Erzherzog Stephan und der Oberlieutenant

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Autor: unbekannt
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Titel: Erzherzog Stephan und der Oberlieutenant
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aus: Die Gartenlaube, Heft 19, S. 304
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1867
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Erzherzog Stephan in Ungarn
Blätter und Blüthen; weitere in der Gartenlaube über Erzherzog Stephan von Österreich erschienene Artikel sind:
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[304] Erzherzog Stephan und der Oberlieutenant. Der Erzherzog hielt sich still und zurückgezogen einige Zeit in einer Garnisonstadt Ungarns auf. Der vor Kurzem dort angekommene neue Commandant ward bald wegen seiner drakonischen Strenge sehr gefürchtet. Unter Anderm drang er auch unerbittlich auf die unter seinem Vorgänger etwas lax gehandhabte Verordnung, daß der Officier unter keiner Bedingung in Civilkleidung ausgehen dürfe, und in mehreren Fällen waren die Zuwiderhandelnden bereits mit geschärftem Arrest bestraft worden, dennoch ließ sich der Oberlieutenant von L. durch diese abschreckenden Beispiele nicht abhalten, dem Gebote eines Tages zuwider zu handeln. Die Frühlingssonne lockte so lieblich zu einem Ausflug auf ein nahes Dorf. Da vertauschte der junge Krieger, nachdem er von der Parade nach Hause gekommen war, die schwere unbequeme Militärkleidung mit dem leichten Oberrock und wanderte wohlgemuth dem Ziele seiner Wünsche zu, an dem er auch, ohne daß ihm ein Verräther begegnet wäre, glücklich ankam. Als er auf dem Rückweg begriffen, in die Nähe der Stadt gelangte, sah er zu seinem großen Schrecken den gestrengen Obersten aus der Ferne auf ihn zukommen. Was war da zu thun? Schon fühlte er im Geist, wie sich das Donnerwetter des oberstlichen Zornes über seinem Haupte entlud. Vergebens sah er sich nach einem Ausweg um. Es schien keiner zu finden, während der Gefürchtete immer drohender nahte. Doch halt – jetzt zeigte sich einer. Unmittelbar vor ihm wandelten zwei Spaziergänger in freundlichem Gespräch. Rasch drängte der Lieutenant sich zwischen sie, erzählte ihnen unter vielen Entschuldigungen den Grund seiner großen Verlegenheit und schloß die Bitte an, daß sie ihm gestatten möchten, in ihrer Mitte und im Gespräch mit ihnen den Weg fortzusetzen. Es wurde ihm freundlich gewährt.

Jetzt nahte der gefürchtete Oberst und der Herr Lieutenant wendete sich mit einem so angelegentlichen Gespräch an seinen Nachbar zur Rechten, daß er das tiefehrerbietige Compliment nicht gewahr wurde, mit welchem der Oberst die drei Wanderer begrüßte. Und so kam er denn, wie er wähnte, von den Argusaugen des Obersten unbemerkt in die Stadt und glaubte sich, da bis zum späten Abend keine Vorforderung vom Commando erfolgte, über alle Berge.

Doch er hatte sich getäuscht. Am andern Morgen wurde er bei guter Zeit durch eine Ordonnanz zum Obersten befohlen. Er folgte mit beklommenem Herzen.

Auf das Aergste gefaßt, war er nicht wenig erstaunt, als ihn der Oberst bei seinem Eintritt freundlich begrüßte und dann zwar ernst, aber nicht in leidenschaftlicher Hitze, wie er es vorausgesetzt hatte, ihm die Frage vorlegte:

„Wie haben Sie sich gestern unterstehen können, meinem ausdrücklichen Befehl entgegenzuhandeln?“

„Ach, entschuldigen Euere Gnaden,“ erwiderte darauf etwas ermuthigt der Uebelthäter, „entschuldigen Sie mich nur diesmal mit den vorliegenden Umständen. Es kamen gestern Nachmittag zwei Verwandte, die auf einer Reise begriffen sind, zu mir und forderten mich auf, sie auf einem Spaziergange zu begleiten. Da sie bald wieder von hier abreisen wollten, so war nicht lange Zeit zu verlieren, und so ging ich mit ihnen, wie ich gerade war. Wohl weiß ich, daß ich gefehlt habe, bitte aber nochmals um Ihre gnädige Entschuldigung.“

„S – o,“ entgegnete der Oberst, „das waren also ein paar Verwandte von Ihnen?“

„Ja wohl, Herr Oberst, sehr nahe Verwandte von meiner seligen Mutter her.“

„Das freut mich ungemein, daß Sie so angesehene Verwandtschaften haben, und um dieser Verwandten willen will ich diesmal Gnade für Recht ergehen lassen; aber hüten Sie sich vor einer ähnlichen Ausschreitung, sonst dürften Ihnen Ihre Verwandtschaften nicht wieder helfen; Ihre Strafe würde dann eine um so strengere sein.“

Der Lieutenant beurlaubte sich mit der Frage: „Haben der Herr Oberst noch etwas zu befehlen?“

„Allerdings,“ sagte derselbe in freundlichem Ton, „Sie sind heute mit mir zu Seiner kaiserlichen Hoheit dem Erzherzog Stephan zur Tafel befohlen. Stellen Sie sich pünktlich um drei Uhr ein.“

Unser Lieutenant war wie aus den Wolken gefallen; aber noch größer war seine Ueberraschung, als er bei dem Erzherzog eintrat und in ihm und seinem Adjutanten seine beiden gestrigen Spaziergangsgenossen, seine angeblichen nahen Verwandten, erkannte.

In großer Verlegenheit nahte er sich dem fürstlichen Gastgeber; dieser indessen ermuthigte ihn durch eine huldvolle Ansprache, schloß dann aber mit den Worten: „Na, es hat halter das Mal noch so gut gethan; hüten Sie sich aber vor einer Wiedervorfallenheit der Art, sonst werden’s ohne Gnade und Barmherzigkeit eingespiert.“