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Zedler:Thüringische Rechte und Gesetze

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Thüringische Schmaltz-Grube

Band: 43 (1745), Spalte: 1901–1906. (Scan)

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Thüringische Rechte und Gesetze, Lat. Thuringica Jura, oder Thuringicae Leges; obgleich nicht zu zweifeln daß im ehemahligen Königreiche, nachherigen Hertzogthume, und endlich gantz zerstreueten Thüringen, und dahin gehörigen Heßischen Landen, wie in andern Teutschen Provintzen, gantz besondere Rechte und Gesetze gegolten; so duͤrffte es gegentheils doch wohl etwas sparsam hergehen, alle alte Satzungen darinne ausfindig zu machen: Weil von dem ersten und andern Zustande nichts mehr übrig ist, die kleinen unmitelbaren Thüringischen Graffen, Herrn und Städte aber mit ihren alten Satzungen zurücke halten, um nicht etwa von denen Sächsischen und andern Häusern einen Anstoß zu leiden. Inzwischen [1902] gehören doch das alte Solmische, Marpurgische, und andere Land-Rechte, so denn die Mühlhausische, Erfurtische und Nordhausische Stadt Willkühren billig hieher, und selbsten der Thüringische Adel, ob er sich gleich unter Sächsischer Hoheit befindet, hat sich dennoch dem Sächsischen gemeinen Land- und Lehn-Rechte niemahls unterwerffen wollen. Ludwigs Haͤll. Gel. Anz. von 1731 Num. LIX. §. 17. p. 186. Uebrigens wollen wir auch noch eine und die andere Thüringische Gewohnheit beybringen, wie uns dieselbe Ahasver Fritsch in Append. Supplem. Speidel. Besold. v. Thüringische Gewohnheiten, erzehlet. Also ist daselbst:

I. Durch die Gewohnheit eingeführet, daß denen Töchtern aus dem Lehn-Gute, welches der Vater hinterlassen, zu Hülffe, wenn nehmlich die Erb-Güter nicht hinlänglich sind, ein anständiges Heyraths-Gut gegeben werden müsse. Hartmann Pistor. Lib. II. p. 37. Wie hoch aber solche Ausstattung bestellet werden solle, solches wird ordentlicher Weise der Willkühr und Ermäßigung des Lehn-Herrn uͤberlassen. Daß jedoch nach Thüringischer Gewohnheit die Aussattung der Töchter also geschehe, daß auf jedes tausend Gülden, als wornach das Lehn in Ansehung der Früchte gemeiniglich geschätzet zu werden pfleget, fünfzig Gülden gerechnet werden, bezeuget Rennemann de Jure Rerum Disp. 66. ches. 49. Lit. A. welchen Struv Synt. Jur. Feud. c. 14. §. 17. n. 3. anführet. Daß

II. An den meisten Orten in Thuͤringen ein jeder Ritter- oder Pferd-Ritter-Dienst auf tausend Gülden geschätzt werde, lehren Andras Rnichen de Vestit. Pact. P. II. c. 4. n. 337. u. f. Jacob Schultes ad Coler. Decis. 52. n. 5. Schulz Synops. Feud. c. 10. n. 42.

III. Nach dem Zeugniß Wehners in Obs. Ptact. v. Last-Güter, finden sich in Thüringen, gleichwie in Sachsen, einige Güter, welche man Last-Güter oder vielmehr Laß-Güter nennet, welche auf eine gewisse Zeit, als etwa auf drey oder vier Jahr, um ein gewisses zu entrichtendes Geld, von den Bürgern oder Bauern gedungen werden, oder es wird auch solches eine von Jahr zu Jahr wiederhohlte oder erneuerte Verpachtung genennet, nach dem L. XIII. §. 11. loc. cond. und stehet dem Abpachter allein der Nießbrauch vor sein Geld, keinesweges aber ein nutzbares Eigenthum zu; Der Verpachter kan auch dergleichen Güter wieder einziehen und an sich nehmen, und den Abpachter oder Miethmann, so daß ihm keine Verjährung daran hinderlich seyn mag, zu dessen Wieder-Erstattung und Abtretung anhalten. Besiehe Berlich Part. II. Concl. 48. Rnichen de Vestit. Pact. P. II. c. 4. n. 254. u. f. f. Hiervon aber sind die Zinß-Erb-Zinß- und die so genannten Bona Libellaria unterschieden. Struv in Synt. Jur. Feud. c. 2. §. 10.

