Der Erzherzog Karl von Oestreich

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Titel: Der Erzherzog Karl von Oestreich
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aus: Illustrirte Zeitung, Nr. 3 vom 15. Juli 1843, S. 33–34
Herausgeber: Johann Jacob Weber
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Entstehungsdatum: 1843
Erscheinungsdatum: 1843
Verlag: J. J. Weber
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: MDZ München, Commons
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Der Erzherzog Karl von Oestreich.
Der Sieger bei Neerwinden und Jubilar als Großkreuz des Theresien-Ordens.

Zahlreich waren die Söhne, die die Infantin Marie Louise dem Kaiser Leopold II. schenkte, der als Kaiser kaum so groß und ruhmreich war, wie als Großherzog von Toscana. Der Aelteste, Franz, war berufen, der letzte römische Kaiser, der erste Kaiser von Oestreich zu sein. In früher Jugend und zur schwierigsten Zeit auf den Thron gelangt, hat er große Prüfungen zu bestehen, große Opfer zu bringen gehabt, aber auch wunderbare Herstellung erlebt und zuletzt noch eine vieljährige Regierung in Frieden, Sicherheit und Achtung genossen. Ohne glänzende Gaben, ohne einen freien und weitblickenden Sinn, nicht ohne einen Zug des Mißtrauens und der Strenge in seinem Wesen, hat er doch durch einfache, ungesuchte Würde, einen schlichten, geraden Sinn, ein klares Urtheil innerhalb des Kreises seiner standhaft festgehaltenen Grundsätze, sich des Hauses Habsburg würdig gezeigt und im Alter eine höhere Popularität erworben, als seiner Jugend versprochen ward. Von seinen Brüdern gedenken wir hier zunächst des Aeltesten, Ferdinand’s († 1824), der den Thron von Toscana erbte und das schöne Land im Geiste seines Vaters regierte. Dann des Erzherzogs Joseph (geb. 9. März 1776), der noch heute als Palatin von Ungarn eine gewiß sehr schwierige Aufgabe mit Umsicht und Takt löst und die Liebe zum Ungarischen Volksthum, den Eifer für die wahren Interessen Ungarns mit der Treue für Oestreich zu versöhnen gewußt hat. Bereits ist ihm in dem Erzherzog Stephan, einer stolzen Hoffnung Oestreichs, ein dereinstiger Erbe seiner Tugenden und Gaben erwachsen. Bedarf es eines rühmenden Wortes für den Erzherzog Johann (geb. 20. Jan 1782), den Freund des Gebirgs und seiner Völker, den kühnen Streiter im Volkskriege gegen wälsche Herrschaft, den freisinnigen Patrioten, den echten Bürgerfreund, den geistvollen Pfleger der Wissenschaft, den echten Deutschen, der durch sein großes für Deutschlands Einigung gesprochenes Wort noch jüngst so viele Herzen deutscher Vaterlandsfreunde erwärmt hat? – Kaum minder schwierig als die des Palatin von Ungarn, ja bei der weniger biedern Natur des italischen Volks und der Nothwendigkeit, mehr durch Zwang und Strenge zu operiren, als, wie in Ungarn, durch die Waffe der Ueberzeugung, der Verständigung und Vermittelung, war die Aufgabe des Erzherzogs Rainer (geb. 30. Sept. 1783), als Vicekönig des Lombardischen und Venetianischen Königreichs, und auch sie wird mit Glück und Geschick gelöst. Ihm wachsen fünf kräftige Söhne auf. Endlich der jüngste Sohn des Kaisers Leopold, der Erzherzog Ludwig (geb. 13. Dec. 1784), steht dem jetzt regierenden Kaiser mit Kraft und Umsicht in seinem schwierigen Werke bei.

