Zwei Frauen aus der Reformationszeit
1. Caritas Pirkheimer[1].
Mit seinen Türmen, seinen stolzen Warten
Liegt Nürnberg vor des Wandrers Blicken da,
Der aus dem Forst „des Reiches Bienengarten,“
Sich einem Stadtgetrieb’ genüber sah,
Das Gute gut, das Schöne schön zu pflegen.
Welch eine Stadt! hier ragen Tempelhallen
Zum Himmel auf durch allen Erdendunst,
Bauhütten dort, drinn Meißelschläge schallen
Und überall ein froh geschäftig Leben,
Ein heitres Schaffen, rüstig Vorwärtsstreben.
Hoch – wie die Buchen in den Wäldern ragen,
Hoch – wie die Dome, die darnach erbaut,
Die früh schon all die Herrlichkeit geschaut,
Sich tränken durften an des Wissens Bronnen,
Im Strahl der Kunst, der göttlichen sich sonnen!
Drängt es begeistert zu der Weisheit Schwelle,
Die zu betreten nur dem Mann gewährt –
Nur eine Freistatt sieht sie für ihr Streben:
Im Kloster darf der Wissenschaft sie leben.
Sieht sie bedroht von rauher Außenwelt,
Drum hat im Klara-Kloster, sie zu hüten,
Sie sich den Himmelsblumen zugesellt,
Die zwischen Mauern wohlgeborgen stehen,
Den Himmel in dem eng begrenzten Raume,
Wie hohe Klostermauern ihn gewährt;
Der Reichsstadt Treiben weicht dem sanften Traume,
Der hier allein die Seelen wiegt und nährt.
Durch das der Nonnen Chorgesänge schallen.
Und draußen Wettersturm und sonnig’ Tagen,
Der frische Luftzug einer großen Zeit:
Sieghaft wird eine Geistesschlacht geschlagen
Daß endlich selbst die festen Klosterschranken
Zerbrochen sind durch leuchtende Gedanken.
Das selbst bedrängt ihr heiliges Asyl,
Fern wie ihr selbst das ganze Weltgewühl!
Und würden alle Klöster aufgehoben –
Ihr Widerstand besteht die härtsten Proben.
„Ich weiche nie aus diesen heil’gen Hallen,
So hört man ihre festen Worte schallen
Und läßt der Greisin die Entscheidung frei,
Im Kloster weilt sie bis des Todes Winken
Sie abruft freie Himmelsluft zu trinken.
Den Rosenkranz, das Muttergottesbild.
Noch wird der greisen Jungfrau Preis gesungen,
Die ihr Gelübde also treulich hielt:
Weil sie des Lebens Wonnen nie genossen,
2. Argula von Grumbach[2].
Argula hat des Lebens Glück genossen –
Die Liebe führte sie zum Traualtar,
Froh ward das heilig feste Band geschlossen,
Das „Ja“ entquoll der Lippe frei und wahr,
Ward ihr des Weibes schönstes Los auf Erden!
Nur wenig Jahre waren hingerauscht,
Da hat ihr junges Haupt den Wittwenschleier
Die blühnden Kinder wiegt als vaterlose
Die Trauernde auf ihrem Mutterschoße.
Im tiefen Schmerze möchte sie vergehen,
Sich flüchten aus dem öden Weltgewühl,
Zum Gatten auf im sehnenden Gefühl –
Doch ihre Kinder mahnen sie ans Leben,
Sie muß als Mutter, Vater für sie streben.
So sei das heil’ge Erbe angetreten!
Recht Handeln gilt ihr mehr als weinend Beten,
Und mehr als Dulden, Streben nach dem Licht;
Die Mutterpflicht gibt ihr den Mut, die Stärke,
Ihr Teil zu fordern an dem Fortschrittswerke.
Der kühne Luther, durch den Kampf mit Rom.
Auch ihr war ja die Bibel längst der Bronnen,
Aus dem sie schöpfte der Begeistrung Strom,
Die Kraft auf seine Seite sich zu stellen,
Tritt Argula aus ihrem Fraungemach
Hinaus ins Leben, so den Drang zu stillen
Der auch in ihr von Licht und Freiheit sprach;
Und hält für ihn, für Glaubensfreiheit Wache.
Sie sucht die Welt, nicht nur ein Stück vom Himmel,
Ihr Horizont ist unbegrenzt und weit.
Sie dient dem Ew’gen in der Welt Getümmel,
Sie fürchtet nicht, daß was im Innern blühe
In Sonn’ und Sturm und frischer Luft verglühe.
Sie sucht nicht im Gebet in Klostermauern
Des Gottes gnadenreiche Gegenwart;
Im Tempel der Natur geoffenbart;
So dient sie ihm bis auf des Todes Winken
Die treuen Hände segnend niedersinken.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Caritas Pirckheimer (1467–1532), Äbtissin des Nürnberger Klaraklosters
- ↑ Argula von Grumbach (um 1492-1568), evangelische Glaubensverfechterin und Reformatorin