Über die Liebe/Erstes Buch

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[1]
Erstes Buch

[2]
1. Von den Arten der Liebe

Ich suche mir klar zu werden über jene Leidenschaft, die stets, wenn sie sich aufrichtig äußert, das Kennzeichen der Schönheit trägt.

Es gibt vier Arten der Liebe.

Erstens: die Liebe aus Leidenschaft; es ist die der portugiesischen Nonne, die der Heloïse zu Abälard.

Zweitens: die Liebe aus Galanterie, die in Paris um 1760 herrschte, wie wir sie in den Memoiren und Romanen dieser Zeit finden, bei Crebillon, Lauzun, Duclos, Marmontel, Chamfort, Frau von Epinay und anderen.

Sie ist wie ein Gemälde, auf dem alles bis in die Schatten hinein rosenfarbig sein soll, in das unter keinem Vorwande etwas Häßliches geraten darf, um nicht gegen die Sitte, den guten Ton und das Zartgefühl zu verstoßen. Ein Mann von guter Herkunft weiß im voraus genau, wie er sich in den verschiedenen Phasen dieser Liebe zu verhalten hat und was ihm in jeder einzelnen bevorsteht. Da es hierbei keine Leidenschaft und nichts Unerwartetes gibt, hat sie oft mehr Zartgefühl, als die wahre Liebe, denn sie ist immer geistreich. Sie ist wie eine hübsche, doch kalte Miniatur im Vergleiche zu einem Bilde der Carracci, und während uns die Liebe aus Leidenschaft alle äußeren Vorteile vergessen läßt, weiß die Liebe aus Galanterie [3] sich ihnen stets anzupassen. Nimmt man dieser armseligen Liebe den äußeren Schein, so bleibt wahrlich recht wenig übrig; der Illusion beraubt, gleicht sie einem Kranken, der sich nur mühsam weiterschleppt.

Drittens: die Liebe aus Sinnlichkeit.

Auf der Jagd einem hübschen drallen Bauernmädchen nachlaufen, das in den Wald flüchtet. Jedermann kennt solche Liebesfreuden. Ein Charakter mag noch so hart und unglücklich sein, auf diese Weise fängt man mit sechzehn Jahren an.

Viertens: die Liebe aus Eitelkeit.

Bei weitem die meisten Männer, besonders in Frankreich, begehren und besitzen eine elegante Weltdame, wie man sich ein schönes Pferd hält, oder wie irgend einen zum Luxus eines jungen Mannes gehörigen Gegenstand. Die mehr oder weniger geschmeichelte oder gereizte Eitelkeit ist die Ursache ihrer Neigung. Manchmal mischt sich auch sinnliche Liebe hinein, aber nicht immer; oft fehlt sogar der körperliche Genuß. „Eine Herzogin ist in den Augen eines Bürgerlichen nie älter als dreißig Jahre“, sagte die Herzogin von Chaulnes. Und die Hofgesellschaft des trefflichen Königs Ludwig von Holland erinnert sich noch mit Vergnügen einer hübschen Dame im Haag, die nicht umhin konnte, jeden Herzog oder Prinzen liebenswert zu erachten. Sowie aber ein Prinz am Hofe erschien, fiel streng nach monarchischem Grundsatz der Herzog in Ungnade. Sie war gleichsam der Orden des diplomatischen Korps.

Im glücklichsten Falle gewinnt bei solchen oberflächlichen Beziehungen das sinnliche Vergnügen durch die Gewohnheit an Wert. Die Erinnerung umgibt [4] es mit einem schwachen Abglanz von wahrer Liebe. Wir grollen aus Eitelkeit und sind voller Trauer über unsere Verlassenheit. Romanhafte Gedanken benehmen uns den Kopf, und wir kommen uns verliebt und melancholisch vor; denn die Eitelkeit redet sich gern eine große Leidenschaft ein. In der Tat werden die Freuden der Liebe, gleichgiltig welcher Art von Liebe sie entsprangen, durch das Hinzukommen einer seelischen Erregung lebhafter und bleiben länger in der Erinnerung. Dabei übertrifft, im Gegensatz zu den meisten anderen Leidenschaften, die Erinnerung an das Verlorene scheinbar alles, was wir von der Zukunft zu erwarten haben.

In der Liebe aus Eitelkeit erzeugt mitunter der längere Umgang oder die Hoffnungslosigkeit, die ideale Liebe zu finden, eine gewisse, in ihrer Art freilich verächtliche Freundschaft. Sie prahlt mit Beständigkeit.

Die Sinnlichkeit ist etwas Natürliches; jeder kennt sie, aber in den Augen zartdenkender und leidenschaftlicher Naturen hat sie nur einen untergeordneten Rang. Wenn solche Menschen in der Gesellschaft oft lächerlich erscheinen, wenn die Lebewelt sie durch ihre Intriguen unglücklich macht, so erfahren sie als Ersatz dafür Freuden, die denen nie zu teil werden, deren Herzen nur für die eitle Ehre und für das Geld schlagen.

Viele tugendhafte und feinfühlige Frauen kennen die Sinnlichkeit so gut wie gar nicht. Sie setzen sich ihr selten aus, wenn ich so sagen darf, und selbst wenn sie es tun, erstickt die körperliche Lust geradezu in der Glut der Leidenschaft.

Es gibt Menschen, die Opfer und Werkzeuge eines teuflischen Hochmutes sind, eines Hochmutes, wie ihn Alfieri besaß. Solche Menschen, die vielleicht grausam [5] sind, weil sie wie Nero fortwährend in Angst schweben und alle Menschen nur nach sich selbst beurteilen, finden an der Sinnlichkeit nur so lange Vergnügen, als ihr Hochmut dabei voll befriedigt wird, das heißt, solange sie beim Genusse Grausamkeiten verüben können. So erkläre ich mir die Greueltaten in der Verfallzeit des alten Rom. Nirgends finden jene Menschen das Gefühl der Sicherheit.

Schließlich könnte man, anstatt vier verschiedene Arten von Liebe zu unterscheiden, sehr gut eine Menge weiterer Abarten aufstellen. Unter uns Menschen gibt es gewiß ebensoviel Möglichkeiten, etwas zu fühlen, wie etwas zu sehen. Aber Unterschiede in der Benennung ändern nichts an den folgenden Betrachtungen.

Alle Liebe auf Erden findet ihre Entstehung, ihre Dauer und ihr Ende oder die Unsterblichkeit unter denselben Gesetzen.


2. Die Entstehung der Liebe

Die Liebe entsteht, indem ein Weib in uns

1. Bewunderung erregt,

2. Gedanken, wie: welche Lust, es zu küssen und von ihm geküßt zu werden,

3. Hoffnung.

Wir suchen nach Vorzügen. In dieser Zeit sollte sich ein Weib hingeben; dann wäre der sinnliche Genuß der denkbar höchste. Selbst bei sehr spröden Frauen glühen im Augenblicke der Erwartung die Augen. Ihre Leidenschaft ist so mächtig und ihre Sinnlichkeit so erregt, daß sie sich an auffälligen Zeichen verraten.

[6] 4. Die Liebe ist entstanden.

Liebe ist die Freude, ein liebenswertes und liebendes Wesen mit allen Sinnen und in nächster Nähe zu sehen, zu berühren und zu fühlen.

5. Es beginnt die erste Kristallbildung.

Wir haben Gefallen daran, eine Frau, deren Liebe wir sicher sind, mit tausend Vorzügen auszuschmücken und uns unser Glück selbstgefällig bis in alle Einzelheiten auszumalen. Mit anderen Worten, wir überschätzen ein kostbares unbekanntes Geschenk, das uns der Himmel gerade in den Schoß geworfen hat, und betrachten es als unser sicheres Eigentum.

Beobachten wir einmal, was innerhalb von vierundzwanzig Stunden im Kopf und Herzen eines Liebenden vorgeht.

Wenn wir in den Salzbergwerken bei Salzburg in die Tiefe eines verlassenen Schachtes einen entblätterten Zweig werfen und ihn nach einigen Monaten wieder hervorziehen, so ist er über und über mit glitzernden Kristallen bedeckt. Selbst die kleinsten Ästchen, die kaum größer sind, als die Krallen einer Meise, sind mit unzähligen hellfunkelnden Diamanten besät, so daß man den kahlen Zweig nicht wiedererkennt.

In diesem Sinne nenne ich Kristallbildung die Tätigkeit unseres Geistes, der bei jeder neuen Betrachtung der Geliebten immer neue Vorzüge an ihr entdeckt.

Zum Beispiel erzählt ein Fremder an glühend heißen Sommertagen von den kühlen Orangenhainen am Golf von Genua: welche Wonne, denken wir, diese Kühle mit der Geliebten zu genießen!

Oder einer unserer Freunde bricht auf der Jagd einen Arm: welche Seligkeit, sich der Pflege einer geliebten [7] Frau zu überlassen. Immer mit ihr zusammen zu sein, ungehindert ihre Liebe vor Augen zu haben, das muß doch beinahe dazu verleiten, den Schmerz zu segnen. Und man kommt vom Krankenlager des Freundes zurück, ohne mehr an der engelhaften Güte der Geliebten zu zweifeln. Mit einem Worte, der bloße Gedanke an eine Vollkommenheit genügt, sie an dem geliebten Wesen alsbald zu erblicken.

Diese Erscheinung, die ich also Kristallbildung nennen will, hat ihre Begründung in der Natur, die uns ebenso die Sehnsucht nach Genuß eingibt, wie sie das Blut durch unsere Adern kreisen läßt, in dem Gefühl, daß sich der Genuß mit der Vollkommenheit der Geliebten steigert, und in dem Gedanken: „Sie ist mein.“ Ein Wilder hat keine Zeit, zu dieser Verfeinerung zu kommen. Er genießt, aber seine Gedanken folgen bereits dem Damhirsche, der in den Wald flieht, und mit dessen Fleisch er wieder neue Kräfte gewinnen muß, um nicht unter der Axt seines Feindes zu fallen.

Das andere Extrem der Kultur bildet ohne Zweifel die feinfühlige Frau, die sinnlichen Genuß nur bei dem Manne zu empfinden vermag, den sie liebt. Sie ist der volle Gegensatz zum Wilden. Bei den zivilisierten Völkern hat die Frau wenig Beschäftigung; dagegen ist der Wilde durch sein Tagewerk so in Anspruch genommen, daß er sein Weib wie ein Haustier behandelt. Auch unter den Tieren sind die Weibchen meistens um so glücklicher, je müheloser die Männchen ihren Lebensunterhalt aufbringen.

Aber verlassen wir den Urwald, um nach Paris zurückzukehren. Ein leidenschaftlicher Mensch sieht der Geliebten alle Vollkommenheiten an. Und doch ist [8] er noch nicht mit ganzer Seele der ihre, denn der Mensch übersättigt sich leicht an allem Eintönigen, selbst am vollkommenen Glück.

Um ihn ganz zu fesseln, kommt noch etwas anderes hinzu.

6. Es entstehen Zweifel.

Nach zehn- oder zwölfmaligem Sichsehen oder nach einer langen Reihe anderer Erlebnisse, die nur einen Augenblick oder viele Tage ausfüllen können, und die erst die Hoffnung erweckt und dann groß gezogen haben, überwindet der Liebende seine anfängliche Unruhe und vertraut seinem Glücke fester. Vielleicht schwebt ihm auch irgend ein Lehrsatz vor, der aber nur auf den Durchschnitt der Fälle anwendbar ist, wenn es gilt, leichtfertige Weiber zu erobern. Kurz, er verlangt ein greifbareres Unterpfand der Liebe und will sein Glück zum Siege führen.

Fühlt er sich zu siegesgewiß, so wird auf der anderen Seite mit Gleichgiltigkeit, Kälte oder gar Entrüstung abgewehrt. Französinnen haben noch eine gewisse ironische Art, die zu sagen scheint: „Du bildest dir ein, weiter zu sein, als du bist!“ So benimmt sich eine Frau, wenn Liebesrausch und Scham in ihr kämpfen und sie fürchtet, die letztere verletzt zu haben, oder einfach aus Vorsicht oder aus Gefallsucht.

Der Liebende beginnt dadurch an dem erhofften Erfolge zu zweifeln. Bitter ergeht er sich über die Gründe seiner Hoffnung, die er klar vor sich zu sehen vermeinte.

Er will sich wieder den anderen Zerstreuungen des Lebens in die Arme werfen, aber er findet sie schal. Das Bewußtsein, namenlos unglücklich zu sein, erfaßt ihn und damit eine tiefe Nachdenklichkeit.

[9] 7. Es beginnt die zweite Kristallbildung. Wie Diamanten bilden sich die Bestätigungen des Gedankens: „Sie liebt mich.“

In jeder Viertelstunde der Nacht, die dem ersten Zweifel folgt, und nach Augenblicken des tiefsten Unglücks redet sich der Verliebte ein: „Sie liebt mich doch“, und die Kristallbildung fördert stets neue Reize zu Tage, bis mit einem Male neuer Zweifel den Liebenden mit teuflischen Augen anstarrt und ihn wieder ganz niederdrückt. Seine Brust atmet kaum mehr; er fragt sich: „Liebt sie mich auch wirklich?“ In diesem bald freudevollen, bald qualvollen Entweder-Oder fühlt der Verliebte lebhaft: „Sie würde mir Freuden gewähren, wie sie kein anderes Weib auf Erden geben könnte.“

Gerade die Handgreiflichkeit dieser Wahrheit, wo wir gleichsam am äußersten Rande eines grausigen Abgrundes schreiten und mit einer Hand schon das seligste Glück erfassen, verleiht der zweiten Kristallbildung im Vergleiche zur ersten einen viel tieferen Gehalt.

Der Liebende schwankt beständig zwischen drei Gedanken hin und her:

1. Sie hat alle erdenklichen Vorzüge,

2. sie liebt mich,

3. wie fange ich es an, um von ihr den klarsten Beweis der Liebe zu erringen?

Ein herzzerreißender Augenblick einer jungen Liebe ist aber der, wo der Liebende merkt, daß er einen gründlichen Fehler begangen hat und er ein Stück des entstandenen Kristalls wieder zerschlagen muß.

Dann zweifelt er an der Kristallbildung überhaupt.

[10]
3. Von der Hoffnung

Ein sehr geringer Grad von Hoffnung genügt zur Entstehung der Liebe.

Die Hoffnung kann alsdann nach kurzem Dasein wieder schwinden, trotzdem lebt die einmal erwachte Liebe weiter.

Bei einem Manne von festem, kühnen und ungestümen Charakter und einer durch die Wechselfälle des Lebens entwickelten Phantasie kann die Hoffnung gering sein; sie kann sogar völlig aufhören, ohne damit die Liebe zu töten.

Wenn ferner der Liebende an Unglück gewöhnt ist, wenn er von Natur zartfühlend und nachdenklich ist, wenn er an den anderen Frauen verzweifelt und eine lebhafte Bewunderung für die Eine hegt, so kann ihn kein gewöhnliches Vergnügen von der zweiten Kristallbildung abziehen. Lieber träumt er sich in das ganz ungewisse Glück hinein, ihr eines Tages doch zu gefallen, als daß er die Hingabe einer gewöhnlichen Frau annähme.

Jetzt, wohlgemerkt nicht später, könnte die angebetete Frau die Hoffnung des Liebenden allerdings nur auf die grausamste Weise vernichten, etwa indem sie ihn mit so offenkundiger Verachtung behandelt, daß er dadurch überhaupt in der Gesellschaft unmöglich würde.

Die Entwickelung der Liebe läßt zwischen den einzelnen Stufen mitunter beträchtliche Fristen zu. Ein größeres Maß von Hoffnung und besonders von immer neugenährter Hoffnung verlangt sie bei kalten, phlegmatischen und bei Verstandesmenschen. Ebenso ist es bei schon bejahrten Leuten.

[11] Die zweite Kristallbildung entscheidet über die Dauer der Liebe, weil man bei ihr in jedem Augenblick sieht, daß es sich darum handelt, geliebt zu werden oder zu sterben. Wie könnte nach jener ununterbrochenen, durch die Gewohnheit der Liebe schon eingewurzelten Überzeugung der Gedanke Raum gewinnen, von der Liebe zu lassen? Je stärker ein Charakter ist, um so weniger ist er der Wankelmütigkeit unterworfen.

Die zweite Kristallbildung fehlt in der Regel bei Liebeleien mit Frauen, die sich zu schnell ergeben.

Sobald die Kristallbildungen, besonders die zweite, stärkere, stattgefunden haben, ist der ursprüngliche Zweig den Augen Gleichgiltiger nicht mehr wahrnehmbar, denn

1. er ist mit Vorzügen oder Diamanten geschmückt, die sie nicht sehen,

2. er ist mit Vorzügen geschmückt, die für sie nicht vorhanden sind.

Ein früherer Freund seiner Geliebten rühmte jemandem die Vollkommenheit ihrer Reize. Dieses Lob und das lebhafte Aufflackern in den Augen des Freundes waren für ihn ein Diamant der Kristallbildung. Was er so in einer Abendgesellschaft erfuhr, umspann ihn eine ganze Nacht mit Träumen.

Eine offenherzige Antwort, die mir Einblick in eine zarte, edle, feurige, oder wie man gemeiniglich sagt, romantische Seele gewährt, die das harmlose Vergnügen, einsam mit der Geliebten um Mitternacht durch den Park zu wandeln, über das Glück aller Könige setzt, verführt auch mich eine ganze Nacht zu Träumereien.

[12] Jemand sagt mir vielleicht, meine Geliebte sei prüde; ich werde ihm antworten, die seine sei ein Frauenzimmer.


4. Kapitel

In einer unberührten Seele, zum Beispiel der eines jungen Mädchens, das in einem einsamen Schlosse auf dem Lande lebt, kann die geringste Anteilnahme an einem Manne ein wenig Bewunderung zur Folge haben und, falls sich die leiseste Hoffnung dazugesellt, Liebe und Kristallbildung hervorrufen.

In diesem Falle ist die Liebe anfangs eine Art angenehmen Zeitvertreibs.

Die Anteilnahme und die Hoffnung werden durch das Liebesbedürfnis und die Schwermut, die man mit sechzehn Jahren hat, kräftig unterstützt. Wir wissen zur Genüge, daß die Unruhe dieses Alters aus dem Durst nach Liebe entspringt; und es ist die Eigenschaft des Durstes, die Güte eines zufällig dargebotenen Trankes nicht allzu wählerisch zu prüfen.

Wiederholen wir das bisher Gesagte, so haben wir folgende sieben Stufen der Liebe:

1. Bewunderung,

2. sinnliche Gedanken,

3. Hoffnung.

4. Erwachen der Liebe,

5. erste Kristallbildung,

6. Zweifel,

7. zweite Kristallbildung.

[13] Zwischen 1 und 2 kann ein Jahr vergehen, zwischen 2 und 3 ein Monat; wenn die Hoffnung nicht bald entsteht, verzichtet man unwillkürlich auf 2 wie auf eine Quelle des Unglücks,

Zwischen 3 und 4 ein Augenblick.

Zwischen 4 und 5 überhaupt kein Zwischenraum. Sie können höchstens durch intime Bekanntschaft getrennt werden.

Zwischen 5 und 6 können je nach dem Grad von Ungestüm und der sonstigen Kühnheit eines Charakters ein paar Tage liegen; zwischen 6 und 7 kein Zwischenraum.


5. Kapitel

Der Mensch tut von allen möglichen Dingen immer das, was ihm am meisten Vergnügen bereitet. Erst die Erziehung läßt in uns bei schlechten Handlungen das Gewissen schlagen, so daß die Furcht vor diesem Gefühle dem Bösen die Wage hält.

Die Liebe ist wie das Fieber. Sie entsteht und vergeht, ohne daß der Wille Gewalt darüber hat. Dies ist ein Hauptunterschied zwischen der Liebe aus Galanterie und der Liebe aus Leidenschaft. Hat die Geliebte wirklich gute Eigenschaften, so verdanken wir das nur einem glücklichen Zufall.

Übrigens ist die Liebe in jedem Lebensalter möglich. Ich erinnere an die Leidenschaft der Frau du Deffant für den wenig anmutigen Horaz Walpole. Vielleicht findet sich dafür auch heutzutage manches andere und vor allem liebenswürdigere Beispiel.

Als untrügliche Beweise großer Leidenschaften lasse [14] ich nur solche mit lächerlichen Folgen gelten. So ist ein Beweis der Liebe die Schüchternheit. Natürlich meine ich nicht die törichte Schüchternheit eines Abiturienten.


6. Die Kristallbildung

In der Liebe hört die Kristallbildung fast nie auf. Solange wir von der Geliebten noch keine Beweise ihrer Liebe haben, geht die Kristallbildung eigentlich nur in der Einbildung vor sich. Allein in der Phantasie schwebt uns die Begehrte in aller Vollkommenheit vor. Nach errungenem Siege werden unsere immer wiederkehrenden Zweifel in deutlicherer Weise beschwichtigt. Das Glück ist also nur zu Anfang eintönig, später bringt jeder Tag frische Blüten.

Wenn sich die geliebte Frau ihren leidenschaftlichen Gefühlen zügellos überläßt und den großen Fehler begeht, durch ungestüme Gunstbezeugungen jeden Zweifel in uns verscheuchen zu wollen, so hält die Kristallbildung einen Augenblick inne. Wenn aber die Liebe etwas von ihrer Heftigkeit eingebüßt hat, das heißt, wenn sie nicht mehr fürchtet, dann gewinnt sie den wunderbaren Reiz vollkommener Hingabe und grenzenlosen Vertrauens. Eine süße Sorglosigkeit macht alle Mühsal des Lebens schwinden und verleiht seinen Freuden einen neuen Wert.

In der Verlassenheit fangt die Kristallbildung wieder an. Jede Regung unsrer Verehrung für die Geliebte, jeder Gedanke an das halbvergessene Glück, das sie uns zu gewähren vermag, läuft in die wehmutige [15] Betrachtung aus: „Dieses Glück wird mir niemals wieder lachen und nur durch meine eigene Schuld ging es mir verloren.“ Wenn wir unser Heil in anderen Eindrücken suchen, so vermag sie unser Herz nicht aufzunehmen. Unsere Phantasie mag uns den körperlichen Vorgang noch so gut vorführen, sie mag uns auf flüchtigem Pferd durch die Wälder von Devonshire dahinjagen lassen, wir sehen und fühlen doch deutlich, daß wir keine Freude daran hätten. Solche optische Täuschungen sind im stande, uns die Pistole in die Hand zu drücken.

Auch das Hazardspiel hat seine Kristallbildung durch die Pläne, was wir mit dem gewonnenen Gelde anfangen wollen.

