Elfenwirthschaft
In einer kleinen Stadt am Rhein
Kehrt’ ich einmal ermüdet ein.
Es war schon Nacht, der Wächter rief
Die zwölfte Stund’. Rings Alles schlief,
Kein Lämpchen irgend, noch Latern’!
Die dunklen Straßen kreuz und quer
Ging ich, verschmachtend fast, umher,
Und endlich kam ich vor ein Haus –
Ein breites Schild auf breitem Thor,
Ich stand unschlüssig nun davor,
Doch – was kann’s schaden? dacht’ ich dann
Und klopft’ am Fensterladen an.
Zwei Augen seh’ ich blitzen grell
Und eine Nase, riesengroß.
Ein Männlein fragt: „was ist denn los?
Was willst Du, kleiner Knirps, denn hier?“
Das Männlein lacht hellauf und spricht:
„Hast vor Gespenstern Angst Du nicht,
So komm’ herein! im Kämmerlein
Wird Platz genug noch für Dich sein!“
Sah ich ein Männlein grau und fahl;
Doch schien’s nicht bös, wie ich gedacht;
Hat Speis’ und Trank mir gleich gebracht,
Mich viel gefragt, woher ich wär’,
Dann führt’ es mich in’s Kämmerlein,
Sprach: „Willst Du ruhig nicken ein,
So zähm’ die Neugier mit Gewalt,
Guck’ nicht durch jener Thüre Spalt,
Gut’ Nacht, mein Söhnchen, schlaf gesund!“
Ich streckt’ mich auf die Diele hin,
Doch kam kein Schlaf mir in den Sinn.
Stockstill und finster mein Gemach,
Ein Lärmen, Toben und Getos,
Als wären hundert Böcke los.
Bald scharrt es hier, bald schnarrt es dort,
Bald kommt es nah’, bald läuft es fort,
Gestalten huschen auf und ab.
Jetzt pickt mich was am großen Zeh,
Jetzt zwickt es mich am Ohr, o weh!
Es zupft mich hier, es rupft mich da,
Doch zog es zu der Thüre Spalt
Mich heimlich weiter mit Gewalt.
Was sah ich nun? Vom Mondesschimmer
Erhellt ein weites, weites Zimmer,
Und Flaschen und Schachteln, Krausen und Pfannen,
Und Alles inwendig
Urplötzlich lebendig!
Aus jedem Schübchen
Aus jedem Töpfchen
Ein muntres Köpfchen,
Aus jedem Schälchen
Ein heitres Seelchen,
Ein pfiffiges Näschen.
Es rollten
Die Kleinen
Auf lustigen Beinen
Und trollten
Sich munter,
Bis eine Stimme im Feldherrnton
Rief: „Stillgestanden vor Oberon!“
Und der König begann mit festem Wort:
„Ich grüß’ Euch, Liebe und Getreue,
Die Ihr versammelt um mich auf’s Neue,
Euch Alle, die sich aus fernen Landen
Erdgeister, Ihr vom Flammenstrome –
(Da neigte sich tief das Heer der Gnome),
Ihr Blumengeister, sonnenklar –
(Da neigte sich der Elfen Schaar),
(Da neigte sich dankend Nix und Fee),
Ich habe so eben in dieser Nacht
Die Runde durch die Stadt gemacht.
Dort liegt ein Kindlein
„Schnell mischt ihm ein Tränkchen
Aus Euren Schränkchen!
Dort liegt ein Krieger, ein todeswunder
Auf, braut jetzunder
Und träufelt,
Daß er gesunde,
Ihm Balsam in die brennende Wunde!
Dort, bei der kranken Mutter droht
Auf, helfet dort
Und jaget fort
Den bleichen Gesellen!
Laßt Leben quellen
Aus Euren Bronnen!
Dort klagt ein Greis – mischt Eure Kräutchen!
Ein Jüngling dort und dort ein Bräutchen,
Dort giebt’s zu trösten und dort zu helfen,
Da kamen die Kleinen – Eins, Zwei, Drei! Herbei,
Und schleppten Zucker heran und Manna,
Und aus der Havanna
Die Nicotiana.
Sein Opium,
Nachtschatten, Schierling und Bilsenkraut
Brachten herbei, was sie gebraut.
Stechapfel, Schöllkraut und Kellerhals
Der Finger-, Eisen- und Pfaffenhut,
Sie brachten Säfte, frisch und gut,
Auch Bella Donna bot sich an:
„Ich helfe, wo ich helfen kann!“
Der Nieswurzmann, Herr Helleborus.
Da niesten Kobold, Nix und Elf
Und Oberon sprach sein: „Gotthelf!“
Es stellten zum Dienst sich freudig alle
Es eilte her auf flüchtigem Fuß
Des Weines Geist, Herr Spiritus,
Benamst der große Alkohol,
Und sprach: „o Herr, zu der Menschheit Wohl
Frei über Deinen Knecht verfügen!“
Drauf sprangen sie in buntem Gemisch
An die Arbeit frisch,
Sie pochten und kochten,
Zerrieben und hieben,
Sie rührten und schürten,
Schmierten und schnürten,
Sie hoben mit festen
Und preßten
So Blüthen, als Kapseln und Stengel
Und zogen Essenzen –
Ihr könnt mir’s glauben –
Aus Dolden und Trauben,
Aus Körnern und Dörnern,
Aus Bast und Borke
Und stopften und klopften
Sie wägten und wippten,
Kippten und nippten,
Es füllten die Gase
Aus Helm und Blase
Die Zauberküche.
Herr Oberon, der lief dazwischen,
Sah zu, daß die Kleinen richtig mischen,
Und rief zu Kobold, Elf und Fee
Die Händchen ruhten
Nicht zehn Minuten,
Und eh’ ich’s gedacht,
War Alles vollbracht –
Die Näpfe gebunden mit festen Schnuren,
Die Salben fertig und fertig die Dütchen,
Auf jeder Flasche ein blaues Hütchen,
Ein langer Zettel auch dran gebunden,
Herr Oberon schaute fröhlich drein:
„Mög’s allen Armen zum Segen sein!“
Da schlug es Eins – und mit einem Ruck
Verschwunden war der Geisterspuk.
Gewacht und still bei mir gedacht:
„Dank Ihm, der auch durch Giftes Kraft
Noch Wunder thut und Leben schafft,
Dank sei dem Herrn, der Solches thut,
Was meint Ihr wohl, wo ich gewesen?
Ich hab’s am nächsten Morgen gelesen,
Es war gemalt an des Hauses Schild
Gar lieblich eines Knaben Bild
Und an der Wand
Darunter stand:
„Die Apotheke zum goldnen Engel.“