Sage von der Katharinenlinde
Auf einem Vorsprunge des Schurwaldes, der in das Neckarthal
hinausläuft, steht eine majestätische Linde, von deren
Standpunkte aus man eine reizende Aussicht auf das Neckarthal
mit seinen Höhen, die Fildern und die mit mehreren alten Burgen
besezte Alb hat. Diese Linde ist unter dem Namen Katharinenlinde
bekannt. Von ihr erzählt die Sage: In den Zeiten des Heidenthums
und des grassen Aberglaubens lebte in Esslingen eine gewisse
Gräfin Katharina, welche das Wort Gottes kannte. Der
Christenpflicht getreu, war sie eifrig bemüht, es zu verbreiten,
sammelte zu dem Zweck einige Schüler und Schülerinnen um sich
und unterwies sie in der Religion, indem sie zu ihren
Andachtsstunden jene Stelle, wo der Baum steht, wählte; ohne
Zweifel deßwegen, weil sie im Angesichte der so schönen Natur am
besten in ihren Zuhörern Dankgefühl gegen den Schöpfer erwecken
konnte. Außerdem spendete sie sehr viel den Armen und erbaute
unter andern Stiftungen auch das Spital zu Eßlingen. Allein
leider sollte sie in ihrem Wirken schnell gestört werden. Sie
machte sich Neider und Feinde, welche behaupteten, ihre Worte
seien von dem Teufel eingeflüstert, von ihm rühre auch das Geld
zu den Almosen her u.s.w. Ihre Vertheidigung wurde
zurückgewiesen, sie selbst an den Ort geschleppt, wo sie ihren
Unterricht ertheilt hatte, und man sezte sich in Bereitschaft,
sie zu rädern. Hier aber soll unter schrecklichen Donnerschlägen
der Blitz das Rad zerschmettert und das Gesicht der Delinquentin
von einem überirdischen Feuer geleuchtet haben. Hiedurch
erschreckt, sei die Menge der Katharina zu Füssen gefallen, habe
sie "die Heilige" genannt und sei zu dem Christenthume
übergetreten. Bald darauf sei die Heilige gestorben und an jenem
Orte beigesezt worden, wo der Baum noch jezt steht.
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