Das Relativitätsprinzip (Minkowski)
Von der elektromagnetischen Lichttheorie ausgehend, scheint sich in der jüngsten Zeit eine vollkommene Wandlung unserer Vorstellungen von Raum und Zeit vollziehen zu wollen, die kennen zu lernen für den Mathematiker jedenfalls von ganz besonderem Interesse sein muß. Auch ist er besonders gut prädisponiert, die neuen Anschauungen aufzunehmen, weil es sich dabei um eine Akklimatisierung an Begriffsbildungen handelt, die dem Mathematiker längst äußerst geläufig sind, während die Physiker jetzt diese Begriffe zum Teil neu erfinden und sich durch einen Urwald von Unklarheiten mühevoll einen Pfad durchholzen müssen, indessen ganz in der Nähe die längst vortrefflich angelegte Straße der Mathematiker bequem vorwärts führt. Überhaupt würden die neuen Ansätze, falls sie tatsächlich die Erscheinungen richtig wiedergeben, fast den größten Triumph bedeuten, den je die Anwendung der Mathematik gezeitigt hat. Es handelt sich, so kurz wie möglich ausgedrückt — Genaueres werde ich alsbald ausführen — darum, daß die Welt in Raum und Zeit in gewissem Sinne eine vierdimensionale nichteuklidische Mannigfaltigkeit ist. Es würde zum Ruhme der Mathematiker, zum grenzenlosen Erstaunen der übrigen Menschheit offenbar werden, daß die Mathematiker rein in ihrer Phantasie ein großes Gebiet geschaffen haben, dem, ohne daß dieses je in der Absicht dieser so idealen Gesellen gelegen hätte, eines Tages die vollendetste reale Existenz zukommen sollte.
Das Prinzip der Relativität, über das ich Ihnen heute referieren will, ist ersonnen zur Erklärung dafür, daß alle Versuche, eine Bewegung der Erde relativ zum Lichtmedium, zum Äther, zu konstatieren, notwendig mißlingen müssen. Soweit bei den Experimenten nur Größen von der Ordnung des Quotienten der Geschwindigkeit der Erde im Sonnensystem und der Lichtgeschwindigkeit zur Beobachtung kommen sollten, ergibt sich die Unmöglichkeit, durch Versuche an der Erdoberfläche die Richtung der Erdbewegung festzustellen, schon bloß auf Grund des Umstandes, daß zur Vergleichung von Uhren an zwei Punkten notwendig Signale hin und zurück laufen müssen. Aber A. Michelson hatte 1881 einen Versuch angestellt (1887 mit Morley in größerem Maßstabe), der auf die Wahrnehmung einer Größe zweiter Ordnung in jenem Quotienten abzielte und ebenfalls ein negatives Ergebnis hatte. Zur Erklärung auch dieses negativen Resultates formulierte H. A. Lorentz (1892) und andererseits Fitz Gerald (1893) die Hypothese, daß infolge der Erdbewegung eine ganz bestimmte Kontraktion der Materie parallel der Erdbewegung statthätte. Aus dieser höchst seltsam klingenden Hypothese hat sich dann schließlich das Postulat der Relativität in einer Form herausentwickelt, die dem Verständnis des Mathematikers besonders gut zugänglich ist. Verdienste um die Ausarbeitung des allgemeinen Prinzips haben Einstein, Poincaré und Planck, über deren Arbeiten ich alsbald Näheres sagen werde.
Indem ich nun endlich zur eigentlichen Sache selbst komme, habe ich meine Ausführungen in vier Teile zu gliedern, die ich durch die Schlagworte: 1. Elektrizität, 2. Materie, 3. Dynamik, 4. Gravitation bezeichnen möchte.
1.