IV. Wie Matthias Coler Decis. 15. n. 42. vorgiebt; so kommt das Einstands- oder Näher-Recht, nach dem Land- und Gewohnheits-Rechte, in Thüringischen Landen, auch denen Kindern an solchen unbeweglichen Gütern zu, welche [1903] die Eltern an einen Fremden veräussert haben, Und Richter sagt in seiner Decis. 76. n. 15. daß die Jenaischen Rechtsgelehrten, die also gesprochen hätten. Aus dem Coler Decis. 23. n. 2. führet Richter d. Decis. n. 34. an, daß besagtes Einstands-Recht auch den Seitwärts Verwandten verstattet werde, und erweiset in der 41. Dec. mit einem Rechts-Spruche, daß es in Thuͤringen auch in solchen Gütern, welche nicht Väterliche sind, Statt finde.

V. Aus der Gewohnheit hat man gelernet daß das Gespilde, welches vermöge des Rechts der Nachbarschafft demjenigen zukommt, dessen Gute ehemahls, der an einen Fremden veräussert Theil oder Stück desselben zugehöret, an vieler Orten in Thüringischen Landen, in Gebrauch sey, besiehe Richtern d. Dec. 76. num. 59.

VI. An einigen Orten in Thuͤringen sind die Kinder, so denen Eltern in Erb-Zinß oder Zinß-Gütern folgen, von Entrichtung der Lehn-Waare, nicht befreyet, welche man gemeiniglich Sterbe-Lehn nennet.

VII. Die Summe der Lehn-Waare ist nach Verschiedenheit der Orte, auch unterschiedlich. In den Thüringischen Gebieten werden von hundert Guͤlden fünffe; an einigen andern Orten zehen Gülden, dafür bezahlt, welche Art der Lehn-Waare man die Hohe Lehenwahre zu nennen pfleget.

VIII. Das Abzugs-Geld müssen an einiger Orten in Thüringen, wie die Erfahrung lehre auch diejenigen Unterthanen dem Gerichts-Herrn bezahlen, welche Geld oder andere Sachen, bey Veränderung ihrer Wohnung, aus einem Amt in das andere benachbarte, wenn es gleich unter eben des Herrn Gerichtsbarkeit gehöret, bringen.

IX. Daß sich die so genannte Fraͤulein-Steuer nicht so wohl auf ein geschriebenes Recht, als vielmehr nur auf eine Gewohnheit, welche jedoch nicht allgemein ist, gründe ist der Wahrheit gemäßer. Besiehe Fritschens Tract. de Dotat. filiae Princip membr. 4. Die täglichen Fälle lehren auch, daß solche an den meisten, ob wohl nicht an allen Orten in Thüringen, eingeführt und angenommen sey.

X. Nach gemeinen Rechten muß zwar der Gerichts-Herr die Kosten, welche auf Verwahrung und Atzung der Gefangenen, ingleichen auf die Inquisition und Execution gewendet werden, tragen; an den meisten Orten in Thüringen aber wird solches heutiges Tages, nach einer jedoch nicht allzu billigen Gewohnheit, denen Unterthanen aufgebürdet, die müssen die Gefangenen bewachen, die heimlichen Proceß-Kosten und das Hencker-Geld erlegen. Besiehe Fritschens Tract. de Jur. Excub. c. 9.

XI. Von Rechtswegen sind die Unterthanen ausser dem Nothfall nicht schuldig, in der Burg oder den Schlosse des Gerichts-Herrn zu wachen oder die so genannte Burgwach zu verrichten Arg. l. un C. ne opera a Colleg. Exig. Lib. X. Maul de Homag. Lib. IV. num. 9. Mevius ad Jus Lub. Lib. III. T. VI. Art. 16. num. 4. Balthasar de Operis subdit. cap. 11. Doch ist, gleichwie [1904] wie an andern Orten, also auch in Thüringen, ob wohl nicht uͤberall, zur Gewohnheit geworden, daß die Unterthanen, so wohl bey Tage, als bey Nacht, in der Burg oder dem Schlosse des Gerichts-Herrn. Wache halten müssen. Besiehe den angeführten Tract. de Jur. Excub. c. 6.

