Zedler:Tilly, (Johann Tserclaes, Graf von)

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Tilly, (Grafen und Fürsten von)

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Tilly, (Nicolaus le Jay, Baron von)

Band: 44 (1745), Spalte: 103–106. (Scan)

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Tilly, (Johann Tserclaes, Graf von) ein berühmter General, war ein Sohn Martin t’Serclaes, Herrns von Tilly, und Dorotheens von Schierstädt, gebohren im Jahr 1559 auf der Herrschafft Tilly, die ihm ihren Nahmen gegeben.

Weil er der jüngste war, wurde er dem geistlichen Stande gewiedmet, wiewohl er gleich anfangs wenig Lust zum Studiren bezeugete; er wardt den Jesuiten zum Unterricht übergeben, welche aber über ihn wegen seiner schlechten Lust zum Büchern immer Klage führeten: Dahero gieng Tilly, ehe man es sich versahe, in den Krieg, und diente den Spaniern in den Niederlanden etliche Jahre, bis er des Hertzogs Philipp Emanuels von Mercoeur, als solcher aus Franckreich den Zug in Ungarn wider die Türcken gethan, Obrist-Lieutenant wurde.

Der Kayser Rudolph II machte ihn hierauf 1602 zum Obristen zu Fuß, worauf er ein Regiment Wallonen warb, die er in Ungarn führte, auch sich sehr wohl hielte.

Er blieb auch nach erfolgtem Frieden in Kayserlichen Kriegs-Diensten, halff dem Hertzog Maximilian von Bayern die Stadt Donawerth erobern, und trat hierauf in der Catholischen Liga Bestallung. Als der Hertzog Maximillian von Bayern mit der Ligistischen Armee dem Kayser Ferdinanden II zu Hülffe kam, nahm er ihn als General-Lieutenant mit, da er denn das Land ob der Ens erst unter Kayserlichen Gehorsam brachte, und hernach der Schlacht auf dem weissen Berge bey Prage den 28 Octobr. 1620 beywohnte.

Er commandirte hierauf die Ligistische Armee alleine, eroberte einige Städte in der Pfaltz, und erhielt 1622 zwey ansehnliche Siege, den ersten am 17 May bey Wimpffen wider Marggraf George Friedrichen zu Baden-Durlach, und den andern am 10 Junius bey Hochst wider Hertzog Christianen zu Braunschweig.

Hierauf nahm er die gantze Unter-Pfaltz, und darinnen nach einer harten Belagerung auch die Residentz Heidelberg nebst der Festung Mannheim, ein, bloquirte Franckenthal, welches in der Spanischen Infantin Isabelle Clare Eugenium Hände, als ein Depositum, übergeben wurde.

Um dieser seiner guten Dienste halber, machte ihn der Kayser Ferdinand II, auf dem Churfürstl. Collegial-Tage zu Regenspurg 1623 zum Reichs-Grafen, und beschenckte ihn mit einigen eingezogenen Gütern.

In selbigen Jahre schlug er den 27 Julius Hertzog Christianen von Braunschweig abermahls bey Stadtlo, und wohnte 1624 dem Churfürsten-Tage zu Schleusingen als Chur-Bayerischer Abgesandter bey.

Im Jahr 1625 zog er sich mit seiner Armee in Nieder-Sachsen, und bemächtigte sich einiger Oerter an der Weser, muste [181] aber vor Nienburg wieder abziehen.

Im Jahr 1626 rückte er in Hessen, nahm Hirschfeld ein, eroberte Minden an der Werra mit Sturm, und nöthigte Landgraf Moritzen von Hessen nicht nur eine Versicherung von sich zu geben, daß er in Kayserl. Gehorsam verharren wolte, sondern auch zugleich seine Festung Cassel einzuräumen, die er aber dessen Printzen, Landgraf Wilhelmen, wieder übergabe.

Er zog hierauf wider König Christianen IV von Dännemarck, welchen er bey Calenberg besiegte, und folgends den 27 August bey Lutter am Bahrenberge in einer blutigten Schlacht erlegte, über welchem Sieg ihm der Pabst Urban VIII schrifftlich gratulirte. Er setzte hierauf nebst dem Hertzoge von Friedland seine Siege fort, und versicherte sich gantz Holstein, bis endlich 1629 der Friede zwischen dem Kayser und Dännemarck geschlossen wurde, welchen Tractaten er selbst beywohnete.

Nachdem der Hertzog von Friedland 1630 seine Dienste niederlegen muste, wurde er General-Lieutnant über alle Kayserl. Armeen. Er wendete sich hiernächst gegen den König Gustav Adolphen aus Schweden, eroberte den 10 May 1631 die Stadt Magdeburg mit Sturm, bekam den Administrator des Ertz-Stiffts Magdeburg, Marggraf Christian Wilhelmen von Brandenburg, gefangen, und verübte in der Stadt grosse Grausamkeit, wovon man den Artickel Magdeburg, im XIX Bande, p. 235 u. ff. nachlesen kan, und wobey man will angemercket haben, daß er dahero nachgehends wenig Glück mehr gehabt.