An erster Stelle handelt es sich um Konstatierung einer rein mathematischen Beziehung, nämlich eines gewissen formalen Charakters derjenigen Differentialgleichungen, welche Lorentz als Grundlage seiner Elektronentheorie nimmt und welche das Verhalten des elektromagnetischen Feldes im reinen Äther wie in dem von Elektrizität erfüllten unendlichen Raume regeln. Diese Grundgleichungen besitzen, außer daß sie natürlich von der Wahl eines rechtwinkligen Koordinatensystems im Raume unabhängig sind, noch eine gewisse weitere Symmetrie, die bei der gewöhnlichen Schreibweise nicht zum Ausdruck gebracht wird. Ich will hier, was übrigens bei keinem der genannten Autoren, selbst nicht bei Poincaré, geschehen ist, jene Symmetrie von vornherein zur Darstellung bringen, wodurch in der Tat die Form der Gleichungen, wie ich meine, äußerst durchsichtig wird. Es seien x, y, z feste rechtwinklige Koordinaten im Raume, im Äther, und t die Zeit. Es wird sich in der Folge um den quadratischen Ausdruck handeln, unter c die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes im leeren Raume verstanden. Die Zeiteinheit mag so gewählt werden, daß wird, d. h. also Sek. bei der Längeneinheit 1 cm. Es soll nun statt x, y, z geschrieben werden, und ferner soll für it gesetzt werden. Es ist dann natürlich im folgenden immer eine rein imaginäre Größe. Jener quadratische Ausdruck geht in die Form
über, und wir werden es nun mit Gebilden in der vierdimensionalen Mannigfaltigkeit der zu tun haben. Der ganze elektromagnetische Zustand im Raume zu jeder Zeit läßt sich nun durch das Verhalten eines einzigen vierdimensionalen Vektors darstellen. Seine Komponenten seien . Dabei sind wieder reell und ist rein imaginär. In den Bezeichnungen, die Abraham in seiner elektromagnetischen Theorie der Strahlung hat, sind die Komponenten des elektromagnetischen Vektorpotentials , und es ist und das skalare elektromagnetische Potential. Dieser Vektor () hat nun in seiner Abhängigkeit von die folgende Bedingung zu erfüllen:
(1) | . |
gebraucht; jetzt mögen die Verbindungen
mit bezeichnet werden, wobei allgemein und bei gleichen Indizes ist. Jetzt gelten die folgenden Differentialgleichungen
(2) | , |
und aus der Gleichung (1) folgt offenbar , d. i. die Kontinuitätsgleichung der Elektrizität. Endlich identifizieren sich sukzessive
mit
wobei , die Komponenten der elektrischen, , die Komponenten der magnetischen Feldstärke vorstellen. Diese gewiß äußerst leicht aufzufassenden Formeln sind der vollständige Ausdruck der Lorentzschen Grundgleichungen, enthalten natürlich im speziellen, wenn der Vektor gesetzt wird, die Maxwellschen Gleichungen für die elektromagnetischen Vorgänge im reinen Äther. Endlich werden nun auch die gewöhnlich etwas künstlich aussehenden Ausdrücke für die an den Ladungen angreifenden ponderomotorischen Kräfte des Feldes äußerst übersichtlich. Es seien X, Y, Z die Komponenten dieser Kraft, pro Volumeneinheit (nicht etwa pro Ladungseinheit) berechnet, so hat man neben diesen Größen als vierte noch die Arbeitsleistung der Kraft pro Sekunde in Betracht zu ziehen:
dann sind X, Y, Z, iA die vier Komponenten eines vierdimensionalen Vektors , wobei allgemein
und dabei während der Bewegung der Elektrizität nun stets
ist. Bei diesen Gleichungen, namentlich wie ich sie umgeschrieben habe, liegt nun eine mathematische Tatsache auf der Hand, an die hernach das Relativitätsprinzip anknüpft. Werden nämlich statt x, y, z, t neue Koordinaten x', y', z', t' durch eine rein reelle lineare Transformation eingeführt, so daß dabei der Ausdruck kurz gesagt invariant bleibt, und transformiert man entsprechend wie den Vektor , so bleibt das ganze System der aufgestellten Formeln in den entsprechenden gestrichelten Zeichen erhalten. Wir können also als reine Trivialität, d. h. ohne daß damit ein neues, vorher noch nicht enthaltenes Gesetz behauptet würde, angeben, daß die Grundgleichungen der Elektronentheorie die orthogonalen Transformationen des vierdimensionalen Raumes zulassen.
2.