XII. Nach der eingeführten Gewohnheit gelten in den Saͤchsischen Provintzien, und besonders in Thuringen, wie auch das Geistliche Recht, in Cap. cum esses. Extr. de Testam. verordnet, die Testamente der Bauers-Leute, welche vor zweyen Zeugen und dem Pfarrer gemacht worden. Richter bestätiget solches Decis. 28. überall mit Rechts-Sprüchen.

XIII. An einigen Orten in Thuͤringen, als zu Eim der Graffschafft Schwartzburg, haben die Dörffer die Brau-Gerechtigkeit mit denen Städten gemeinschafftlich, dürffen ihre Handlungen und Gewerbe ungehindert treiben, und haben auch zuweilen ihre ordentliche Jahrmärckte

XIV. Daß in denen Thüringischen Landen die Gesamte Hand allezeit nach dem Vorrechte der Verwandtschafft verstanden werde, ob wohl selbige schlechterdings verliehen worden, lehret Coler P. I. Dec. 57. num. 16. Berlich P. II. Concl. 53. n. pen. Rechts-Sprüche in dieser Sache sind beym Richter in Tr. de success. ab intest. sect. 3. memb. 1. zu finden.

XV. Obwohl die Vasallen nach gemeinen Lehn-Rechten, wegen der Lehns-Dienste, von Collecten frey sind; so sind sie doch nach einer gantz besondern Gewohnheit in Thüringen, von solcher Beschwerung der Collecten nicht gäntzlich befreyet.

XVI. Der Zustand der Thüringischen Bauern ist erträglicher, als z. E der Pommerischen, Hollsteinischen, und anderer; und ihre Dienste sind nicht ungenant, sondern oͤffters nach der Menge, und Beschaffenheit, Zeit, und Orte bebestimmt und genannt.

XVII. Richter beweiset in Decis. 18. sehr weitläͤufftig, obwohl Carpzov P. II. C. 10. Def. 13. anderer Meynung ist, daß so wohl in Sachsen, als Thüringen, der Mutter der Nießbrauch an dem Vermögen der Kinder zustehe, wenn sie selbigen die Alimenten reichet, und ihre Güter verwaltet.

XVIII. Wenn ein Vasall nach dem St. Urbans-Tage verstirbt; so gehören die Früchte von Weinbergen nach Sachsen-Rechte, denen Land-Erben. Hartmann Pistor. L. I. q. 34. n. 93. Berlich Concl. 33. Part. III. n. 53. Richter aber Dec. 56. n. 6. führet aus dem Carpzov P. II. C. 32. Def. 8. an, daß man in denen Thüringischen Provintzen nicht auf die Zeit sehe, da der Weinberg zuletzt bestellet worden.

XIX. Nach der Churfürstl. Sächs. Constitution Part. III. Const. 6. werden die Bürgerlichen Nutzungen, welche vor dem Dreußigsten noch nicht gefällig sind, nach Gelegenheit oder Beschaffenheit der Zeit, in welcher der Verstorbene gelebet, unter die Erben des Vasallen und dessen Lehns-Folger getheilet. Matthias Coler aber [1905] Decis 289. n. 29. und nach ihm Richter Decis 57. n. 13. bezeugen, daß wegen der Thüringischen Lande allezeit auf das Gegentheil, und vor die Agnaten oder Land-Erben gesprochen worden.

XX. Die Erbfolge unter denen Eheleuten ist in Thüringen gar sehr unterschieden. Gemeiniglich bekommt die Wittwe den vierten Theil der Erbschafft aus des Mannes Gütern. Richter de Success. ab intest. Sect. 4. n. 14.

XXI. In einigen Thüringischen Provintzen sind 6 Gülden auf jedes hundert jährlich an Interessen zu nehmen erlaubt. Richter Decis. 74. n. 7. u. f.

XXII. Der Gerichts-Brauch bezeuget, daß an einigen Orten in Thüringen, als z. E. in der Grafschafft Schwartzburg, in peinlichen Fällen, nicht nach den Sächsischen, sondern nach gemeinen Kayserlichen Rechten gesprochen werde.

XXIII. Ob schon nach der Policey Ordnung vom Jahr 1577. fol. 32. die Vormünder vor Antretung ihrer Vormundschafft Vorstand bestellen, und eydlich angeloben sollen, daß sie dem Amte eines Vormunds wohl fürstehen wollen; so wird doch dieses heutiges Tages, wie anderwärts, also auch in Thüringen nicht in Acht genommen, sondern man trauet fast allein der gerichtlichen Angelöbniß des Vormunds. Siehe die Rechts-Lehrer ad tit. de admin & peric. tutor.

