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Auf den Gräbern von Sadowa

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Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Auf den Gräbern von Sadowa
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aus: Die Gartenlaube, Heft 47, S. 747–751
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1867
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Denkmäler nach der Schlacht bei Königgrätz
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Auf den Gräbern von Sadowa.


„Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern.“ – „Nicht Pommernland, nicht Schwabenland“ etc., sondern „sein Vaterland muß größer sein.“ Nicht irgend ein Theil, sondern das ganze Vaterland! Wir haben’s seit einem halben Jahrhundert uns oft genug gelobt und gesungen und dabei nach dem Siegesjubel aus den massenhaften Gräbern von Leipzig und Waterloo statt der gehofften Einheit und Freiheit unheimliche Gespenster aufsteigen und Fleisch und Blut, Criminalbeamte werden sehen, welche die schwarz-roth-goldenen Jünglinge des Einheits-Enthusiasmus bei Nacht und Nebel aus ihren Betten zerren, in elende Kerker verschließen und Jahre lang als Verbrecher schmachten ließen, weil sie es mit den Errungenschaften der gefallenen Helden der Freiheitskriege und den darauf begründeten Verheißungen der Fürsten ehrlich und ernstlich nahmen. Und so mußten wir ein halbes Jahrhundert später die Kinder und Enkel dieser Märtyrer und der massenhaft ausgestreuten Einheitssaaten wieder in den Krieg ziehen und tausendweise fallen und begraben oder als elende Krüppel zurückkommen sehen, um der deutschen Einheit eine neue Geburtsstätte zu erobern. Und nun sind doch wohl wirklich diese Gräber zwischen den Hügeln Böhmens zur Wiege dieser Einheit geworden? Wir wollen sehen, wir hoffen es, wir arbeiten dafür.

Auf den nur oberflächlich bedeckten Gräbern der Gefallenen soll sich des Nachts zuweilen ein unheimliches, geisterhaftes Licht von entzündeten Verwesungsgasen gezeigt haben. Das war eine leichenhafte Verklärung und Auferstehung, vorwurfsvoll für die Ueberlebenden, aber darin bekundete sich wenigstens das Bestreben der Natur, die Gifte der Verwesung durch läuterndes Feuer zu vertilgen und wieder in wohlthätige Kräfte aufzulösen. Die neue deutsche Einheitspolitik, welche aus diesen Gräbern auferstand, flackert auch noch vielfach in diesem unheimlichen Lichte und wird einen ähnlichen Proceß durchzumachen haben, um die in ihr entzündeten Verwesungsgase in wohlthuende und befruchtende Genien des neuen Geistes umzuwandeln.

Um dieses neuen Lebens und Strebens willen, für welches wir nun schon so lange gearbeitet, gelitten und die theuersten Opfer gebracht haben, sind diese Gräber für die ganze deutsche Nation ein Heiligthum geworden. Tausende der Ueberlebenden und Hinterlassenen der Sieger und Besiegten wandeln und trauern noch oft im Geiste oder wirklich zwischen denselben. Ganze Schaaren unseres Volkes und von Ausländern sind über diese Schlachtfelder gezogen, um an Ort und Stelle zu sehen, wie die mörderischen Kämpfe sich entwickelten und entschieden wurden. Dankbarkeit, Patriotismus und Hoffnung haben diese Gräber geschmückt und Denkmäler auf ihnen errichtet – eherne und massive Ausrufungszeichen für die Pflichten, welche die Gefallenen uns vererbt und deren Erfüllung die Geister unserer historischen Entwickelung zur heiligsten Aufgabe des deutschen Volkes erhoben haben. Die Oesterreicher und Sachsen gingen den Preußen in dieser monumentalen Dankbarkeit voran und weiheten ihre Denkmäler am Jahrestage der Schlacht von Königgrätz mit sehr glänzender und wohl zu heiterer Volksfestlichkeit ein, während sich die Preußen darauf beschränkten, erst viel später – im October – ihr Königgrätz-Denkmal in sehr einfacher und fast nur kirchlicher Weise zu enthüllen und zu weihen, wobei die eingeladenen österreichischen Officiere ungeachtet aller ihnen gebotenen Versöhnlichkeit nur wenig Miene machten, dem Geiste deutscher Einheit und Brüderlichkeit zu huldigen.