Wenden wir uns nun weiter zur Betrachtung von Materie. Wir werden es einmal mit der Elektrodynamik, dann mit der Mechanik zu tun haben. Hier stellen wir uns auf den Standpunkt, die zutreffenden physikalischen Gesetze sind uns noch nicht völlig bekannt. Eines Tages würde vielleicht eine Zurückführung auf reine Elektrizitätslehre möglich sein; aber schon jetzt geht insbesondere aus dem Michelsonschen Versuche hervor, daß, wie sich Einstein prägnant ausdrückt, dem Begriffe der absoluten Ruhe keine Eigenschaften der Erscheinungen entsprechen. Und diese Tatsache wird sich einfach erklären lassen, wenn wir annehmen, daß auch die Gleichungen der Elektrodynamik der Materie jedenfalls von solcher Art sind, daß sie ebenfalls bei jener von Poincaré nach Lorentz benannten Gruppe invariant bleiben. Hier tritt nun das Relativitätsprinzip als ein wirkliches neues physikalisches Gesetz ein, indem es über noch gesuchte Gleichungen für Erscheinungen eine Forderung stellt. Zu welchen Folgerungen dieses Postulat führt, soll nun erörtert werden. Bei der Betrachtung der Materie haben wir nun vor allem einen neuen Vektor als Funktion von x, y, z, t ins Auge zu fassen, die sichtbare Geschwindigkeit der Materie an jeder Stelle. Es seien die Komponenten der Geschwindigkeit an einer Stelle der Materie, w die Größe der Geschwindigkeit, so würde ein Vektor im Raume dem nur bei wirklicher Bewegung, nicht jedoch im Falle der Ruhe entsprechen. Ich will nun aber statt dessen einen vierdimensionalen Vektor in Betracht ziehen; ich nehme gleich das wesentliche Resultat vorweg, daß Geschwindigkeiten der Materie gleich oder größer als die Lichtgeschwindigkeit sich als ein Unding erweisen, daß also stets sein muß. Nun setze ich
so ist stets ein Punkt auf der Fläche
oder, wenn Sie wollen, auf
(3) | , |
und repräsentiert zugleich den vierdimensionalen Vektor vom Nullpunkt nach diesem Punkte; und es entspricht auch der Geschwindigkeit Null, der Ruhe, ein wirklicher derartiger Vektor. Die nichteuklidische Geometrie, von der ich schon unbestimmt sprach, entwickelt sich nun für diese Geschwindigkeitsvektoren. Die Transformationen, von welchen ich vorhin sprach, werden die reellen Transformationen dieses vierdimensionalen Hyperboloids (3) auf konjugierte Durchmesser, und da ist es vor allem klar, daß man als ersten, als t-Durchmesser, den Strahl nach einem beliebig vorgegebenen Punkte dieser Fläche einführen kann; es handelt sich hier um Transformationen, bei denen nicht bloß die Koordinaten des Raumes transformiert werden, sondern gleichzeitig, und im bestimmten Zusammenhange damit, auch die Zeit. Insbesondere kann dadurch, wie wir eben sahen, der Geschwindigkeitszustand eines beliebigen einzelnen Punktes der Materie auf Ruhe transformiert werden, und wenn dieses geschehen ist, bleibt nachher durch die Wahl der drei anderen konjugierten Durchmesser von (3) gerade noch die Freiheit einer einzigen orthogonalen Transformation der Raumkoordinaten. Nach dieser Ausführung ist sofort klar, daß eine Invarianz physikalischer Gesetze in bezug auf die Lorentzsche Gruppe dahin ausgesprochen werden kann, wie ich dieses tat, daß der absoluten Ruhe keine Eigenschaften der Erscheinungen entsprechen. Obwohl ich erst hernach auf Mechanik zu sprechen komme, will ich hier zum besseren Verständnis der Ideen einschalten, wie sich das Galileische Trägheitsgesetz zum Postulat der Relativität stellt. Zu diesem Ende wollen wir die Lichtgeschwindigkeit noch nicht gleich 1 einführen, sondern dafür noch ein allgemeines Zeichen c belassen. Liegt eine Geschwindigkeit w in Richtung der x-Achse vor, so ist die Transformation, durch welche diese sich auf Ruhe reduziert, alsdann:
Nun sehen wir deutlich, wenn wir zur Grenze für übergehen, daß aus diesen Gleichungen wird:
d. h. es werden einfach neue rechtwinklige Koordinaten eingeführt in bezug auf ein Achsensystem, das in bezug auf das erste sich in gleichförmiger Translationsbewegung befindet. Nach dem Trägheitsgesetz sollen hierbei die Gesetze der Mechanik ihren Ausdruck nicht verändern. Danach bedeutet nun das Trägheitsgesetz eine Invarianz der Mechanik für die Transformationen des Ausdrucks in sich bei , d. h. das Trägheitsgesetz besagt dasselbe, wie das Relativitätspostulat für .
