Zur Versöhnung in der deutschen Schillerstiftung

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Autor: Friedrich Gerstäcker
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Titel: Zur Versöhnung in der deutschen Schillerstiftung
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aus: Die Gartenlaube, Heft 9, S. 143–144
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1865
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[143] Zur Versöhnung in der deutschen Schillerstiftung. Viel erbitterte und bittere Worte sind schon in dieser Frage gefallen, und die schöne Stiftung, die eigentlich dazu dienen sollte, uns ohnedies genug mit einander zerfahrene Schriftsteller zu vereinigen, scheint gerade dazu ausersehen, erst recht Haß und Zwietracht unter die „Ritter vom Geist“ zu werfen. Ist es denn gar nicht möglich das zu verhindern?

Wenn wir Alle den guten Willen haben, gewiß.

Die letzte Generalversammlung hat drei wichtige Beschlüsse gefaßt:

1. Die Oeffentlichkeit der vertheilten Gaben.

2. Die Abänderung des Paragraphen in den Statuten, nach dem der Vorort wechseln soll.

3. Die Einschiebung des kleinen Wörtchens „insbesondere“ in den ersten und Haupt-Paragraphen der Satzungen, der den Zweck der ganzen Stiftung behandelt und diesen klar ausgesprochenen Zweck dadurch allerdings total verändert.

Es ist unmöglich der Generalversammlung das Recht abzusprechen einzelne Paragraphen ihrer Satzungen, die sich als dem Ganzen hinderlich oder als nicht praktisch erwiesen haben, abzuändern, und die Minorität wird sich stets der Majorität fügen müssen.

Die erste Abänderung der Satzungen: Die Oeffentlichkeit der von der Stiftung gereichten Gaben, bedarf keines Commentars weiter. Gegen eine verschwindend kleine Minorität waren nicht allein alle Zweigstiftungen dafür, sondern wir Schriftsteller besonders können dem Verwaltungsrath für den Antrag und dessen Durchführung nur dankbar sein. Jede Gabe, welche die Schillerstiftung verleiht, ist eine Ehrengabe, deren sich der Empfänger nicht zu schämen hat.

Weit größere Opposition rief die zweite Aenderung, den Wechsel des Vororts betreffend, hervor. Betrachten wir uns die Sache ruhig.

§. 6 lautet allerdings:

„Derselbe Vorort kann nicht zwei Wahlperioden hintereinander zur Leitung der Schillerstiftung berufen werden“

und der Paragraph ist jedenfalls so gestellt, damit nicht ein Ort oder bestimmte Persönlichkeiten die Autokratie über die andern Zweigstiftungen gewinnen.

Wenn sich nun aber herausgestellt hat, daß solches vor der Hand noch nicht zu fürchten ist, und andere Verhältnisse dazu kommen, um es wünschenswerth erscheinen zu lassen, daß gerade Weimar noch länger der Vorort der Stiftung bleibe, kann das derselben etwas schaden? Ich glaube nicht.

So lange nur nicht ein bestimmter Ort als permanenter Vorort festgestellt wird; so lange die Generalversammlung nach Ablauf der fünf Jahre immer noch das Recht behält, einen Wechsel des Orts zu veranlassen, wenn sie Ursache dazu finden sollte, so lange kann keine Gefahr darin liegen.

Ein Uebelstand ist allerdings der: Ist der Wechsel durch die Satzungen bestimmt, so versteht er sich von selbst, muß er aber erst motivirt werden, so könnte man darin eine Kränkung fur den Platz finden, den man verlassen will, und man scheut sich vielleicht sie auszusprechen.

Aber dieses Bedenken wird kaum thatsächlichen Vortheilen die Wage halten können, die Weimar gegenwärtig in manchen ihm eigenthümlichen Verhältnissen zu bieten scheint, und ich bin überzeugt, die übrigen, bis jetzt noch differirirenden Zweigvereine würden darin nachgeben, wenn sie fänden, daß sie dadurch der schönen Stiftung ihre Einigkeit und ihr Zusammenwirken wieder verschaffen können.

Ebenso steht es, nach der anderen Seite hin, mit dem dritten Punkt.

Die Generalversammlung hat unstreitig das Recht, Umänderungen in den Paragraphen ihrer Satzungen vorzunehmen, aber sie kann unmöglich den ganzen ursprünglichen Zweck einer wohlthätigen Stiftung durch ein noch so kleines eingeschobenes Wort umstoßen, wie das hier geschehen ist.