Ich will aus eigener Anschauung die wesentlichen Züge der österreichischen und sächsischen Feierlichkeiten für die Leser der Gartenlaube und für zukünftige Geschlechter hier aufzeichnen und ihnen mit Hülfe von Zeichner und Holzschneider einige dieser Denkmäler vor die Augen stellen.

In der drückendsten Hitze verließ ich am 2. Juli Nachmittags [748] die Festung Königgrätz und blickte hinauf nach der weit und breit umher gesehenen Kirche des Dorfes Chlum, dieses neuen Reimes zu „Ruhm“, wie Fontane sang. Auf dem Wege hinauf ragten noch

Sächsisches Denkmal bei Problus.

Anzeichen der Verheerungen des mörderischen Kampfes zwischen heiteren Linden und Obstbäumen hervor, zerrissene Zäune, zerschmetterte Aeste, Bruchstücke von Geschützkugeln etc., aber die meisten Gräber waren entweder von der Natur grün oder von dankbaren Menschen mit Blumen oder einfachen schwarzen Brettern geschmückt worden und ragten wie neues Leben aus den üppigen Weizenfeldern hervor. Oben von der Höhe sah ich Königgrätz mit seinen sieben Thürmen, vergoldet von der sinkenden Sonne, heraufglänzen. Ueber den Kirchhof von

Ansicht des Schlachtfeldes mit Sadowa von den Schanzen bei Chlum aus gesehen, den 3. Juli 1867.

Chlum hinweg begab ich mich nach den Schanzen, von welchen ich voriges Jahr am Vormittage des vierten Juli über die zerstampften und mit Leichen bedeckten Gefilde des Schlachtfeldes geblickt hatte. Wie anders sahen sie heute aus! Auf der Abdachung

Gräber der preußischen Officiere v. Puttlitz und v. Pannewitz an der Chaussee von Sadowa.

nach Lipa zu erhob sich das würdige österreichische Denkmal von Sandstein, einer offenen, mit Nadelhölzern umgrünten Tribüne gegenüber, rings herum Tische, Bänke, fröhliche Arbeiter und Mädchen, Kränze und Guirlanden windend. Von der Chaussee

Sächsisches Denkmal auf dem Berge vor Gitschin.

herauf ein buntes Gewimmel von festlich geschmückten Landleuten, Musikanten, Straßen-Komödianten und Bettlern, welche jetzt in Böhmen jeder Festlichkeit eine eigenthümliche Färbung verleihen. Ich drängte mich durch bis zum Wirthshause zum blauen Stern, am Ende von Lipa oberhalb der berüchtigten Ziegelei, wo voriges Jahr die furchtbare Musik der Amputationssäge und das Wimmern der Verwundeten die Lüfte durchdrangen. Und heute jubelten Tanzmusik, jauchzende Volksmassen, Leierkasten, Pauken, Trompeten und Harfen, die mir es lange unmöglich machten, meine Nachtruhe zu finden. Am folgenden Morgen besuchte ich trotz des plätschernden Regens die Ziegelei, voriges Jahr um die Zeit ein rauchender Schutthaufen, heute wieder erbaut

Gräber im Kornfelde auf der Höhe hinter der Kirche zu Chlum den 3. Juli 1867.

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Preußischer Denkstein am Saume des Waldes von Sadowa.

und voller österreichischer Soldaten; rings umher üppig wogende Felder von Hafer, Gerste, Kartoffeln, die aus dem Blute der hier gefallenen Menschen und Pferde ein dunkel gefärbtes, üppiges Gedeihen sogen. Um die Scheunen des Wirthshauses herum ruhen die Leichen von zwanzig österreichischen Officieren unter mehreren Hügeln mit Holzkreuzen, die heute weit und breit von Schaubuden, Caroussels, Verkaufstischen mit Fleisch, Backwaaren, Heiligenbildern, Kirschen, Getränken und Gläsern, schmausenden und trinkenden Volksmassen umgeben waren. Bei Lipa über der Chaussee drüben unterhalb der Schanzen hatte die Kriegsfurie ihre furchtbaren Brandfackeln am wüthendsten geschwungen, allein der Natur und menschlichem Fleiße war es gelungen, fast alle Spuren, wenn nicht zu vertilgen, so doch mit einem wohlthätigen Schleier zu verhüllen.