Nun wollen wir näher zusehen, wie sich die Elektrodynamik auf Grund des Relativitätsprinzip ergibt. Dabei stellen sich gerade die von Lorentz gemachten Ansätze als notwendig heraus. Außer dem Geschwindigkeitsvektor haben wir noch zwei weitere Bildungen in der Materie in Betracht zu ziehen; ich gebe nun die Resultate wieder so, daß die Invarianz bei der Lorentzschen Gruppe in Evidenz treten soll. Ich führe einmal einen vierdimensionalen Vektor ein:
den ich den elektrischen Strom nenne. Dabei sind mit den Komponenten , des elektrischen Stromes zu identifizieren, und es ist ; wobei die Ladungsdichte, Dichte der wahren Elektrizität in der Maxwell-Hertzschen Theorie bedeutet. Dieser Vektor genügt für sich der Kontinuitätsgleichung . Außerdem führe ich noch ein Ding ein, das ich für den Augenblick meinetwegen einen Traktor nennen will. Es soll das eine Bildung sein, die im Raume von vier Dimensionen dem Begriffe des Vektors an die Seite tritt, mit sechs Komponenten:
sich transformieren. Die Grundgleichungen der Elektrodynamik bewegter Medien würde ich nun so darstellen:
Es kommt in Betracht an jedem Raumzeitpunkt x, y, z, t ein Potentialvektor des elektromagnetischen Feldes, ferner ein Geschwindigkeitsvektor der Materie, weiter der Vektor des elektrischen Stromes , endlich ein Traktor, den ich Polarisationstraktor nennen will, .
Der Vektor () hat die fundamentale Kontinuitätsgleichung zu erfüllen, er ist quellenlos im vierdimensionalen Raume. Aus ihm entspringt, wie oben, ein Traktor , wobei die drei ersten Komponenten jetzt die magnetische Induktion, die drei letzten, mit i multipliziert, die elektrische Feldstärke geben. Weiter bestehen die Differentialgleichungen
Endlich gelten folgende weiteren Tatsachen:
Transformiert man die Koordinaten so, daß eine bestimmte Stelle x, y, z, t ruht, so wird daselbst , mit i multipliziert, die dielektrische Polarisation und proportional mit dem Vektor wobei der Proportionalitätsfaktor die Dielektrizitätskonstante des Mediums vermindert um 1 ist; ferner ist bei nichtmagnetisierbaren Körpern dann der Vektor Null; endlich ist auch der Vektor proportional dem Vektor , und der Proportionalitätsfaktor die elektrische Leitfähigkeit. Es ist evident, daß bei diesen Festsetzungen die Invarianz für die Lorentzsche Gruppe gesichert ist.
3.
