Wissenschaftliche und Kunst-Nachrichten
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Wissenschaftliche und Kunst-Nachrichten.
Unser Chinafahrer. Neben der Kunstausstelllug eröff- net sich und uns jetzt in der Königl. Seehandlung eine nicht minder interessante Ausstellung. Unser Chinafahrer hat außer sei- ner reichen Ladung an Thee, Zimmet, roher u. verarbeiteter Seide, Nanquin[1] u. s. w. auch einen schönen Vorrath von Na- turseltenheiten u. Kunstgegenständen aus den drei Weltthei- len u. von vielen Inseln, die er hesuchte, mitgebracht. Der größere Theil dieser Sachen sind Chinesische Fabrikate. Man erstaunt über die Geschicklichkeit, mit welcher Chine- sen in Perlmutter, Elfenbein und Schildpatte zu arbeiten verstehn, sie schneiden die Figürchen auf Tabacksdosen, zu Schachspielen u. s. w. so sauber aus, wie es die Nürnber- ger Künstler in ihrer besten Zeit nicht verstanden, dabei ha- ben sie durch den Verkehr mit dem Engländern gefällige Formen kennen gelernt, so daß man jetzt in China nichts Unförmliches findet, als die Chinesen selbst. Was aber alles übertrifft, was wir in dieser Art ihnen entgegensetzen kön- nen, ist ihre Kunst, Naturgegenstände zu malen. Wir sahen einige Bücher mit Schmetterlingen und Pflanzen, die auf eine Art weißes Sammet-Papier, welches sie aus Reis be- reiten, gemalt sind, mit solcher Wahrheit ausgeführt, daß man versucht war, sich durch das Gefühl zu überzeu- gen, ob dieselben nicht aufgeklebt wären. Das Chinesische Porzellan, welches wir sahen, hat den Vorzug großer Leichtig- keit, obwohl unsere Masse besser zu sevn scheint; auch hier- bei zeichen sie sich durch ihre Malerei aus, welches über- haupt eine sehr verbreitete Kunst in China ist, die jedoch nach den Gegenständen, die sie darstellt, nur den Namen des Handwerks verdient, Sie sind zwar auch bis zur Porträtmalerei fortgeschritten, allein darin sind wir ihnen doch überlegen, obwohl die Bildnisse des Chinesischen Handelsherrn und des Herrn Super-Cargo Oswald, die in Canton gemalt wurden, sich neben so manchem Portrait unserer gegenwärtigen Kunstausstellung ganz gut ausnehmen würden. Für unser zoologisches und mineralogisches Museum ist so manche Ausbeute mitge- bracht worden, obwohl kein Naturforscher vom Fach den Mentor begleitete. Auch für ein ethnographisches Museum, deren Errichtung wir immer noch entgegensehen, ist so man- ches Merkwürdige mitgekommen; wir bemerkten nur ein leichtes Tanzkleid der Chilesen von Bärengedärm, Zeug von Baumrinden von den Sandwichs-Inseln, Trinkgefäße aus Kürbissen, Fächer aus Pfauenfedern, Helme aus Binsen, Waffen, Angeln und Hausgeräthe verschiedener Art. Und damit dem künftigen Museum der Aufseher nicht fehlt, ist auch ein Freiwilliger von den Sandwichs-Inseln mit ein- getroffen. Henry, so wird er gerufen, oder vielmehr: so [S. 7] nennt er sich, kam, als der Mentor dort anlegte, an den Bord, und bat flehentlich, daß man ihn mitnehmen möchte. Man erkundigte sich nach seinen Familien-Verhältnissen, er hatte weder Vater noch Mutter, noch sonst jemanden, der Ansprüche an ihn machte; so ging er mit nach China, und hat sich nun schon ganz an die Europäische Lebens- weise geöhnt. Henry mag ungefähr 15 bis 18 Jahr alt seyn, die Menschenrace, von der er stammt, gehört nicht zu den Negern, steht ihnen jedoch durch die schwärzliche Haut- frbe u. etwas platte Nase ziemlich nah, unterscheidet sich je- doch durch wohlgebildete Lippen und glattes, langwachsen- des, weiches Haar; sein Teint scheint etwas brouillirt, am Arm und im Gesicht ist er tattowirt. Er ist sehr gelehrig, freundlich, munter, arbeitsam. Deutsche Worte spricht er geläufig nach, wenn sie nicht zu viel Consonanten haben, besonders scheint ihm das r ganz zu fehlen. Wenn er zum Singen eingeladen wird, ziert er sich fast eben so sehr, wie unsere jungen Damen, und hat auch die andere böse Ge- wohnheit, daß man ihn, wenn er erst angefangen hat zu singen, gute Worte geben muß, ehe er aufhört. Beim Singen setzt er sich auf einen Stuhl, u. macht mit den Hän- den lebhafte Bewegungen, wobei es mir bemerkenswerth schien, daß er mit der rechten Hand sich oft an das Herz schlug, während er mit der Linken die rechte Seite nie berührte. Sein Gesang beschränkte sich nur auf vier bis fünf Töne, und die Worte schienen vornehmlich aus den Lauten ae, i und o zu bestehen, seine Stimme hat nichts Schnarrendes, man könnte sie eine angenehme Tenorstimme nennen, doch machte der Vortrag des Gesanges mit diesen sonderbaren Bewegungen ganz den Eindruck, als ob man einen Irren säh. – Eine ganz besondere Freude äußerte der Insulaner über einen Herrn von ziemlich starkem Embonpoint, er lief auf ihn zu und umfaßte ihn mehrmals, so daß man wirk- lich besorgt war, es möchte sich der jenen Insulanern eigent- thümliche Appetit, der einst Cook das Leben kostete, bei dem jungen Freiwilligen zu regen anfangen.
- ↑ baumwollenes, leinwandartiges Gewebe aus Nanking (China), vgl. Oekonomische Encyklopädie von J. G. Krünitz, https://www.kruenitz1.uni-trier.de/xxx/n/kn01119.htm