Und die vom Adel zurückersehnte Glücksjagd am Hofe, die unter dem Namen der Legitimität betrieben wurde, war lediglich durch die Kristallbildung, die sie erregte, verführerisch. Jeder Höfling träumte von dem fabelhaften Glück eines Luynes oder Lauzun, und jede galante Dame sah im Geiste die Herzogskrone der Frau von Polignac vor sich.

Keine Regierung mit vernünftigen Grundsätzen wird je wieder solche Kristallbildungen zugeben. Ein Muster des nüchternsten Gegensatzes ist die Regierung der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Auch ihren Nachbarn, den Indianern, war ja, wie wir gesehen haben, die Kristallbildung etwas Fremdes. Die Römer kannten sie ebensowenig und betätigten sie nur in der Liebe aus Sinnlichkeit.

Ebenso hat der Haß seine Kristallbildung. Sobald man hoffen kann, sich zu rächen, fängt man von neuem an zu hassen.

[16] Ferner ist es nichts anderes als Kristallbildung, wenn irgend eine Lehre, die auf Absonderlichkeiten und unbeweisbaren Sätzen fußt, gerade bei den verschrobensten Leuten begeisterten Anklang findet. Selbst in der Mathematik gibt es eine Kristallbildung – man denke an die Schüler Newtons im Jahre 1740 – besonders in solchen Köpfen, die nicht alle Glieder der Beweisführung dessen, was sie glauben, mit einem Blick zu überschauen vermögen.

Ein weiteres Beispiel dafür bietet das Mißgeschick der großen deutschen Philosophen, deren so oftmals laut verkündete Unsterblichkeit keine dreißig oder vierzig Jahre überdauert.

In der Musik überläßt sich selbst der logische Mensch fanatisch den Gefühlen, weil man sich über ihr Warum keine Rechenschaft ablegen kann.

Gegen solche Übermacht kann man nicht mit Vernunftgründen ankämpfen.


7. Von den Unterschieden, welche die Entstehung der Liebe bei den beiden Geschlechtern zeitigt

Die Frauen fesseln sich durch ihre Hingabe. Wenn neunzehn Zwanzigstel ihrer alltäglichen Träumereien in der Liebe gipfeln, so gruppieren sich diese Träumereien, wenn sie alles hingegeben haben, nur noch um den einen Gedanken, jenen ungewöhnlichen, entscheidenden und ihrer schamhaften Natur zuwiderlaufenden Schritt zu rechtfertigen. Ein ähnlicher Vorgang ist beim Manne nicht vorhanden; infolgedessen lebt das [17] Weib jene süßen Augenblicke in der Phantasie mit Muße immer und immer wieder durch.

Da die Liebe an festbewiesenen Dingen zweifelt, so ängstigt sich eine Frau, die vor der Hingabe geschworen hätte, ihr Verehrer sei über alles Gemeine erhaben, sobald sie ihm nichts mehr zu versagen hat, ob er nicht vielleicht nur ein Weib mehr auf die Liste seiner Eroberungen setzen wollte.

Jetzt erst entsteht die zweite Kristallbildung, die viel stärker ist, als die erste, weil sie von Furcht begleitet wird.

Sie fehlt vollständig bei leichtfertigen Frauen, denen alle romantischen Gedanken fern liegen.

Das Weib glaubt sich von der Königin zur Sklavin erniedrigt. Dieser Zustand der Seele und des Geistes wird durch die Betäubung der Nerven begünstigt, die ihre Ursache im sinnlichen Genuß hat. Je seltener dieser ist, um so fühlbarer sind seine Folgen. Eine Frau träumt bei ihrer geistlosen Stickerei, die nur die Hände beschäftigt, von dem Geliebten, während er mit seiner Schwadron über die Ebene galoppiert und in Arrest kommt, wenn er eine falsche Bewegung kommandiert.

Ich glaube also, die zweite Kristallbildung ist deshalb bei den Frauen bedeutend stärker, weil Furcht und Zweifel ihnen näher liegen. Ferner werden bei ihnen Eitelkeit und guter Ruf in Mitleidenschaft gezogen und vor allem haben sie weniger Zerstreuungen, als die Männer.

Eine Frau ist nicht daran gewöhnt, sich durch den Verstand leiten zu lassen, während ich als Mann mich täglich sechs Stunden in meinem Berufe mit [18] kalten und vernünftigen Dingen befassen muß. Aber auch abgesehen von der Liebe, haben die Frauen immer den Hang, sich ihrer Phantasie und einer zur Gewohnheit gewordenen Unlogik zu überlassen, und darum verblassen in ihren Augen auch die Fehler eines Geliebten viel rascher.

Die Frauen schätzen Gefühle aus leicht erklärlichen Gründen höher als den Verstand. Da sie nach unsern altmodischen Sitten in Familienangelegenheiten nicht mitzureden haben, so ist ihnen die Vernunft niemals zu etwas nütze, und sie lernen ihren Wert nirgends schätzen.

Sie ist ihnen vielmehr immer schädlich, denn sie tritt nur an sie heran, um ihnen ein Vergnügen von gestern zu schmälern oder ihnen morgen eins zu untersagen.

Überlasse einmal deiner Frau die Verwaltung von zweien deiner Landgüter, und ich wette, die Bücher werden besser, als bei dir selbst, in Ordnung sein. Und du öder Tyrann hast dann höchstens das zweifelhafte Recht, dich zu beklagen, weil du nicht das Geschick hast, dich liebenswert zu machen. Sobald die Frauen sich mit allgemeinen Dingen beschäftigen, schenken sie ihnen, ohne es selbst zu merken, ihre Liebe. In Kleinigkeiten haben sie ihren Stolz, peinlicher und genauer als die Männer zu sein. Die Hälfte des Kleinhandels ruht in ihren Händen, die damit besser fertig werden, als die ihrer Gatten. Und es ist eine allbekannte Tatsache, daß man in Gesprächen mit Frauen über geschäftliche Angelegenheiten nicht pedantisch genug sein kann.

Immer und überall dürsten sie nach Aufregungen; man denke an die Leichenfeiern in Schottland.

[19]
8. Kapitel

This was her favoured fairy realm, and here she erected her aerial palaces.

(W. Scott,
Braut von Lammermoor.)

Ein junges Mädchen von achtzehn Jahren ist zu einer starken Kristallbildung noch nicht fähig und bei seiner geringen Lebenserfahrung zu zaghaft im Liebesbegehren, um mit der gleichen Leidenschaft zu lieben, wie ein Weib mit achtundzwanzig Jahren.

Heute Abend unterhielt ich mich hierüber mit einer geistreichen Dame, die gerade das Gegenteil behauptete. „Die Phantasie einer Achtzehnjährigen,“ meinte sie, „ist noch nicht durch irgend eine schlimme Erfahrung ernüchtert und lodert noch im Feuer der ersten Jugend; sie macht sich natürlich vom Manne ein überschwengliches Bild. Jedesmal, wenn sie den Geliebten sieht, genießt sie nicht sein wirkliches Wesen, sondern jenes bezaubernde Bild, das sie sich von ihm ersonnen hat. Später, wenn sie durch den ersten Geliebten und alle anderen Männer enttäuscht worden ist, hat die Erkenntnis der rauhen Wirklichkeit die Kraft zur Kristallbildung geschwächt, und das Mißtrauen hat der Phantasie die Schwingen gestutzt. Nie wieder vermag sie sich von einem Manne, und wenn er ein Muster seines Geschlechts wäre, ein gleich verführerisches Bild zu erdenken. Sie liebt nicht mehr mit der Glut der ersten Jugend. In der Liebe genießt man immer nur die Illusion, die man sich selbst schafft. Und wie die Vorstellung, die sich ein achtundzwanzigjähriges Weib vom Manne macht, nicht mehr so licht und hehr ist, als die, die sich die erste Liebe einer [20] Achtzehnjährigen erträumte, so ist auch die zweite Liebe immer an Schein und Wert geringer.“

„Nein, gnädige Frau,“ entgegnete ich, „das Mißtrauen, das mit achtzehn Jahren nicht vorhanden ist, verleiht unzweifelhaft der späteren Liebe eine besondere Färbung. In der ersten Jugend gleicht die Liebe einem gewaltigen Strome, der alles mit seinen Fluten fortreißt und dem nichts Widerstand leistet. Eine feinfühlige Frau dagegen kennt sich mit achtundzwanzig Jahren genau. Sie weiß, daß man, falls überhaupt Glück irgendwo im Leben zu finden ist, zuerst bei der Liebe anfragen muß. In dem bedrängten Herzen entbrennt also ein harter Kampf zwischen Liebe und Mißtrauen, so daß die Kristallbildung nur langsam vorwärts schreitet. Geht sie aber aus dieser schweren Prüfung, in der das Herz mit jedem Schlage die größten Gefahren besteht, als Siegerin hervor, so gerät sie tausendmal herrlicher und fester, als bei der Liebe einer Achtzehnjährigen, die unter der Sonne der Jugend alles als glückliches und fröhliches Spiel auffaßte.

„Die Liebe wird also weniger heiter, aber leidenschaftlicher sein.“[1]

Dieses Gespräch – es war in Bologna – widersprach dem, was mir so klar schien, und führte mich so recht zu der Einsicht, daß ein Mann eigentlich nichts Gescheites über die Vorgänge in der Tiefe einer feinfühlenden Frauenseele zu sagen weiß. Eine Kokette durchschauen wir Männer eher, weil wir selbst sinnlich und eitel sind.

Die Verschiedenartigkeit in der Entstehung der Liebe bei den beiden Geschlechtern rührt entschieden aus [21] dem ungleichen Wesen der Hoffnung her. Auf der männlichen Seite haben wir den Angriff, auf der weiblichen die Verteidigung; dort Verlangen, hier Verweigern; dort Ungestüm, hier Ängstlichkeit.

Der Mann denkt: „Werde ich ihr gefallen? Wird sie mir ihre Liebe gewähren?“

Die Frau dagegen: „Sagt er mir nur zum Scherz, daß er mich liebt? Ist sein Charakter beständig genug? Kann er selbst für die Dauer seiner Gefühle bürgen?“ Deshalb betrachten und behandeln viele Frauen einen dreiundzwanzigjährigen Jüngling wie ein Kind. Wenn er sechs Feldzüge mitgemacht hat, ändert sich alles; dann ist er ein junger Held.

Beim Manne hängt die Hoffnung einfach vom Benehmen der Geliebten ab, das leicht zu deuten ist. Bei der Frau dagegen muß sich die Hoffnung auf eine Charakterbeurteilung des geliebten Mannes stützen, die richtig zu treffen überaus schwierig ist.

Die meisten Männer begehren ein Liebeszeichen, das ihnen genügt, um alle Zweifel zu verscheuchen. Die Frauen sind nicht so glücklich, solche Zeichen zu finden. Es ist das uralte Unglück des Lebens: was dem einen Sorglosigkeit und Glück bringt, bedeutet für den anderen Gefahr und Demütigung.

In der Liebe hat der Mann schlimmsten Falls mit heimlichem Seelenschmerz, die Frau aber mit dem allgemeinen Spott der Menge zu rechnen. Sie ist ängstlicher und das Gerede der Leute ist ihr viel wichtiger. Sie muß den bekannten Spruch von Beaumarchais beherzigen: „Sei schön, wenn du kannst; klug, wenn du willst; aber besonnen, das ist immer nötig.“

Sie hat kein sicheres Mittel, das Gerede der Leute [22] zu beschwichtigen, wenn sie einmal eine Blöße ihres Lebens offenbart hat.

Die Frauen müssen also mißtrauisch sein. Infolge ihrer Eigenart sind alle Regungen ihres Geistes auf den verschiedenen Stufen der entstehenden Liebe erheblich zarter, ängstlicher, langsamer und unbestimmter. Sie haben also mehr Neigung zur Beständigkeit und lassen von einer einmal begonnenen Kristallbildung nicht so leicht wieder ab.

Eine Frau, die ihren Geliebten erblickt, überlegt auf der Stelle oder überläßt sich völlig dem Liebesglück, bis das ungestüme Vorgehen des Mannes sie jäh veranlaßt, alle Freuden zu lassen und sich eilends zur Wehr zu setzen.

Die Rolle des Liebenden ist einfacher. Seine Augen suchen die Geliebte. Ein einziges Lächeln macht ihn überreich an Glück. Es zu erhaschen, ist sein unablässiges Bemühen. Verse von Dante kommen mir in den Sinn:

Quando leggemmo il disiato riso
Esser baciato da cotanto amante,
Costui che mai da me non fia diviso,
La bocca mi bacció tutto tremante
.“[2]

Ein Mann betrachtet eine lange Belagerung als Demütigung, ein Weib aber als Ruhm.

Eine Frau ist imstande zu lieben und doch mit dem Manne, der ihr gefällt, im Verlaufe eines ganzen Jahres keine zehn oder zwölf Worte zu reden. Sie führt gleichsam im Innern ihres Herzens Buch darüber, wie oft sie ihn gesehen hat: zweimal war er mit ihr im Theater, zweimal hat er bei einem Diner [23] neben ihr gesessen, dreimal hat er sie auf der Straße gegrüßt.

Eines Abends hat er ihr beim Spiel die Hand geküßt. Seitdem duldet sie es nicht mehr, unter keinem Vorwande und sogar auf die Gefahr hin, auffällig zu erscheinen, daß man ihr die Hand küßt.

Bei einem Manne würde man ein derartiges Benehmen weibische Liebe nennen.


9. Kapitel

Als Beweis für die Kristallbildung will ich ein paar kleine Geschichten erzählen.

Eine junge Dame hört ihren Vetter Eduard, der eben aus einem Feldzuge heimkehrt, als einen äußerst vornehmen jungen Mann preisen. Man versichert ihr, er liebe sie schon vom Hörensagen, er wolle sie jedoch einmal sehen, ehe er sich erkläre und bei ihren Eltern um sie anhalte. Zufällig fällt ihr nun in der Kirche ein Fremder auf, den jemand Eduard ruft. Sie denkt nur noch an ihn und verliebt sich in ihn. Acht Tage später trifft der richtige Eduard ein; es ist ein anderer, als der in der Kirche. Das Mädchen erbleicht und würde für ihr Leben unglücklich werden, wenn man es zwingen würde, ihn zu heiraten.

Dergleichen heißt bei gedankenlosen Menschen die Unvernunft der Liebe.

Ein freigebiger Mann erweist einem armen Mädchen mehrfach große Wohltaten. Er besitzt hervorragende Eigenschaften, und es will sich in der Tat Liebe entspinnen. Er trägt einen schlecht gebügelten [24] Hut, und das Mädchen beobachtet seine Ungeschicklichkeit beim Reiten. Seufzend gesteht es sich ein, daß es die dargebrachte Neigung nicht zu erwidern vermag.

Jemand macht einer sehr achtbaren Dame der Gesellschaft den Hof. Da erfährt sie, daß ihr Verehrer ein lächerliches körperliches Mißgeschick gehabt habe. Er wird ihr nun unerträglich, obgleich sie niemals die Absicht gehabt hatte, ihm je anzugehören, und obgleich sein verborgenes Gebrechen seinem Geiste und seiner Liebenswürdigkeit keinen Abbruch tut. Die Kristallbildung ist einfach unmöglich geworden.

Wenn ein Mensch imstande sein soll, das geliebte Wesen in Wonne zu vergöttern, gleichgiltig, ob er es im Ardennerwalde oder auf irgend einem Balle gefunden hat, so muß es ihm zunächst als vollkommen erscheinen, wenn auch nicht in allen erdenklichen Beziehungen, so doch in den sichtbaren. In jeder Hinsicht vollkommen erscheint uns das, was wir lieben, erst nach einigen Tagen der Kristallbildung. Das ist sehr einfach. Es genügt dann die bloße Vorstellung der Vollkommenheit, um sie dem geliebten Wesen wirklich anzusehen.

Wir sehen, wie weit die Schönheit zur Entstehung der Liebe nötig ist. Die Häßlichkeit darf nicht gerade zum Hindernis werden. Der Liebende kommt bald so weit, seine Geliebte, so wie sie ist, schön zu finden, ohne noch an den Begriff der idealen Schönheit zu denken.

Die von wahrer Schönheit verklärten Züge verheißen ihm bei der Betrachtung, wenn ich mich so ausdrücken darf, ein Maß des Glückes, das ich als [25] Einheit bezeichnen will, und die Züge der Geliebten, so wie sie sind, verheißen ihm tausend Einheiten des Glücks.

Ehe die Liebe entsteht, ist Schönheit gleichsam das Aushängeschild. Wir werden durch die Lobpreisungen empfänglich gemacht, die man unserer künftigen Geliebten erteilt, und auf die Leidenschaft vorbereitet. Eine allgemeine lebhafte Bewunderung gibt der winzigsten Hoffnung den Ausschlag.

In der Liebe aus Galanterie, und vielleicht auch in den ersten fünf Minuten der Liebe aus Leidenschaft, legt eine Frau bei der Wahl des Geliebten mehr Wert auf die Art und Weise, wie ihn andere Frauen beurteilen, als darauf, wie sie ihn selber beurteilt. So erklärt sich der große Erfolg, den Fürsten und Offiziere haben.[3] Am Hofe Ludwigs des Vierzehnten waren die hübschen Damen auch noch in den alternden König verliebt.

Man muß sich wohl hüten, seine eigene Neigung zu jemandem eher zu verraten, als bis man sicher ist, daß man Teilnahme erregt hat. Man erweckt sonst Widerwillen, der das Aufkommen der Liebe für immer vereitelt und höchstens im Groll der verletzten Eigenliebe Heilung findet.

Einfältigkeit berührt immer unsympathisch, desgleichen, wenn man dem ersten Besten zulächelt. Daher ist in der großen Gesellschaft ein Anstrich von Blasiertheit angebracht. Er macht das vornehme Wesen aus. Man soll nichts einheimsen, was an einem zu niedrigen Aste hängt. In der Liebe achtet unsere Eitelkeit einen zu leichten Sieg gering, und der Mensch neigt zur Geringschätzung alles dessen, was ihm aufgedrängt wird.

[26]
10. Kapitel

Sobald die Kristallbildung einmal begonnen hat, genießt man mit Wonne jede neue Schönheit, die man an der Geliebten neu erblickt.

Was ist aber Schönheit anderes, als eine Quelle der Lust?

Das Lustgefühl ist individuell verschieden und bei verschiedenen Menschen geradezu entgegengesetzt; daher erklärt es sich, daß einer etwas für schön hält, was dem anderen häßlich vorkommt.

Um das Wesen des Schönen zu erklären, müssen wir vorerst die Natur des Lustgefühls bei jedem Einzelwesen untersuchen.

Irgend jemand zum Beispiel beansprucht ein Weib, das gewisse gewagte Annäherungen duldet und durch die Art seines Lächelns das Recht zu sehr vergnüglichen Dingen zugesteht, ein Weib mit sinnlicher Phantasie, das seine Art von Sinnlichkeit herausfordert und ihm gestattet, sie zu betätigen. Er versteht unter Liebe offenbar nur Liebe aus Sinnlichkeit, sein Freund dagegen Liebe aus Leidenschaft. Selbstverständlich können beide auch nicht ein und derselben Meinung über den Begriff des Schönen sein.

Da wir nun eben entwickelt haben, daß Schönheit eine Quelle der Freude und daß Lust individuell ist und sich daher mannigfaltig äußert, so muß die Kristallbildung in der Seele eines Menschen stets dieselbe Färbung zeigen, wie sein individuelles Lustgefühl.

Die Kristallbildung bei unserer Geliebten, oder sagen wir kurz ihre Schönheit, ist nichts anderes, als der Inbegriff der Befriedigung aller Wünsche, die in uns bei ihrem Anblick nach und nach entstanden sind.

[27]
11. Kapitel

Warum genießen wir voll Entzücken jede neu entdeckte Schönheit an der Geliebten?

Weil uns jede neue Schönheit die volle Befriedigung eines Wunsches gewährt. Wollen wir unsere Geliebte zärtlich, so ist sie es; wollen wir sie dann stolz wie Corneilles Emilie, so scheint sie uns, obgleich beide Eigenschaften in einem Charakter unmöglich zu vereinbaren sind, augenblicklich die Seele einer Römerin zu haben. Darin steckt ein starker Beweis dafür, daß die Liebe die mächtigste aller Leidenschaften ist. Die anderen passen ihre Wünsche der kalten Wirklichkeit an; nur in der Liebe bemüht sich die Wirklichkeit, sich nach unseren Wünschen zu richten. Sie ist die Leidenschaft, in der das heftigste Verlangen auch den größten Genuß bedingt.

Das Glück hat gewisse Grundbedingungen, von denen jegliche Befriedigung der einzelnen Wünsche in hohem Maße abhängt,

1. Die Geliebte scheint uns zu gehören, weil wir allein sie glücklich machen können.

2. Sie ist die Richterin unserer Vorzüge. Dieser Standpunkt war von erheblicher Bedeutung an den galanten und ritterlichen Höfen Franz des Ersten und Heinrichs des Zweiten, sowie an dem prunkvollen Hofe Ludwigs des Fünfzehnten. Unter einer besonnenen konstitutionellen Regierung geht den Frauen diese Art von Einfluß gänzlich verloren.

3. Sind wir romantisch veranlagt, so finden wir in den Armen der Geliebten Freuden, die um so überirdischer und über dem Schmutz gemeiner Gedanken [28] um so erhabener sind, je höher unsere Seele hinausstrebt.

Die meisten jungen Franzosen sind mit achtzehn Jahren Schüler von Jean-Jacques Rousseau. Seine Auffassung vom Glück ist für sie grundlegend.

Mitten in diesen Wirrungen, die unser Verlangen nach Glück so irreführen, verlieren wir den Kopf.

Von dem Augenblick ab, wo man liebt, sieht selbst der Klügste kein Ding mehr so, wie es wirklich ist. Er achtet seine eigenen Vorzüge zu gering und überschätzt die geringfügigsten Gunstbezeugungen des geliebten Gegenstandes. Zweifel und Hoffnung erhalten mit einem Male etwas Romantisches. Wir schreiben nichts mehr dem Zufall zu, wir verlieren das Gefühl für Wahrscheinlichkeit und Unwahrscheinlichkeit, und Dinge der Phantasie werden zu Dingen der Wirklichkeit, um uns unserem Glücke näher zu bringen.

Ein erschreckliches Anzeichen, daß wir den Kopf verlieren, ist die Tatsache, daß wir irgend einen schwer erkennbaren Umstand gleichsam für weiß ansehen und somit zu Gunsten unserer Liebe deuten. Im nächsten Augenblick bemerken wir, daß er in Wirklichkeit schwarz aussieht, und trotzdem finden wir, daß er für unsere Liebe ein günstiges Zeichen ist.