Kirche zu Chlum am 3. Juli 1867 nebst Grabmälern des Grafen Grünne und Potschachers.

Granatsplitter, Kartätschen- und Gewehrkugeln, österreichische Adler und sonstige Reliquien des mörderischen Kampfes wurden in Lipa und Chlum lebhaft feilgeboten und zwar für ziemlich mäßige Preise: vollständige österreichische Granate sechszehn, preußische neunzehn bis zwanzig Silbergroschen; Zündnadelgewehr sieben, Säbel zwei Gulden; österreichischer Adler drei, Spitze einer crepirten Granate zwei Silbergroschen; kleinere Granatsplitter schon von sechs Pfennigen an. In dem Hause des Kaufmanns Fränkel waren diese Reliquien centnerweise feil, und da sie auch vorher und nachher lebhaft gekauft wurden, wollen wir gern annehmen, daß sie für die Käufer einen talismanischen Werth haben und dazu beitragen, die Vermächtnisse und Errungenschaften der Gefallenen uns als Pflichten zuzurufen. Man treibt noch heute in Mekka und Medina, in Jerusalem und

Ansicht des Dorfes Chlum und Lipa den 3. Juli 1867.

Großes österreichisches Denkmal auf der Höhe zwischen Chlum und Lipa.

anderen heiligen Orten einen lebhaften Handel mit Splittern und Abfällen, Erinnerungszeichen und Andenken an die Gräber und die geweihten Stätten unserer Heilande, und der Glaube des Volkes hält sie für Schutzmittel gegen allerhand Krankheiten und Anfechtungen des Bösen. Möge ein vernünftigerer Glaube diesen Reliquien von den böhmischen Schlachtfeldern einen höheren Werth sichern und uns behülflich sein bei redlicher Arbeit für Verwirklichung unserer Einigungs- und Befreiungsbestrebungen!

Ich begab mich um zehn Uhr unter strömendem Regen nach dem Festplatze zurück, wo das sechsunddreißig Fuß hohe Denkmal als weißer Sandstein-Obelisk, nun vollendet und geschmückt, bedeutungsvoll aus der bunten Menge empor in den Himmel wies. Ueber dem Unterbau erhebt er sich zwischen vier kleinen Würfeln mit Schildern, aus Quadern zusammengesetzt, mit stumpfer Spitze; innerhalb desselben sieht man hinter eisernem Gitter einen einfachen Altar mit Crucifix und über der Eingangsthür die Inschrift: „Den heldenmüthigen Kriegern Oesterreichs und Sachsens. 3. Juli 1866“. Es ist aber weder das Werk der österreichischen Regierung noch des Volks, sondern des Ritters von Liebig, Eigenthümers eines großen Theiles des Königgrätzers Schlachtfeldes, der es aus eignen Mitteln für etwa zehntausend Gulden errichten ließ. Die Festlichkeit selbst ist in den Zeitungen ziemlich ausführlich geschildert worden.

Gleichzeitig wurde das sächsische Denkmal bei Problus eingeweiht, ein einfacher, sechsundzwanzig Fuß hoher Obelisk, ebenfalls aus Sandstein und mit der Inschrift im Sockel: „Das königlich sächsische Armeecorps seinen am 3. Juli 1866 auf dem Felde der Ehre Gefallenen.“

Preußisches Denkmal bei Cistowes den 3. Juli 1867.