XXIV. Nach Thüringischer Gewohnheit, obwohl solche nicht allgemein ist, werden die Vasallen in Amtsäßige und Schrifftsaßige eingetheilet. Jene stehen unmittelbar unter der Gerichtsbarkeit des Amts; diese aber unter der Regierung oder Cantzley des Landes-Herrn. An andern Orten aber sind solche ohne Unterscheid von der Amts Bothmäßigkeit oder Gerichtsbarkeit befreyet. Siehe Fritschens Tr. de Jure Pagor. Germ.

XXV. Die Thüringischen Land-Stände werden in drey Ordnungen getheilet: als 1) der Prälaten und Grafen, 2) derer von Adel, und 3) der Städte. Besiehe Fritschens Tr. de Convent. Provincial.

XXVI. Die Gerichtsbarkeit und Regalien sind in Thüringen, wie in andern deutschen Provintzen, auf mancherley Art, unter mehrere Herren zertheilet; dergestalt, daß bey der Gerichtsbarket und andern geistlichen und weltlichen Gerechtsamen eines Dorffs öffters drey, vier u. mehr Mit-Herren zusammen zu kommen pflegen; daher denn gemeiniglich unendliche Streitigkeiten erwachsen

XXVII. Der Unterscheid und die Eintheilung der Gerichte in die Obern- u. Niedern, Höhern- und Unter-Gerichte, ist zwar in Thuͤringen angenommen; doch werden nicht aller Orten einerler Handlungen und Fälle zu den Ober- und Nieder-Gerichten gerechnet, sondern die Sachen sind nach den Landes Ordnungen unterschieden.

XXVIII. Die Sächsische Gerade hat in aller Thüringischen Provintzen nicht durchgehends gleich statt. Denn es ist bekannt daß solches Recht an einigen Orten, nur unter denen Fürstlichen und Adelichen nicht aber unter denen Bürgerlichen im Gebrauch sey.

[1906] XXIX. An einigen Orten in Thüringen, geniessen auch die Handwercker, so auf denen Dörffern wohnen, als Schmiede, Zimmerleute, Leineweber, Schneider, u. a. m. des Innungs-Rechts.

XXX. Nach Thüringischer Gewohnheit gehören die Rehe gemeiniglich zur Nieder- nicht aber zur Hohen-Jagd.

XXXI. Wenn ein Herr in Thüͤringischen Landen seinem Vasallen die Nieder-Jagd verleihet; so hält man dafür, daß er sich die Vor-Jagten vorbehalten habe. Siehe Fritschens Dissert. de Venat. simult.

XXXII. Es sind einige Herrschafften in Thüringen, wie z. E. in der Graffschafft Schwartzburg, darinne die Unterthanen von Landschafftlichen Collecten befreyet sind.

XXXIII. An manchen Orten in Thüringen, als z. E. in der Graffschafft Schwartzburg, wird bey Ausschreibung der Collecten nur auf den halben Werth der Guͤter gesehen, und nach selbigen etwas gewisses bezahlet.

XXXIV. Nach Thüringischer Gewohnheit sind die Felder und Wiesen von Georgii-Tage bis zum Michaelis-Feste, gemeiniglich von der Gemein-Hütung frey, welche Zeit man insgemein die verschlossene Zeit nennet. So pfleget auch in denen Thüringischen Landen, die Jagd vom Georgii Tage bis zum St. Johannis-Feste verboten zu werden.

XXXV. Die Gewohnheit und öffentliche Landes-Gesetze in Thüringen haben versehen, daß die Hütung unter 3 oder 4 Jahren in einem gehauenen Walde nicht gehalten werden solle, sondern nur bis in das dritte oder vierte Blat. Siehe hiervon Corpus Juris Venatorio Forestale P. III.

XXXVI. Es ist fast in gantz Thüringen durch allgemeine Gewohnheit eingeführet worden, daß den 1 ay die sämmtlichen Felder der Gemeinden, welche man Feld-Fuhren nennet, öͤffentlich bezogen, die Grentzen und Marck-Steine besichtiget, und die unrichtigen Feld-Wacken oder Fluhr-Steine wieder in Ordnung gebracht werden. Siehe Faber vom Fluhr=Recht.