In diesem Zustande, wo unser Herz tödlichen Ungewißheiten zum Raube fällt, sehnen wir uns unsäglich nach einem Freunde. Aber für einen Liebenden gibt es keinen Freund mehr. Das wußte man bei Hofe. Wir begehen Indiskretionen, die einzigen, die selbst eine feinfühlige Frau verzeihen kann.


[29]
12. Entstehung der Liebe; Gesellschaft und Unglück

Das Wunderlichste an der Leidenschaft der Liebe ist ihre Entstehung, der plötzliche närrische Wandel, der sich im Hirne eines Liebenden vollzieht.

Die große Gesellschaft mit ihren glänzenden Festen begünstigt die Liebe, denn sie fördert ihre Entstehung.

Sie beginnt damit, die bloße Bewunderung in zarte Verehrung zu verwandeln.

Ein rascher Walzer in einem von tausend Kerzen erleuchteten Saale versetzt junge Herzen in einen Taumel, der die Zaghaftigkeit besiegt, das Bewußtsein der Kräfte steigert und den Mut zum Lieben gibt. Der Anblick eines liebenswerten Wesens genügt dazu nicht, im Gegenteil, gerade der vollendetste Liebreiz entmutigt zarte Seelen. Entweder bedürfen wir der Überzeugung, daß uns solch ein Geschöpf bereits liebt, oder irgend etwas muß uns seine Unnahbarkeit überwinden helfen.

Wer gerät auf den Einfall, sich in eine Königin zu verlieben, wenn sie uns nicht selbst dazu ermutigt?[4]

Nichts begünstigt die Entfaltung der Liebe mehr, als eine langweilige Einsamkeit, die von ein paar seltenen, lang ersehnten Festlichkeiten unterbrochen wird. Gewandte Mütter mit Töchtern verstehen das.

Die wirkliche große Gesellschaft, wie sie am französischen Hofe war[5] und nach meiner Meinung seit 1780 nicht mehr (außer vielleicht noch am Petersburger Hofe) vorhanden ist, fördert die wahre Liebe wenig, weil sie die Einsamkeit und Muße, die zur Kristallbildung nötig sind, geradezu unmöglich macht.

[30] Das Hofleben gibt Gelegenheit, zahlreiche Nuancen zu beobachten und zu betätigen, und oft wird solch eine flüchtige Wahrnehmung zum Ursprung unserer Bewunderung und Leidenschaft.[6]

Wenn zu dem durch die Liebe bereiteten Unglück noch anderweitiges Mißgeschick hinzutritt (wenn zum Beispiel unsere Eitelkeit gekränkt wird, indem die Geliebte unseren berechtigten Stolz oder unser Ehrgefühl oder unsere persönliche Würde verletzt, oder wenn unser Unglück durch Krankheit, Geldverlegenheit oder durch politische Unduldsamkeit hervorgerufen ist), so wird die Liebe nur scheinbar durch diese Widerwärtigkeiten vergrößert. In Wirklichkeit aber verhindern diese, indem sie unsere Gedanken nach anderer Richtung hin ablenken, in einer aufkeimenden Liebe die Kristallbildung und in der bereits erhörten Liebe das Entstehen[WS 1] kleiner Zweifel. Erst wenn das Unglück vorüber ist, kehrt die Wonne der Liebe zugleich mit ihrer Torheit zurück.

Beachtenswert ist es, daß Mißgeschick die Entstehung der Liebe bei leichtfertigen und wenig feinfühligen Charakteren erleichtert. Wenn das Unglück schon eingetreten ist, bevor die Liebe entstand, so fördert es diese insofern, als sich die Phantasie aus Ekel vor all den trübseligen Bildern des Lebens nur noch der Kristallbildung widmet.


13. Kapitel

Eine weitere Erfahrung, die man mir vielleicht abstreiten wird, gilt vor allem denen, die, ich möchte sagen, so unglücklich waren, lange Jahre hindurch [31] leidenschaftlich geliebt zu haben, während unbesiegbare Hindernisse ihrer Liebe entgegenstanden.

Der Anblick alles dessen, was in Kunst und Natur von auserlesener Schönheit ist, lenkt unsere Gedanken mit Blitzesschnelle auf unsere Geliebte. Durch einen mechanischen Vorgang, ähnlich dem in den Salzburger Bergwerken, der den Baumzweig mit Kristallen überdeckt, steht alles Schöne und Hehre in der Welt im Zusammenhang mit unserer Geliebten, und ein unerwarteter Anblick des Glückes füllt unsere Augen mit Tränen. So beleben sich gegenseitig die Liebe zum Schönen und die Liebe zum Weibe.

Es gehört zu den Leiden unseres Lebens, daß das Glück, die Geliebte zu sehen und mit ihr zu reden, keine zuverlässige Erinnerung in uns hinterläßt. Offenbar ist unsere Seele in ihrer Erregung zu verwirrt, um auf die Ursachen und Nebenumstände dieser Erregung zu achten. Sie ist in diesem Augenblicke reine Empfindung. Weil wir solche Freuden nicht nach Belieben hervorufen können, wobei wir ihrer vielleicht überdrüssig würden, so kehren sie um so mächtiger wieder, sobald uns irgend etwas aus den Träumereien aufschreckt, die wir der Geliebten weihen, oder die Geliebte uns durch irgend einen Zusammenhang lebhaft in Erinnerung gebracht wird (zum Beispiel durch Parfüme).

Dieses Empfinden ist so stark, daß es sich selbst auf meine Feindin erstreckt, die täglich mit meiner Geliebten zusammenkommt. Wenn ich jene sehe, erinnert sie mich so sehr an diese, daß ich nicht fähig bin, sie in diesem Augenblicke zu hassen, wenn ich mich auch noch so bemühe.

[32] O wunderliche Seltsamkeit unseres Herzens! Man könnte meinen, daß ein geliebtes Weib mehr Reiz ausströmt, als ihm in Wirklichkeit eigen ist. Das Bild der fernen Stadt, wo wir die Angebetete nur einen Augenblick lang gesehen haben,[7] versetzt uns in eine tiefere und holdere Träumerei, als ihre Anwesenheit selbst. Von gleicher Wirkung ist die Sprödigkeit.

Liebesträumereien kann man nicht festhalten. Ich habe beobachtet, daß ich einen guten Roman alle drei Jahre mit dem gleichen Genüsse wieder lesen kann. Er bringt mich in eine, der besonderen Geschmacksrichtung, die mich augenblicklich beherrscht, entsprechende Stimmung, oder er gibt mir Abwechslung in meinen Ideen, wenn ich anders fühle. Ebenso höre ich dieselbe Musik mit Genuß wieder, wenn dabei das Gedächtnis nicht in Frage kommt. Nur die Phantasie allein darf angeregt werden. Wenn uns eine Oper bei der zwanzigsten Aufführung mehr Genuß bereitet, so liegt die Ursache darin, daß wir die Musik entweder besser verstehen, oder daß sie uns die Stimmung der ersten Aufführung wieder herzaubert.

Die neuen Gesichtspunkte, die mich ein Roman für die Kenntnis des menschlichen Herzens gewinnen läßt, rufen mir im Geiste frühere Erfahrungen sehr lebhaft zurück. Ich mache mir darüber am liebsten Randbemerkungen. So habe ich mein Vergnügen beim Lesen von Romanen daran, daß sie meine Kenntnis des menschlichen Wesens fördern und keineswegs an der träumerischen Stimmung, die den eigentlichen Genuß an einem Romane bildet. Diesen Zustand kann man nicht festhalten. Wenn man es versucht, so verscheucht man die Stimmung augenblicklich, denn man verfällt [33] dann in philosophisches Zergliedern des Genusses und verscheucht sie dadurch für immer, denn nichts lähmt die Phantasie so sehr, wie das Wachrufen der Erinnerung. Wenn ich zum Beispiel eine solche Randbemerkung wiederfinde, die meine Empfindungen beim Lesen von Scotts „Old Mortality“ vor drei Jahren in Florenz wiederspiegelt, so vertiefe ich mich sofort in die Vergangenheit meines Lebens, in einen Vergleich meines Glückszustandes von heute und damals, kurz in die höchste Philosophie, und das Sich-Hingeben an zarte Empfindungen ist auf lange Zeit vorbei.

Jeder echte Dichter, der eine rege Phantasie hat, ist scheu, das heißt, er fürchtet die Menschen, weil sie ihn in seinen köstlichen Stimmungen stören und ablenken. Ihm ist um seine innere Sammlung bange. Die Menschen mit ihren groben Wünschen wollen ihn aus den Gärten der Armida entführen und in einen gemeinen Sumpf treiben. Sie können sich ihm nicht anders bemerkbar machen, als durch Belästigungen. Durch die Gewohnheit, seine Seele mit holden Träumen zu nähren, und durch seinen Abscheu vor allem Gemeinen ist der große Künstler der Liebe nie fern.

Je größer ein Mensch als Künstler ist, um so mehr sollte er danach trachten, sich durch Rang und Auszeichnungen gleichsam unnahbar zu machen.


14. Kapitel

Mitten in der gewaltigsten, unerfüllbarsten Leidenschaft kommen Augenblicke, in denen wir uns plötzlich einbilden, nicht mehr zu lieben. Es gibt Süßwasserquellen [34] mitten im Meere. Fast haben wir keine Freude mehr daran, der Geliebten zu gedenken. Schon über ihre Abweisungen betrübt, fühlen wir uns auch noch deshalb unglücklich, weil uns die ganze übrige Welt schal geworden ist. Die trübseligste und mutloseste Niedergeschlagenheit löst eine Stimmung ab, die zweifellos erregt war, in der uns jedoch alles in einem neuen, leidenschaftlichen und bedeutungsvollen Lichte erschien.

Der Grund ist, daß der letzte Besuch bei der Geliebten uns in einen Zustand versetzt hat, den wir schon früher einmal mit allen Empfindungen unseres Herzens durchlebt haben, zum Beispiel, wenn die Geliebte lange Zeit kalt gegen uns war und uns diesmal besser behandelt; damit regt sie in uns genau dieselben Hoffnungen an, und zwar durch die nämlichen äußeren Zeichen, wie früher schon einmal. Vielleicht hat sie selbst keine Ahnung davon. Aber unsere Phantasie entsinnt sich der Erfahrungen und ihrer trüben Warnungen, und die Kristallbildung hört sofort auf.


15. Kapitel

Heute Abend habe ich gemerkt, daß wahrhaft edle Musik die Seele in genau dieselbe Stimmung bringt, wie wenn wir die Gegenwart unserer Geliebten genießen, daß sie uns also das anscheinend höchste Glück auf Erden gewährt.

Wenn es allen Menschen wie mir geht, dann macht uns nichts für die Liebe empfänglicher, als die Musik.

Ich habe schon im vergangenen Jahre in Neapel (1821) die Beobachtung gemacht, daß ausgezeichnete [35] Musik – auch ein gutes Ballett – mich immer an das denken macht, was gerade der Gegenstand meiner Träumereien war, und daß ich dabei meine besten Einfälle habe. Damals in Neapel hatte mich die Begeisterung für die Befreiung Griechenlands ergriffen.

Die Gewöhnung an Musik mit ihren Träumereien macht für die Liebe empfänglich. Eine zarte, wehmütige Weise, vorausgesetzt, daß sie nicht zu dramatisch ist und die Phantasie nicht geradezu der Handlung zu folgen zwingt, wirkt durch die Erregung von Liebesgedanken wunderbar auf zärtliche und unglückliche Gemüter ein.

Ein glücklich Liebender ist entzückt von dem berühmten Duett aus Rossinis „Armida“, das die Eifersüchteleien der glücklichen Liebe und die köstlichen Augenblicke nach einer Wiederaussöhnung so trefflich schildert. Die Instrumentalmusik in der Mitte des Duetts, wo Rinaldo fliehen will, die mit staunenswerter Kunst den Kampf der Leidenschaften wiederspiegelt, empfindet ein Liebender wie eine physische Einwirkung auf sein Herz, geradezu wie eine wirkliche Erschütterung. Meine eigenen Gefühle wage ich gar nicht zu bekennen; Nordländer würden mich für verrückt halten.


16. Die Schönheit wird durch die Liebe entthront

Ein Freund von mir lernte im Theater eine Dame kennen, die seine Geliebte an Schönheit übertraf. Wenn ich das in eine mathematische Formel umsetzen darf, so haben wir (angenommen, die ideale Schönheit entspräche der Zahl vier) drei- gegen zwiefaches Glück.

[36] Darf es uns nun wundern, wenn er seine Geliebte vorzieht, weil sie ihm hundertfaches Glück verspricht? Selbst kleine Mängel, wie eine Blatternarbe im Gesicht, haben auf einen liebenden Mann eine rührende Wirkung und versenken ihn tief in Träumereien, schon wenn er jenes Zeichen an einer fremden Frau bemerkt. Wie erst an der Geliebten selbst? Hat er doch tausend Empfindungen angesichts dieser kleinen Narbe durchlebt. Es waren zumeist herrliche Empfindungen und immer von höchster Bedeutung für ihn. Sie treten mit schier unglaublicher Lebendigkeit von neuem auf, sobald er jenes Merkmal wiederblickt, sei es auch nur im Gesicht eines fremden Weibes.

Wenn man so selbst die Häßlichkeit vorzieht und liebt, wird in solchen Fällen eben Häßlichkeit zur Schönheit. (Die Schönheit ist nur ein Versprechen des Glückes. Das Glück eines Hellenen war grundverschieden von dem eines modernen Menschen. Das lehrt uns schon der Vergleich zwischen den Augen der mediceischen Venus und denen der Magdalena von Pordenone.)

Jemand liebte leidenschaftlich eine sehr magere Frau mit einer Blatternarbe. Der Tod entriß sie ihm. Drei Jahre später machte er in Rom die Bekanntschaft zweier Damen, von denen die eine bildschön, die andere mager und blatternarbig, also recht häßlich war. Ich beobachtete, wie er nach Verlauf von acht Tagen die Häßliche liebte. In Erinnerung an seine frühere Geliebte übersah er ihre Häßlichkeit. Und in leicht verzeihlicher Gefallsucht brachte es die Häßliche zuwege, ihm das Blut ein wenig in Wallung zu bringen, was in solchen Fällen recht vorteilhaft ist. (Wenn nämlich jemand der Liebe einer Frau sicher [37] ist, fängt er an, Betrachtungen anzustellen, ob sie hübsch ist oder nicht. Solange er über ihre Gegenliebe noch im Zweifel ist, hat er keine Zeit, an ihre äußere Schönheit zu denken.)

Ein anderer lernt eine Frau kennen, durch deren Häßlichkeit er anfangs abgeschreckt wird. Nach und nach läßt ihn ihre Bescheidenheit und der Ausdruck ihrer Züge die Fehler ihres Gesichts vergessen. Er findet sie liebenswert und gibt die Möglichkeit zu, sie lieben zu können. Acht Tage später hofft er, sie zu gewinnen; nach weiteren acht Tagen zerstört sie ihm diese Hoffnung und wieder acht Tage darauf ist er in sie vernarrt.


17. Kapitel

Im Theater macht man an beliebten Schauspielern eine ähnliche Beobachtung: die Zuschauer sehen nicht mehr ihre wirkliche Schönheit oder Häßlichkeit. Lekain, der mager und auffällig häßlich war, wußte in hohem Maße die Leidenschaften zu entfachen, ebenso Garrick. Es gibt verschiedene Gründe dafür; der hauptsächlichste ist der, daß man die wirklichen Züge und Bewegungen der Schauspieler nicht mehr sieht, sondern nur die Schönheit, die ihnen die Phantasie gewohnheitsmäßig verleiht, in dankbarer Erinnerung an alle schon früher gewährten Genüsse. So reizt uns schon das Gesicht eines bekannten Komikers zum Lachen, sobald er nur die Bühne betritt.

Ein junges Mädchen, das zum erstenmale ins Théâtre français geführt wurde, mochte allerdings [38] während der ersten Szenen eine gewisse Abscheu vor Lekain empfinden. Bald aber brachte er es zum Weinen und zum Zittern. Anfangs wirkte wohl seine Häßlichkeit ein wenig störend, doch sehr bald wurde dieser Eindruck durch die allgemeine Begeisterung und den für ein junges Herz erschütternden Eindruck verscheucht.[8] Nichts blieb von seiner Häßlichkeit übrig, als ihr Ruf, und kaum dieser, denn man hörte Frauen enthusiastisch über Lekain ausrufen: „Wie schön ist er!“

Vergessen wir nicht, daß die Schönheit der Ausdruck des Charakters ist oder, mit anderen Worten, der innerlichen Eigenschaften, und daß sie infolgedessen leidenschaftslos ist. Wir bedürfen aber der Leidenschaft. Die Schönheit vermag uns nur Vermutungen über den Wert einer Frau einzugeben, vor allem die, daß sie kaltherzig ist. Dagegen ist das Antlitz einer Geliebten, das durch Blatternarben verunziert wird, holde Wirklichkeit, die alle Vermutungen überflüssig macht.


18. Weitere Ausnahmen der Schönheit

Es gibt geistreiche und zärtliche Frauen von zaghafter und mißtrauischer Feinfühligkeit, die, wenn sie in Gesellschaft gewesen sind, am Tage darauf mit peinlicher Ängstlichkeit alles das tausendfach wieder überdenken, was sie gesagt oder auch nur angedeutet haben. Solche Frauen gewöhnen sich leicht an die Schönheitsfehler eines Mannes. Ungestört dadurch schenken sie ihm ihre Liebe.

Aus eben dem Grunde sind wir Männer sehr gleichgiltig für den Grad der Schönheit einer Angebeteten, [39] die uns kalt behandelt. Die Schönheit hat mit dem Gedeihen der Liebe kaum etwas zu schaffen. Wenn uns ein Freund, um uns zu kurieren, sagt, unsere Geliebte sei nicht hübsch, so geben wir ihm beinahe recht, und er wähnt, ein großes Werk vollbracht zu haben.

Mein Freund, der brave Kapitän Trab, schilderte mir heute Abend den Eindruck, den einst Mirabeau auf ihn gemacht hat.

Niemand, der diesen großen Mann betrachtete, empfand einen unangenehmen Eindruck, das heißt, keiner fand ihn häßlich. Durch seine packenden Worte hingerissen, schenkte man seine Aufmerksamkeit mit Genuß den schönen Zügen seines Gesichts, Da aber in seinem Gesicht fast nichts schön war – nach den Schönheitsgesetzen der Bildhauerkunst oder der Malerei – so war man achtsam auf das Eigentümliche einer anderen Schönheit, der des Ausdrucks.

Während die Aufmerksamkeit alles vom künstlerischen Standpunkt Häßliche übersah, schmiegte sie sich um so liebevoller an die kleinsten Vorzüge, zum Beispiel an die Schönheit seines vollen Haares, an. Hätte er Hörner gehabt, man hätte sie auch schön gefunden.

Das ist der Vorteil, wenn man in Mode ist. Sobald man die Schönheitsfehler an jemandem kennt und diese keinen eigentlichen Einfluß mehr auf uns ausüben, suchen wir folgende drei Arten von Schönheit an ihm zu entdecken:

1. im Volke den Reichtum,

2. in der Gesellschaft die körperliche oder geistige Eleganz,

[40] 3. im Hofleben das Bestreben, den Frauen zu gefallen. Meistens liegt eine Mischung aus allen dreien vor. Das Glück, das dem Reichtum zugeschrieben wird, verbindet sich mit der Verfeinerung des Genusses, der eine Folge der Eleganz ist, und alles zusammen fordert die Liebe heraus. Auf die eine oder andere Weise wird die Phantasie durch das Neue angelockt. So findet man Gefallen an einem häßlichen Menschen und mit der Zeit wird die Häßlichkeit zur Schönheit.[9]

Eine Tänzerin in Wien, Madame Vigano, die damals sehr in Mode war, kam im Jahre 1788 in andere Umstände – und alsbald trugen die Damen kleine Bäuche à la Vigano.

Im Kreisläufe der Anschauungen ist nichts häßlicher, als eine überlebte Mode. Der schlechte Geschmack verwechselt die Mode, die immer das Neue liebt, mit dem ewig Schönen. Ein nach der Mode erbautes Haus ist in zehn Jahren altmodisch, aber in zweihundert Jahren, wenn jene Mode ganz vergessen ist, wirkt es gar nicht so häßlich. Liebende sind große Narren, wenn sie sich hübsch ankleiden. Beim Anblick des Geliebten haben Frauen mehr zu tun, als auf seine Kleidung zu achten. Man sieht den Geliebten, aber man mustert ihn nicht, sagt Rousseau. Wer es doch tut, liebt nicht aus Leidenschaft, sondern aus Galanterie. Ja, die strahlende Schönheit der Geliebten mißfällt uns fast; man sieht nur Schönheit, wo man die Zärtlichkeit und Sehnsucht erblicken möchte. Das Sichputzen hat für die Liebe nur Wirkung bei jungen Mädchen, die im Elternhause ängstlich gehütet werden und oft nur mit den Augen lieben können. –

[41] Allabendlich zwingt das Auftreten einer hübschen Tänzerin die blasierten und phantasiearmen Lebemänner, die den ersten Rang des Opernhauses zieren, zur vollen Aufmerksamkeit. Durch ihre anmutigen, kühnen und eigenartigen Bewegungen erregt sie die Liebe aus Sinnlichkeit und verschafft ihnen vielleicht die einzige Kristallbildung, deren sie überhaupt noch fähig sind. So kommt es, daß ein ganz garstiges Frauenzimmer, das auf der Straße von verwöhnten Männern keines Blickes gewürdigt wird, durch das immer wiederholte Auftreten auf der Bühne es zuwege bringt, reiche Liebhaber zu fangen. Geoffroy nannte darum die Bühne den Thronsessel der Weiber. Je bekannter und verbrauchter eine Tänzerin ist, um so teurer wird sie. Es gibt ein Kulissensprichwort: „Es will sie keiner geschenkt, so muß sie sich schon verkaufen.“ Diese Sorte von Weibern stiehlt ihren Liebhabern die Leidenschaft und erregt sehr leicht die Liebe aus Eitelkeit.

Es ist so natürlich, daß man edle und liebenswürdige Gefühle mit dem Wesen einer an und für sich nicht verletzenden Schauspielerin verknüpft, wenn man sie jeden Abend zwei Stunden lang die idealsten Gefühle ausdrücken sieht und sonst nichts von ihr weiß. Später, wenn man in Beziehungen zu ihr tritt, rufen ihre Züge immer wieder so angenehme Erinnerungen wach, daß sich die Wirklichkeit ihrer manchmal wenig vornehmen Umgebung augenblicklich mit einem rührenden, romantischen Zauber umhüllt.

