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Zimmerische Chronik/Band 1/Kapitel 30

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aus: Zimmerische Chronik
Seite: Band 1. S. 159–163
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[159]
Wie herr Wörnher freiherr von Zimbern herrn Albrechten, seinem son, die freiherrschaft übergeben und sambt seinem gemahel in die Reichenaw gezogen, alda sie baid ir leben verzert und begraben; auch wie herr
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Conradt von Zimbern abt in der Reichenaw worden.
Als nun herr Wörnher von Zimbern der elter und sein gemahel herrn Albrechten, iren son, auch fröle Adelhaiten, ir dochter, verheurat, und sie iezundt baid auf ain guot alter komen, was ir will und gemüeth, sich aller weltlichen
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gescheften zu entschlahen und allain Gott zu dienen. Nun hett aber gedachte fraw Adelhait iren eltesten son, herrn Conradten, den probst in der Reichenaw, am liebsten under allen iren künden, als den sie in seiner gepurt am hörtesten erarnet und an die welt het gepracht, darumb sie gar
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ernstlich irem herrn anlage und bat, das, wover er[1], Gott zu ainer dankbarkait und ir zu ainer wilfarung, wolt mit ir zu erstgenanntem ir baider son, herrn Conradten, in die Reichenaw, da wolt sie gern (sover es im anmuetig) ir leben schließen. Herr Wörnher bewilliget, irem begern stat zu
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thuen. Als aber die jungen [107] herrn baide, ire sön, vermarktent den willen ires herrn vatters und fraw muetter, empfiengen sie darab ain beschwerdt, hetten inen sollich fürnemen gern abgeschlagen, wa gedachte zwai alte inen dasselb nit so gar hoch und ernstlich für hetten genomen,
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dermaßen das sie es auch nach vilfeltigem bitt und anderer underhandlung muosten geschehen lassen. Herr Conradt, ir son, het in seiner probstei ain aigen sitz und einfang, mit ainer capellen, caplon und aller herligkait. Zu dem kamen herr Wörnher und sein gemahel. Sollichs
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bewilliget auch abt Hainrich, grave von Calw. Nun ligt unden in der Aw ain pfarrkirch, die etwann ain bischof von Verona,

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[160] Eginus[2] genannt, gebawen und auf ain aignen probst und sechs chorherrn gestiftet hat und genennt zu Niderzell. Dise kirch, wiewol sie ferr von dem minster und der probstei gelegen, so hett doch herr Wörnher ain besondere liebe
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dahin, derhalben er im und seinem gemahel da ir begrebtnus erwellet. Er ordnet inen baiden, auch allen iren vordern und nachkomenen in diser kirchen ain jarzeit, das allwegen am zwaiten tag Aprilis gehalten und begangen solt werden. Also schlißent sie bei irem son, herrn Conradten, ir leben
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und warden baid nach irem tod zu Sant Pettern begraben. Nicht lang nach absterben herrn Wörnhers und seins gemahels starb abt Hainrich von Calw, als er achtundzwainzig jhar regiert het; also ward[3] von dem capitel und convent herr Conrat von Zimbern ainhelligclich zu aim abt erwelt,
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das geschach anno domini 1235. Er war der vierundvierzigist in der zal der äbt, von sant Pirminio, welcher der erst gewesen. Er regiert das gotzhaus loblich und wol achtzehen jhar[4]. Vor seinen zeiten, ungevärlich anno Christi 1080, under dem kaiser Hainrico quarto, was ain abt in
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disem closter, Egkart gehaißen, seines geschlechts ain grave von Nellenburg[5], derselbig hett ain solchen merclichen widerwillen zu kaiser Hainrichen, das er nach allem seinem vermögen herzog Rudolfen von Schwaben, der wider gedachten kaiser zu ainem römischen könig durch pratiken und
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anschiftung des pabsts Hiltenprands erwellet war, hilf und beistand thete. Er füert personlich ain treffenlichen, harten krieg wider abt Hulderrichen von Sant Gallen, der von der gepurt ain herzog von Kernten was, allain, dieweil in der kaiser dahin verordnet, auch sein nechster angeborner
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freundt was. Das tribe er etliche jar, dardurch baiden gotzheusern so vil verderblichs schadens zustunde, auch umb sovil lehens und aigenthumbs kament, das sie nimermer in iren ersten stand komen mochten. Zuodem was die Reichaw darvor zwaimal verbrunen und sonst beschediget. Dise
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mercliche und unüberwündliche schaden hat abt Conrat zum oftermaln beclagt, auch darvon [109][6] lateinische vers

1 [161] gemacht, darein er solichs beschriben, und anfahen: »Augia regalis«[7] etc.