Erzherzog Karl von Oestreich

Unter allen den Söhnen des Kaisers Leopold, deren Reihe noch größer war, schrieb sich doch mit dem größten, unvergänglichen Ruhme der Erzherzog Karl (geb. 5. Sept. 1771) in die Tafeln der Geschichte ein. Er hat sich an der Spitze der Heere Oestreichs mit den berühmtesten Feldherren der Zeit gemessen und sich würdig in ihre Reihe gestellt. [34] Moreau und Napoleon selbst sprachen ihm den Lorbeer des großen Kriegsführers zu. Ihm war es beschieden, die Ehre des deutschen Namens selbst in den bedrängtesten Zeiten zu erhalten. Sein militairisches Talent bewies sich so groß, daß selbst der ungünstige Ausgang der Kriege seinen Ruhm nicht schmälern konnte und daß er, woran so viele ausgezeichnete Feldherren gescheitert, auch durch Niederlagen nicht gebrochen ward. Er war es, der in den traurigsten Zeiten den Ruhm der deutschen Waffen aufrecht erhielt und der zuerst Napoleon eine Schlacht lieferte, in der der Franzosenkaiser nicht gesiegt hatte. Dabei verdankte er diesen Ruhm und diese Erfolge nicht blos seinem großen strategischen und taktischen Talent, mit dem er zugleich die nicht minder wichtigen Eigenschaften des militairischen Organisators vereinigte; sondern es war etwas Edleres und Größeres, was hier noch mitwirkte, es war sein Charakter, seine Persönlichkeit, die echt vaterländische Gesinnung, die man an ihm kannte, das Vertrauen, das er einflößte, die Liebe, die er gewann. Er ist ein Mann von hellem Geiste, vorurtheilsfrei, bürgerthümlich. Deshalb ward er auch in jenen Zeiten, wo mancherlei kleine Geister am Wiener Hofe ihr Wesen treiben, für den gewöhnlichen Lauf der Dinge zurückgesetzt, ja verdächtigt und vermieden und außer Thätigkeit gebracht, bis man dann in dringender Noth zu ihm wieder seine Zuflucht nehmen mußte.

Der Erzherzog Karl betrat die kriegerische Laufbahn, kaum 20 Jahre alt, als Generalmajor in der Schlacht von Jemappes, die Louis Philipp soviel Stoff zu seinen Reden gegeben hat, am 6. Nov. 1792. Im J. 1793 führte er die Avantgarde des Prinzen Josias von Sachsen-Koburg und ihm wurde der Sieg bei Aldenhoven (1 – 2. März) vom Feldherrn zugeschrieben. Damals war er Feldmarschalllieutenant. Er nahm Theil an der Entsetzung von Maestricht und an dem Siege von Tirlemont. Den glänzenden Sieg von Neerwinden (18. März) entschied er durch ein geschicktes und kühnes Manövre und verdiente sich damit das Großkreuz des Marien Theresienordens, das nun durch funfzig Jahre seine Brust geschmückt hat.

Marien Theresien-Orden.

An allen Kriegsthaten jenes ruhmreichen Jahres nahm er Antheil und focht mit gleichem Ruhme 1794 gegen Pichegru, siegte mit bei Landrecy und Tournay, wo er, jetzt Feldzeugmeister, den linken Flügel befehligte, dann bei Charleroi über Jourdan. Kränklichkeit hielt ihn 1795 in Wien zurück, und eben in diesem Jahre traten auch Unfälle über Unfälle an die Stelle der Siege. Als, während Bonaparte von Italien aus auf Oestreich eindrang, zwei französ. Heere über den Rhein in das Herz von Deutschland sich wälzten, warf sich der Erzherzog, jetzt Oberfeldherr, zwischen sie, traf unermüdlich und unfehlbar bald die, bald jene, schlug Bernadotte, trieb Jourdan über den Rhein, drängte Moreau unter die Kanonen von Hüningen. Nur Bonaparte’s Siege, dem nicht der Erzherzog gegenüberstand, vereitelten die Früchte solcher Thaten und erzwangen den Frieden von Campo Formio.

