Renaissancegeschmack ausgestattet; eine bekannte Merkwürdigkeit dieser Kirche ist, daß die männlichen und weiblichen Zuhörer einander nicht, dagegen beide den Geistlichen sehen können, indem von den in einem rechten Winkel zusammenlaufenden 2 Flügeln der eine dem männlichen, der andere dem weiblichen Geschlecht angewiesen, die Kanzel aber in der Spitze des Winkels selbst angebracht ist. Die Decke bildet ein ziemlich gedrücktes, aus Holz ausgeführtes Netzgewölbe, das ohne alle Unterstützung mittelst eines künstlich construirten Hängwerks gehalten wird. An den Kreuzungen der blau und golden bemalten Gurten sind in Stuck gearbeitete Wappen mit heraldischen Farben angebracht, und zwar in der Mitte, der zwischen beiden Flügeln liegenden Vierung das herzogl. Württemb. Wappen, um das sich zunächst die Wappen der damaligen regierenden Fürsten, welche mit dem württembergischen Fürstenhause in Verbindung standen, lagern. Weiterhin, in der Richtung der beiden Flügel, sind alsdann die Wappen der Klöster, Städte und wichtigsten Marktflecken des damaligen Herzogthums Württemberg angebracht. In den übrigen Theilen ist die Kirche weiß getüncht mit Ausnahme der Emporen, deren Brüstungen mit 26 in Stuck ausgeführten, lebhaft bemalten Bildern aus der biblischen Geschichte geziert sind. Die von einem Engel getragene Kanzel zeigt in Stuckarbeit an dem Stiegengeländer die 4 Evangelisten und an der Kanzel selbst Moses und Johannes; auf dem Schalldeckel steht Christus, welcher den bösen Geist, in Gestalt einer Schlange, zu Boden tritt. An dem Altar sind die 12 Apostel in Hautrelief dargestellt; hinter demselben erhebt sich ein vortrefflich aus Holz geschnittenes, lebensgroßes Bild des Gekreuzigten, welches aus dem Kloster Alpirsbach herrühren soll und erst im Jahr 1851 restaurirt wurde. Im Jahr 1848 erhielt die Kirche eine neue, von dem Orgelmacher Weigle in Stuttgart verfertigte, in gothischem Geschmack schön gefaßte Orgel mit 20 Registern, welche an der Emporkirche gegenüber der Kanzel aufgestellt wurde[1].
- ↑ Die frühere, mit vielen Figuren und Schnitzereien verzierte Orgel war ein Kunstwerk des berühmten, blinden Orgelmachers Conrad Schott, dessen Bruder den Orgelkasten kunstreich schnitzte. Derselbe hat sich insbesondere durch das Mittelbild, die Heilung des Blinden durch Christus darstellend, den Namen eines ausgezeichneten Bildschnitzers gesichert. An dem Gehäus war das trefflich gemalte Brustbild des Orgelmachers Schott mit folgender Inschrift angebracht: || Häc ego Conradus Schottus feci organa cäcus, || His mentemque sonis offero cuncta Deo. || Dieß Orgelwerkh macht Conrad Schott, || Die Gnad hat er allain von Gott, || Wer (der) sein Lehrmaister
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Freudenstadt. Karl Aue, Stuttgart 1858, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAB_Freudenstadt_140.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)