Zum Inhalt springen

Seite:Prinzipien der Dynamik des Elektrons.djvu/4

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

sowie der Impuls G der Geschwindigkeit q proportional. Daher wird hier die longitudinale Masse der transversalen gleich, ein Resultat, das bei langsamen Kathodenstrahlen experimentell festgestellt ist, aber erst durch die Formeln (7) im Sinne der elektromagnetischen Theorie verständlich wird.

Bei grösseren Geschwindigkeiten hingegen, wo G nicht mehr q proportional ist, hängen beide Massen in verschiedener Weise von der Geschwindigkeit ab.

Die Theorie ergiebt, bei langsamer Bewegung:

,

das Experiment

.

Wir erhalten demnach

.

Setzen wir für e die Ladung eines einwertigen Ions, so erhalten wir für den Radius des Elektrons a=10–13 cm, ein Resultat, das mit Rücksicht auf die Unsicherheit in der Bestimmung von e nur als Angabe der Grössenordnung anzusehen ist.

Über den Gültigkeitsbereich der Formeln (7) sind noch einige Worte zu sagen. Dass das Elektron in einer beliebigen Richtung kräftefrei und stationär sich bewegen kann, ist durch die Symmetrie bedingt, die wir ihm zuschrieben. Wäre das Elektron etwa ein gleichförmig mit Elektrizität geladenes Ellipsoid, so wäre kräftefreie stationäre Bewegung nur parallel einer der 3 Hauptachsen denkbar, da nur hier der Impulsvektor der Bewegungsrichtung parallel weist; und auch von diesen drei Richtungen ist nur die der grossen Achse parallele stabil, in dem Sinne, dass bei einer Abänderung der Translationsrichtung stets eine innere Drehkraft einsetzt, welche die grosse Achse in die neue Translationsrichtung einzustellen strebt. Hier sind, wenigstens bei schwach gekrümmten Bahnen, die Formeln (7) anwendbar. Bei Bewegungen mit einem, zur Bewegungsrichtung schiefen Impuls hingegen ist es prinzipiell unzulässig, von elektromagnetischer Masse zu reden; denn hier wird bereits das erste Axiom ungültig.

Was die Voraussetzung anbelangt, dass der Betrag des Impulses nur von der jeweiligen Geschwindigkeit abhängen soll, so ist dieselbe nur für solche Bewegungen erfüllt, die ich „quasistationäre Bewegungen“ genannt habe. Das sind solche Bewegungen, bei denen die Geschwindigkeit keine allzu plötzlichen Änderungen erfährt. Die elektromagnetische Masse entspricht ja durchaus der Selbstinduktion in der Theorie der elektrischen Schwingungen; man berechnet die Selbstinduktion aus dem magnetischen Felde des Stromes, als ob der Strom stationär wäre; das ist erlaubt, solange die Stromschwankungen hinreichend allmählich erfolgen, solange der Strom „quasistationär“ ist. Bei sehr rapiden Schwankungen der Stromintensität, bei Hertzschen Schwingungen z. B., kommt man nicht mehr mit der so berechneten Selbstinduktion aus. Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse hier; bei sehr rapiden Beschleunigungen des Elektrons wird es unzulässig, mit der elektromagnetischen Masse zu rechnen, insbesondere dann, wenn die Lichtgeschwindigkeit erreicht oder gar überschritten wird. Doch darf man die Theorie der quasistationären Bewegung noch anwenden, wenn die Geschwindigkeit nur um wenige Kilometer pro Sekunde hinter der Lichtgeschwindigkeit zurückbleibt, und wenn die Beschleunigung die in den stärksten Feldern erreichbaren Wert annimmt.

Wir rekapitulieren: Energiesatz und Impulssätze liessen sich allgemein aus den Grundgleichungen der Dynamik des Elektrons deduzieren. Um das zweite Axiom Newtons herzuleiten, beschränkten wir uns auf quasistationäre Translationsbewegung. Dabei erfuhr der Massenbegriff eine Erweiterung; die elektromagnetische Masse ist kein Skalar, sondern ein Tensor, von der Symmetrie eines Rotationsellipsoides; beide Massen, longitudinale und transversale, sind Funktionen der Geschwindigkeit. Nun leitet man bekanntlich in der analytischen Mechanik, von den Newtonschen Axiomen ausgehend, andere Formulierungen der dynamischen Prinzipien ab, die Lagrangesehen Gleichungen, das Hamiltonsche Prinzip, welche die Dynamik eines Systems abhängig machen von einer einzigen Funktion, der Differenz der kinetischen und potentiellen Energie (der Lagrangeschen Funktion). Doch liegt dieser Ableitung die Voraussetzung zu Grunde, dass die potentielle Energie von der Geschwindigkeit unabhängig, die kinetische Energie eine homogene Funktion zweiten Grades der Geschwindigkeitskomponenten ist. Es liegt nahe, der kinetischen Energie die magnetische, der potentiellen die elektrische entsprechen zu lassen, und die Lagrangesche Funktion L=Wm–We zu setzen. Bei langsamer Bewegung ist in der That We von q unabhängig, Wm dem Quadrat von q proportional. Bei grösseren Geschwindigkeiten aber gilt das nicht mehr; hier wird die in der analytischen Mechanik gegebene Herleitung der Lagrangeschen Gleichungen hinfällig. Wollen wir die Lagrangeschen Gleichungen und das

Empfohlene Zitierweise:
Max Abraham: Prinzipien der Dynamik des Elektrons. S. Hirzel, 1902, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Prinzipien_der_Dynamik_des_Elektrons.djvu/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)