Wenn ich als ganz junger Mensch, als mich noch die langweilige französische Tragödie begeisterte, das Glück hatte, mit Fräulein Olivier zu soupieren, ertappte [42] ich mich fortwährend dabei, daß mein Herz voll Verehrung schlug und ich mit einer Königin zu sprechen wähnte. Manchmal habe ich tatsächlich in ihrer Nähe nicht recht gewußt, ob ich in eine Königin oder in ein hübsches Mädchen verliebt war.


19. Kapitel

Vielleicht fühlen die Menschen, die zur Liebe aus Leidenschaft nicht fähig sind, die Wirkung der Schönheit am lebhaftesten. Wenigstens ist sie der stärkste Eindruck, den sie von einem Weibe empfangen können.

Ein Mann, der Herzklopfen hat, wenn er von weitem den weißseidenen Hut der Geliebten bemerkt, muß außerordentlich erstaunt sein, daß ihn die Begegnung mit der gefeiertesten Schönheit der Welt kalt läßt. Das Entzücken der anderen ärgert ihn fast.

Auffallend schone Frauen erregen schon am zweiten Tage nicht mehr die gleiche Bewunderung. Das ist ein großes Unglück für sie und schreckt die Kristallbildung ab. Weil ihre Vorzuge allen Menschen sichtbar und eine äußerliche Auszeichnung sind, zählen sie unter die Schar ihrer Anbeter, Prinzen, Millionäre u. s. w., recht viele Dummköpfe.


20. Von der ersten Begegnung

Ein phantasiereiches Gemüt ist feinfühlig und mißtrauisch, selbst wenn es sehr naiv ist. Es ist vielleicht mißtrauisch, ohne es selbst zu wissen. Es hat so viele [43] Enttäuschungen im Leben gefunden. Darum beleidigt bei der Vorstellung eines Menschen alles Vorbereitete und Feierliche die Phantasie und verhindert die Möglichkeit der Kristallbildung, Dagegen triumphiert die Liebe, wenn sich zwei Menschen zum erstenmale unter romantischen Umständen sehen. Nichts ist einfacher. Die Verwunderung, die uns noch lange an etwas Außergewöhnliches denken läßt, liefert schon die Hälfte der für die Kristallbildung erforderlichen Gehirntätigkeit.

Zur Erläuterung will ich den Anfang von Seraphines Liebschaften (Gil Blas II, 142) anführen, Don Fernando erzählt von seiner Flucht, als er von den Häschern der Inquisition verfolgt wurde:

„Nachdem ich in völliger Dunkelheit und bei unaufhörlich strömendem Regen mehrere Alleen durcheilt hatte, geriet ich vor eine Halle, deren Tür ich offen fand. Ich trat ein und bemerkte, nachdem ich all die Pracht angestaunt hatte, an der einen Seite eine nur leicht angelehnte Tür. Ich öffnete sie und sah eine lange Flucht von Gemächern, von denen nur das letzte erleuchtet war. Was soll ich tun? fragte ich mich selbst. Ich konnte meiner Neugier nicht widerstehen, ging vorwärts, durchschritt alle Zimmer und betrat das erleuchtete. Eine Kerze brannte in einem goldenen Leuchter auf einem Marmortische … Meine Blicke fanden ein Bett, dessen Vorhänge der Hitze wegen nur halb zugezogen waren. Darin lag etwas, das meine ganze Aufmerksamkeit gefangen nahm: eine junge Frau, die trotz des heftigen Gewitters draußen im tiefsten Schlummer lag … Ich näherte mich ihr … ich war wie erstarrt … und während ich mich an ihrem herrlichen Anblick weidete, erwachte sie. Man stelle [44] sich ihr Erstaunen vor, in ihrem Schlafzimmer mitten in der Nacht einen fremden Mann zu erblicken. Sie zitterte vor mir und stieß einen Schrei aus … Ich gab mir die grüßte Mühe, sie zu beruhigen, sank auf die Kniee und sagte zu ihr: „Gnädige Frau, fürchten Sie nichts“ … Sie rief nach ihren Kammerfrauen … Durch das Erscheinen einer kleinen Zofe etwas beherzter geworden, fragte sie mich in stolzem Tone, wer ich wäre …“

Das ist eine erste Begegnung, die man nicht so leicht wieder vergißt. Wie töricht ist im Gegensatze hierzu die steife und rührselige Art, mit der man nach unseren heutigen Sitten einem jungen Mädchen seinen „Zukünftigen“ vorstellt. Das ist eine von der Gesellschaft gebilligte Prostitution, eine Verletzung des Schamgefühls.

„Heute Nachmittag, am 17, Februar 1790,“ schreibt Chamfort (IV, 155), „habe ich einer sogenannten Familienzeremonie beigewohnt, das heißt, ehrbare und angesehene Leute aus achtbarem Gesellschaftskreise wünschten Fräulein von Marille, einem klugen und tugendhaften jungen Mädchen, Glück, weil es den Vorzug hat, die Gattin eines Herrn R*** zu werden, eines kränklichen, unausstehlichen, unhöflichen und verblödeten, aber reichen alten Mannes. Heute bei der Unterzeichnung des Ehekontraktes haben sie sich zum dritten Male gesehen.

Nichts kennzeichnet die Ehrlosigkeit eines Jahrhunderts deutlicher, als derartige Veranlassungen zu Glückwünschen, als die Lächerlichkeit einer solchen Feier, und dann die prüde Grausamkeit und die ungeheure Verachtung, mit der dieselbe Gesellschaft eine [45] auf diese Weise verheiratete, liebebedürftige, arme junge Frau bei der geringsten Unvorsichtigkeit verurteilt.“

Jede Zeremonie ist an sich unnatürlich und auf irgend einen Vorteil berechnet; die Hauptsache dabei ist das standesgemäße Auftreten. Darum ist sie eine Feindin der Phantasie. Diese kommt höchstens zur Geltung, indem sie dem Zwecke der Zeremonie entgegen das Lächerliche an ihr zu entdecken sucht. Daraus erklärt sich auch die magische Wirkung der geringsten boshaften Bemerkung. Ein junges, in seiner Schamhaftigkeit und Schüchternheit befangenes Mädchen kann während der feierlichen Vorstellung des Zukünftigen nichts anderes tun, als an die ihm zugeteilte Rolle denken. Das ist das sicherste Mittel, die Phantasie zu töten.

Es ist viel mehr gegen das Schamgefühl, wenn ein Mädchen mit einem Manne zu Bett geht, den es nur zweimal gesehen hat, nachdem es in der Kirche ein paar unverstandene Formeln gehört hat, als daß es sich wider Willen einem Manne hingibt, den es seit zwei Jahren anbetet. Aber ich sage da Dinge, die niemand versteht.

Diese Schamlosigkeit ist die fruchtbare Quelle der Verworfenheit und des Unglücks unserer modernen Ehen. Sie nimmt dem jungen Mädchen vor der Ehe jede Freiheit und in der Ehe das Recht der Scheidung, wenn es sich getäuscht hat, oder richtiger, wenn es durch die aufgezwungene Wahl getäuscht worden ist. Blicken wir einmal nach Deutschland, dem Lande der glücklichen Ehen, wo eben eine Prinzessin, die Herzogin zu Sa***, ehrsam zum viertenmale heiratet und nicht verfehlt, zu dieser Hochzeit alle drei früheren [46] Gatten einzuladen, mit denen sie auf freundschaftlichem Fuße steht. Welcher Gegensatz!

Eine einzige Scheidung, die einen Ehemann für seine Tyrannei bestraft, verhindert tausend schlechte Ehen. Scherzhaft ist es, daß in Rom die meisten getrennten Ehen zu finden sind.

Die Liebe sucht am Manne einen Gesichtsausdruck, der auf den ersten Blick zu Achtung und Anteilnahme zwingt.


21. Vom Vorurteil

Sehr feinfühlige Seelen sind überaus empfänglich für Neugierde und Vorurteile. Am meisten bemerkbar ist das an Menschen, in denen das heilige Feuer, die Quelle der Leidenschaften, erloschen ist. Das ist eins der traurigsten Zeichen. Voreingenommenheit hegen auch Abiturienten, die ins Leben treten. An beiden Gegenpolen des Lebens, sowohl bei zu viel als bei zu wenig Empfänglichkeit, ist man nicht natürlich genug, um den wahren Wert der Dinge herauszufühlen und den richtigen Eindruck zu gewinnen, den sie geben müssen. Die feurigen, übertrieben feurigen Seelen lieben, wenn ich so sagen darf, auf Kredit. Sie jagen den Dingen entgegen, anstatt sie auf sich zukommen zu lassen.

Ehe der Eindruck, der eine natürliche Folge der Dinge ist, bis zu ihnen gelangt, idealisieren solche Menschen die Dinge von weitem und umkleiden sie, ehe sie sie wirklich erkennen, mit einem eingebildeten Reiz, dessen unerschöpflichen Born sie in ihrem Herzen tragen. Nähern sie sich dann den Dingen, so sehen sie sie nicht, wie sie in Wirklichkeit sind, sondern so, wie [47] sie sie sich eingebildet haben. Sie wähnen etwas zu genießen, und doch erlaben sie sich nur an einem Trugbilde. Aber eines Tages werden sie es müde, immer nur die Geber zu sein, und sie entdecken, daß das angebetete Idol „den Ball nicht zurückwirft“. Das Vorurteil ist dahin, und die Niederlage, die ihre Eigenliebe erlitten hat, läßt sie nunmehr den überschätzten Gegenstand ungerecht beurteilen.


22. Vom Blitzschlage

Die Romane des siebzehnten Jahrhunderts bezeichneten mit „Blitzschlag“ eine seelische Erregung, die das Geschick des Helden und seiner Geliebten plötzlich und unabänderlich entscheidet.

Dieser Ausdruck ist eigentlich lächerlich, aber er meint etwas tatsächlich Vorhandenes.

Ich habe die liebenswürdige und vornehme Wilhelmine *** kennen gelernt. Sie war der angebetete Stern der Berliner Kavaliere und trotzdem sprach sie verächtlich von der Liebe und verspottete ihre Torheiten. Sie war umstrahlt von Jugend, Geist und Schönheit, ein Glückskind in jeder Beziehung; ein ungeheurer Reichtum gestattete ihr, alle ihre Eigenschaften frei zu entfalten, und schien, im Einvernehmen mit der Natur, der Welt ein seltenes Beispiel von vollkommenem Glücke und persönlicher Würdigkeit geben zu wollen. Sie war dreiundzwanzig Jahre alt, ging seit Jahren bei Hofe ein und aus und hatte Persönlichkeiten von höchster Geburt abgewiesen. Ihre bescheidene und unantastbare Tugend war sprichwörtlich geworden. [48] Infolgedessen hatten es die liebenswürdigsten Männer aufgegeben, ihre Gunst zu erringen, und bewarben sich nur noch um ihre Freundschaft.

Eines Abends war sie auf einem Balle beim Prinzen Ferdinand und tanzte zehn Minuten mit einem jungen Hauptmann.

„Von diesem Augenblicke an,“ schrieb sie später an eine Freundin, „war er der Herr meines Herzens und meiner selbst, und das in so hohem Grade, daß ich selbst erschrocken gewesen wäre, wenn mir das Glück, Hermann zu sehen, überhaupt Zeit gelassen hätte, noch an etwas anderes im Leben zu denken. Mein einziger Gedanke war der, zu beobachten, ob er mir einige Aufmerksamkeit schenkte.

Heute ist es mein einziger Trost, den ich im Gefühl meiner Mängel finden kann, mich in der Illusion zu wiegen, es sei eine höhere Macht gewesen, die mich mir selbst und der Vernunft geraubt hat. Mit Worten vermag ich es nicht annähernd richtig zu schildern, wie sehr sein bloßer Anblick mein ganzes Wesen verwirrte und umgestaltete. Ich erröte bei dem Gedanken, mit welcher Schnelligkeit und Heftigkeit ich mich zu ihm hingezogen fühlte. Wenn sein erstes Wort, als er schließlich mit mir sprach, gewesen wäre: „Lieben Sie mich?“, ich hätte nicht die Kraft gehabt, ihm nicht mit „Ja“ zu antworten. Niemals hätte ich mir vorstellen können, daß eine Empfindung so plötzlich und so unvorhergesehen sein könnte. Das ging so weit, daß ich einen Augenblick lang glaubte, ich sei verzaubert.

Unglücklicherweise weißt Du und alle Welt, liebe Freundin, wie sehr ich Hermann liebte: nun wohl, er [49] war mir nach einer Viertelstunde so lieb, daß er mir später nicht lieber werden konnte. Ich sah alle seine Fehler und verzieh sie ihm alle, wenn er mich nur liebte.

Kurz nachdem ich mit ihm getanzt hatte, ging der König fort, und Hermann, der zum diensthabenden Gefolge gehörte, mußte ihm folgen. Mit ihm schwand alles Leben um mich her. Es wäre vergeblich, wenn ich Dir die unermeßliche Langeweile schildern wollte, von der ich mich bedrückt fühlte, als ich ihn nicht mehr sah; ihr kam nur das heftige Verlangen gleich, einsam mit mir allein zu sein.

Endlich konnte ich fortgehen. Zu Hause schloß ich mich in meinem Zimmer zweimal ein und faßte den Entschluß, meine Leidenschaft zu bekämpfen. Ich glaubte, es würde mir gelingen. Ach, meine liebe Freundin, wie teuer habe ich an jenem Abend und den folgenden Tagen meinen schönen Glauben an die Kraft meiner Tugend bezahlt!“

Das ist die genaue Schilderung eines Vorfalles, der zum Tagesgespräch wurde, denn nach ein oder zwei Monaten war die arme Wilhelmine so unglücklich, daß ihre Leidenschaft allbekannt war. Das war der Ursprung von so vielem Unglück, durch das sie so jung und auf so tragische Weise zugrunde ging, von eigener Hand oder von ihrem Geliebten vergiftet. Wir konnten an dem jungen Hauptmann nichts weiter entdecken, als daß er ein vorzüglicher Tänzer war. Er war heiter veranlagt, sehr selbstbewußt und gutmütig, gab sich viel mit der Halbwelt ab und war im übrigen von kleinem Adel, sehr arm und verkehrte nicht am Hofe.

Man darf nicht mißtrauisch sein, man muß sogar eine Abneigung gegen das Mißtrauen mitbringen, sozusagen [50] einen ungeduldigen Mut zum Wechselspiele des Lebens. Aus Überdruß an einem liebeleeren Leben und durch das Beispiel der anderen Frauen wider Willen bestochen, bildet sich die Seele einer Frau, die alle Ängste des Lebens überwunden hat und in dem traurigen Glück des Stolzes keine Befriedigung findet, unbewußt ein ideales Bild. Eines Tages begegnet sie einem Wesen, das diesem Bilde zu gleichen scheint. Sie merkt es an der Verwirrung ihres Heizens und weiht sich nun auf ewig dem so sehnsüchtig erträumten Herrn ihres Schicksals.

Die Frauen, die solchem Unglück verfallen, haben zu viel Seelengröße, um anders als aus Leidenschaft lieben zu können. Sie wären gerettet, wenn sie zur Liebe aus Galanterie herabsteigen könnten.

Da der Blitzschlag aus geheimem Überdruß an dem, was der Katechismus Tugend nennt, und aus der Langeweile entspringt, die durch die Eintönigkeit der Vollkommenheit entsteht, so neige ich zu der Ansicht, daß er am häufigsten solche Männer trifft, die man in der Gesellschaft als Taugenichtse bezeichnet. Ich zweifle sehr, ob der gestrenge Cato je von einem Blitzstrahle getroffen wurde.

Der Blitzstrahl ist darum etwas Seltenes, weil er nur dann eintritt, wenn das Herz, das so im voraus liebt, nicht die geringste Ahnung von seinem Zustande hat.

Eine durch Unglück mißtrauisch gewordene Frau ist zu einer solchen Revolution der Seele nicht fähig.

Nichts fördert Blitzschläge mehr, als das Lob, das eine Frau vorher und durch Frauenmund dem Manne zollen hört, den der Blitzstrahl treffen wird.

[51] Eine der komischsten Quellen von Liebesabenteuern sind falsche Blitzschläge. Eine gelangweilte, aber nicht feinfühlige Frau glaubt eines Abends, sich für ihr ganzes Leben verliebt zu haben. Sie ist stolz, endlich eine jener großen Wallungen gefunden zu haben, nach denen ihre Seele so lechzte. Um anderen Tage ist sie ratlos, wo sie sich verstecken und wie sie dem Unglücklichen aus dem Wege gehen soll, den sie gestern anbetete.

Menschen von Geist verstehen Blitzschläge vorauszusehen und zu ihren Gunsten auszunutzen.

Auch die Liebe aus Sinnlichkeit hat ihre Blitzschläge. So beobachtete ich gestern, wie die schönste und leichtlebigste Dame Berlins, mit der ich zusammen im Wagen fuhr, plötzlich errötete. Der schöne Leutnant Findorff war vorübergegangen. Sie verfiel in tiefe Träumerei und Unruhe. Abends im Theater gestand sie mir, daß sie närrisch verliebt sei und daß sie nur an Findorff denke, mit dem sie jedoch nie ein Wort gesprochen hatte. Wenn es angängig wäre, sagte sie, so würde sie ihn holen lassen. Ihr hübsches Gesicht verriet alle Zeichen einer heftigen Leidenschaft. Das ging auch noch den folgenden Tag so; nach drei Tagen hatte sich Findorff täppisch betragen, und sie dachte nicht mehr an ihn. Einen Monat später war er ihr verhaßt.


23. In fremdem Lande

Ich rate allen, die im Norden geboren sind, dieses Kapitel zu überschlagen. Es ist eine unverständliche Abhandlung über einige seltsame Erscheinungen [52] am Orangenbaume, der nur in Italien und Spanien gedeiht und zu seiner richtigen Höhe wächst. Um anderswo verstanden zu werden, müßte ich die Tatsachen verkleinern.

Sicherlich würde ich das auch tun, wenn ich im geringsten darauf ausginge, ein Buch für den allgemeinen Geschmack zu schreiben. Da mir aber der Himmel literarische Begabung versagt hat, habe ich lediglich die Absicht, mit rein wissenschaftlicher Genauigkeit und Sachlichkeit gewisse Tatsachen zu beschreiben, deren unfreiwilliger Zeuge ich durch längeren Aufenthalt im Lande der Orangen wurde. Friedrich der Große und jeder andere bedeutende Nordländer, der nie Gelegenheit gehabt hat, Orangenbäume unter freiem Himmel zu sehen, würde sicherlich die folgenden Tatsachen bezweifeln, und zwar mit vollem Rechte. Ich sehe das sehr wohl ein und weiß auch, warum es so ist.

Meine offenherzige Erklärung könnte hochmütig klingen; darum füge ich folgende Betrachtung hinzu.

Wir schreiben auf gut Glück, jeder was er für wahr hält, und jeder versucht dabei, dem anderen Unwahrheiten nachzuweisen. Für mich sind unsere Bücher wie Lotterielose; mehr Wert haben sie wirklich nicht. Erst die Nachwelt, die sie entweder vergessen hat oder neu herausgibt, weiß, welches Los gewonnen hat. Bis dahin hat keiner von uns, die wir doch alle unser Bestes und das, was uns am wahrsten erschien, niedergeschrieben haben, irgendwelches Recht, sich über den anderen lustig zu machen, höchstens in drolliger Satire, denn die hat immer ihre Berechtigung, zumal wenn sie geistreich ist.

[53] Nach dieser Einleitung will ich getrost an die Darlegung der Tatsachen gehen, die man nach meiner Überzeugung in Paris selten beobachtet hat. Paris ist zwar unbestritten die erste Stadt der Welt; aber Orangen trifft man dort nicht unter freiem Himmel an, wie in Sorrent. Und in Sorrent war es, der Vaterstadt Tassos, am Golf von Neapel, in halber Höhe über dem Meere, in einer Lage, die noch malerischer ist, als die von Neapel selbst, wo ich diese Betrachtungen niedergeschrieben habe.

Wenn wir wissen, daß wir die Frau, die wir lieben, am Abend sehen werden, so macht die Erwartung dieses großen Glücks die Zeit bis dahin unerträglich. Ein verzehrendes Feuer läßt uns zwanzig Dinge anfangen und wieder beiseite legen. Alle Augenblicke sehen wir nach der Uhr und sind froh, sie einmal zehn Minuten lang nicht herausgezogen zu haben. Endlich schlägt die heißersehnte Stunde. Vor dem Hause der Geliebten, wenn wir schon an die Tür klopfen wollen, wünschen wir auf einmal, sie nicht anzutreffen; und doch würde uns das, wenn wir es uns überlegen, betrüben. Mit einem Worte: die Erwartung, sie zu sehen, erhält plötzlich einen unangenehmen Beigeschmack.

Das sind Dinge, die den Philister zu dem Ausspruche veranlassen, die Liebe sei unvernünftig.

Der Grund ist, daß unsere Phantasie dem schönen Reich der Träume entrissen ist, wo nur Seligkeit herrscht, und wieder der rauhen Wirklichkeit gegenübersteht.

Eine zarte Seele weiß wohl, daß wir uns beim Anblicke der Geliebten in einen Kampf einlassen, der [54] bei der geringsten Zerstreutheit und Mutlosigkeit mit einer Niederlage enden muß. Dann sind uns für lange Zeit die Träumereien der Phantasie vergiftet und unser Selbstgefühl ist uns genommen. Man sagt sich: „Es gebricht mir an Geist, ich habe keinen Mut.“ Aber niemand hat vor einem geliebten Wesen Mut, oder man liebt es schon nicht mehr recht.

Die geringe geistige Sammlung, die man trotz aller Mühe aus den Träumereien der Kristallbildung noch gerettet hat, ist schuld daran, daß man in den ersten Plaudereien mit der geliebten Frau eine Unmenge von Dingen heraussagt, die keinen Sinn haben oder gerade das Gegenteil dessen ausdrücken, was man denkt, oder, was noch viel schmerzlicher ist, daß man seine wahren Gefühle übertreibt und sie dadurch in ihren Augen lächerlich macht. Da einem ein unbestimmtes Gefühl sagt, daß man auf die eigenen Worte nicht genug achtet, so fängt man unbewußt an, seine Ausdrücke sorgfältiger zu wählen und zu künsteln. Schweigen will man auch nicht, weil Stillsein verlegen macht und man dann noch viel weniger an die Geliebte zu denken vermag. Man sagt also mit ernster Miene eine Menge von Dingen, die man gar nicht ernstlich glaubt und deren Wiederholung einen in starke Verlegenheit brächte; man versagt sich hartnäckig die Gegenwart der Geliebten, nur um noch mehr der ihre zu sein. Als ich zum ersten Male die Liebe kennen lernte, verleitete mich diese Verworrenheit meines Innern beinahe zu dem Wahne, daß ich gar nicht liebe.