Mit nicht geringerem Ruhme eröffnete der Erzherzog den Krieg der zweiten Coalition, wo er Jourdan an der Ostrach (21. März 1799) und dann wieder und gänzlich bei Stockach (25/26. März) schlug, über den Rhein ging, in die Schweiz drang, den Massena bei Winterthur (23. Mai) schlug, bei Zürich (3/4. Juni) verdrängte, dann wieder am Oberrhein Mannheim erstürmte (18. Sept.) und das rechte Rheinufer von wälscher Befleckung säuberte. Das Zerfallen der Coalition und Bonaparte’s Rückkehr aus Aegypten bedrohten schon die in Deutschland und Italien errungenen Vortheile; da ward, kurz vor Anfang des Feldzuges von 1800, der Erzherzog vom Oberbefehl abgerufen und Kray kam an seine Stelle (17. März). Nun ging Alles wieder so schlecht, wie es vorher gut gegangen war. Erst nach den Schlachten von Marengo und Hohenlinden gab man dem Erzherzog den Oberbefehl wieder, wo er nur noch durch das moralische Gewicht, das er in die Wagschale warf, auf eine günstigere Gestaltung des Friedens von Luneville wirken konnte.

In dem Feldzuge von 1805 stellte man den Erzherzog an die Spitze des italischen Heeres, wo er nur siegen, aber nicht entscheiden konnte. Er siegte bei Caldiero über Massena, aber was half das nach den Tagen von Ulm und von Austerlitz? Der Kaiser war nicht in der Mitte der siegreichen Heere, die seine Heldenbrüder, Karl und Johann, ihm zuführten, er war von geschlagenen Truppen und von muthlosen Schwächlingen umgeben und der Friede von Preßburg wurde geschlossen.

Gänzlich gingen jedoch die Lehren dieses Feldzuges nicht verloren. Mit vollem Vertrauen und ausgedehnten Befugnissen ward er nun an die Spitze des Kriegswesens gestellt, um eine bessere Zeit vorzubereiten. Mit ihm kamen der Geist der Ordnung, der Sparsamkeit, der kriegerischen Disciplin, der wohlwollenden Fürsorge, des geistvollen Vorschritts, des dankbaren Vertrauens und der begeisterten Anhänglichkeit in die Armee und welche Früchte das trug, lehrte der glorreiche Tag bei Aspern, ward noch bei Wagram selbst im Unglück erkannt, und nöthigte auch dem siegreichen Feinde hohe Achtung vor dem Erzherzog und vor Oesterreich ab. Auch in dem großen Befreiungskriege, wo politische Rücksichten es verhinderten, daß der Erzherzog wieder an die Spitze der Heere gestellt wurde, half doch sein Geist zum Siege und er war es gewesen, der schon seit 1806 durch Errichtung der Landwehr die Idee der Volksbewaffnung ins deutsche Leben rief; er hatte das Heer gebildet, mit welchem Schwarzenberg verdiente Lorbeeren erfocht.

Der Erzherzog Karl lebte seitdem im Genusse einer in schweren Kämpfen verdienten und mit hohen Ehren geschmückten Ruhe, stets mit warmen Interesse jeden Vorschritt im militairischen Wesen begleitend und befördernd, im Genusse seines großen, von dem Herzog von Sachsen-Teschen ererbten Vermögens, und der Erziehung seiner Kinder die treueste Sorge widmend. Anspruchslosigkeit, Einfachheit und ein selten vorurtheilsfreier Sinn sind schöne Vorzüge seines Wesens. Er ist als Mensch und Bürger so geachtet, wie als Feldherr ruhmvoll. Seine 1829 verstorbene Gemahlin, eine (protestantische) Prinzessin von Nassau, hinterließ ihm sechs Kinder. Von seinen Söhnen hat sich der Erzherzog Friedrich auf einer neuen Bahn, auf dem Meere und an Syriens Küsten, bereits junge Lorbeeren gesammelt.

In den bewegten Jahren erledigter Throne und Fürstenwahlen richteten Belgien und Polen auch auf den Erzherzog Karl ihre Blicke, hoffnungslos zwar, aber doch ihre Achtung vor seiner Heldengröße bewährend. In unsern Tagen hat das am 5. April gefeierte prachtvolle Fest, wo ihm der Kaiser die einzig existirende Decoration des Theresien-Ordens in Brillanten verlieh – dieselbe, welche der Feldmarschall Laudon getragen hat, und welche nach dem Tode des jedesmaligen Inhabers von der Regierung mit 300,000 Gulden eingelöst zu werden pflegt –, und wo mit dem Allverehrten Oestreich den Jubeltag der vor 50 Jahren erworbenen hohen militairischen Auszeichnung beging, einen glänzenden Schimmer auf den Abend seiner Heldenlaufbahn geworfen.

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