Zimmerische Chronik/Band 1/Kapitel 62

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aus: Zimmerische Chronik
Seite: Band 1. S. 422–427
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Wie herr Johanns Wörnher freiherr von Zimbern auferzogen, auch was er für handlungen in seiner jugendt gehabt etc.

Es hat herr Wörnher freiherr von Zimbern allen fleis
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fürgewendet, damit herr Johanns Wörnher, sein son, auf dem das geschlecht beruwen, wol erzogen wurde, auch etwas vor andern graven und herrn lernete, derhalben er in nach außgang der kündtlichen jaren auf die hochen schuolen, als Freiburg im Breisgew, auch Wien in Österreich und
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andere geschickt, alda in mit gelerten und erfarnen preceptorn und zuchtmaistern versehen, die in fürtreffenlich in moribus und in der lere erzogen haben. Bei zwaien jaren hat er zu Bononia studirt, daselbst er die welsch sprach zimlichen ergriffen, in astronomia, geometria und andern künsten, die
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man ciclicas oder mathematicas nempt, hat er fürbindig gestudiert, das im kainer dozumal in teutscher nation seins standts vergleichen het megen werden. Baider rechten ist er genugsam erfaren gewesen, die poeten und alten historien hat er gewist, derselben etliche im zu ainer kurzweil zu
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gelegner zeit verdeutschet, in suma zu allen haimlichen, verborgnen künsten hat er ain besondere naigung und begirde getragen, also das er nit allain dieselbigen zum thail erfaren,

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[423] sonder ohn nachlassen derselben zu ainer endtschaft komen. Aus solchem fleißigen studio gefolgt, das er hernach mit reden und schreiben fürtreffenlich gewesen, seine handlungen selbs berathschlagt, förmbclich in schrift verfasset, auch
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mundtlich fürtragen künden hat. Zu solchem allem [214] ist er ain solcher musicus gewesen, das er auf allen instrumenten nit wenig, sonder hoch erfaren und geiebt. In den gereumpten gedichten und schriften ist er fürbindig gewesen, hat auch also den merer thail graven und herrn, seinen
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verwandten und im bekannt gerimpte missiven und sie im hinwider also geschriben. * [1243] Herr Johanns Wernher freiherr zu Zimbern der elter hat zu schönen büechern ain großen lust gehabt und vil gelesen, dieweil aber zu seinen zeiten der druck
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erstlichs ufkommen und domals als ain new inventum ain schlechten fortgang, ließ er im ain schreiber, genannt Gabriel Lindennast, war burger und seßhaft zu Pfullendorf, vil und mancherlai büecher schreiben und zurusten, also das er letzstlich, ehe und zuvor er in sein unfal kam, ein
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zimliche liberei zu wegen pracht. Etliche autores und historicos hat er selbs außer latein ins deutsch transferiert, wie dann die selbige büecher sambt den rittern- und taffelrundtbüecher, die er gehabt, noch mehrthails verhanden. * So hat er auch die besondere genad von Gott gehabt,
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das er holtselig und im seine handlungen, thon und lassen wol angestanden, dardurch er bei menigclichem ain besondern willen erlangt. Derhalben grave Eitelfriderrich von Zollern, der kaiser Maximiliani hofmaister, camerer und rath, zu mermaln gesagt, im seie bei seinen zeiten kain
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geschickterer adenlicher herr, dann diser herr Johanns Wörnher, nie zukomen, und in dem er kain mangel oder etwas befunden, darin er fürnemlich, dann allain umb sein saumnus und liederligkait in aignen sachen, zu strafen gewesen. Als in sein herr vatter widerumb von den hochen schulen zu sich
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genomen, hat er neben allem waidwerk, darzu er sich sonderlich hoch beflissen, ain solchen lust zum spilen getragen, darauf er auch so gar, wann er dessen fug gehabt, verrucht, das gedachtem seim herr vatter solichs ain unaußsprechenliche beschwerdt gewesen. Dieweil er aber befunden, das
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im sollichs kains wegs zu entziehen, soll er zum oftermaln gesagt haben: «Botz blater» (dann also hat er ain schwuer gehabt), mein son wurdet alles, das ich bei meinen zeiten

