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ADB:Menke, Heinrich Theodor

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Artikel „Menke, Heinrich Theodor“ von Max Berbig in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 316–318, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Menke,_Heinrich_Theodor&oldid=- (Version vom 17. November 2024, 03:51 Uhr UTC)
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Menke: Dr. Heinrich Theodor M., einer der bekanntesten und tüchtigsten Vertreter der historischen Geographie, geboren am 24. Mai 1819 in Bremen, † am 14. Mai 1892 in Gotha. Sein Vater war Gymnasialdirector in Bremen und auf der von ihm geleiteten Anstalt erhielt M. seine wissenschaftliche Vorbildung. Hierauf studirte er in Bonn Philologie und Theologie, zwei Studienzweige, die in jener Zeit häufig mit einander verbunden wurden. Infolge des gewaltigen Eindrucks, den das kurz vorher erschienene „Leben Jesu“ von David Strauß auf ihn und einen Theil der damaligen jüngeren Generation machte, richteten sich seine Studien speciell auf den Zusammenhang der griechischen Cultur mit der des Orients, und im J. 1842 promovirte er in Halle mit einer Dissertation über das alte Lydien. Kurze Zeit darauf fand er eine Anstellung als Lehrer an der Hauptschule in Bremen. In jener Zeit schloß er einen innigen Freundschaftsbund mit Hermann Allmers in Rechtenfleth a. d. Weser, dem bekannten Marschendichter, und übte auf diesen, der zwei Jahre jünger war als er, infolge seiner umfassenden, gründlichen Bildung einen weitgehenden Einfluß aus. Namentlich erweckte er in Allmers ein reges Interesse für Geographie, Culturgeschichte und Volkskunde, was diesen später zur Abfassung seines „Marschenbuches“ trieb. Werthvoll für beide Freunde wurde besonders auch eine Fußwanderung, welche sie 1845 durch Mittel- und Süddeutschland unternahmen. Da M. im Lehrerberuf wenig Befriedigung fand und sich ihm in demselben wenig günstige Aussichten öffneten, so gab er ihn nach fünf Jahren wieder auf und widmete sich in Berlin und Heidelberg juristischen Studien. Nach Ablegung der nöthigen Examina ließ er sich dann in Bremen und später in Vegesack als Rechtsanwalt nieder. Als echter Freund des Volkes fühlte er sich glücklich im Verkehr mit demselben und so ward er hauptsächlich der Anwalt kleiner Handwerker und Arbeiter, die er gegen Vergewaltigung durch die Reicheren und Höherstehenden schützte. Wol ward ihm infolgedessen reiche Liebe und Verehrung zu Theil, allein da ihm für die geschäftliche Seite seines Berufes das Interesse fehlte, vermochte ihn dieser auf die Dauer auch nicht zu fesseln. Seine reichen Kenntnisse in der historischen Geographie waren es nun, die ihm zu einer Thätigkeit verhalfen, welche ihn voll und ganz befriedigte und welche seinen Namen auch der Nachwelt werth machte.