Die Feigheit der Rekruten und ihr Mittel, der Angst dadurch Herr zu werden, daß sie blindlings in das stärkste Feuer hineinrennen, begreife ich jetzt völlig. [55] Wenn ich an die Unzahl von Dummheiten denke, die ich seit zwei Jahren gesagt habe, nur um in solchen Augenblicken überhaupt etwas zu sagen, gerate ich in Verzweiflung.

Gerade das sollte in den Augen der Frauen ein untrügliches Merkmal sein, um Liebe aus Leidenschaft von Liebe aus Galanterie und zartfühlende von prosaischen Naturen zu unterscheiden.

In solchen entscheidenden Augenblicken gewinnen diese soviel, wie jene verlieren. Eine prosaische Seele erlangt dann gerade die erhöhte Wärme, die ihr gewöhnlich fehlt, während die arme zarte Seele, übervoll von Empfindungen, bis zur Tollheit überreizt ist und dazu noch ihre Überreizung zu verbergen versucht. Durch die unaufhörlichen Anstrengungen, die eigenen Gefühle zu zügeln, verliert sie jede Spur von Kaltblütigkeit, deren sie doch bedarf, um ihren Vorteil wahrzunehmen. So hinterläßt sie schließlich eine Entfremdung bei der Geliebten, während die prosaische Seele einen großen Schritt weiter gekommen ist. Sowie das Wohl und Wehe einer Leidenschaft auf dem Spiele steht, ist eine feinsinnige und stolze Natur nie imstande vor der Geliebten Beredsamkeit zu entfalten. Der mögliche Mißerfolg droht als zu ungeheures Unglück.

Die gewöhnliche Seele hingegen berechnet genau die Aussicht auf Erfolg, denkt nicht daran, sich den Schmerz über eine Abweisung vorher auszumalen, und noch stolz auf das, was sie so gemein macht, spottet sie über die empfindsamen Seelen, die bei allem Geist nicht die einfachsten, immer erfolgreichen Dinge zu sagen fähig sind. Eine zartdenkende Seele muß sich, weit entfernt, etwas mit Gewalt erobern zu können, mit dem Mitleid [56] der Geliebten begnügen. Vor einer Frau von wahrer Feinfühligkeit erfaßt uns immer Reue, wenn wir uns in unnatürlicher Weise gezwungen haben, zu ihr von Liebe zu sprechen. Wir sehen beschämt und kalt aus und könnten Lügner zu sein scheinen, wenn sich unsere Leidenschaft nicht durch andere Anzeichen verriete. Weil wir Romane im Kopfe haben, martern wir uns damit ab, dem Ausdruck zu geben, was wir beständig so lebhaft und so bis ins kleinste empfinden. Ein Naturmensch würde sich gar nicht auf solche mühseligen Versuche einlassen. Anstatt von Gefühlen zu sprechen, die ihn vor einer Viertelstunde beherrschten, und zu versuchen, ein allgemeines und zu Herzen gehendes Bild davon zu entwerfen, würde er einfach und klar seine augenblicklichen Gefühle schildern. Aber das können wir nicht. Wir künsteln, ohne dadurch irgend etwas zu erreichen; und da unseren Worten die überzeugende Kraft der wirklichen Empfindung fehlt und wir gar noch Erinnerungen hineinmischen, finden wir im entscheidenden Augenblick Dinge von demütigender Lächerlichkeit für angebracht und sprechen sie aus.

Wenn wir uns nach einer qualvollen Stunde mit vieler Mühe endlich aus dem Irrgarten der Phantasie herausfinden und einfach die Gegenwart der geliebten Frau zu genießen beginnen, dann schlägt zumeist gerade die Trennungsstunde.

Alles das erscheint übertrieben. Und doch habe ich noch viel mehr beobachtet. Ich hatte einen Freund namens Salviati, der eine Dame abgöttisch liebte. Sie glaubte sich durch irgend eine Rücksichtslosigkeit, die er mir nie eingestanden hat, beleidigt und bestrafte ihn damit, daß er sie nur zweimal im Monat sehen [57] durfte. Diese seltenen und heißersehnten Besuche machten ihn wie wahnsinnig, und nur durch seine große Charakterstärke verbarg er diese Anfälle nach außen.

Schon zu Beginn des Besuches beeinträchtigt einen der Gedanke an das Ende zu sehr, um richtig in die genießende Stimmung zu kommen. Man spricht viel, ohne zu hören, was man spricht; oft sagt man das Gegenteil von dem, was man denkt. Man verwickelt sich in Sätze, die man plötzlich wegen ihrer Lächerlichkeit abbrechen muß, wenn man wieder zu Vernunft und Sammlung kommt. Die Gewalt, die man sich antut, erweckt den Anschein der Kälte. Die Liebe verleugnet sich durch ihr eigenes Übermaß.

Fern von diesem Zustande, malte sich vorher die Phantasie die reizvollsten Plaudereien aus, man empfand die zärtlichsten und rührendsten Wallungen. Tagelang glaubte man an seinen Mut, so zu der Geliebten sprechen zu können. Aber am Tage vor dem erträumten Glück beginnt die Unruhe, und sie wächst in dem Maße, wie der gefürchtete Zeitpunkt sich nähert.

In dem Augenblick, wo man das Zimmer der geliebten Frau betritt, klammert man sich, um nicht die größten Dummheiten zu sagen oder zu machen, an den Vorsatz, stumm zu bleiben und sie nur anzuschauen, um wenigstens die Erinnerung an ihr Wesen heimzubringen. Aber durch ihre Gegenwart überkommt die Sinne eine Art Taumel. Wie ein Verrückter fühlt man sich zu Sonderlichkeiten verleitet; man hat die Empfindung, zwei Seelen zu haben; die eine befiehlt, irgend etwas zu tun, und die andere heißt es falsch. [58] Man hat das verworrene Gefühl, daß der Zwang, sich vor Dummheiten in acht zu nehmen, das Blut etwas abkühlt, aber man vergißt dabei, daß die Besuchsstunde zu Ende geht und man das Unglück hat, sie auf vierzehn Tage verlassen zu müssen.

Wenn zufällig irgend ein langweiliger Mensch bei ihr sitzt und fade Geschichten auftischt, so ist der arme Verliebte in unverständlicher Narrheit ganz Ohr, als ob es ihm darauf ankäme, so kostbare Augenblicke zu vergeuden. Die Stunde, die er sich so hold gedacht hatte, verrinnt mit Blitzesschnelle, und dabei lassen ihn mit unsagbarer Bitternis tausend Kleinigkeiten fühlen, wie fremd er der Geliebten geworden ist. Er sieht sich inmitten von gleichgiltigen Menschen, die ihr Besuch machen, und findet, daß er der einzige ist, der nicht über alle Einzelheiten ihrer Erlebnisse in den letzten Tagen Bescheid weiß. Endlich erhebt er sich, und während er sich kalt empfiehlt, überkommt ihn das schmerzvolle Bewußtsein, sie erst in vierzehn Tagen wiederzusehen. Kein Zweifel, er würde weniger leiden, wenn er die Geliebte nie wieder sehen sollte. So und noch qualvoller ging es dem Herzog von Policastro, der alle halbe Jahre eine Reise von hundert Meilen unternehmen mußte, um in Lecce eine angebetete, aber eifersüchtig bewachte Geliebte auf eine Viertelstunde zu sehen.

Hieraus sieht man recht, daß der Wille keinen Einfluß auf die Liebe hat. Wie würde sonst jemand so toll sein, Gleichgiltigkeit zur Schau zu tragen, wenn er in der höchsten Aufregung über die Geliebte und über sich selbst ist? Der einzige Erfolg eines solchen Besuches ist eine Erneuerung der Kristallbildung.

[59] Für Salviati war das Leben in Abschnitte von je vierzehn Tagen eingeteilt, deren Stimmung jedesmal durch die Färbung des Abends bestimmt wurde, an dem er die geliebte Frau sehen durfte. So war er zum Beispiel am einundzwanzigsten Mai überglücklich, und am vierten Juni ging er aus Angst vor der Versuchung, sich eine Kugel durch den Kopf zu jagen, nicht nach Hause.

Übrigens habe ich an jenem Abend die Beobachtung gemacht, daß die Romanschreiber den Selbstmord sehr schlecht darstellen. Salviati sagte zu mir mit ruhiger Miene: „Ich bin durstig, ich muß ein Glas Wasser trinken.“ Ich kämpfte nicht gegen sein Vorhaben an, sondern sagte ihm Lebewohl. Da fing er an zu weinen.

Da die ganze Unterhaltung zweier Liebenden von Unruhe erfüllt ist, so wäre es unklug, voreilige Folgerungen aus einer Einzelheit derselben zu ziehen. Nur in unerwarteten Ausbrüchen zeigen sich unverhüllte Empfindungen, sie sind die Stimme des Herzens. Höchstens kann man aus dem Gesamteindruck aller Reden irgend etwas folgern. Man muß aber bedenken, daß wir selbst in der höchsten Erregtheit meistens nicht die Zeit finden, die Erregung einer anderen Person zu beobachten, zumal wenn diese die Erregerin der unsrigen ist.


24. Vom ersten Eindruck

Ich bin oft voller Bewunderung über die Feinheit und die Sicherheit im Urteile, mit denen Frauen gewisse kleine Züge erfassen, aber einen Augenblick später [60] beobachte ich, wie sie einen Dummkopf in den Himmel heben, sich von einem faden Schwätzer zu Tränen rühren lassen oder geistloses, geziertes Gebaren als ernsten Charakterzug nehmen. Für solche Einfalt fehlt mir das Verständnis, Es muß da irgend ein allgemeines Gesetz geben, das ich nicht kenne.

Sie haben einen Vorzug an einem Manne entdeckt, sind über eine Einzelheit entzückt und lassen diese lebhaft auf sich einwirken, ohne für alles andere an ihm die geringste Teilnahme zu haben.

Ich habe zugesehen, wenn hervorragende Männer geistreichen Frauen vorgestellt wurden. Immer war ein Körnchen Vorurteil im Spiele, daß für den Eindruck der ersten Begegnung entscheidend war.

Wenn ich ein eigenes Erlebnis einfügen darf, so möchte ich erzählen, wie der liebenswürdige Oberst B*** der Frau von Struve in Königsberg vorgestellt wurde. Sie war eine ganz bedeutende Frau, und wir fragten uns gegenseitig: wird er Eindruck auf sie machen? Man wettet. Ich trete an Frau von Struve heran und berichte ihr, daß der Oberst seine Halsbinden zwei Tage hintereinander trage; am zweiten Tage pflege er sie nach der reinen Seite umzuwenden. Sie könne an seiner Binde die Querfalten bemerken. Nichts war unwahrer.

Kaum bin ich damit fertig, als jener reizende Mensch angemeldet wird. Der kleinste Pariser Stutzer hätte einen günstigeren Eindruck hervorgerufen. Ich erwähne, daß Frau von Struve ihren Mann liebte. Sie war eine ehrenwerte Frau; von galanten Beziehungen zwischen beiden konnte darum keine Rede sein, wenn auch beide für einander wie geschaffen [61] waren. Man sagte jener Frau nach, sie sei romantisch veranlagt, und ihn konnte nichts mehr reizen, als gerade romantisch übertriebene Tugend. Sie hat ihn in jungen Jahren in den Tod getrieben.

Frauen haben die Gabe, in wunderbarer Weise alle Schattierungen der Liebe, die unmerkbarsten Schwankungen des Menschenherzens und die geringsten Regungen der Eigenliebe zu fühlen. In dieser Beziehung haben sie einen Sinn mehr als wir Männer. Das geht auch aus der Art hervor, wie sie Verwundete zu pflegen verstehen.

Vielleicht haben sie dafür kein rechtes Urteil über geistige Eigenschaften und den inneren Wert eines Menschen. Ich habe die Beobachtung gemacht, daß ausgezeichnete Frauen von einem geistvollen Manne entzückt waren, und gleich darauf, fast in demselben Satze, einen der größten Hohlköpfe bewunderten. Das gab mir einen Stich wie einem Kenner, der zusieht, wie echte Diamanten für Straßsteine, und Straßsteine für echte gehalten werden, nur weil sie größer sind.

Ich habe daraus geschlossen, daß man Frauen gegenüber alles wagen muß. Dort wo der General Lasalle scheiterte, hat ein bärtiger und fluchender Hauptmann Erfolg (Posen, 1807). Sicherlich gibt es am Werte eines Mannes vieles, was Frauen nicht ahnen.

Mit Vorliebe pflege ich nach Naturgesetzen zu suchen. Die Kraft der Nerven verbraucht sich bei Männern durch das Gehirn, bei Frauen durch das Herz. Deshalb sind diese empfindsamer. Uns tröstet die Arbeit und der Beruf, der unser ganzes Leben ausfüllt; für [62] die Frauen gibt es nur einen einzigen Trost: die Zerstreuung.

Mein Freund Appiani, der nur in seltenen Fällen die Tugend für möglich hält, ging heute Abend mit mir auf die Gedankenjagd, Ich sprach mit ihm über dieses Kapitel, und er meinte:

„Die Seelenstärke der Eponina, die sie bekanntlich durch die heldenhafte Aufopferung bewiesen hat, mit der sie ihrem Gatten in seiner unterirdischen Höhle das Leben erhielt und ihn vor dem Wahnsinn bewahrte, würde sich bei einem friedlichen Zusammenleben in Rom in der Geschicklichkeit geäußert haben, mit der sie ihren Geliebten verheimlicht hätte.

Starke Seelen müssen eine Betätigung haben,“


25. Über das Schamgefühl

Die Frauen auf Madagaskar lassen ohne Bedenken das unverhüllt, was man hierzulande am meisten verbirgt; sie würden aber vor Scham vergehen, wenn sie ihre Arme entblößen sollten. Es ist klar, daß drei Viertel des Schamgefühls anerzogen sind. Und doch ist das Gesetz der Schamhaftigkeit vielleicht das einzige Geschenk der Kultur, das der Menschheit lediglich Glück gebracht hat.

Die Schamhaftigkeit ist das Wunderwerk der Kultur. Bei den wilden und halbbarbarischen Völkern gibt es nur Liebe aus Sinnlichkeit, und zwar gröbster Art. Erst die Schamhaftigkeit gesellt zu der Liebe die Phantasie und erweckt sie dadurch zum wahren Leben.

[63] Gute Mütter erziehen ihren Töchtern von klein auf das Schamgefühl an, und dies mit größter Eifersucht, gewissermaßen aus Korpsgeist. Damit sorgen sie schon für das Glück der künftigen Liebhaber ihrer Töchter.

Eine schüchterne und zartfühlende Frau empfindet die größte Pein, wenn sie sich in Gegenwart eines Mannes irgend etwas erlaubt hat, worüber sie erröten muß. Ich bin überzeugt, daß jede einigermaßen stolze Frau in solchen Augenblicken lieber tausendmal sterben möchte. Ein geringes Sichgehenlassen, vom geliebten Manne liebenswürdig aufgefaßt, gewährt für den Augenblick lebhaftes Vergnügen; argwöhnt aber eine Frau, daß er sie darum tadeln möchte, oder daß er nicht wirklich darüber entzückt ist, so bleiben in ihrer Seele furchtbare Zweifel. Jede höher stehende Frau muß in ihrem ganzen Wesen unnahbar sein. Der Einsatz ist ja auch zu ungleich; man setzt für ein geringfügiges Vergnügen, für den Vorteil, ein wenig liebreizender zu erscheinen, allerlei Gefahren aufs Spiel: brennende Reue und ein Schamgefühl, das selbst den Geliebten in den Augen der Frau herabsetzen kann. Ein fröhlicher, leichtsinniger und sorgloser Abend wird somit teuer bezahlt. Wenn sich eine Frau einen solchen Fehltritt vorzuwerfen hat, wird ihr der Anblick des Geliebten für viele Tage verhaßt. Kann man sich also über die Macht einer Gewohnheit bei den Frauen wundern, deren geringste Außerachtlassung sie mit dem Gefühle der größten Schmach büßen?

Die Schamhaftigkeit hat ihr Gutes, denn sie ist die Mutter der Liebe. Niemand kann ihr das abstreiten. Es ist das eine einfache Folge des Gefühlsmechanismus. Die Seele denkt an die Scham, statt an ihr [64] Begehren; sie versagt sich ihre Wünsche, denn Wünsche verleiten zu Taten.

Es ist verständlich, daß jede zartfühlende und stolze Frau – und die genannten beiden Eigenschaften sind wie Ursache und Wirkung meist unzertrennlich – eine gewohnheitsmäßige Kälte zur Schau trägt, die manche Leute irrtümlich als Prüderie ansehen.

Dieser Vorwurf hat um so mehr eine scheinbare Berechtigung, als es für eine Frau unendlich schwer ist, den richtigen Mittelweg einzuhalten. Eine Frau mit ein wenig Geist und viel Stolz muß bald zu der Erkenntnis gelangen, daß sie im Punkte der Schamhaftigkeit nie des Guten zu viel tun kann. Eine Engländerin fühlt sich schon beleidigt, wenn man in ihrer Gegenwart ein gewisses Kleidungsstück mit seinem richtigen Namen nennt. Sie würde sich wohl hüten, auf dem Lande des Abends gleichzeitig mit ihrem Manne den Salon zu verlassen. Und sie findet, was ihre Auffassung noch besser kennzeichnet, eine Verletzung der Schamhaftigkeit darin, sich außer vor ihrem Gatten ausgelassen zu zeigen.[10] Vielleicht aus dieser übergroßen Rücksichtnahme läßt der vornehme Engländer sein häusliches Leben absichtlich so unbeschreiblich langweilig erscheinen. Übertriebener Stolz hat seine Schattenseiten. Nur die Religion und die aristokratische Lebensanschauung haben das grausame Gesetz: die Pflicht über alles.

Im Gegensatz dazu fand ich, als ich auf einer Reise mit einem Male von Plymouth nach Cadix und Sevilla kam, daß in Spanien die Wärme des Klimas und der Leidenschaften die nötige Zurückhaltung vergessen läßt. Ich habe sehr zärtliche Liebkosungen beobachtet, [65] die man sich dort öffentlich erlaubte, die nicht etwa einen rührenden Eindruck auf mich machten, sondern gerade entgegengesetzte Empfindungen verursachten. Nichts berührt peinlicher.

Man muß den Zwang der den Frauen unter dem Namen der Schadhaftigkeit anerzogenen Gewohnheiten als etwas Unberechenbares ansehen. Gewöhnliche Frauen erheucheln übergroßes Schamgefühl, um sich den Anschein vornehmer Damen zu verleihen.

Die Macht der Schamhaftigkeit ist so groß, daß sich eine zartfühlende Frau dem geliebten Manne eher durch Zeichen, als durch Worte verrät.

Die hübscheste, reichste und leichtlebigste Dame Bolognas erzählte mir gerade gestern Abend, daß ein geckenhafter Franzose, ein netter Vertreter seines Volkes, den Einfall gehabt habe, sich unter ihrem Bette zu verstecken. Wahrscheinlich wollte er seine zahllosen lächerlichen Liebeserklärungen, mit denen er die Dame seit einem Monate verfolgte, nicht umsonst gemacht haben. Indessen fehlte es diesem Helden an Geistesgegenwart. Er wartete zwar, bis Frau M*** ihre Kammerzofe entlassen hatte, hatte aber nicht die Geduld, der Bedienung Zeit zum Einschlafen zu lassen. Frau M*** klingelte und ließ ihn unter dem Hohngelächter und den Schlägen von fünf oder sechs Dienern schimpflich hinausjagen.

„Wenn er nun zwei Stunden gewartet hätte?“ fragte ich,

„Dann wäre ich in der unglücklichsten Lage gewesen. Er hätte mir sagen können: Wer wird daran zweifeln, daß ich nur auf Ihren Befehl hin hier bin?“

[66] Nach meinem Besuche bei dieser hübschen Frau ging ich zu einer anderen Dame, der liebenswertesten meiner Bekanntschaft. Ihre außergewöhnliche Feinfühligkeit übertrifft, wenn das möglich ist, ihre rührende Schönheit. Ich treffe sie allein an und erzähle ihr das Erlebnis der Frau M***. Wir plaudern darüber und sie sagt:

„Hören Sie, wenn der Mann, der diese Tat gewagt hat, jener Dame schon vordem liebenswert erschien, wird sie ihm verzeihen und ihn nachher lieben.“

Ich gestehe, daß ich über diesen Lichtstrahl, der unerwartet die Tiefe des menschlichen Herzens durchleuchtete, recht betroffen war. Erst nach einigem Stillschweigen vermochte ich zu fragen: „Hat ein Liebender aber den Mut, zu dem letzten Mittel, der Gewalttätigkeit, zu schreiten?“

Dieses Kapitel wäre viel inhaltsschwerer, wenn es eine Frau verfaßt hätte. Alles, was ich gesagt habe über die Sprödigkeit und den Stolz der Frau, über ihre anerzogene Schamhaftigkeit und deren Verletzungen, über gewisse Feinheiten des weiblichen Zartgefühls, das fast immer auf das engste mit Gemütsassoziationen verknüpft ist, die dem Manne fremd und oft in der Natur gar nicht begründet sind, alles das findet sich hier nur nach dem Hörensagen zusammengefaßt.

In einem Augenblicke philosophischer Offenheit sagte mir eine Frau ungefähr folgendes:

„Wenn ich jemals meine Freiheit opfern sollte, muß der Mann, den ich schließlich wähle, meine Neigung für ihn um so höher schätzen, da er ja weiß, wie geizig ich allezeit mit den geringsten Gunstbezeugungen gewesen bin.“

[67] Zu gunsten dieses künftigen Geliebten, den sie vielleicht niemals finden wird, behandelt manche Frau jeden Mann, mit dem sie spricht, mit Kälte. Dies ist die erste und zwar achtbare Übertreibung der Schamhaftigkeit; eine andere entspringt dem weiblichen Stolze, die dritte dem ihres Gatten.

Ich glaube, daß sich die Liebe oft in die Träumereien selbst der tugendhaftesten Frauen einschleicht. Sie haben das Recht dazu. Nicht zu lieben, wenn man vom Himmel mit einer für die Liebe geschaffenen Seele begnadet worden ist, heißt sich und andere eines großen Glückes berauben. Ebenso dürfte ein Orangenbaum aus Furcht, eine Sünde zu begehen, nicht blühen; und eine für die Liebe erschaffene Seele ist nicht imstande, ein andres Glück mit Freude zu genießen. Sie findet in den sogenannten Vergnügungen der Gesellschaft bald eine unsagbare Nichtigkeit. Oft meint sie, die Künste und die Schönheiten der Natur zu lieben, aber diese bestärken und steigern nur ihre Liebessehnsucht, und sie wird bald gewahr, daß alles Schöne in der Welt nur von dem Glücke redet, das sie sich versagen wollte.