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[424] mit großer arbait, müe und sorgen überkomen, widerumb verspilen und ohn werden; damit ich im sollichs fürkom, will ich in zu allen spilen underrichten lassen, damit er allen vorthail und haimliche verborgne stuck auf dem spil wisse
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und also aim andern villeucht das sein ehe, dann im ain anderer etwas, abbreche oder entziehe». Uf sollichs hat er im ain Juden von Vilingen am Schwarzwald, der diser zeit auf dem spil sonderlich berombt und erfaren, bestellt, der in zum bösten auf alle vorthail (dieweil es ihe nit anders
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sein mecht) abrichten sollte. Als nun herr Johanns Wörnher des spils wol bericht und, was zu wissen, von gedachtem Juden erlernt, hat er befunden, was trug und falsch man sich gebrauchen und behelfen müest, darab er ain solchen unwillen gefasst, das er sich alles spils abgethon und sein
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lebenlang des spils sich gemaßt. Man sagt ain schimpflichen bossen, den er in seiner jugendt gethon. Auf ain zeit ist herr Wörnher, sein herr vatter, verritten und hat iezernennten herrn Johannsen Wörnhern, sein son, mitgenomen. Nun ist ain regenwetter angefallen, das sie angesehen der kurzen
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reutröck, wie dozumal die claidung gewesen, und das man inen kaine regenmentel, wie iezundt der prauch, nachgefiert, gar naß in die herberg ankomen, welches herr Johann Wörnher mit ungedult aufgenomen; und des andern tags, ehe sie wider aufgesessen, hat er etliche löcher in die solen
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an seinen stiflen geschniten, damit im das wasser, so oberthalb vom regen hinein liefe, widerumb hindurch fiele. Wie sie aber desselben tags auch naß wurden und sich herr Wörnher, nachdem er an die herberg komen, außziehen ließe, do [215] er abermals vil wasser in denen stifflen
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befand, hat er etliche seine diener in schimpf gefragt, wie im zu thuon, damit er des wassers hinfüro in stifflen vertragen. Zu solchem herr Johann Wörnher komen und gesagt, er wisse wol mainung anzuzaigen, wie solchs zu verkomen; hat darauf seine stiffel darbracht und sein herr vatter
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berichtet, wie er im thue, mit darlegung der stiffel, die, wie gehört, zerschnitten gewesen. Dise schimpfliche abenteur hat sein herr vatter zu großem gefallen angenomen. Er hat sich auch mit seinem vettern, herrn Gottfriden von Zimbern, der seins vatters bruoder gewesen, dermaßen halten
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künden, das er im zu oftermaln in nötten, wann er gelts bedörft, hilf und rath bewisen. Man sagt, es seie im herr Wörnher, sein herr vatter, etwas hert und streng gewesen,

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[425] derhalben, wann sein vetter, herr Gottfridt, das er mangel an gelt, bericht, hat er in zu ains handtwergsmans laden zu Mösskirch beschaiden; so dann herr Johann Wörnher auf bestimbte zeit dahin komen, hab herr Gottfrid nichts mit
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im geredt, sonder stillschweigendt und gleich, als ob er in nit sehe, im ain guldin hundert, zwai oder drei an gold darpotten und mit der handt gedeutet, er solle wider hinziehen. Solch gelt hat er, Johann Wörnher, an künstlichen dreezeug gelegt, zu zeiten an hüpsche pferdt, dann er zu allem
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ritterspil ain sondern lust gehabt. Er ist auch in den turnern gewest, so bei seinen zeiten, ehe und zuvor er in unfall komen, gehalten worden; als namlich hat grave Eberhart von Würtemberg, im jhar als man gezellet nach Christi unsers lieben herrn gepurt 1484, den ainunddreißigisten turner
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geen Stutgart gelegt; auf das ander jhar, anno domini 1485, hat marggraf Albrecht von Brandenburg den 33isten turner geen Onolzbach gelegt, den haben fürsten, graven und herrn besucht. In disen baiden turnern ist herr Johanns Wörnher mit grave Eberharten von Würtemberg dem eltern neben
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andern graven und herrn auch eingeritten etc. * [1263] Bei unsern vorfarn ist die hochzeit des reichen herzog Jörgens von Bayern zu Landtshuet anno 14[74][1] gehalten worden und irer köstlichait und wunderparlichen prachts halb ganz berüempt und vernampt gewesen, also
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das auch sonderliche büecher[2], die ich gesehen, darvon gemacht worden. Vil fürsten und fürstinen, auch ain merkliche anzall grafen und herren sein uf solch festin geladen und beschriben gewest. Under andern fürsten ist herzog Eberhart von Würtemberg der junger mit seiner gemahl,
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der marggrefin von Brandenburg, die hernacher nach seinem absterben nur die herzogin von Nürtingen ires widemssitz und residenz halb genennt worden, auch dahin kommen, [1264] und wie in solchen fellen der brauch, so sein uf ain iede fürstin ain graf oder ain herr beschaiden worden
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ufzuwarten, die zur kirchen und wider darvon, auch zun denzen und zu tisch zu fieren. Also war herr Johanns Wernher freiherr zu Zimbern der elter uf iezgehörte herzogin von Würtemberg geordnet. Begab sich am nachhochzeittag,

