vielleicht lebende Geschöpfe auf dem Monde existiren könnten. Denken wir nur daran, wie verschieden sich die Lebensformen auf unserer Erde zeigen. So leben z. B. die Fische im Wasser in einer beinahe tausendmal dichteren Masse ebenso gesund und bequem als wir auf der Erde. Sollten nicht auch Wesen so ausgerüstet sein können, daß sie in einer tausendmal dünneren Luft zu leben vermöchten? Unsere Einbildungskraft [95] findet freilich keinen Anhaltepunkt, sich die Natur solcher Geschöpfe klar zu machen, und für alle Zukunft werden so ferne Welten dem Menschengeiste ungelöste Räthsel darbieten.

J. H.     
  1. Jeder Ort des Mondes verändert nämlich während des 28tägigen Umlaufs um die Erde seine Stellung gegen die Sonne; jede einzelne Stelle desselben genießt 14 Tage das Sonnenlicht und 14 Tage hat sie Nacht.