Das einzige Tadelnswerte an der Schamhaftigkeit ist, daß sie zur gewohnheitsmäßigen Lüge verleitet. In dieser Hinsicht hat die leichtsinnige Frau einmal etwas vor der feinfühligen voraus. Eine leichtfertige Frau sagt: „Lieber Freund, sobald Sie mir gefallen, werde ich es Ihnen sagen, und ich werde mehr Freude daran haben, als Sie, denn ich schätze Sie sehr hoch.“

Eine meiner Freundinnen rief nach dem Siege ihres Geliebten in lebhafter Selbstzufriedenheit aus: „Wie [68] bin ich glücklich, daß ich mich in den acht Jahren, seit ich mit meinem Gatten entzweit bin, niemandem hingegeben habe.“

In dieser Denkweise finde ich etwas Lächerliches, und doch erscheint die Freude jener Frau voll Leben und Frische.

Meine Männeraugen glauben neun verschiedene Arten von Schamhaftigkeit zu unterscheiden.

Erstens: Eine Frau setzt viel gegen wenig aufs Spiel; deshalb muß sie sehr zurückhaltend sein, oft bis zur Unnatürlichkeit. Sie lacht zum Beispiel nicht über ganz ergötzliche Dinge. Es gehört aber viel Geist dazu, immer das richtige Maß von Schamgefühl zu zeigen. Darum können viele Frauen, wenn sie unter sich sind, nicht genug zu hören bekommen, oder deutlicher gesprochen, sie verlangen dann nicht, daß die Erzählungen, die sie anhören, zu verschleiert sind, ja die Schleier können wegbleiben, je mehr sie in Weinlaune und Ausgelassenheit geraten.

Vielleicht ist es eine Wirkung der Schamhaftigkeit und der damit verbundenen tödlichen Langeweile, daß die meisten Frauen am Manne die Unverschämtheit so hoch schätzen? Oder halten sie die Unverschämtheit für etwas Charaktervolles?

Zweitens: Mein Geliebter wird mich um so höher schätzen.

Drittens: Die Macht der Gewohnheit siegt selbst in Augenblicken der höchsten Leidenschaft.

Viertens: Die Schamhaftigkeit gewährt dem Liebenden sehr schmeichelhafte Freuden: sie läßt ihn empfinden, welche Gesetze eine Frau um seinetwillen verletzt.

[69] Fünftens: Die Frauen fühlen die Lust der Sinne um so berauschender. Da sie eine mächtige Gewohnheit besiegen, ist ihr Gemüt um so erregter.

Graf Valmont findet sich nachts im Schlafgemach einer hübschen Frau; er erlebt dergleichen alle Wochen, die Frau vielleicht alle zwei Jahre einmal. Die Seltenheit und das Schamgefühl müssen also den Frauen viel lebhaftere Freuden gewähren.[11]

Sechstens: Schlimm ist es, daß die Schamhaftigkeit immer zu Lügen verleitet.

Siebentes: Die Übertreibung der Schamhaftigkeit und ihre Strenge schrecken zarte und ängstliche Seelen von der Liebe ab, gerade solche, die geschaffen sind, die köstlichste Liebe zu gewähren und zu empfangen.

Achtens: Feinfühlige Frauen, die noch nicht mehrere Liebhaber gehabt haben, hindert die Schamhaftigkeit, sich ungezwungen zu geben. Sie lassen sich deshalb ein wenig von solchen Freundinnen leiten, die sich nicht den gleichen Fehler vorzuwerfen haben. Sie sind allzu achtsam auf jede Einzelheit, anstatt sich blindlings ihrer Gewohnheit hinzugeben. Ihr empfindsames Schamgefühl verleiht ihren Bewegungen etwas Gezwungenes; weil sie mit Gewalt natürlich sein wollen, geht ihnen die Natürlichkeit verloren. Aber selbst ihrem linkischen Wesen haftet himmlische Anmut an.

Manchmal sieht die Freundschaft der Frauen wie Zärtlichkeit aus, weil sie in ihrer engelhaften Güte unbewußt kokett sind. Zu träge, ihre Traumwelt zu verlassen, scheuen sie die Mühe, auf eine Plauderei einzugehen, und statt einem Freunde irgend etwas Liebenswürdiges oder Höfliches zu sagen, stützen sie sich lieber zärtlich auf seinen Arm.

[70] Neuntens: Wenn Frauen schreiben, sie erreichen daher nur sehr selten einen erhabenen Ton. Ihre kleinsten Briefchen aber sind immer gefällig, weil sie nie wagen, ganz offen zu sein. Offen sein ist für sie dasselbe, wie ohne Hut ausgehen. Bei einem Manne dagegen kommt es sehr häufig vor, daß er ganz im Banne seiner Einbildungskraft schreibt, ohne an die Folgen zu denken.

Was folgt daraus?

Es ist ein verbreiteter Fehler, die Frauen als edlere und beweglichere Geschöpfe anzusehen, mit denen wir Männer nicht wetteifern könnten. Zu leicht vergessen wir, daß es zwei neue und eigenartige Gesetze sind, die außer den allgemein menschlichen Motiven jene beweglichen Wesen völlig beherrschen: der weibliche Stolz und die Schamhaftigkeit und die oft unverständlichen Gewohnheiten, die diese zur Folge haben.


26. Die Augensprache

Die Augen sind die Hauptwaffe der tugendsamen Koketterie. Mit einem einzigen Blicke läßt sich alles sagen, und doch kann man alles wieder ableugnen, denn Blicke sind keine Worte.

Das erinnert mich an den Grafen G***, den Mirabeau Roms. Die kleine liebenswürdige Regierung des Kirchenstaates hatte ihn eine eigenartige Redeweise gelehrt: er bewegte sich nur in abgerissenen Sätzen, die alles und nichts sagen konnten. Man verstand sehr wohl, was er meinte; aber wenn man seine Worte noch so wörtlich wiederholte, konnte ihn doch niemand dadurch bloßstellen. Der Kardinal Lante pflegte von [71] ihm zu sagen, er habe diese Gabe den Frauen abgesehen, und zwar den ehrbarsten unter ihnen. Diese weibliche Schelmerei ist eine grausame, aber gerechte Vergeltung für die Tyrannei der Männer.


27. Vom weiblichen Stolze

Die Frauen hören ihr ganzes Leben lang die Männer von angeblich wichtigen Dingen reden, von großem Geldgewinn, von Erfolgen im Kriege, von im Duell Gefallenen, von grausamen und bewunderungswürdigen Racheakten und von ähnlichen Dingen, die alle außerhalb der weiblichen Sphäre liegen.

Frauen, die eine stolze Seele haben, fühlen, daß sie diesen Dingen nichts entgegenzusetzen haben, worauf sie sehr stolz sein könnten. Sie fühlen, daß in ihrer Brust ein Herz schlägt, das durch die Kraft und den Stolz seiner Empfindungen ihrer ganzen Umgebung überlegen ist, und doch sehen sie, daß die nichtigsten Männer mehr Selbstgefühl haben, als sie. Sie merken, daß sie ihren Stolz nur in geringfügigen Dingen beweisen können oder doch nur in solchen, die nur einen Gefühlswert besitzen und über die kein Dritter richtet. Durch diesen kränkenden Gegensatz ihrer geringen Macht und ihrer stolzen Seele gequält, versuchen sie, ihre Schwäche durch die Lebhaftigkeit ihrer Äußerungen und durch die trotzige Hartnäckigkeit in der Durchführung ihrer Forderungen wettzumachen. Solche Frauen wähnen vor der völligen Hingabe, sobald sie ihren Geliebten erblicken, er führe etwas gegen sie im Schilde. Ihre Phantasie beunruhigt sich lebhaft über sein Vorgehen, [72] das doch schließlich nur das Zeichen seiner Liebe ist; sonst liebte er ja nicht. Anstatt sich über die Empfindungen des Mannes, den sie selbst lieben, zu freuen, fühlen sie sich durch ihn in ihrer Eitelkeit verletzt, und selbst die zartesten Seelen sind, wenn sie lieben, genau so eitel und selbstsüchtig, wie eine Straßendirne.

Eine Frau von hochherzigem Charakter setzt ihr Leben für den Geliebten tausendmal aufs Spiel und doch entzweit sie sich mit ihm wegen einer Kleinigkeit, die ihren Stolz verletzt. Das verlangt ihr Ehrgefühl. Napoleon ging zu Grunde, weil er ein Dorf nicht aufgeben wollte.

Ich habe einen solchen Streit einmal länger als ein Jahr dauern sehen. Eine vornehme Frau hatte ihr ganzes Glück geopfert, nur damit ihr Geliebter nicht die Möglichkeit hatte, an ihrer Seelengröße und ihrem Stolze im geringsten zu zweifeln. Die Wiederversöhnung war nur das Werk des Zufalls und von seiten der Frau eine augenblickliche, unüberwindliche Schwäche bei der Begegnung mit dem Geliebten. Sie glaubte ihn vierzig Meilen weit entfernt und er traf sie an einem Orte, an dem er durchaus nicht erwarten konnte, sie zu sehen. Sie vermochte ihr erstes Entzücken nicht zu verbergen und er war noch mehr überwältigt als sie; beinahe sanken sie beide vor einander auf die Kniee, und niemals habe ich soviel Tränen vergießen sehen; das war die Wirkung des unerwarteten Glückes. Tränen sind die höchste Steigerung des Lächelns.

Der Herzog von Argyle bewies viel Menschenkenntnis bei der Zusammenkunft mit der Königin Karoline zu Richmond, indem er sich in einen Kampf mit dem weiblichen Stolze nicht einließ.[12] Je erhabener der [73] Charakter einer Frau ist, um so stürmischer werden diese Kämpfe,

… „As the blackest sky
Foretells the heaviest tempest.“[13]

Kommt das vielleicht daher, daß eine Frau, je leidenschaftlicher sie im Laufe des Lebens die hervorragenden Eigenschaften des geliebten Mannes bewundert, sich in den grausamen Augenblicken, wo die Liebe in Haß umschlägt, desto heftiger dafür zu rächen sucht, daß er den anderen Menschen überlegen ist? Sie fürchtet, nun auch zu diesen gerechnet zu werden.

Es ist schon lange her, daß ich die langweilige „Clarissa“ gelesen habe, aber ich glaube mich zu erinnern, daß sie aus weiblichem Stolze die Hand des Lovelace ausschlägt und den Tod vorzieht.

Die Schuld des Lovelace war groß, aber, wenn sie ihn ein wenig liebte, mußte sie eine Tat, die doch aus Liebe geschehen war, in ihrem Herzen verzeihen.

Dagegen erscheint mir Monime als rührendes Beispiel weiblichen Zartgefühls. Wer errötet nicht vor Freude, wenn er von einer dieser Rolle gewachsenen Schauspielerin die Worte hört:

„Ich hatte diesen Liebesdrang besiegt …
Da habt Ihr mich beredet und betrogen,
Und ich gestand …
 Ich muß es nun ertragen;
Sucht die Erinnerung nicht zu verjagen!
Was schmählich ich verriet durch Euren Zwang,
Bleibt mir vor Augen, ach, mein Leben lang.
Ihr werdet zweifeln stets an meiner Treue,
Daß ich das Grab selbst jetzo minder scheue,

[74]

Als leben mit dem Mann, der das erzwang
Und solchen grausen Vorteil sich errang,
Der mich erröten läßt in ewgem Gram,
Erröten nicht aus Liebe, nein, aus Scham!“[14]

Ich meine, in späteren Jahrhunderten wird man sagen: Die absolute Monarchie hatte den Vorteil, solche Charaktere zu erzeugen und solche Charakterschilderungen von großen Künstlern zu haben.

Und doch findet sich auch in den Republiken des Mittelalters ein wunderbares Beispiel jenes Zartgefühls, das meine Behauptung vom Einflusse der Regierungsform auf die Leidenschaften zu erschüttern scheint. Ich will es offen anführen. Es sind Dantes rührende Verse aus dem „Fegefeuer“:

„Deh! quando tu sarai tornato al mondo,
. . . . . . . . . . . . . . . . .
Ricòrditi di me, che son la Pia:
Siena mi fe’, disfecemi maremma;
Salsi colui, che inannellata pria,
Disposato, m’avea con la sua gemma.“[15]

Die Frau, die mit soviel Zurückhaltung spricht, teilte heimlich das Schicksal der Desdemona, und hätte das Verbrechen ihres Gatten ihren Freunden, die sie auf der Erde zurückließ, durch ein Wort offenbaren können.

Nello della Pietra hatte die Hand der Madonna Pia erhalten, der einzigen Erbin der Tolomei, der reichsten und vornehmsten Familie von Siena. Ihre Schönheit, die in ganz Toscana bewundert wurde, verursachte im Herzen ihres Gatten Eifersucht, die, durch falsche Berichte und immer wiederholte Verdächtigungen geschürt, [75] ihn zu einem schändlichen Plane verleitete. Es läßt sich jetzt schwer feststellen, ob seine Gattin so völlig schuldlos war, wie sie uns Dante schildert.

Nello brachte sie in die Maremnen von Volterra, die noch heute durch die Folgen der „aria cattiva“ berüchtigt sind. Den Grund der Verbannung nach einem so gefährlichen Orte offenbarte er der unglücklichen Frau niemals. Sein Stolz verbot ihm jede laute Klage und jede Anklage. Einsam lebte er mit ihr in einem am Meeresgestade gelegenen verlassenen Turme, dessen Ruinen ich aufgesucht habe. Niemals brach er dort sein verachtungsvolles Schweigen, niemals gab er auf die Fragen der jungen Frau eine Antwort, niemals erhörte er ihr Flehen. Kaltblütig wartete er an ihrer Seite, bis die verpestete Luft ihre Wirkung getan hatte. Die giftigen Dünste der Sümpfe zerstörten bald die Züge des schönsten Frauenantlitzes, das die Welt in jenem Jahrhundert gesehen haben soll. Nach wenigen Monaten war sie tot. Einige alte Chronisten berichten, daß Nello ihr Ende mit dem Dolche beschleunigte. Jedenfalls starb sie in den Sümpfen auf gräßliche Weise, und nur die Art ihres Todes blieb selbst für ihre Zeitgenossen Geheimnis. Nello della Pietra überlebte sie, stumm bis zum Ende seiner Tage.

Es gibt nichts Edleres und Zarteres, als die Art, wie die junge Pia zu Dante spricht. Sie wünscht, daß die Freunde, die sie so jung verlassen mußte, ihrer gedenken. Sie nennt sich und erwähnt ihren Gatten, aber ohne über seine unerhörte, nicht mehr gut zu machende grausame Tat im geringsten zu klagen. Sie deutet nur an, daß er die Geschichte ihres Todes kennt.

[76] Solche Beständigkeit in stolzer Rache findet sich, glaube ich, nur in südlichen Ländern.

In Piemont war ich zufällig Zeuge einer ganz ähnlichen Tat; aber damals ahnte ich den Zusammenhang nicht. Ich war mit fünfundzwanzig Dragonern nach den Wäldern längs der Sesia geschickt worden, um Schmuggeleien nachzuspüren. Als ich gegen Abend in dieser wilden und einsamen Gegend anlangte, entdeckte ich hinter Bäumen die Ruinen eines alten Schlosses. Ich kam näher. Zu meinem größten Erstaunen war es bewohnt. Ich fand dort einen Edelmann des Landes mit finsterem Gesicht, einen Mann von sechs Fuß Höhe und vierzig Jahre alt. Mürrisch wies er mir zwei Zimmer an. Dort musizierte ich mit meinem Quartiermeister. Nach ein paar Tagen entdeckten wir, daß unser Wirt eine Frau bewachte, die wir scherzweise Camilla tauften, ohne im entferntesten den schrecklichen, wirklichen Sachverhalt zu durchschauen. Nach sechs Wochen starb sie. Mich erfaßte die traurige Neugier, die Tote im Sarge zu sehen, und ich bestach den Mönch, der bei ihr die Totenwache hielt. Gegen Mitternacht ging er unter dem Vorwande, Weihwasser zu sprengen, in die Kapelle und nahm mich mit. Ich sah dort eins jener stolzen Gesichter, die noch im Tode schön sind. Sie hatte eine große Adlernase, deren edle und zarte Linie ich nie vergessen kann. Ich verließ diesen trübseligen Ort, und erst fünf Jahre nachher, als ein Teil meines Regiments den Kaiser bei seiner Krönung zum König von Italien begleitete, erfuhr ich den Zusammenhang der ganzen Geschichte. Jener eifersüchtige Gatte, Graf ***, hatte eines Morgens am Bette seiner Frau [77] eine englische Taschenuhr hängen gefunden, die einem jungen Manne der kleinen Stadt, in der sie wohnten, gehörte. Noch am selben Tage führte er seine Frau nach dem verfallenen Schlosse mitten in den Wäldern an der Sesia, Wie Nello della Pietra, sprach er nie ein Wort. Wenn sie ihn um irgend etwas bat, zeigte er ihr kalt und schweigsam die englische Uhr, die er immer bei sich trug. So verbrachte er beinahe drei Jahre einsam mit ihr. Dann starb sie schließlich aus Verzweiflung in der Blüte ihrer Jahre. Der Gatte suchte den Besitzer der Uhr zu erdolchen, stieß aber fehl und floh nach Genua, wo er sich einschiffte. Seitdem hat man keine Nachricht von ihm; seine Güter sind verteilt worden.

Wenn man im Beisein einer stolzen Frau Ungerechtigkeiten geduldig hinnimmt, was einem im Soldatenleben beinahe zur Gewohnheit wird, ärgert man sie. Sie hält uns für einen Feigling und schmäht uns. Solche hochmütigen Naturen bevorzugen gern Männer, die sie unduldsam gegen andere Männer auftreten sehen. Das ist meiner Ansicht nach ihre schwache Seite, und oft muß man mit seinem Nachbar Streit anfangen, nur um mit der Geliebten keinen zu haben.

Miß Cornel, die berühmte Londoner Schauspielerin, erhielt eines Tages den Besuch eines reichen Obersten, der ihr nützlich war. Bei ihr befand sich gerade ein kleiner Liebhaber, der ihr nur angenehm war. „Herr So-und so,“ stellte sie ihn erregt dem Obersten vor, „ist gekommen, um den Pony zu besichtigen, den ich verkaufen will.“ – „Ich bin hier aus ganz anderem Grunde,“ unterbrach sie stolz der kleine Geliebte, dessen sie überdrüssig zu werden begann. Und seit dieser [78] Antwort liebte sie ihn mit neuentfachter Leidenschaft. Stolze Frauen lieben den Stolz an ihrem Geliebten; er hindert sie, den eignen Stolz an ihm auszulassen.

Der Charakter des Herzogs von Lauzun (ich meine den von 1660)[16] ist für solche und vielleicht für alle vornehmen Frauen verführerisch, wenn sie ihm vom ersten Tage an den Mangel an Anmut verzeihen können. Für wahre Erhabenheit haben sie keinen Sinn; sie legen die Ruhe, die alles beobachtet, ohne sich über Einzelheiten aufzuregen, für Kälte aus. Ich habe Damen am Hofe zu Saint-Cloud urteilen hören, Napoleon sei ein trockener und prosaischer Mensch gewesen.[17] Der große Mann ist wie ein Adler: je höher er fliegt, um so kleiner erscheint er, und für seine Größe wird er durch die Einsamkeit seiner Seele gestraft.

Aus dem weiblichen Stolze entsteht das Gefühl für das, was die Frauen „Mangel an Zartgefühl“ nennen. Ich glaube, es ist etwas ganz Ähnliches wie das, was die Könige als „Majestätsverbrechen“ bezeichnen, ein Vergehen, das um so gefährlicher ist, je ahnungsloser man es begeht. Der zartfühlendste Liebende kann des Mangels an Zartgefühl bezichtigt werden, wenn er nicht sehr geistvoll ist, oder – was viel trostloser ist – wenn er sich dem größten Reize der Liebe hingibt: dem Glücke, gegen die Geliebten völlig natürlich zu sein und auf das, was sie sagt, nicht zu achten.

Das sind Dinge, von denen ein wohlerzogenes Herz keine Ahnung hat, und die man selbst erlebt haben muß, um sie zu glauben, denn wir Männer sind gewohnt, mit unseren Freunden gerecht und offen umzugehen.

[79] Immer wieder muß man sich vergegenwärtigen, daß wir es mit Geschöpfen zu tun haben, die sich, wenn auch mit Unrecht, einbilden, uns an Charakterstärke nachzustehen, oder besser gesagt, die den Argwohn hegen, daß wir sie für minderwertig halten.

Der echte weibliche Stolz will sich vielleicht in der Größe der verursachten Empfindungen wiederfinden. Man verspottete eine Hofdame der Gemahlin Königs Franz des Ersten wegen der Leichtsinnigkeit ihres Geliebten, der sie gar nicht liebte, wie man sagte. Bald darauf erkrankte er und kehrte stumm geworden zum Hofe zurück. Nach zwei Jahren, als man sich wunderte, daß sie ihn noch liebte, sagte sie zu ihm: „Sprechen Sie doch!“ Und er sprach wieder.


28. Vom Mute der Frauen

I tell thee, proud Templar, that not in
thy fiercest battles hadst thou displayed
more of thy vaunted courage, than has
been shewn by woman when called upon
to suffer by affection or duty.
W. Scott, Ivanhoe.[18]


Ich erinnere mich, in einem Geschichtswerke folgenden Satz gelesen zu haben: „Alle Männer verloren den Kopf, es war ein Moment, wo die Frauen unstreitig die Überlegenheit erlangten.“

Der Mut der Frau hat einen Rückhalt, der dem Manne fehlt. Sie fühlen sich durch ihren Geliebten in ihrer Eigenliebe verletzt und haben daher eine große Freude daran, im Drange der Gefahr es mit der Festigkeit eines Mannes aufnehmen zu können, der sie so oft durch seinen Stolz als Beschützer und durch [80] seine Kraft verletzt hat. Die Macht dieses Genusses hebt sie über jede Furcht hinaus, gerade in Augenblicken, wo der Mann Schwäche zeigt. Wenn ein Mann auch einen derartigen Rückhalt zu solchem Zeitpunkte hätte, würde er jeder Lage gewachsen sein. Denn die Furcht liegt nicht in der Gefahr, sondern in uns selbst.