[750] Das steinerne Ausrufungszeichen und der Kirchthurm von Problus dahinter schienen wie drohende Finger gegen das lärmende Schmausen und Jauchzen unten den Himmel anzurufen und mich hinwegzuweisen aus diesem schreienden Widerspruche. Ich folgte dieser Mahnung und begab mich zu den Gräbern der Preußen, der tapferen Erstürmer von Chlum. Sie lagen unter ihren blühenden Hügeln zwischen wogenden Getreidefeldern auf der Anhöhe der weit und breit umherschauenden Kirche des Dorfes. Nur ein Fußweg führte durch das Getreide, dessen Besitzer von den Wallfahrern einen Zoll erhob. Die Gräber liegen in einer Reihe und waren meist nur mit dünnen, schwarzen Holzkreuzchen bezeichnet und von der gütigen Natur mit blauen Kornblumen, Camillen, Disteln und anderen wilden Feldblumen geschmückt worden. Vielleicht sieht es jetzt dort besser aus; an dem Tage meines Besuches fand ich die Ruhestätten auch der berühmtesten Helden ziemlich vernachlässigt. Die beiden ersten Gräber von Chlum aus sind mit Kreuzen ohne Namen bezeichnet. Zwischen diesen erhob sich ein kleines steinernes Denkmal des Jaroslav Jicieski. Im vierten Grabe ruht unter einem schwarzen Holzkreuze von Pape, im fünften unter einer Marmortafel Oscar Vogelnei vom Garde-Füsilier-Regiment, im sechsten Hans von Malzan unter einem schwarzen Kreuze und vertrockneten Immergrünkränzchen. Neben ihm ruhen die Gebeine des wahren Helden von Chlum, des Generals Hiller von Gärtringen, der mit seiner ersten Garde-Division zuerst in den Mittelpunkt des Feindes einbrach, sich dadurch zum Herrn des Schlüsselpunktes der ganzen feindlichen Armee machte und diese kühne That mit seinem Blute erkaufte, dessen sterbender Blick seine Krieger zur höchsten Tapferkeit entflammte, so daß sie die österreichische Reserve todesmuthig zurückschlugen. Diese Besetzung der die ganze Gegend umher beherrschenden Höhe von Chlum gilt wohl mit Recht als die erste Entscheidung zu dem großen, welthistorisch gewordenen Siege. Und wie einfach und schmucklos ragte nun das Grab dieses Helden mit dem schwarzen Holzkreuze und den wenigen Ranken Immergrün hervor! Auch der achte Hügel mit schwarzem Kreuze, das Grab von Helldorf’s, zeigte keine besondern Spuren von Dankbarkeit, und die folgenden drei Gräber, nur rohe Erdhügel, trugen Kreuze ohne Namen und Anstrich. Die zwei großen viereckigen Hügel neben dieser Reihe mit zwei Holzkreuzen ohne Inschriften sind die irdische Decke für die größte Zahl der im Umkreise gefallenen Mannschaften.

Jetzt sieht es dort jedenfalls würdiger für das Andenken dieser Helden aus, doch kenne ich das Denkmal noch nicht, welches Preußen im October hier errichtete und weihete. Damals konnte ich nur mit bitterer Wehmuth auf die verwilderten Hügel dieser gefallenen Helden blicken. Ich gedachte der in den Lazarethen schlesischer Städte gestorbenen Mannschaften. Freund und Feind wurden dort mit gleicher Liebe gepflegt, und die Gestorbenen ruhen unter sorgfältig beras’ten, mit Blumen und Cypressen, auch meist mit Denksteinen geschmückten Hügeln, Freunde und Feinde und auch gemeine Soldaten. Und das Grab des Mannes, der den Sieg dieses glorreichen Tages mit seinem Tode eröffnete, trug nur ein einfaches Holzkreuz mit einem einzigen verwitterten Kranze! Doch die preußische Nation hat ja nun einen Tribut der Dankbarkeit aufgerichtet. Kein besserer Ort für ein Nationaldenkmal zur Erinnerung an diesen ewig denkwürdigen Sieg, als dieser kleine Kirchhof auf der Höhe von Chlum, von welcher man das ganze Schlachtfeld bis nach Horzic und Königgrätz nach dem Elbthale von Schmierschütz abwärts und bis herauf nach Klenitz und Sadowa überschauen kann, wie man von unten auf Meilen weit umher die Kirche und etwa ein hundertundfünfzig Fuß hohes Denkmal deutlich gen Himmel zeigen sehen kann. Von hier aus genießt man auch die beste Aussicht auf die fast verworrenen Labyrinthe von Berg und Thal, von Wald und Feld, Wegen und Stegen, Flüssen und Bächen, zwischen welchen sich die berühmte, entscheidende Schlacht hin und her schob. Durch persönlichen Augenschein an Ort und Stelle kann man sich nur sehr schwer ein klares Bild von diesem Labyrinthe verschaffen, so daß es allen den Tausenden, welche hier gekämpft oder liebe Angehörige verloren haben, und überhaupt Allen, die aus strategischen, historischen oder patriotischen Gründen sich das Schlachtfeld deutlich vergegenwärtigen wollen, erfreulich sein wird, zu hören, daß das große Reliefbild des Schlachtfeldes, welches der preußische Generalstab nach den genauesten Messungen für den König von Preußen von dem Bildhauer H. Walger anfertigen und ausführen ließ, von demselben Künstler in kleinerem Maßstabe, aber mit wohl noch nie erreichter Klarheit und wissenschaftlicher Genauigkeit für den Kunsthandel vervielfältigt und als würdiger Zimmerschmuck, schön umrahmt, uncolorirt für zehn, colorirt für sechszehn Thaler, dem großen Publicum zugänglich gemacht worden ist.[1]