[144] §. 1 der Satzungen lautet:

Die Schillerstiftung hat den Zweck, deutsche Schriftsteller und Schriftstellerinnen, welche für die Nationalliteratur (mit Ausschluß der strengen Fachwissenschaften) verdienstlich gewirkt haben, vorzugsweise solche, die sich dichterischer Formen bedient haben, dadurch zu ehren, daß sie ihnen oder ihren nächstangehörigen Hinterlassenen in Fällen über sie verhängter schwerer Lebenssorge Hülfe und Beistand darbietet.“

„Hülfe und Beistand“, und dieser Paragraph muß erhalten bleiben; an diesen Worten darf nicht geschnitten oder gedeutelt werden, denn sie allein enthalten den Sinn und die Bedeutung der ganzen Stiftung, für welche die gesammte Nation das Geld beisteuerte.

Auch der deutsche Schriftstellerverein in Leipzig hat sich vor einigen Tagen direct dahin ausgesprochen. Er sagt:

„Die Schillerstiftung ist unter Mitwirkung der gesammten Nation und der klar ausgesprochenen (Bedingung in’s Leben gerufen worden, würdigen deutschen Schriftstellern oder deren Hinterlassenen in Fällen über sie verhängter schwerer Lebensorge Hülfe und Beistand zu gewähren. Zu diesem und keinem anderen Zweck ist das Geld von Hunderttausenden gestiftet worden, und durch einen Majoritätsbeschluß kann nach irgend einem Recht der Welt dieser Zweck, so lange er erfüllbar ist und sich nicht augenscheinlich als gemeinschädlich erweist, verändert, umgedeutelt, beschränkt oder erweitert werden. Das Stiftungseigenthum zu anderen Zwecken verwenden, würde ebensoviel heißen, als durch das große Nationalunternehmen der Schillerlotterie unter der heiligen Aegide von unseres Schiller’s Namen die Lüge in 660,000 Exemplaren in die Welt geschleudert zu haben.“

Danach protestirt der Schriftstellerverein gegen die „von der Generalversammlung beschlossene Einschaltung des Wörtchens ‚insbesondere‘, durch welches die Hülfsbedürftigkeit als unerläßliche Bedingung zur Gewährung der Ehrengaben bei Seite geschoben werden soll.“

Der Zweck der ganzen Stiftung ist auch in der That in diesem ersten Paragraphen der Satzungen so entschieden und unzweifelhaft ausgesprochen, daß eine andere Deutung unmöglich ist – auch gar nicht versucht wurde. Das eingeschobene kleine Wort soll sie nun abändern, und das darf eben nicht sein. Das deutsche Volk würde auch wohl schwerlich sein Geld dazu hergegeben haben, wenn es sich darum gehandelt hätte, daß sich die Schriftsteller unter einander Geschenke machen sollten.

Der erste Paragraph der Satzungen muß deshalb wieder in seiner ursprünglichen Fassung hergestellt werden, und nicht allein die Regierungen haben die Pflicht, wohlthätige Stiftungen zu überwachen, damit ihr Capital nicht zu anderen Zwecken verwendet werde, sondern die deutsche Nation hat auch ein Recht, zu verlangen, daß die Gelder, die sie gesteuert hat, auch dazu verwandt werden, wofür sie gefordert wurden.

Einige Schriftsteller haben allerdings davon gesprochen, die Schillerstiftung dürfe nicht zu einer Armen- der Almosenanstalt „herabgewürdigt“ werden.

Sie ist zu Nichts weiter in’s Leben gerufen worden, und ich selber bin der Meinung, daß es der schönste und ehrenvollste Zweck sei, den sie erfüllen kann.

Ehrengaben sind allerdings schon vertheilt worden, aber lassen wir alles Geschehene auch eben geschehen sein. Ein Irrthum ist auf jeder Seite verzeihlich, solange er nicht zum Gesetz erhoben wird.

So hoffen wir denn, daß eine recht baldige Versöhnung möglich ist. Der Verwaltungsrath wird gewiß nicht starr auf der Majorität beharren, die er gewonnen hat, denn es muß ihm ja selber daran liegen, den Frieden in der Stiftung hergestellt zu sehen. Der einzige mögliche Ausgleich kann dann nur durch eine neue Generalversammlung stattfinden, und recht von Herzen wünschen gewiß Alle, die es gut mit der Stiftung meinen, daß dort nachher kein unfreundliches Wort mehr gesprochen werde, sondern Die sich in Frieden und Freundschaft die Hand reichen mögen, die auserwählt sind vor Vielen zum ersten Mal in Deutschland – seit es ein Deutschland giebt – das wahre Wohl deutscher Schriftsteller zu vertreten.

Friedrich Gerstäcker.