Ich versuche durchaus nicht, den Mut der Frauen herabzusetzen. Ich weiß Fälle, wo er sie den tapfersten Männern überlegen macht. Nur müssen sie einen Mann haben, den sie lieben. Da sie nur durch ihn empfinden, so wird selbst die unmittelbare, persönliche Gefahr, mag sie noch so furchtbar sein, zur Rose, die sie in seiner Gegenwart brechen. So schildert Schiller die Maria Stuart. Auch bei Frauen, die nicht liebten, habe ich die kälteste, bewundernswerteste Unerschrockenheit gefunden; es war, als ob sie gar keine Nerven hätten. Ich glaube allerdings, sie wären nicht so tapfer, wenn sie wüßten, was es heißt, verwundet zu werden.

Der seelische Mut aber, der dem gewöhnlichen weit überlegen ist, zeigt sich in der Festigkeit einer Frau, die ihrer Liebe widersteht; er ist das Bewundernswürdigste, was es auf Erden gibt. Alle anderen Beweise des Mutes sind hinfällig im Vergleich zu einem so sehr unnatürlichen und schmerzlichen Unterfangen. Vielleicht nehmen sie die Kraft dazu aus derselben Opferfreudigkeit, die ihnen die Schamhaftigkeit zur Pflicht macht.

Zum Unglück der Frauen bleiben die Beweise ihres Mutes meist verborgen und entziehen sich meist auch der Mitteilbarkeit, und zu ihrem noch größeren Unglück [81] brauchen sie ihren Mut meist zu ihren Ungunsten; die Prinzessin von Cleve hätte ihrem Gatten nichts sagen und sich dem Herrn von Nemours hingeben sollen.

Vielleicht ist es hauptsächlich der Stolz, der die Frauen veranlaßt, sich gut zu verteidigen; sie bilden sich ein, ihr Geliebter wolle sie nur aus Eitelkeit besitzen. Das ist eine kleinliche und klägliche Vorstellung; als ob ein Mann, der sich aus Liebe oft und mit Freuden selbst lächerlichen Situationen aussetzt, wohl die Zeit hätte, an seine Eitelkeit zu denken! Genau so sind die Mönche, die den Teufel auszutreiben wähnen und sich stolz mit ihren Kutten und Kasteiungen begnügen, ohne andern Lohn zu fordern.

Ich glaube, wenn Frau von Cleve ein Alter erreicht hätte, in dem man das Leben zu beurteilen beginnt und die Wollust des Stolzes in ihrer ganzen Nichtigkeit erscheint, so würde sie Reue empfunden und lieber wie Frau von Lafayette gelebt haben.[19]


Eben habe ich hundert Seiten dieses Buches wieder durchgelesen. Ich habe eine recht armselige Darstellung von der wahren Liebe gegeben, der Liebe, die unsere ganze Seele beschäftigt und sie bald mit glücklichen, bald mit verzweifelten, aber stets erhabenen Bildern erfüllt und sie unempfindlich für alles andere in der Welt macht. Ich weiß nicht, wie ich das in Worte fassen soll, was ich so klar sehe. Niemals habe ich schmerzlicher den Mangel an Begabung empfunden. Wie soll ich die Einfachheit der Taten und der Gedanken, den tiefen Ernst, den aufrichtigen Blick, der jede Gefühlsnuance so rein und restlos [82] wiederspiegelt, und vor allem – ich wiederhole es – jene göttliche Sorglosigkeit schildern, die sich um nichts kümmert, als um die geliebte Frau? Ein „Ja“ oder ein „Nein“, von einem liebenden Manne ausgesprochen, hat etwas Feierliches, das man sonst nirgends findet, und selbst zu anderer Zeit an demselben Manne nicht.

Heute Morgen um neun Uhr ritt ich an dem reizenden englischen Park des Marchese Zampieri vorüber, der auf den letzten Ausläufern jenes waldreichen Hügellandes liegt, an das sich Bologna anschmiegt und von dem aus man einen herrlichen Blick auf die reiche grüne Lombardei, das schönste Land der Erde, hat. In einem Lorbeergebüsch im Parke Zampieri, von dem aus man meinen Weg übersehen konnte, der nach dem Wasserfall des Reno bei Casa-Lecchio führt, bemerkte ich den Grafen Delfante. Er war tief in Träumereien versunken und erwiderte meinen Gruß nur zerstreut, obwohl wir den Abend vorher bis zwei Uhr nachts zusammen verbracht hatten. Ich ritt weiter nach dem Wasserfall und über den Reno und kam schließlich nach ungefähr drei Stunden wieder an dem Boskett des Parks Zampieri vorbei, wo ich den Grafen immer noch stehen sah, genau in der gleichen Haltung, an eine hohe Pinie gelehnt, die über die Lorbeerbüsche hinwegragte. Ich fürchte, diese Einzelheiten sind zu einfach und nichtssagend. Delfante kam, Tränen in den Augen, auf mich zu und bat mich, niemandem von seiner starren Unbeweglichkeit zu erzählen. Ich war gerührt; ich schlug ihm vor, mit mir umzukehren und den Rest des Tages gemeinsam auf dem Lande zu verleben. Nach zwei Stunden hatte er mir [83] alles gebeichtet. Er ist eine schöne Seele; aber wie kalt würde sich das lesen, was er mir gesagt hat.

Er glaubte, er würde nicht geliebt. Ich bin anderer Meinung. Zwar kann man in dem schönen Marmorantlitz der Gräfin Chigi, in deren Hause wir den Abend vorher gemeinsam verbracht hatten, nichts lesen. Nur manchmal verrät ein leichtes, plötzliches Erröten, das sie nicht verbergen kann, die Erregtheit ihrer Seele, in der übertriebener weiblicher Stolz und starke Leidenschaften streiten. Dann rötet sich sogar ihr Alabasterhals und ihre herrlichen, eines Canova würdigen Schultern, soweit sie sichtbar sind. Nun versteht sie zwar vortrefflich die Kunst, ihre schwarzen, schwermütigen Augen solchen Beobachtern zu entziehen, deren zu großen Scharfblick ihr Zartgefühl fürchtet. Aber doch beobachtete ich gestern Abend, daß bei einer gewissen Bemerkung Delfantes eine plötzliche Röte sie ganz überflutete. Ihre große Seele fand ihn ihrer weniger würdig.

Aber auch, wenn ich mich in meinen Vermutungen über das Glück Delfantes täuschen sollte, halte ich ihn, wenn ich von der Eitelkeit absehe, für glücklicher als mich, der ich nicht verliebt bin, wiewohl ich mich dem Anschein nach wie in Wirklichkeit in einer recht glücklichen Lage befinde.


29. Ein sonderbares und trauriges Schauspiel

Es ist eine Folge des weiblichen Stolzes, daß die Frauen wegen dummer Leute an geistvollen Menschen [84] und wegen prosaischer Geldjäger und roher Kraftnaturen an edlen Seelen Rache üben. Das ist eine traurige Folge.

Die kleinlichen Erwägungen des Stolzes und die Rücksichtnahme auf die Gesellschaft haben manche Frau unglücklich gemacht, und die elterliche Eitelkeit hat manche Frau in eine entsetzliche Lage gebracht. Das Schicksal hatte ihnen als reichlichen Trost für all ihr Unglück glückliche Liebe und leidenschaftliche Gegenliebe zugedacht. Eines schönen Tages aber verfallen sie in den falschen und unvernünftigen Stolz ihrer Feinde, deren Opfer sie schon einmal waren. Sie töten das einzige Glück, das ihnen blieb, und machen sich selbst und den Geliebten unglücklich. Eine ihrer Freundinnen, die zehn stadtbekannte Liebesverhältnisse, und nicht einmal eins nach dem andern gehabt hat, redet ihnen gewichtig ein, daß sie durch ihre Liebe in den Augen der Mitmenschen entehrt würden. Und gerade diese guten Mitmenschen, die sich immer nur zu Niederträchtigkeiten einstellen, sind es, die ihnen großmütig alle Jahre einen Liebhaber zuschreiben, weil dies die Regel ist, wie sie sagen. Es ist ein Schauspiel, das die Seele betrübt: eine zartfühlende und überaus rücksichtsvolle Frau, ein Engel an Reinheit, flieht auf den Rat einer abgebrühten Kokette ihr unermeßliches, einziges und letztes Glück, nur um in fleckenlos weißem Gewande vor einen groben Tölpel von Richter hintreten zu können, der seit hundert Jahren als blind bekannt ist und aus vollem Halse schreit: „Sie trägt ein schwarzes Kleid!“

[85]
30. Aus dem Tagebuche Salviatis
Ingenium nobis ipsa puella facit.
(Properz II, 1.)

Aus Verzweiflung über das Unglück, in das mich die Liebe gebracht hat, verwünsche ich mein Dasein. Ich habe allen Mut verloren. Es ist trübes Regenwetter, ein später Frost hat die Natur wieder in den Winter zurückgestoßen, aus dem sie sich endlich dem Lenz entgegengewandt hatte, Schiassetti, ein verabschiedeter Oberst, ein vernünftiger und kaltblütiger Freund, ist da, um mir ein paar Stunden die Zeit zu vertreiben.

„Du müßtest die Liebe lassen.“

„Wie mache ich das? Gib mir meine Leidenschaft für den Krieg wieder.“

„Es ist ein großes Unglück, daß du sie kennen gelernt hast!“

Beinahe stimme ich ihm zu, so niedergeschlagen und mutlos fühle ich mich, so sehr beherrscht mich heute die Melancholie. Wir haben zusammen darüber nachgegrübelt, aus welchem Beweggründe eine ihrer Freundinnen mich bei ihr verleumdet haben könnte. Wir sind auf nichts gekommen, als auf das alte neapolitanische Sprichwort: „Frauen, die Jugend und Liebe hinter sich haben, grollen um nichts.“ – Soviel ist sicher, jenes grausame Weib ist wütend auf mich. Eine ihrer Freundinnen sagt es. Ich könnte mich zwar schrecklich an ihr rächen, aber gegen ihren Haß habe ich nicht die geringste Waffe. Schiassetti ist fort. Ich gehe in den Regen hinaus, ohne zu wissen, was nun wird. Meine Wohnung, mein Zimmer, daß ich [86] seit der ersten Zeit unserer Bekanntschaft bewohne, als ich sie alle Abende sah, ist mir unerträglich geworden. Jedes Bild an der Wand, jedes Möbel, alles erinnert mich an das Glück, das ich in ihrer Gegenwart träumte und nun für immer verloren habe.

Im kalten Regen laufe ich durch die Straßen; der Zufall – ich will es Zufall nennen – führt mich vor ihrem Fenster vorüber. Die Nacht kommt, ich gehe mit Tränen in den Augen und starre zu ihrem Fenster hinauf. Plötzlich wird ein Vorhang ein wenig beiseite geschoben, als ob jemand auf den Platz hinuntersehen wolle, und schnell wieder geschlossen. Ich fühle einen körperlichen Schmerz am Herzen. Meine Kniee wanken, ich muß mich in die Vorhalle des Nachbarhauses flüchten. Tausend Gedanken durchfluten meine Seele: vielleicht hat der Zufall den Vorhang bewegt; wenn es aber ihre Hand war, die ihn so eilig wieder schloß?

Zweierlei ist das größte Unglück auf der Welt: eine unerfüllte Leidenschaft und das „dead blank“.

In meiner Liebe fühle ich, daß es ein paar Schritte von mir entfernt, aber außerhalb meines Machtbereiches, ein maßloses Glück gibt, das von einem Worte, einem Lächeln abhängt.

Ohne Leidenschaft, wie Schiassetti, finde ich an trüben Tagen nirgends eine Spur von Glück, ich zweifle, daß es für mich welches gibt, ich falle dem Spleen anheim. Man sollte keine starken Leidenschaften haben, nur ein wenig Neugier und Eitelkeit.

Es ist jetzt zwei Uhr nachts. Seit ich die kleine Bewegung des Vorhangs gesehen habe, seit sechs Uhr abends, habe ich zehn Besuche gemacht und bin im Theater gewesen, überall schweigsam und in Gedanken [87] versunken. Den ganzen Abend habe ich mich mit der Frage gequält: „Hat sie in ihrer großen, so wenig begründeten Ungnade (wollte ich sie denn verletzen und gibt es in der Welt keine Entschuldigung dafür?) endlich wieder einen Augenblick Liebe für mich gefühlt?“

Der Unglückliche, der obige Bekenntnisse in seinen Petrarca geschrieben hat, ist bald darauf gestorben. Er war mein und Schiassettis bester Freund. Wir kannten alle seine Gedanken. Von ihm stammt, was in meinem Buche trübsinnig ist. Er war die eingefleischte Unklugheit. Übrigens war auch die Frau, derentwegen er so viele Torheiten beging, das interessanteste Wesen, das mir je begegnet ist. Schiassetti sagte mir: „Glauben Sie denn, daß diese unglückliche Leidenschaft nur Nachteile für ihn gehabt hat? Zunächst lebte er in den denkbar schlechtesten Geldverhältnissen. Dieses Unglück, das ihn nach einer verwöhnten Jugendzeit von einem sehr mäßigen Vermögen abhängig machte, hätte ihn unter allen anderen Umständen zur Verzweiflung gebracht; so aber empfand er es kaum alle zwei Wochen einmal. Zweitens war diese Leidenschaft, was für einen Menschen von seiner geistigen Bedeutung ungleich wichtiger war, die erste richtige logische Schule, die er durchmachte. Das klingt sonderbar bei einem Manne, der am Hofe verkehrt hat, aber es erklärt auch seinen verwegenen Mut. Ohne mit einer Wimper zu zucken, hat er jene Stunde über sich ergehen lassen, die ihm alles raubte. Er war nur darüber erstaunt, wie einst im russischen Feldzuge, daß er keine außergewöhnlichen Empfindungen dabei hatte. Tatsächlich hat er niemals etwas so sehr gefürchtet, [88] daß er nur zwei Tage daran hätte denken müssen. Nach Verlust dieses früheren Gleichmutes rang er nun seit zwei Jahren in jeder Minute nach Mut. Bis dahin wußte er nicht, was Gefahr ist.“

Als er wegen seines unklugen Verhaltens und seiner Vertrauensseligkeit dazu verurteilt war, die Frau, die er liebte, nur zweimal im Monat zu sehen, haben wir gesehen, wie er freudetrunken ganze Nächte lang von ihr sprach, weil er von ihr mit jener vornehmen Aufrichtigkeit aufgenommen worden war, die er an ihr anbetete. Er behauptete, Frau *** und er hätten besondere Seelen, die sich durch einen Blick verstünden. Er konnte es nicht fassen, daß die Geliebte dem spießbürgerlichen Klatsch, der ihm etwas Schlechtes nachsagte, irgend welchen Wert beilegen konnte. Die Folge seines schönen Vertrauens zu einer von seinen Feinden umgebenen Frau war die, daß sie ihm ihre Türe verschloß.

„Frau *** gegenüber,“ sagte ich ihm, „vergißt du deine Grundsätze. Man darf nur in den seltensten Fällen an Seelengröße glauben.“

„Glaubst du,“ entgegnete er, „daß es in der Welt ein zweites Herz gibt, das besser zu dem ihren paßt? Gewiß, ich bezahle meine leidenschaftliche Art mit dem Unglück, das ich in allen Unternehmungen meines äußeren Lebens habe, weil es mir an geduldigem Geschäftssinn fehlt und ich mich im Banne der augenblicklichen Eingebung zu Unvernünftigkeiten verleiten lasse.“

Man erkennt hierin den Schatten des Wahnsinns.

Für ihn war das Leben in Abschnitte von je vierzehn Tagen geteilt, deren Stimmung jedesmal die [89] Farbe des letzten Zusammenseins mit der geliebten Frau trug. Oft beobachtete ich, daß das Glück, das er aus einem anscheinend weniger kühlen Empfang schöpfte, im Vergleich zu seiner Traurigkeit über einen kalten Empfang, an Heftigkeit viel geringer war. Frau *** war mitunter auch nicht offen genug gegen ihn. Beides wagte ich ihm jedoch niemals vorzuhalten. Abgesehen davon, daß sein Schmerz ihm sehr tief ging und er ihn aus Zartgefühl niemandem, selbst seinen besten und selbstlosesten Freunden nicht, mitteilte, sah er in einem kühlen Empfang seiner Freundin den Sieg der prosaischen und ränkesüchtigen Seelen über die offenen und edelmütigen. Dann zweifelte er an der Tugend und besonders am Ruhme. Zu seinen Freunden sprach er nur noch von der traurigen Erkenntnis der Wahrheit, die er seiner Leidenschaft verdankte und die für den Philosophen einen gewissen Wert hatte. Neugierig beobachtete ich diesen seltsamen Menschen. Gewöhnlich findet man die Liebe aus Leidenschaft bei Leuten, die nach deutscher Art ein wenig einfältig sind, wie Schillers „Don Carlos“ oder Rousseaus „Saint-Preux“ oder Racines „Hippolyte“ und „Bajazet“. Er hingegen war einer der charakterfestesten und gescheitesten Männer, die ich je kennen gelernt habe.

Ich glaube, er war nach einer kalten Aufnahme nur dann ruhig, wenn er Leonores kühles Benehmen rechtfertigen konnte. Sobald er fand, daß sie kein Recht hatte, ihn schlecht zu behandeln, war er trostlos unglücklich. Nie hätte ich eine jeder Eitelkeit so bare Liebe für möglich gehalten.

Unaufhörlich erging er sich vor uns in Lobpreisungen der Liebe. „Wenn mir eine übermenschliche Kraft [90] sagen würde: Zerbrich dieses Uhrglas und Leonore ist für dich dasselbe wie vor drei Jahren, eine gleichgiltige Freundin, wahrhaftig, nie im Leben hätte ich den Mut, das Glas zu zerbrechen.“ Wenn ich ihn so törichte Sachen reden hörte, brachte ich es nicht fertig, ihm Vorwürfe zu machen.

Er fügte hinzu: „Wie am Ausgange des Mittelalters die Luthersche Reformation die Menschheit in ihren Grundlagen erschütterte und die Welt auf vernünftigem Untergrund erneuerte und neu aufbaute, so wird ein edler Mensch durch die Liebe erneuert und gefestigt. Dann erst legt er die Kinderschuhe des Lebens ab. Ohne diese Revolution bliebe er immer etwas schwerfällig und theatralisch. Erst seit ich liebe, habe ich Charaktergröße erlangt. Unsere militärische Erziehung ist so lächerlich. Obwohl ich zu leben verstand, war ich am Hofe Napoleons und in Moskau noch ein Kind. Ich erfüllte meine Pflichten, aber ich wußte nichts von jener heroischen Einfachheit, die die Frucht eines vollkommenen und willig gegebenen Opfers ist. Erst seit einem Jahre versteht mein Herz die Einfachheit der Römer des Titus Livius. Früher erschienen sie mir kalt im Vergleich mit unseren glänzenden Offizieren. Was jene für ihr Rom taten, fühle ich in meinem Herzen für Leonore. Wenn ich das Glück hätte, etwas für sie tun zu können, so würde mein erster Wunsch der sein, es ihr zu verheimlichen. Das Verhalten eines Regulus und Decius war etwas vorher Vereinbartes, was ihnen keine plötzliche Überraschung bereiten konnte. Ich war klein, ehe ich liebte, gerade weil ich manchmal versucht war, mich groß zu finden. Ich empfand einen gewissen Willen, groß zu sein, und zollte mir dafür Beifall.

[91] „Auch im Hinblick auf das Gefühlsleben verdanken wir der Liebe alles. Nach den Tändeleien der ersten Jugend verschließt sich das Herz der Sympathie. Tod oder Fernsein rauben uns die Jugendgespielen, wir sind gezwungen, mit gleichgiltigen Kameraden durch das Leben zu gehen, immer die Elle in der Hand und Vorteil und Eitelkeit im Auge. Nach und nach geht alles Zarte und Edle in der Seele aus Mangel an Pflege ein, und mit kaum dreißig Jahren ist ein Mann für alle zarten und feinen Empfindungen gefühllos wie ein Stein. Mitten in dieser dürren Wüste läßt die Liebe einen Quell von Empfindungen, frischer und reicher als in der Jugend, hervorsprudeln. Damals war es eine ungewisse, törichte und ziellose Hoffnung ohne Opfermut, ohne beständige und tiefe Sehnsucht.[20] Die Seele dürstete in jugendlichem Leichtsinn nach neuen Eindrücken und vernachlässigte heute, was sie gestern anbetete. Nichts dagegen ist zielbewußter, geheimnisvoller und ewiger sich selbst gleich, als die Kristallbildung der Liebe. Damals hatten nur gefällige Dinge das Vorrecht, uns zu gefallen, und nur auf kurze Zeit zu gefallen; jetzt haben selbst die gleichgiltigsten Dinge einen rührenden Zusammenhang mit der Geliebten. Als ich einmal in eine große Stadt kam, die viele Meilen von Mailand, Leonores Wohnort, entfernt liegt, hatte ich ein furchtsames und ängstliches Gefühl. An jeder Straßenecke fürchtete ich Alviza, ihrer Busenfreundin, zu begegnen, die ich persönlich gar nicht kannte. Alles hatte in meinen Augen ein geheimnisvolles und feierliches Aussehen. Als ich einen alten Gelehrten ansprach, schlug mein Herz heftig, und ich errötete, als man mir die Hausnummer von Leonores Freundin nannte.

[92] „Selbst die Härte der geliebten Frau ist voll unendlicher Anmut, wie man sie an ungeliebten Frauen nicht in den verführerischesten Augenblicken findet. Genau so wirken die großen Schattenflächen der Bilder von Correggio; weit entfernt, wie bei anderen Malern gleichgiltige Teile zu sein, die aber nötig sind, um die Bilder besser herauszubringen und die Figuren mehr hervortreten zu lassen, haben sie bei ihm ihren besonderen, bestrickenden Reiz und verführen zu holden Träumen.

Sicherlich bleibt das halbe Leben, gerade die schönere Hälfte, einem Manne fremd, der nicht leidenschaftlich geliebt hat.“

Er mußte die ganze Kraft seiner Beredsamkeit aufbieten, um dem besonnenen Schiassetti standhalten zu können, denn dieser sagte gewöhnlich: „Wenn Ihr glücklich sein wollt, gebt Euch mit einem schmerzlosen Leben und täglich einer kleinen Dosis Glück zufrieden; haltet Euch vom Würfelspiel der großen Leidenschaften fern.“ – „Dann mußt du mir erst deine Neugier geben,“ entgegnete Salviati.

Ich glaube, er hätte manchmal sehr gern den Lehren des verständigen Obersten folgen mögen; er kämpfte mit sich und er glaubte damit Erfolg zu haben, aber das ging über seine Kraft. Und wie stark war doch seine Seele!