Wenige Schritte von dieser welthistorischen Höhe erhebt sich das große gußeiserne Kreuz, welches die Fürstenberg’sche Familie den gefallenen Kämpfern Oesterreichs errichten ließ. Dicht an der Kirche von Chlum, die noch manche Spuren des mörderischen Kampfes zeigte, ruhen die Gebeine des jugendlichen österreichischen Majors Grünne und des Generals Potschacher, ersterer unter glänzendem Marmorkreuze mit Traueresche, der letztere unter einem mit einfacherem Kreuze, aber damals frischen und lieblichen Blumenkränzen geschmückten Grabhügel.

Von der Flügelschanze bei Chlum mit dem Dorfe rechts im Vordergrunde warf ich noch einen Abschiedsblick über das blutgetränkte Thal des Bistritzbaches und suchte es durch Zeichnung für die Gartenlaube festzuhalten. Man blickt von der größten Anhöhe zwischen Königgrätz und Sadowa nach letzterm Orte hinunter in das Anfangs steil, dann terrassenförmig abfallende und wieder ansteigende Thal mit Sadowa auf der linken Seite der Mitte unter hohen Pappeln, darüber hinaus die Chaussee zwischen Millowitz und Horzic, links von Sadowa die zu Dohalice gehörigen Fabrikgebäude, darüber hinaus das Dorf Mschan und die Kirche von Stratschow; ganz im Hintergrunde, sechs Meilen weit, die beiden Spitzen des Berges Trosky zwischen Gitschin und Turnau.

Vor Sadowa läuft die Chaussee nach Lipa, auf deren linker Seite der Wald von Sadowa selbst zu einem blutgetränkten Denkmale der mörderischen Schlacht geworden ist. Von Sadowa aus rechts windet sich das Bistritzthal, aus dessen bewachsenen Ufern die Dörfer Sowietiz, Benatek und Hniewschowes hervorblicken. Unter den Schanzen rechts steigt das Dorf Cistowes mit seinem kleinen steinernen Obelisk hervor, dem Denkmale für das tapfere preußische siebenundzwanzigste Regiment, welches beim Erstürmen dieses brennenden Dorfes sich zum großen Theile aufopferte. Jenseits desselben erhebt sich der Thum-Platz, die bewaldete Anhöhe mit den zwei alten berühmten Bäumen, auf welche der Kronprinz von Königinhof aus nach dem Schlachtfelde vordringend seine ermüdeten Krieger hinwies, um ihnen das Ziel für den entscheidenden Kampf zu zeigen.

Auf dem Wege nach Sadowa durchschritt ich den Hinterhalt der österreichischen Jäger, wo sie aus Hunderten von Laubhütten ihre sicheren Geschosse auf die andringenden Preußen richteten. Die Weizenfelder waren durch die stürmenden Massen festgestampft und mit allerhand Kriegsgeräth, Waffen, wimmernden Verwundeten und stillen Leichen übersäet, der Wald von Granaten und Kartätschen zerschmettert. Heute erkannte ich kaum noch Spuren dieser entsetzlichen Gräuel und Verwüstungen; der Landmann hatte seine Furchen über die blutgetränkten Fluren gezogen, und Weizen, Korn und Gerste nickten wohlgefällig im sonnigen Winde.

Am Saume des Waldes steht ein roher Stein mit Inschrift und kleinem goldenen Adler, überschattet von einer alten Eiche und einer Trauerbirke. Weiter hinwärts, dicht an der Chaussee bezeichnen zwei andere preußische Monumente die Gräber der Officiere v. Puttlitz und v. Pannewitz, und ein Riesengrab davor enthält die Gebeine der hier gefallenen Mannschaften ohne Namen. Von der nahen Anhöhe bei Klenitz genießt man einen klaren Ueberblick des Schlachtfeldes von der entgegengesetzten Seite.