Nun wenden wir uns zur Mechanik. Nach dem, was ich bereits über das Verhältnis des Relativitätsprinzipes zum Trägheitsgesetze gesagt habe, ist von vornherein klar, daß die bisherigen Grundgesetze der Mechanik nur als eine Approximation an die Wirklichkeit gelten können, falls auch in der Mechanik das Relativitätspostulat gelten soll. Das müßte aber wieder der Fall sein, weil sonst doch wieder eine Möglichkeit vorliegen würde, eine Bewegung der Erde relativ zum Äther zu konstatieren. Planck macht noch das Bedürfnis nach einer Absetzung des Trägheitsgesetzes durch folgende Überlegung klar. Wenn man auf Wärmestrahlung Rücksicht nimmt, so hört die Möglichkeit auf, die Energie der fortschreitenden Bewegung reines Körpers von der sonstigen Energie des Körpers zu trennen, man kann überhaupt nicht eine kinetische Energie des Körpers in bestimmter Weise definieren, und es bleibt in den Gesetzen der Mechanik eine Lücke, zu deren Ausfüllung dann gerade das Relativitätsprinzip dienen kann. Nämlich, denken wir uns einen Hohlraum, umschlossen von einem vollkommenen Leiter, so groß, daß infolge des großen Volumens die Masse der Wände weiterhin wird vernachlässigt werden können, und in diesem Hohlraum Wärmestrahlung bei irgendeiner Temperatur T, und bewegt sich der Körper mit einer konstanten Geschwindigkeit w in irgendeiner Richtung, ist endlich V das Volumen des Hohlraumes, so ergibt die Theorie als die der Strahlung innewohnende Energie:
wenn noch die Wahl der Temperatureinheit zweckmäßig geschehen ist. In diesem Ausdruck kann man nun, wenn nicht gegen 1 vernachlässigt werden soll, nicht einen Term für Ruhe und einen Term proportional feststellen, also nicht eine kinetische Energie der fortschreitenden Bewegung und eine innere Energie trennen. Dadurch wird diese Trennung natürlich überhaupt in allen Fällen unmöglich, wo Energie der Wärmestrahlung in Betracht kommt. Z. B. berechnet Planck, daß für einen Raum, erfüllt von einem ruhenden einatomigen Gase, bei der Temperatur des schmelzenden Platine und einem Druck von 0,001 mm die bei konstantem Druck zugeführte Warme zu einem vierten Teil der Vermehrung der Strahlungsenergie, also nur zu drei Vierteln den Molekularbewegungen zugute kommen würde, und daher erstere Energie nicht außer Betracht gelassen werden kann. Nun versucht Planck in der jüngst (13. Juni dieses Jahres) der Berliner Akademie vorgelegten Arbeit eine Dynamik auszubauen unter Zugrundelegung des Relativitätsprinzipes. Das nächste Ziel würde sein, plausible mathematische Ansätze zu machen und so weit durchzuarbeiten, daß sich Versuchsanordnungen ergeben könnten, die zugunsten der neuen oder aber der verlassenen Theorien auszulegen wären. Planck erledigt sozusagen die Dynamik eines einzelnen Punktes, wobei aber noch die Temperatur mit in Betracht gezogen wird. Denn wenn man nicht gerade an kosmische Vorgänge denkt, so würden natürlich thermodynamische Einflüsse am ehesten entscheidende Erscheinungen möglich machen. Planck denkt sich einen Körper, der nur Translationen als Ganzes soll ausführen können, dessen Bewegung also durch drei Geschwindigkeitskomponenten bestimmt sein soll, dessen Zustand aber noch außerdem von Volumen V und Temperatur T abhängen soll; und er fragt nach den dynamischen Gesetzen für ein solches System. Dieser Körper ist zugleich in einem gewissen Koordinatensystem ein ruhender Körper; es fragt sich, welche Temperatur er in dem betreffenden System hat. Wie das Volumen sich ändert, ist durch die Substitution gegeben. Planck macht zunächst plausibel, daß die Entropie für beide Systeme dieselbe sein soll; daraus folgt zunächst, wenn es sich um einen von Wärmestrahlung erfüllten Hohlraum handelt, aus den für diesen Fall bekannten Gesetzen noch Gleichheit des Druckes, und daß T in für das neue Bezugssystem sich verwandelt. Diese Beziehung nimmt dann Planck wegen der Bedeutung von Druck und Temperatur als Gleichgewichtsparameter als allgemein gültig an. Nun fehlen noch immer die Gesetze, denen das System unterworfen ist bei gegebenen äußeren Kräften, Drucken und Temperatureinflüssen, und da nimmt Planck an, das von Helmholtz auf thermodynamische Verhältnisse ausgedehnte Prinzip der kleinsten Wirkung soll seinem wesentlichen Charakter nach gültig bleiben. Die Bewegung soll zwischen zwei Zuständen bei konstanter Energie sich nach dem Minimum eines Integrals
richten, wobei H, das sogenannte kinetische Potential, von den drei Geschwindigkeitskomponenten, aber nur in der Verbindung w, ferner von dem Volumen V und der Temperatur T abhängen soll.