Er rückte hierauf in Thüringen, und weil der Landgraf Wilhelm von Cassel auf sein Begehren keine Besatzung in Cassel und Ziegenhayn einnehmen, auch keine Einquartierung im Lande leiden wolte, schickte er eine Armee wider ihn, wurde aber wegen Annäherung des Königs von Schweden demselbigen entgegen zurücken genöthiget.

Er lagerte sich wider denselben an der Elbe bey Tangeründe, zog sich aber wieder in das Ertz-Stifft Magdeburg, nachdem ihm ermeldeter König 3 Regimenter ruiniret hatte, zurück, und griff, zu Ausgange des Augusts, Churfürst Johann Georgen von Sachsen feindlich an, spielte den Krieg in sein Land, nahm etliche Städte, unter andern das Schloß, nebst der Stadt Leipzig ein, worüber die Vereinigung der Schwedischen und Sächsischen Armeen bey Düben und darauf die Schlacht bey Leipzig den 7 September 1631 erfolgte, vor welcher es merckwürdig, daß Tilly eben den grossen Kriegs-Rath in des Todengräbers Hause vor Leipzig gehalten, in welchem allerhand Toden-Baaren an der Wand angemahlet waren.

Er wurde in selbiger Schlacht bis auf das Haupt geschlagen, selbst mit etlichen Schüssen, so nicht durchgiengen, getroffen, und wäre von dem Schwedischen Rittmeister von dem Rheingräflichen Regimente, der lange Fritz genannt, fast gefangen worden, wofern nicht der Hertzog Rudolph Maximilian von Lauenburg dem Rittmeister eine Kugel durch den Kopff gejagt, und den Tilly befreyet hätte.

Er wurde hierauf sich in Nieder-Sachsen zu wenden genöthiget, da er sich denn wieder erholte, in Francken gieng, Rotenburg wieder einnahm, und sich den [182] Schwedischen Truppen in dem Stiffte Bamberg glücklich widersetzte.

Hierauf verlangte er den Durchzug durch Joh. Casimirs zu Coburg Länder, und forderte von ihm, und sehr vielen andern Fürsten Contribution. Als er aber den Schweden den Paß über den Lech-Strom in Bayern verwehren wolte, wurde er mit einer Drat-Kugel ohnweit der Stadt Rain, bey der sogenannten Bayerischen Schantze, an dem rechten Knie tödlich verwundet, daran er den 20 April 1632 zu Ingolstadt unter damahliger Belagerung von diesem Orte bey Bezeigung grosser Andacht unvermuthet gestorben.

Er verließ wenig Geld, und befahl 60000 Thaler von seiner Verlassenschafft unter seine älteste Officier auzutheilen, recommandirte dem Churfürsten von Bayern, so ihn selbst besuchte, den General-Major Cratzen von Scharffenstein und rieth Regenspurg zu erhalten, wie der denn fast mit dem Worte Regenspurg! Regenspurg! verschieden ist.

Er betete seine horas nicht anders als ein Priester täglich, und wurde dahero von den seinigen der Teutsche Josua genennet. Vor der Schlacht bey Leipzig pflegte er sich dreyerley zu rühmen, daß er kein Weibsbild berühret, sich nie voll getruncken, und keine Schlacht verlohren hätte.

Der Kayser Ferdinand II, wolte ihn in den Fürstenstand erheben, so er aber nicht angenommen, und dem Kayserl. Secretario 500 Rthlr. verehret, daß er das Diploma nicht ausfertigen möchte; die Güter aber, so ihm der Kayser in Ober-Oesterreich geschencket, hat er angenommen, worunter Volckersdorff am bekanntesten, so er Tillysburg benennen lassen. Dem Kloster zu Alten-Oettingen hat er eine schöne mit Diamanten versetzte Kette, die ihm obbemeldte Spanische Printzeßin Isabelle Clare verehret, und 1000 Rosenobel, so ihm die Stadt Hamburg gesendet, sofort wieder geschencket. Seines Bruders Sohn, Graf Werner, den er sehr geliebet, und der bey ihm bis an seinen Tod geblieben, war im übrigen sein Universal-Erbe.

Was endlich die Lebensart dieses durch gantz Europa berühmten Generals anbelangt, so ist dieselbe, soviel man aus gewissen Nachrichten weiß, gar besonders gewesen, so daß viele sich gewundert haben, wie ein so kluger Feldherr sich durch seine äusserliche Aufführung und besonders durch seine Tracht sich fast durchgängig zum Gelächter machen könne.

