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Zum Ergrauen des Haupthaares

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Textdaten
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Autor: Joseph Pohl-Pincus
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Titel: Zum Ergrauen des Haupthaares
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 215–216
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Blätter und Blüthen
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[215] Zum Ergrauen des Haupthaares. Unter den mir mitgetheilten Fällen ungewöhnlicher Ergrauungsverhältnisse verdienen folgende drei allgemein bekannt zu werden.

1) Ein Mitglied der deutschen Gesandtschaft in Petersburg schreibt: „Ein Bekannter von mir, der bereits gestorben ist, dessen wahrheitsgetreue Aussagen ich aber wie meine eigenen verbürgen möchte, ein Mann von rüstiger Gesundheit und Frische, mit starkem hellblondröthlichem Haar, war leidenschaftlicher Jäger und befand sich vor acht Jahren (er war damals einunddreißig Jahre alt) eines Tages zu Boot auf der Entenjagd im Kurischen Haff. Hier erhob sich gegen Abend plötzlich ein starker Sturm vom Lande her; er war allein im Boot, verlor unglücklicher Weise ein Ruder und befand sich nun, bei hochgehenden Wogen in der Unmöglichkeit, das Ufer zu erreichen, in höchster Lebensgefahr. Da zeigte sich ihm plötzlich ein dünner schwankender Pfahl im Wasser (wahrscheinlich die Marke für ein Fischernetz); er ergriff denselben, klammerte sich an ihm fest und hielt auf diese Weise sich selbst und das Boot. In dieser Stellung nun, jeden Augenblick gewärtig, daß Wind und Wellen das Boot doch fortreißen würden, und unter Aufbietung aller ihm möglichen Kraft der Neigung zum Erlahmen widerstehend, verbrachte er die ganze lange Nacht, bis endlich am Morgen der Landwind aufhörte und es ihm gelang, mittelst des Seewindes das Ufer zu erreichen. In dieser Nacht, erzählt er, sind ihm die meisten seiner Kopfhaare erbleicht, und wer, wie ich, seine Aufrichtigkeit und Biederkeit kannte, wird in seine Mittheilung keinen Zweifel setzen.“

2) Ein hiesiger namhafter Portraitmaler schreibt mir: „Ich hatte in meiner Jugend Zeichenunterricht bei einem Herrn Bendig, damals meiner Schätzung nach ein hoher Vierziger. Er war eigentlich Kupferstecher, hatte es aber in dem Fache zu nichts Besonderem gebracht; die Zeit, in der ich seinen Unterricht genoß, war auch keine solche, in der Kupferstecher von ihrer Kunst leben konnten (zwischen 1814–1818) – deshalb gab er Zeichenunterricht. So oft ich Stunde hatte, zweimal in der Woche, immer mußte ich sein Haar bewundern. Es ward auch viel darüber gesprochen und er hatte ein Gefallen daran, daß er der einzige Mensch sei, dessen Haar in so eigenthümlicher Weise weiß wurde. Es machte den Eindruck wie graumelirtes Haar und an jedem einzelnen wechselten, soviel ich mich mit [216] aller Deutlichkeit entsinne, gleich lange weiße und ebenso lange braune Stücke mit einander ab, jedes etwa einen Viertel Zoll lang, also etwa wie bei den Borsten des Stachelschweins.“

3) Höchst merkwürdig ist die Mittheilung, welche eine Dame aus Philadelphia über sich macht: „Der Kopf, auf dem beifolgende Haare gewachsen sind, ist achtundzwanzig Jahre alt und zu Zeiten fast ganz grau, wenigstens so stark melirt, daß es sofort auffallen muß, während zu anderer Zeit das Haar dunkelbraun erscheint und man selbst bei genauer Prüfung kein weißes Haar entdecken kann; dabei findet sich unter den ausgefallenen Haaren nie ein weißes resp. graues und die Frisur ist stets dieselbe. Schon in meinem siebenzehnten Jahre fand ich häufig ganz weiße Haare in meinen Flechten, die jedoch immer wieder verschwanden, ohne daß sich weiße Haare in dem Ausfall fanden. Nach jedem Anfall meines nervösen Kopfwehes gleicht mein Haar dem einer Frau in höheren Jahren, so stark melirt erscheint es, allein schon nach einigen Tagen ist nur hier und da ein weißes Haar zu finden.“

Ich habe die mitgeschickten Haare sehr genau mikroskopisch untersucht, sie unterschieden sich in Nichts von den Haaren bei gewöhnlichem vorzeitigem Ergrauen. Die Mittheilung ist mir unerklärlich; ich habe von einem solchen Wechsel der Erscheinung bisher nie gehört und die gesammte medicinische Literatur enthält keinen solchen Fall. Wenn hier nicht eine erhebliche Selbsttäuschung der Dame vorliegt, würde es sich um etwas ganz Außergewöhnliches handeln. Ich habe die Dame um weitere Mittheilungen und Haarsendungen ersucht und hoffe über das Resultat später hier noch berichten zu können.

Berlin.

Dr. Pincus.