Nordamerikanische Alterthümer
In der Sitzung der Akademie der Wissenschaften in Paris vom 24. Dec. v. J. legte Herr Warden sein neuestes Werk: „Untersuchungen über die Alterthümer der Vereinigten Staaten von Nordamerika“[WS 1] vor, dem er einige Bemerkungen über die Monumente von Palanque, in der alten Provinz Guatimala, beifügte.
Die Alterthümer der Vereinigten Staaten, seit so langer Zeit in den dichten Urwaldungen, die der Fuß des Europäers noch kaum betreten hat, verborgen, bestehen vorzüglich in beträchtlichen Erd-Wällen, die sich von dem südlichen Ufer des Erie-sees bis zum Golf von Mexiko und längs des Missuri bis zu den Felsengebirgen, die derselbe durchbricht, ausdehnen. Es sind Befestigungslinien, tumuli oder aufgeworfene Hügel, parallellaufende Erdwälle, unterirdische Mauern von Lehm und Backsteinen, Oeffnungen in der Erde, die Brunnen gleichen; außerdem Felsen mit Inschriften, Idole, fremde Conchilien und Mumien. Eines jener Festungswerke, welches im Ohiostaate liegt, nimmt eine Fläche von mehr als 100 englischen Morgen ein, und ist mit einer 20 Fuß dicken, 12 Fuß hohen Mauer, und einem 20 Fuß breiten Graben umgeben. Auf jenen Erdhügeln und den unterirdischen Mauern fand man Bäume von ungeheurer Größe, unter denen einige mehr als 400 Ringe (jährliche Ansätze) zählten. Bemerkenswerth ist auch, daß die heutigen Indianer weder die Bedeutung der Erdhügel kennen, noch sich der Verschanzungen bedienen, was darauf hinzuweisen scheint, daß jene Denkmäler einem andern Volke angehören. Die in Tenessee und Natchez (im Staate Missisippi,) gefundenen Idole; die in einem alten Befestigungsweke von Kentucky entdeckten Muscheln von dem genus murex; die in Kalkhöhlen desselben Staates aufgefundenen Mumien; endlich die Hieroglyphen auf einem Felsen im Staate Massachussets, sind wichtige Thatsachen für die endliche Lösung der so oft aufgeworfenen Frage über den Ursprung der Amerikaner.
Hr. Warden zieht daraus den Schluß, daß das Thal des Ohio, von Illinois bis zur Grenze von Mexico, von einem Volke bewohnt gewesen sey, das sehr verschieden von jenen wilden Stämmen war, die diese Länderstrecke zu der Zeit bewohnten, als sie von den französischen Kolonisten Canadas und Louisianas entdeckt wurde. Alles was den Ursprung, das Bestehen und die endliche Vernichtung jenes Volkes betrifft, ist in undurchdringliches Dunkel gehüllt. Indessen unterliegt es keinem Zweifel, daß es weit gebildeter gewesen seyn muß, als irgend eine der indianischen Völkerschaften, die zur Zeit der Entdeckung Amerikas die dortige Bevölkerung ausmachten. Uebrigens war diese Civilisation doch noch wenig vorgeschritten, in Vergleich mit der Bildungsstufe, welche die frühern Bewohner Palenque’s erreicht haben müssen. Die hier vorgefundenen Ruinen beweisen, daß ihre Denkmale mit den schönsten Europas wetteifern konnten.
Die Linie der Befestigungen und der Erdhügel zieht sich von Mexico bis zu den großen Seen der Vereinigten Staaten. Vielleicht war die Bevölkerung des Ohiothals eine Kolonie von Palanque, welche sich theils des Handels, theils der Wichtigkeit der Eroberung wegen hier ansiedelte. Diese Frage könnte wohl gelöst werden, wenn ein Naturforscher sich die Mühe gäbe, die Hirnschalen der Skelette, die man in den Erdhügeln des Ohiothals findet, zu untersuchen und sie mit den palenquesischen Abbildungen zu vergleichen, deren spitzige Köpfe und deren Physiognomie überhaupt von denen aller bekannten Völker sehr abweichen.
Herr Warden schließt mit den Worten: „Die alten Monumente Palenques sind die interessantesten Entdeckungen, die man in Amerika gemacht hat. Sie beweisen, daß dieser Welttheil weit früher, als man bisher annahm, bevölkert war. Ueberall stößt man auf Spuren von Kunst, über welche die Tradition schweigt, und die vielleicht einer Zeit angehören, welche weiter zurück reicht, als die Annalen der Völker Europas.“