Zum neuen Jahre

(1899)

ZUM NEUEN JAHRE.

Wiederum verging ein Jahr,
Das nicht g’rad’ besonders war.
Diesen war’s ’ne gute Nummer,
Andern bracht’ es Leid und Kummer,

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Mancher kam und mancher ging.

Gute Stunden – böse Stunden,
Herzen haben sich gefunden –
Sich getrennt, die einst verbunden,
Klein ward groß, und Groß gering.

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Und wir steh’n und sinnen nun:

Was mag in der Zukunft ruhn?
Und es fragen Feind und Freund sich:
Achtzehnhundertneunundneunzig,
Wird es ein vergnügtes Jahr?

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Wird es sich zum besten wenden,

Wird’s mit nimmer leeren Händen
Allen Glück und Segen spenden?
Oder bleibt es, wie es war?

Allen, wünsch’ ich, sei vom Glück

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Zugedacht ein gutes Stück,

Was sie hoffen, soll’n sie schauen!
Und den Männern wie den Frauen
Sei das Jahr voll Sonnenschein!
Immer soll die Tugend siegen

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Und das Laster unterliegen!

Die sich lieben, soll’n sich kriegen,
Die sich kriegen, glücklich sein!

Gerst’ und Hopfen, Korn und Wein,
Obst und alles soll’n gedeihn!

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Alles soll von Segen schauern,

Und nicht nur die dümmsten Bauern
Mächtige Kartoffeln bau’n.
Selbst in Schlesien und Sachsen
Soll ein gutes Weinchen wachsen,

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Wimmeln jeder Fluß von Lachsen,

Groß und dick und fett zu schau’n!

Dieses Jahr sei, hoch beglückt,
Mit dem Palmenzweig geschmückt!
In den Hütten, auf den Thronen

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Soll die holde Eintracht wohnen,

Friede unter jedem Dach.
Russen, Deutsche und Franzosen
Sollen miteinander kosen,
Lämmern gleich, die unter Rosen

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Weiden an dem Silberbach.

Mit so vielgestalt’gem Wunsch
Trink’ ich den Sylvesterpunsch!
Und ich könnt’ mein Füllhorn rütteln
Und noch weiter Wünsche schütteln,

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Denn das kostet ja kein Geld.

Doch was nutzt es: Lust und Plage,
Leid und Wonne, Freud’ und Klage,
Gute Tage, böse Tage
Bleiben doch der Lauf der Welt!
 Heinrich Seidel.