Wir wollen von dieser letztern nur eine Beschreibung aus dem Leben des Marschalls von Grammont, Hertzogs und Pairs von Franckreich, beybringen, welcher unter seinem Commando Kriegs-Dienste anzunehmen genöthiget ward. Dieser Grammont war anfangs sehr bestürtzet, als er diesen grossen General zum erstenmahl ansichtig ward. Er ritte auf einem kleinen weissen Klepper vor seiner Armee her, hatte ein kurtzes Wämstgen von grünen Atlas mit zerschnittenen Ermeln an, nebst dergleichen Hosen. Er trug ein kleines Hüthgen mit vier Krempen, und einer grossen rothen Feder, die ihm bis an die Lenden gieng, er hatte ein kleines Degen-Gehencke zwey Finger breit, woran ein Schlachtschwerdt hieng, und hatte ein eintziges kleines Pistol an dem Sattel. Diese artige Kleidung brachte den Grammont, welcher damahls der Graf von [183] Guiche genennet ward, auf die Gedancken, als ob Tilly nicht wohl bey Verstande sey, und er also einem närrischen General in die Hände gekommen wäre.

Allein diese Gedancken wurden ihm bald benommen, und er muste gestehen, daß er niemahls einen verständigern und klügern Feldherrn, und der mit grössern Ansehen commandiret, gefunde habe. Tilly redete ihm selbst nach abgelegten Complimenten also: Mein Herr Graf, ich glaube, daß euch meine Kleidung wunderlich vorkomme, denn sie ist nicht nach der Frantzösischen Mode; wohl aber nach der meinigen, welche mir genug ist. Ich bilde mir auch gantz gewiß ein, ihr werdet euch über mein kleines Pferd und Pistolgen verwundern, unterdessen kan ich euch nicht verhalten, (damit ihr von dem Grafen von Tilly, den ihr von so entfernten Orten aufgesucht habt, einen guten Concept bekommen möget) daß schon sieben Feld-Schlachten von mir gewonnen worden sind, ohne daß ich mein Pistol hätte heraus nehmen müssen, oder das Pferd scheu worden wäre.

Hieraus kan man seine äusserliche Aufführung und auch einiger massen seine Gemühts-Beschaffenheit, nach welcher er einen grossen Grad des Hochmuths besaß, erkennen, und der Graf von Guiche sahe auch daraus gar bald, wie er sich bezeigen, und in ihn schicken müsse. Uebrigens war Tilly listig und behutsam, so daß man von ihm zu sagen pflegte: Tilly gehet nicht tieffer ins Wasser, als er den Grund sehen kan. Im Kriege hatte er grosses Glück, nach Zerstörung der Stadt Magdeburg aber, war dasselbe fast gantz von seiner Seite gewichen. Auch er vor seine Person war öffters in Lebens-Gefahr, daraus er aber glücklich entkam, und in der Leipziger Schlacht ward er dreymahl getroffen, es gieng aber keine Kugel durch, weswegen man auch von ihm aussprengte, er habe die Kunst vollkommen gelernet, sich feste zu machen.

Man giebt ihm auch Schuld, als ob er Ursache an den grausamen Verfahren der Kayserlichen Soldaten in Magdeburg und andern Orten wäre, und wenigstens durch ein unerlaubtes Nachsehen immer zu grössern Muthwillen Gelegenheit gegeben hätte. Allein er hat sich von dem Verdachte der Grausamkeit stets zu befreyen gesucht, und damit entschuldiget, daß er die Soldaten nicht im Zaum halten können, die dadurch so erbittert worden, daß die Stadt unter keinen Bedingungen sich habe ergeben wollen. Inzwischen mag sich die Sache verhalten, wie sie will, so ist doch gewiß daß er die verübte Grausamkeiten eben nicht zu hindern gesucht, sondern vielmehr vor dem Sturme den Soldaten eine dreytägige Plünderung versprochen habe. Mit den Deutschen Fürsten gieng er abenfalls nicht sehr gelinde um, und wer ihm den Durchzug durch seine Länder versagte, dessen Land ward verwüstet, und muste die schweresten Brandschatzungen erlegen.

Ueberhaupt hatte er nebst Wallensteinen alle Macht in Händen, und wenn er auch noch so hart mit den Deutschen Fürsten verfuhr, und ihre Unterthanen zu Bettlern machte, so hatte er nicht nöthig, sich lange zu entschuldigen, weil ihn niemand deswegen zur Rede setzte.

Bellus in lauru Austrica.

Lotich de bello Germ.

le Blanc [184] Hist. de Baviere.

Chemnitz vom Deutschen Kriege.

Pufendorf de reb. Suec.

Ludolfs Schaub. der Welt.

Eröfnetes Bücher- und Staats-Cabinet XLIX p. 765 u. ff.

Deutsche Acta Eruditorum IV Th. p. 869 u. f.

Hübners Fragen aus der Politischen Historie I Theil, p. 1067 u. ff.