Das Resultat, zu welchem Planck auf einem Umwege, durch Heranziehung elektrodynamischer Verhältnisse gelangt, wäre nun sehr einfach vorauszusehen gewesen. Nämlich, man setze einfach
so ist der zweite Faktor für die Lorentzsche Gruppe invariant, und das Plancksche Ergebnis ist einfach, daß auch der erste Faktor dabei invariant sein soll. Die bemerkenswerteste Folgerung, die sich hieran knüpft, ist nun diese: Das Bewegungsmoment des Körpers, dessen zeitliche Änderung die äußere Kraft wird, findet sich:
wo
die gesamte Energie des Körpers ist; für eine folgende Bemerkung habe ich den Ausdruck hier geschrieben, wie er bei beliebiger Zeiteinheit lautet. Wird nun die Geschwindigkeit nur um einen transversalen Vektor abgeändert, und die zu gehörige Änderung der Bewegungsgröße gleich M mal der Beschleunigung gesetzt, so ergibt sich M, welche Größe dann den Namen transversale Masse des Körpers führt:
Daraus folgt: die hier in Betracht kommende, als Masse des Körpers anzusprechende Größe ändert sich insbesondere bei jeder Wärmezufuhr, und zwar beträgt bei einer Wärmezufuhr unter konstantem Drucke die Zunahme der Masse genau die zugeführte Wärme, dividiert durch das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit. Z. B. wenn 18 g ( Mol) Knallgas zu flüssigem Wasser bei Atmosphärendruck und Zimmertemperatur kondensiert wird, sollte eine Abnahme der Masse um mg, eine nicht wahrzunehmende Änderung, eintreten. Es wäre aber natürlich denkbar, daß eine Weiterentwicklung der Theorie zu Konsequenzen führte, die wohl zu beobachten waren.
4.
Endlich wollte ich noch ein Wort über die Gravitation sagen. Es entsteht die große Frage, wie sich denn das Gravitationsgesetz in das Reich des Relativitätsprinzipes einordnen läßt. Darüber hat Poincaré in seiner Arbeit in den Rendiconti del Circolo Matematico di Palermo 1906 sich ausgelassen. Laplace glaubte bewiesen zu haben, daß die Fortpflanzung der Gravitation momentan oder mit viel größerer Geschwindigkeit als der Lichtgeschwindigkeit erfolgen müßte. Aber natürlich würde der Laplacesche Beweis bei einer Zurückführung der Gravitation auf Elektromagnetismus schon sich als unvollkommen herausstellen. In der Tat meint auch Poincaré, daß die Gravitation sich nicht anders als mit Lichtgeschwindigkeit fortpflanzt. Er stellt sich nun die rein mathematische Aufgabe, ein Gesetz zu finden, welches dem Relativitätspostulat entsprechen soll, welches ferner in das Newtonsche Gesetz übergehen soll, wenn man die Quadrate der Geschwindigkeiten der Sterne sowie das Produkt der Beschleunigungen in die Distanzen vernachlässigen kann (gegen das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit). Poincaré weist ein solches Gesetz auf, indem er auf die Betrachtung von Invarianten der Lorentzschen Gruppe eingeht, doch ist das Gesetz nur eines unter vielen möglichen, und die betreffenden Untersuchungen tragen in keiner Weise einen definitiven Charakter. Ich berichte darüber ausführlicher vielleicht ein anderes Mal.
Aus meinem Bericht ist, wie ich hoffe, das eine deutlich geworden, daß es sich hier um Untersuchungen handelt, die das Interesse des Mathematikers in hohem Grade beanspruchen dürfen.
Anmerkungen
- ↑ Es sind gerade 10 Jahre her, daß in den Annalen die Arbeit von Einstein über die Elektrodynamik bewegter Körper veröffentlicht wurde. Mit Rücksicht auf die große Rolle, welche das in jener Arbeit begründete Relativitätsprinzip in den Annalen spielt, veröffentlicht Herr Sommerfeld im Einverständnis mit der Redaktion aus den nachgelassenen Papieren Minkowskis als des erfolgreichsten Interpreten des Relativitätsprinzipes den nachfolgenden Vortrag. Derselbe ist gehalten in der Göttinger Mathematischen Gesellschaft am 5. November 1907, also fast ein Jahr vor dem Cölner Vortrag Minkowskis über Raum und Zeit.