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[426] das bemelter herr Johanns Wernher am tag und aubent darvor bei andern seinen vettern und verwanten, wie dann der brauch uf den hochzeitinen und haimfüerungen, villeucht wol gezecht het und spat schlaffen gangen war, und het
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des andern morgens verschlaffen, das er nit bei zeiten geen hof war kommen, sein dienst, wie er beschaiden, zu verrichten. Nichs destoweniger, als die zeit, das die fürsten und menigclich zu kirchen geen wolten, verhanden, ward ain anderer der herzogin von Würtemberg an herr Johannsen
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Wernhers statt zugeordnet. Indess erwacht herr Johanns Wernher, stet eilents uf, legt sich an; so geet die ganz caterva für, derhalben er vorder übel erschrack, das er seinen dienst also verschlaffen und versaumpt het; legt eilends ein schöne schauben an und wartet am fürgeen der herzogin
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von Würtemberg. Wie dieselbig nun fürget, dringt er durch die bettler und andere zuseher, in willens, sein dienst dennost zu versehen; und als er gleich bei der herzogin, behangt er an aim bettler. Wie nun er für sich tringt und der bettler hünder sich zeucht, begibt sich auß unfall, das herr
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Johanns Wernher den bettler umbzoge, und vielen mit ainandern zu haufen geradt vor der herzogin von Würtemberg darnider. Es kont die herzogin iren halben nit fortkommen, und muest man also ain guete weil station halten. Zudem hett der schmotzig bettler ein hafen mit suppen, flaisch und
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anderm bei sich; derselb haf wardt verschittet und herr Johanns Wernhern die schauben übel mit besudlet und verderbt. Es war ain wunderbarlich zablen und reißen von herr Johanns Wernher und dem bettler, die sich baid übel schampten und ain ieder gern der erst uf wer gestanden
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und darvon gedichen. Herr Johanns Wernher dauset eilendts darvon wider in sein herberg; darin legt er sich anderst an, gieng zu kirchen und versahe nachgends sein dienst. Ob er nit gespait und etlich tag darnach den fürsten und andern ain gelechter gewesen, das ist wol zu gedenken, dann er
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sich desshalben wol leiden müeßen. * * [1242] Herr Johanns Wernher freiherr zu Zimbern der elter ist uf ain zeit in seiner jugent und ehe er verheirat, zu Mösskirch nachts uf der gassen spacieren gangen, hat ain pfaffen bei sich gehapt, war caplon zu S. Martin, hieß
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maister Hanns Hecker; haben beide die lauten geschlagen. Indess der pfaff die schanz übersehen, ist mit seiner lauten an ain karren gestoßen, das die ainsmals zu trümern gangen.

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[427] Das hat den Hecker so hoch verdrossen, das er in ainer ungedult die zerbrochen lauten von sich warf und sprach: »Wann dieser karch meins vetterns, ich wolt in zu stucken zerhawen.« Also het das hoffieren dieselbig nacht mit der
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lauten ain ende, muesten sich wider zu haus thon, dann sie mit ainer lauten nichs wisten mehr zu schaffen. *



  1. 14[74] die minderzahl ergänzt; es wird auch das jahr 1475 genannt.
  2. büecher] vgl. Die deutschen Handschriften der k. Hof- und Staatsbibliothek zu München 331, 1953, 1955 ff.