* [1485] Es hat dieser prelat, apt Conradten, große beschwerd getragen ab dem beharlichen unfal und abgang der
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Reichenaw, auch uf ain zeit sollichs in gegenwurtigkait viler personen, so daselbst uf die pfalz gen hof kommen, mit großen seufzen und nassen augen beclagt, auch darvon lateinische vers, [die man][8] leoninos nempt, gemacht, sein der zeit für hoch geachtet worden und fahen an »Augia
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regalis« etc. Es hat der Wilhelm Eisengrein von Speir ain lateinisch buch[9] gemacht und in selbig alle die, so von unserm catholischen cristenglauben von anfang der apostel biß uf unsere zeiten geschriben, vermeldet mit namen, auch gemainlich, was sie geschriben und wann sie gelept haben.
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In selbigem buch, das er dem curfürsten von Menz, erzbischof Danielen, zuschreibt, so gedenkt er dises herr Conrads von Zimbern mit nachfolgenden worten: »Conradus baro a Zimbern, divitis Augiae benedictinae professionis in constantiensi diocesi monachus, Germanus, Suevus, vir
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ingeniosus, gravis et ornatus moribus, christianae religionis observantissimus, orator facundus, poeta gravis, musicus absolutissimus, multa in laudem beatissimae virginis Mariae doctissimo carmine scripsit. Deploravit et statum Augiae heroico versu«. Es felt gleichwol diser Eisengrein in dem,
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das er setzt, diser her Conrat hab gelept umb die jar nach Cristi gepurt 1427, so er doch umb vil jar elter und lang vor sollicher jarzal mit dodt abgangen. * Er hat auch im jhar nach Christi gepurt 1244 von pabst Innocentio dem vierten dem closter ain freihait[10] erlangt, das
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von allen prebenden, so das closter zu verleichen und in dreien jharen gefielen, die gülten ains jhars dem closter zu ainer reparation und erhaltung solten verwendt werden. Nach etlichen jharen[11] hat diser abt sein leben geendet, den zwenundzwainzigisten Junii anno domini 1253. Nach im ist
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herr Burkhart freiherr von Hewen zu der abtei komen.

Demnach aber nun zum oftermaln in diser historia der 1

[162] Reichenaw gedacht, will von neten sein, in ainer suma anzuzaigen, wer dises loblichen und königclichen gotzhauses erster stifter und anfenger gewesen seie. Darumb ist zu wissen[12], das umb die jhar nach unser erlösung 724 ain
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mechtiger herr in Schwaben am Reinburg, auf Sandegk dem schloß under Costanz, gesessen gewesen, mit namen Sintlas, der könig zu Franken landtvogt daselbst. Derselbig hat sant Pirminium, bischof von Metz, endtlichen vermegt, ain closter in seiner herrschaft zu pawen. Also auf vleißige,
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vilfeltige pit und beger herrn Sintlas hat sant Pirminius die Reichenaw, so diser zeit wüest und mit wilden thieren erfült, gerainigt und darin ain closter gebawen, auch sollichs mit ainer anzal münch sant Benedicten ordens besetzet. Hernach hat Carolus Martellus, könig zu Franken, disem
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gotzhaus große freihaiten verlihen, auch mit treffenlichen güetern dotiert und begabt; dessgleichen haben gethon könig Pepin, Carolus magnus, kaiser Ludwig, der güetig und vast alle römische kaiser und könig teutscher nation biß auf kaiser Hainrichen, den andern dises namens, und ist in kurzer zeit,
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nach seinem auferpawen in ain solche macht komen, das allain fürsten-, graven- und freiherrnkünder und nicht geringers stands darin angenomen worden, welches auch biß gar nahe auf die hundert jhar also gehalten worden, bis es zu letzsten in ain abgang komen und diser zeit dem bistumb
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Costanz incorporiert und eingeleibt ist worden. Als der Reichenaw cronica, so durch herrn Galm Oheim[13], caplon sant Stefans stift zu Costanz, beschriben worden, anzaigt, so sein die freiherrn von Zimbern diser zeit, als abt Conradt, ain geporner freiherr von Zimbern, diz königclich
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gotzhaus regiert, auch vil jhar darvor gemeltes closters lehenleut gewesen; welche güeter aber von der freiherrschaft Zimbern zu lehen getragen seien, ist gar in ain vergess komen, doch mechte sollichs in denen alten brieven der Reichenaw gefunden werden, so dieselbigen etwas fleißig
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ersucht wurden. * [1485] Es haben nit allain die großen krieg und vechden die Reichenaw in solch verderben gepracht, sonder auch das merclich übelhausen und der groß, überschwenglich bracht, so bei den epten, auch gemainlich bei den münchen
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allen gewest; damit sein die herrlichen güeter und könig-