Am andern Morgen besuchte ich das an der Chaussee nach Turnau gelegene Schlachtfeld, wo die Sachsen auf dem schönsten Berge ihren gefallenen Cameraden ein Denkmal errichtet haben, einen vierundzwanzig Fuß hohen eingegitterten Sandstein-Obelisk mit dem sächsischen Wappen und der Umschrift: „Virtuti in bello providentiae memor.“

Seitdem sind noch mehr Denkmäler hinzugekommen, ganz neuerdings auch der die Chlumer Höhe zierende, dem Andenken der österreichischen und sächsischen Gefallenen errichtete Ehrenstein, und [751] manche Gräber, in denen gefallene Krieger massenweise geschichtet ruhen, sind und bleiben nur von dem Schleier der Natur bedeckt, lachenden Blumen und Feldfrüchten im Sommer und während des Winters einem von dem Obersten der Götter gewebten weißen Leichentuche. Steinerne Denkmäler werden sich nicht über ihren Gebeinen erheben, und auch die Zahl derer, welche die Dankbarkeit der Ueberlebenden errichtete und weihte, sind nur todte Steine und werden verwittern. Wir selbst, wir, das deutsche Volk, müssen unseren gefallenen Brüdern und auch den Feinden ein lebendiges und das einzig würdige Denkmal setzen; wir müssen uns die Einheit und Freiheit erringen und den Helden dieser Freiheitskriege durch einen dauernden Freiheitsfrieden in zunehmender Einigkeit und Gemeinsamkeit für alle gesunden Bestrebungen und Ideale des deutschen Volkes thatkräftig Dankbarkeit beweisen und sie ehren.

Von den Gestaden der Ost- und Nordsee herauf durch ganz Deutschland hindurch bis in die österreichischen und Tiroler Gebirge und wieder hinunter bis zum adriatischen Meere, von der russischen bis zur französischen Grenze trauern die Angehörigen dieser gefallenen Krieger und weinen und wimmern wohl noch manche stille Nacht hindurch im Geiste über diesen Gräbern und um die steinernen Ausrufungszeichen herum. Und fast unzählige Krüppel mit fehlenden Händen oder Füßen, verstümmelten Gesichtern und sogar ganz ausgeschossenen Augen hinken an Krücken und Stäben, aus ihrer kräftigen Jugend plötzlich zur Hülflosigkeit der Greise herabgesunken, als warnende Mahnrufe durch das ganze neue Deutschland hindurch.

Diese blutigen Saaten, so verschwenderisch gesäet, müssen jetzt endlich Früchte tragen. Diesen zahllosen Invaliden und Trauernden sind wir einen bleibenden Trost, eine würdige Entschädigung schuldig. Nur mit unserer würdig verwirklichten Einheit und der daraus hervorblühenden Freiheit können wir sie trösten und die Todten ehren.

Alle schuldige Achtung vor diesen steinernen Denkmälern, aber nur unser Leben, unsere heldenmüthige That für die Einheit und Freiheit, für welche deutsche und böhmische Erde so massenhaft und furchtbar mit Blut gedüngt ward, kann und darf ihnen ein Ehrendenkmal und uns Lebenden zum wahren Tribute der Dankbarkeit werden.

Vergessen wir es nicht; denn obgleich die Todten da unten ganz still liegen und ruhig verwesen, stehen sie doch, schlecht begraben, nicht blos als tödtliche Gase wieder auf, sondern aus den entweihten Gebeinen erheben sich Rächer, welche sich vor den stärksten Kriegsheeren nicht fürchten und mit unüberwindlicher Geisterhand ganze Nationen aus dem Buche der Geschichte streichen, um sie einem langsamen Tode der Ohnmacht und Verachtung zu überantworten.

Irret Euch nicht, Gott in der Geschichte läßt sich nicht spotten!




  1. Diese meisterhaften, in feinstem Gyps ausgeprägten Reliefbilder des Schlachtfeldes von Königgrätz, Gitschin etc. sind in der Kunst- und Kartenhandlung von D. Reimer in Berlin erschienen; das letzte hat ohne Rahmen einen Umfang von mehr als zwei Fuß Quadrat und ist genaue Copie des großen Reliefs von sechsundzwanzig Fuß Quadrat.