Er knüpfte im J. 1851 Verbindungen mit Wilhelm Perthes, dem Besitzer [317] der weltbekannten geographischen Anstalt von Justus Perthes in Gotha an, und dieser veranlaßte ihn zu der Bearbeitung eines Atlas, der an Stelle des veralteten Stieler’schen Atlas der Alten Welt treten sollte. Derselbe erschien unter dem Titel: „Orbis antiqui descriptio“ und hatte einen bedeutenden Erfolg, sodaß alljährlich neue, stets revidirte Auflagen gedruckt wurden. M. blieb infolgedessen in steter Beziehung mit der Gothaer Anstalt, und da eintretende Schwerhörigkeit ihn an der Ausübung seiner juristischen Thätigkeit sehr zu hindern begann, gab er dieselbe endlich ganz auf und widmete sich ausschließlich kartographischen Arbeiten. Er begann im J. 1858 eine Neubearbeitung der dritten Auflage von Spruner’s „Atlas antiquus“, dessen erste Lieferung dann allerdings erst im Juli 1862 erschien. Dafür war diese Neubearbeitung auch in der ganzen Behandlung und Anlage so sehr von den beiden früheren verschieden, daß fast ein neues Werk entstand. Dreizehn ganz neue Platten wurden eingereiht und die übrigen besonders durch Hinzufügung einer beträchtlichen Anzahl neuer Nebenkarten völlig umgearbeitet. Der Atlas, der nunmehr 31 Karten umfaßte, wurde im August 1865 beendet. Auf Wunsch der Verlagshandlung war M. bereits im September 1864 ganz nach Gotha übergesiedelt und legte nun den Plan zur Neubearbeitung der II. Abtheilung des Spruner’schen Atlas, die mittlere und neuere Geschichte umfassend, vor. Dieselbe erfuhr eine noch viel größere Umwandlung, ja von Grund aus neue Herstellung, und so sah man sich genöthigt, sogar den Titel in „Handatlas für die Geschichte des Mittelalters und der neueren Zeit“ umzuändern. Die zweite Auflage hatte 73 Karten mit 119 Nebenkarten enthalten, von diesen sollten 27 Karten neu bearbeitet, 46 revidirt werden; ebenfalls war eine bedeutende Vermehrung der Nebenkärtchen in Aussicht genommen. Dieser Umfang erwies sich aber bald zu eng für die Masse des Materials, denn M. begann seine Arbeit ganz von vorn, knüpfte nicht an die Spruner’schen Karten an, sondern ging auf das gesammte ältere Material zurück. Im weiteren Verfolg dieser erschöpfenden und systematisch betriebenen Quellenstudien, die einen Zeitraum von mehreren Jahren in Anspruch nahmen, erweiterte sich daher der Plan des Werkes auf 90 ganz neue Karten mit 376 Nebenkarten. Die Herstellung des Atlas war ein Riesenwerk, und soviel auch vorgearbeitet war, es stellte sich mit der Zeit heraus, daß das gegebene Versprechen, alle drei Monate eine Lieferung erscheinen zu lassen, unhaltbar war. Es traten einige längere Unterbrechungen ein und statt 1876 wurde der Atlas erst im December 1879 durch Ausgabe der letzten Lieferung vollendet. Ein volles Jahrzehnt hatte er ein überreiches Maß von Zeichner- und Stecherkräften absorbirt und Schwierigkeiten aller Art hatten überwunden werden müssen. Spruner-Menke’s historischer Atlas ist aber auch nicht allein von der Kritik einstimmig als für die geschichtliche Wissenschaft von höchster Bedeutung bezeichnet, sondern geradezu als ein würdiges Denkmal deutscher Gelehrsamkeit und deutscher Kartographie hingestellt worden. Der weitaus überwiegende Theil desselben ist ausschließlich Menke’s Werk, nur gegen Ende der Bearbeitung mußten, um den Abschluß zu erreichen, einige auswärtige Gelehrte zur Mitarbeiterschaft herangezogen werden.

Mittlerweile war im J. 1866 auch ein Bibelatlas in 8 Karten von M. herausgegeben worden. Nunmehr, nach Beendigung des großen Atlas, übernahm er den Auftrag des königlich preußischen Staatsarchivs, ein Handbuch der historischen Geographie des alten Deutschen Reiches zu schreiben. Aus zahlreichen Archiven und Bibliotheken ward ihm massenhaftes Material zugänglich gemacht und mit großem Fleiße begann er die Arbeit. Allein durch ein gefährliches Uebel, das er sich durch langjähriges Stehen am Arbeitspulte [318] zugezogen hatte, und welches im J. 1882 die Amputation eines Fußes nöthig machte, ward leider seine Arbeitskraft so beeinträchtigt, daß das Werk unvollendet blieb. Der erste Band sollte 1893 druckfertig sein und an den anderen Bänden hatte M. fleißig vorgearbeitet, als ihm der Tod die Feder auf immer entwand. Die von ihm hinterlassenen sehr umfangreichen Manuscripte und Kartenentwürfe gingen in den Besitz des königlichen Staatsarchivs in Berlin über.

Persönlich war M. das Urbild eines deutschen Gelehrten; einerseits voller Sonderbarkeiten und einer gewissen Schroffheit, anderseits ein[WS 1] edler, geistreicher, dem Ideale zugewandter Mensch. Selbst eine nicht unbedeutende poetische Veranlagung besaß er, obwohl die Zahl seiner Dichtungen nur klein ist. Vor allem in seinen patriotischen Gedichten kennzeichnet er sich als echten Dichter und als den reinsten, liebenswürdigsten Charakter. Infolge seiner Schwerhörigkeit nahm er am öffentlichen Leben wenig Antheil und führte ein zurückgezogenes Gelehrtendasein im Kreise weniger näherer Bekannter und einer trauten Familie. Die Freude seines Alters bildete seine einzige, nach einjähriger Ehe wieder verwittwete, ihm geistig ebenbürtige, ungemein liebenswürdige Tochter.

An äußerer Anerkennung fehlte es M. nicht. Im J. 1872 erhielt er einen Ruf als Professor der Geographie nach Innsbruck, aber mit Rücksicht auf sein körperliches Leiden und auf sein Lebenswerk, den Handatlas, nahm er denselben nicht an. Seit 1877 gehörte er der Akademie der Wissenschaften zu München als correspondirendes Mitglied an und zahlreiche historische und geographische Vereine und Gesellschaften ehrten ihn in gleicher Weise. Auch Feldmarschall Moltke und sogar Napoleon III. sprachen ihm brieflich für seine Arbeiten ihre Anerkennung aus.

Vgl. Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik, Jahrgang XV, Heft 4, S. 184. – Hinrichsen, Das litterarische Deutschland, S. 395. – Die Jubiläumsschrift: Justus Perthes in Gotha 1785–1885, S. 94 u. 95.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: eiu