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[163] cliche gotzgaben üppigclich und one not verschwendt und verthon worden, auch das fürnem gotzhaus in grund gericht. Das geben nit ain klaine anzaigung die froschlehen[14], also genennt, da sondere mair und leut darauf bestellt, die auch
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ire lehengüeter darum besessen, die haben den fröschen weren sollen und verhindern, das die gaistlichen vätter vor dem retschen schlafen künden, ain luxus, der auch dem Heliogabalo, Xerxi, Lucullo und andern Brachthannsen und verwenten leuten zu vergleichen. Mögt aber ainer sagen,
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wie kan man den fröschen das retschen verbieten, oder wie mag doch ain sollichs abgestellt werden? Do haben unsere vorder geantwort, es künd ain thor ein so ungeruempte fragen thon, das zehen weisen im die nit verantworten wissen. Also mögt auch ainer nit unbillich fragen,
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wie es ainest bei kaiser Vespasiani zeiten zugangen, der ain zoll uf das brüntz wasser[15] ordnet, dessen sich noch bei weilen vil verwundern, und wie ain hofman sagt, so kunt ain narr mer fragen, dann zehen die allerweisesten verantworten. Was dann die amptherrn in der Ow für ain üppigen und
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ungepürlichen bracht getriben, das ist ußer der reformation zu schliesen, die vor anderthalb hundert jaren [1486] fürgenommen worden, nemlich das derselbigen kainer und insonderhait der großkeller über dreißig pferdt mit sich über land mögen nemen. Ain solliche ansehenliche tax geb aim
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mechtigen curfürsten oder bischof zu schaffen. Mit ainem sollichen verthon und unsorgsamen haushalten sein die fürstliche güeter nach und nach hingangen, und haben die kaiser und menigclichen zugesehen, biß der schad überhand genommen und geschehen gewest. Wer könden, bevorab die
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nechsten nachpurn, haben sich wol darbei gewermbt, biß letstlich das königclich gotzhaus gar abgangen und vom bischtum Costanz aller verschluckt worden. *



  1. wover er] hs. bever.
  2. Eginus] s. Oheims Chronik von Reichenau 20, 1; 98, 15.
  3. also ward], bis Augia regalis [161, 1] abgedruckt in Laßbergs Liedersal II, s. LXXXII.
  4. jhar] vgl. Oheims Chronik s. 136 ff.
  5. Nellenburg] er war der 33 abt, s. Oheims Chronik s. 115 ff.
  6. 109] auf s. 108 steht das reichenau-zimmerische wappen.
  7. Augia regalis] s. Oheims Chronik s. 23.
  8. die man] so dürfte zu ergänzen sein.
  9. buch] dessen titel lautet: Catalogvs testivm veritatis locvpletissimvs, omnivm orthodoxae matris ecclesiae doctorum, . . . Dilingae excudebat Sebaldvs Mayer. Anno dni M. D. LXV. 40°, s. 162.
  10. freihait] die urkunde steht bei Oheim a. a. o. s. 138.
  11. Nach etlichen jharen] dieser satz ist abgedruckt bei Laßberg a. a. o. s. LXXXIII.
  12. wissen] vgl. hierüber Oheim s. 4 ff.
  13. Oheim] s. die ausgabe s. 191.
  14. froschlehen] ähnliche fälle von froschlehen erwähnt Grimm, Deutsche Rechtsalterthümer. Zweite Ausgabe, s. 355 ff., und Birlinger, Volksthümliches aus Schwaben I, s. 116, no 173 und s. 117, anmerk. 1.
  15. brüntz wasser] d. i. urin; Vespasian hat nach Suetonius, Vespasianus cap. 23 auf den urin eine abgabe angeordnet; s. Suetonii opera ed. Baumgarten-Crusius II, 304 und anmerkung.