Wenn er auf der Straße einen weißseidenen Hut, ähnlich wie ihn Frau *** trug, von weitem erblickte, so hörte sein Herz auf zu klopfen und er mußte sich gegen eine Mauer lehnen. Selbst in seinen trübsten Augenblicken gab ihm das Glück, ihr zu begegnen, jedesmal ein paar freudetrunkene Stunden, auf die all [93] sein Leid und alle klugen Einwendungen nichts vermochten.[21] Als er starb, waren wir uns darüber einig, daß sein Charakter in den zwei Jahren seiner hochherzigen und grenzenlosen Leidenschaft an edlen Eigenschaften viel gewonnen hatte. Wenigstens in dieser Beziehung hatte er sich richtig beurteilt. Wäre er weiter am Leben geblieben und einigermaßen unter günstigen Umständen, so hätte er sich vielleicht einen Namen gemacht. Vielleicht auch wäre sein Verdienst gerade wegen seiner Einfachheit klanglos verhallt.

. . . . . . . . . . .„O lasso
Quanti dolci pensier, quanto desio
Menó costui al doloroso passo!
Biondo era, e bello, e di gentile aspetto;
Ma l’un de’ cigli un colpo avea diviso.[22]


31. Von der Hingabe

Das größte Glück, das die Liebe gewährt, liegt im ersten Handdruck der Frau, die man liebt.

Das Glück der Liebe aus Galanterie dagegen ist realer, mehr ein gefälliges Spiel.

In der Liebe aus Leidenschaft beruht das höchste Glück nicht in der völligen Hingabe, sondern im letzten Schritt zu ihr. Dieses erinnerungslose Glück läßt sich nicht schildern.

Erregt kam Mortimer von einer weiten Reise zurück. Er betete Jenny an, die ihm auf seine Briefe nicht mehr geantwortet hatte. In London angekommen, nimmt er ein Pferd und reitet nach ihrem Landhause hinaus, um sie aufzusuchen. Er kommt hin, Sie ist im [94] Park; er eilt ihr nach, das Herz schlägt ihm heftig; er trifft sie, sie gibt ihm die Hand und begrüßt ihn verwirrt: da sieht er, daß sie ihn liebt. Wie sie zusammen durch die Alleen des Parkes wandeln, bleibt Jennys Kleid an einem Akazienstrauch hängen. Späterhin, nach einer Zeit des Glücks für Mortimer, wurde Jenny ihm untreu. Ich behauptete ihm gegenüber, Jenny habe ihn nie geliebt. Als Beweis ihrer Liebe schilderte er mir nun die Art und Weise, wie sie ihn nach seiner Rückkehr vom Kontinent empfangen hatte. Irgend welche Einzelheiten konnte er freilich nicht anführen. Er zuckte aber jedesmal zusammen, sobald er einen Akazienstrauch sah. Das war in der Tat die einzige deutliche Erinnerung, die er an die glücklichste Stunde seines Lebens bewahrt hatte.

Ein feinsinniger und freimütiger Mensch, ein ehemaliger Offizier, hat mir heute Abend die Geschichte seiner Liebe anvertraut, während ein Unwetter unsere Barke auf dem Gardasee hin- und hertrieb. Ich will sein Vertrauen nicht weiter ausbeuten. Aber mit Recht entnehme ich seinen Bekenntnissen, daß der Augenblick der Hingabe jenen schönen Tagen im Mai gleicht, der köstlichen Zeit der schönsten Blumen. Es ist ein schicksalsvoller Augenblick, der mit einem Male die schönsten Hoffnungen brechen kann.

Man kann nicht genug die Natürlichkeit loben. Sie ist die einzige erlaubte Koketterie in einer ernsten Liebe, einer Wertherschen Leidenschaft, von der man nicht weiß, wohin sie führt. Gleichzeitig ist sie – ein glücklicher Zufall für die Tugend – die beste Taktik. Ein von echter Leidenschaft ergriffener Mann sagt ahnungslos [95] bezaubernde Dinge, er spricht eine Sprache, die er nicht gelernt hat.

Es ist ein Unglück für einen Mann, im geringsten affektiert zu sein. Selbst wenn er liebt und wenn er noch so geistvoll ist, verliert er damit drei Viertel seiner Vorzüge. Läßt man sich auch nur einen Augenblick zur Geziertheit verleiten, so entsteht in der nächsten Minute immer das Gefühl der Leere.

Die ganze Liebeskunst beruht meiner Ansicht nach darauf, immer genau den im Augenblick richtigen Gefühlston zu treffen, das heißt mit anderen Worten, seiner Seele Gehör zu geben. Das ist keineswegs leicht. Wenn ein Mann liebt und seine Geliebte sagt ihm etwas wahrhaft Beglückendes, so hat er nicht mehr die Kraft, ihr zu antworten. Diese Art von Schüchternheit ist der Prüfstein der Liebe aus Leidenschaft bei einem geistig hervorragenden Manne. Er verliert dadurch die Wirkung der unausgesprochenen Worte. Aber es ist besser, zu schweigen, als zu ungelegener Zeit Zärtliches zu sagen. Was vor zehn Sekunden angebracht gewesen wäre, ist es jetzt nicht mehr und wird zum Fehler. Allemal, wenn ich gegen diese Regel sündigte, indem ich etwas sagte, was mir drei Minuten vorher in den Sinn gekommen war und was ich hübsch fand, ließ die Geliebte es mich büßen. Beim Weggehen sagte ich mir jedoch: sie hat recht. Das gehört zu den Dingen, die eine feinfühlige Frau auf das ärgste verletzen müssen, es ist eine Unanständigkeit des Gefühls. Lieber sehen sie eine gewisse Schwäche und Kälte nach. Da sie nichts in der Welt mehr fürchten, als die Falschheit des Geliebten, raubt ihnen die kleinste und geringste Unaufrichtigkeit [96] sofort ihr ganzes Glück und verleitet sie zu Mißtrauen.

Ehrbare Frauen empfinden Widerwillen vor allem Ungestüm und aller Überraschung, obgleich darin Kennzeichen der Leidenschaft liegen. Abgesehen davon, daß das Ungestüm ihr Schamgefühl verletzt, suchen sie sich auch vor ihm zu schützen.

Wenn uns Eifersucht oder Mißfallen die Geliebte etwas entfremdet haben, kann man im allgemeinen über solche Dinge zu sprechen beginnen, die eine der Liebe günstige Stimmung hervorrufen. Nach den ersten einleitenden Sätzen muß man Gelegenheit finden, genau das zu sagen, was einem die Seele zuflüstert, und man wird der Geliebten große Freude bereiten. Es ist ein Irrtum der meisten Männer, daß sie lieber irgend einen hübschen, geistreichen oder rührenden Gedanken anbringen wollen, als der Seele aus ihren Fesseln heraus zu jener Aufrichtigkeit und Natürlichkeit zu verhelfen, in der sie naiv ausspricht, was sie gerade empfindet. Wenn man dazu den Mut hat, wird man alsbald den Lohn in der Wiederversöhnung empfangen.

Solche schnelle und unbeabsichtigte Belohnung für eine der Geliebten bereiteten Freude erhebt diese Leidenschaft weit über alle anderen.

Bei völliger Natürlichkeit wird das Glück zweier Menschen eins. Infolge der Zuneigung und anderer Gesetze unserer Natur ist es einfach das größte Glück, das es gibt.

Es ist keineswegs leicht, die Bedeutung des Wortes „Natürlichkeit“, der notwendigen Vorbedingung des Liebesglückes, klar auszudrücken. Unter „natürlich“ [97] versteht man, von der gewohnten Art und Weise des Benehmens nicht abzuweichen. Selbstverständlich darf man die Geliebte nie belügen, niemals das Geringste beschönigen und niemals die echte Wahrheit entstellen. Denn wenn man das tut, sind die Gedanken auf das Beschönigen gerichtet, und man antwortet nicht mehr, wie eine Klaviertaste unter dem Drucke der Hand, auf die Empfindung, die in ihren Augen liegt. Sie merkt das bald an einem gewissen Kältegefühl und flüchtet nun in den Schutz der Koketterie. Vielleicht liegt hierin auch der verborgene Grund, weshalb wir eine Frau von zu geringem Geiste nicht lieben mögen. Man kann sich ihr gegenüber ungestraft verstellen, und da Verstellung einem aus Gewohnheit viel bequemer ist, verliert man ganz seine Natürlichkeit. Dann ist die Liebe keine Liebe mehr; sie sinkt zu einem gewöhnlichen Geschäft herab, nur mit dem Unterschiede, daß es sich, statt um Geld, um Vergnügen oder die Befriedigung der Eitelkeit oder um beides zusammen dreht. Allerdings ist es schwer, nicht etwas Verachtung für eine Frau zu empfinden, mit der man ungestraft Komödie spielen darf. Infolgedessen läßt man sie gewöhnlich sitzen, sobald man etwas in dieser Hinsicht Besseres findet. Gewohnheit und Pflicht binden manchmal dauernd; aber ich spreche nur von der freien Herzensneigung, deren Eigenart es ist, nach dem höchsten Genuß zu streben.

Ich komme auf das Wort „natürlich“ zurück. Natürlichkeit und Gewohnheit sind zweierlei. Faßt man beide Worte im gleichen Sinne auf, so ist es klar, daß es um so schwerer ist, natürlich zu sein, je feinfühliger man ist; denn die Gewohnheit hat keinen allzu mächtigen [98] Einfluß auf das Denken und Tun eines Mannes; er steht bei jeder Gelegenheit über ihr. Auf allen Blättern im Lebensbuche eines kalten Menschen steht dasselbe; nehmt seine Hand heute, nehmt sie morgen, sie fühlt sich immer gleich an.

Ein feinfühliger Mann, dessen Herz erregt ist, findet in sich nicht mehr die Richtschnur der Gewohnheit, die seine Handlungen leitet; wie kann er also einen Weg einschlagen, von dem er nichts weiß? Er fühlt die ungeheure Wichtigkeit jedes einzelnen Wortes, das er zu der Geliebten spricht; es scheint ihm, daß ein einziges Wort sein Schicksal entscheiden kann. Sollte er da nicht versuchen, schön zu sprechen? Oder es nicht wenigstens fühlen, wenn er schön spricht? Aber dann gibt es schon keine Aufrichtigkeit mehr. Dann darf man keinen Anspruch auf Aufrichtigkeit erheben, jene Eigenschaft der Seelen, die sich nicht in sich zurückziehen. Man ist, was man kann, aber man fühlt, was man ist.

Ich glaube, daß wir damit bei dem äußersten Grade der Natürlichkeit angelangt sind, den das feinfühligste Herz in der Liebe erstreben kann.

Ein leidenschaftlicher Mann kann nur mit Aufbietung aller Kraft, gleichsam als letzte Rettung im Sturme, das Gelübde tun, niemals von der Wahrheit irgendwie abzuweichen und allezeit aufrichtig dem Zuge des Herzens zu folgen. Ist das Gespräch mit der Geliebten lebhaft und wechselnd, so darf er auf Augenblicke schöner Natürlichkeit hoffen, sonst kann er nur in solchen Stunden natürlich sein, wo er nicht allzu überschwenglich liebt.

In der Nähe der Geliebten ist man nicht einmal [99] natürlich in seinen Bewegungen, die uns durch die Gewohnheit doch so tief in den Muskeln wurzeln. Wenn ich meiner Geliebten den Arm reiche, habe ich immer das Gefühl zu stolpern und muß auf meine Füße aufpassen. Höchstens kann man sich vor absichtlicher Geziertheit bewahren; es genügt, wenn man sich bewußt ist, daß Mangel an Natürlichkeit den größten Nachteil bringt und leicht zur Quelle des größten Unglücks werden kann. Das Herz der geliebten Frau versteht das unsrige nicht mehr; wir verlieren jenen starken, ungewollten Affekt der Offenherzigkeit, die wieder Offenherzigkeit erweckt. Es bleibt uns nun kein Mittel mehr, sie zu rühren, ich hätte beinahe gesagt, sie zu gewinnen. Ich will damit nicht etwa leugnen, daß eine der Liebe würdige Frau ihr Schicksal nicht in jenem schönen Wahlspruch des Efeus suchen dürfe, „der stirbt, wenn er sich nicht anschmiegt“. Das ist ein Naturgesetz, aber es ist stets ein entscheidender Schritt zum Glück, wenn eine Frau das Glück des geliebten Mannes sein will. Ich bin der Meinung, daß eine verständige Frau erst dann ihrem Geliebten alles bewilligen darf, wenn sie sich nicht mehr verteidigen kann. Aber der leiseste Verdacht gegen die Aufrichtigkeit unseres Herzens gibt ihr sofort einen Teil ihrer Kraft zurück und verzögert ihre Niederlage mindestens um einen Tag.[23]

Immer einen kleinen Zweifel beschwichtigen zu müssen, das ist die Sehnsucht jedes Augenblicks, das ist die Sonne der glücklichen Liebe. Da die Furcht nie von ihr weicht, können auch ihre Freuden sich niemals erschöpfen. Grenzenloser Ernst ist das Eigenartige an diesem Glücke.

[100] Ich brauche wohl nicht hinzuzufügen, daß es der Gipfel der Lächerlichkeit wäre, dies alles auf die Liebe aus Galanterie zu übertragen.


32. Vom Vertrauen zu Freunden

Es gibt in der Welt keinen schneller bestraften Übermut, als den, eine Liebe aus Leidenschaft einem intimen Freunde anzuvertrauen. Er weiß, daß, wenn wir die Wahrheit reden, unsere Freuden die seinen tausendfach übertreffen und sie in unseren Augen verächtlich machen.

Unter Frauen ist das noch viel schlimmer, weil es das Glück ihres Lebens ist, Leidenschaften zu entfachen und die Vertraute es demselben Manne gewöhnlich schon nahegelegt hat, sie selbst zu lieben.

Andererseits gibt es für ein Wesen, das von diesem Fieber verzehrt wird, kein heftigeres geistiges Bedürfnis in der Welt, als das nach einem Freunde, mit dem man die schrecklichen, immer wieder die Seele erfüllenden Zweifel erwägen könnte; denn in dieser furchtbaren Leidenschaft ist jedes Ding der Einbildung ein Ding der Wirklichkeit.

„Ein großer Charakterfehler,“ schrieb mein unglücklicher Freund in sein Tagebuch, „ein Fehler, den Napoleon nicht hatte, liegt darin, daß ich, wenn über die Vorteile einer Leidenschaft gestritten wird und eben etwas klar bewiesen worden ist, es nicht über mich gewinnen kann, hiervon wie von einer unerschütterlichen Tatsache weiterzugehen. Unwillkürlich und zu meinem größten Nachteile komme ich immer wieder darauf zu sprechen.“

[101] Es ist leicht, im Ehrgeiz Mut zu haben. Die Kristallbildung, die durch die Sehnsucht nach dem Ziele nicht unterdrückt wird, dient dazu, den Mut zu festigen; in der Liebe steht sie ganz im Dienste des Wesens, dem gegenüber man gerade Mut haben sollte.

Eine Frau kann eine treulose Freundin finden, aber auch eine gelangweilte. Eine vornehme Dame von fünfunddreißig Jahren, die sich langweilt und von dem Bedürfnis gequält wird, etwas zu tun, und sei es zu intriguieren, die mißvergnügt über die Lauheit ihres Geliebten und ohne Aussicht auf eine neue Liebe ist, weiß nicht, was sie aus ungestümer Tatenlust anfangen soll. Sie hat keine andere Zerstreuung, als Anfälle schlechter Laune, und kann sehr leicht eine Beschäftigung, das heißt ein Vergnügen, einen Daseinszweck darin finden, einer wahren Leidenschaft verderblich zu werden, einer Leidenschaft, die ein Unbedachter für eine andere hegt, während ihr eigener Geliebter an ihrer Seite eingeschlafen ist.

Das ist der einzige Fall, wo Haß Glück bereitet, weil er für Arbeit und Beschäftigung sorgt.

Anfangs verleiht das Vergnügen, überhaupt etwas zu tun, dieser Beschäftigung Reiz; dann, sobald sie in der Gesellschaft Argwohn erweckt hat, verleiht der Ehrgeiz ihr den Kitzel. Die Eifersucht auf eine Freundin verwandelt sich in Haß gegen ihren Geliebten. Wie könnte sonst eine Frau auch einen Mann, den sie nie gesehen hat, bis zur Wut hassen? Sie hütet sich, den Neid einzugestehen, denn zuvor müßte sie den Wert der anderen anerkennen. Es gibt Schmeichler, die sich nur dadurch bei Hofe behaupten, daß sie die gute Freundin lächerlich machen.

[102] Die falsche Freundin, die sich Handlungen von der größten Niedertracht erlaubt, kann sich trotzdem einbilden, sie sei einzig von dem Wunsche beseelt, eine wertvolle Freundschaft nicht zu verlieren. Die gelangweilte Freundin sagt sich, daß die Freundschaft in einem von der Liebe und ihren tödlichen Qualen erfaßten Herzen von selbst hinsterben muß. Liebe geht vor Freundschaft, deshalb kann diese sich nur durch Anvertrauung von Geheimnissen erhalten. Aber was fordert den Neid mehr heraus, als solche Bekenntnisse? Unter Frauen finden sie nur dann eine leidliche Aufnahme, wenn sie von folgender offener Erklärung begleitet werden: „Meine liebe Freundin, in dem ebenso sinnlosen wie unversöhnlichen Kriege, zu dem uns die von unseren Tyrannen geschaffenen Vorurteile herausfordern, sei mir heute behilflich. Morgen will ich dir helfen.“

Vor dieser Ausnahme geht noch die der wahren Freundschaft, die in der Kindheit entstanden und durch keine Eifersucht getrübt ist.

Das Geständnis einer Liebe aus Leidenschaft wird nur unter Schülern gut aufgenommen, die in die Liebe selbst verliebt sind, und von jungen Mädchen, die von Neugierde und ungestilltem Zärtlichkeitsbedürfnis verzehrt werden. Vielleicht sind sie bereits von dem Instinkt beseelt, daß hier der große Inhalt des Lebens liegt und daß sie sich nicht früh genug damit beschäftigen können.

Jeder hat schon beobachtet, wie kleine dreijährige Mädchen die Pflichten der Galanterie gewissenhaft erfüllen.

[103] Die Liebe aus Galanterie gewinnt durch Geständnisse, die Liebe aus Leidenschaft verliert durch sie.

Abgesehen von der Gefahr, sind Geständnisse überhaupt schwierig. Was in der Liebe aus Leidenschaft nicht ausgedrückt werden kann, weil die Sprache zu grob ist, um diese Nuancen wiederzugeben, ist doch nichtsdestoweniger vorhanden. Nur ist man bei der Beobachtung zarter Dinge sehr leicht Täuschungen ausgesetzt. Und in der Leidenschaft ist man ein schlechter Beobachter; man ist ungerecht gegen den Zufall.

Es ist immer das Weiseste, sein eigner Vertrauter zu sein. Man schreibe abends unter erdichtetem Namen, aber mit allen charakteristischen Einzelheiten, das Gespräch, das man eben mit seiner Geliebten geführt hat, und die Bedenken, die einen drücken, nieder. Wenn man Liebe aus Leidenschaft hegt, wird man in acht Tagen ein anderer Mann sein. Wenn man dann seine Bedenken wieder liest, kann man sich selbst den besten Rat erteilen.

Unter Männern, sobald ihrer mehr als zwei sind und Neid möglich wäre, erfordert es die Höflichkeit, nur von Liebe aus Sinnlichkeit zu sprechen. Man denke nur an das Ende von Herrendiners! Man zitiert Sonette von Baffo, die ein unendliches Behagen hervorrufen, weil jeder die Lobpreisungen seines Nachbars, der vielleicht nur lustig oder höflich sein will, wörtlich nimmt. Die zärtlichen Feinheiten Petrarcas oder französische Madrigale wären dagegen nicht am Platze.

[104]
33. Von der Eifersucht

Wenn man liebt, fügt man bei jedem neuen Gegenstand, der dem Auge oder dem Gedächtnisse auffällt, – gleichgiltig, ob im Gedränge auf einer Tribüne beim aufmerksamen Zuhören einer Parlamentsverhandlung, oder im feindlichen Feuer beim Angriff gegen eine Feldwache –, dem geistigen Bilde der Geliebten immer neue Vollkommenheiten hinzu oder ersinnt neue, zuerst großartig erscheinende Mittel, um ihre Liebe noch mehr zu gewinnen.

Jeder Schritt auf dem Wege der Phantasie bringt einen köstlichen Augenblick ein, und es ist nicht zu verwundern, wenn man sich in dieser Traumwelt verliert.

Sobald die Eifersucht aufkommt, bleibt diese Gewohnheit der Seele zwar die gleiche, äußert sich aber in ganz entgegengesetzter Wirkung. Jede neue Vollkommenheit in der Krone der Geliebten, die vielleicht einen anderen liebt, gewährt uns nicht mehr himmlische Freuden, sondern stößt uns einen Dolch ins Herz. Eine Stimme ruft uns zu: „Diese Reize genießt nun der andere!“

Alles, was uns auffällt, hat jetzt nicht mehr seine frühere Wirkung, sondern bringt uns da, wo es vordem ein Mittel zur Erringung der Liebe war, nur das Glück des Rivalen noch stärker zum Bewußtsein.

Wenn wir einer schönen Frau begegnen, die durch den Park galoppiert, so fällt uns ein, daß der andere wegen seiner vorzüglichen Pferde berühmt ist.

In solchem Zustande verfällt man leicht in Wut. Man vergegenwärtigt sich nicht mehr, daß „in der [105] Liebe der Besitz nichts, der Genuß alles ist“. Man überschätzt das Glück des anderen, man überschätzt den Übermut, zu dem ihn sein Glück verleitet, und man gerät dadurch in den qualvollsten Zustand und in grenzenloses Unglück, das noch durch einen Rest von Hoffnung vergiftet wird.

Das einzige Heilmittel ist vielleicht, das Glück des Rivalen aus nächster Nähe zu beobachten. Oft sieht man dann, wie er friedlich im Zimmer neben der Frau schlummert, bei deren bloßer Erinnerung oder wenn wir auf der Straße einen dem ihrigen ähnlichen Hut von weitem erblicken, uns das Herz still steht.

Um den Rivalen aufmerksam zu machen, braucht man nur die Eifersucht sehen zu lassen. Das würde aber den Erfolg haben, ihn über den Wert der Frau aufzuklären, die ihm den Vorzug gibt, und dann ist man vielleicht erst die Ursache seiner Liebe zu ihr.

Bei Begegnungen mit dem Rivalen gibt es keinen Mittelweg; entweder scherzt man mit ihm auf möglichst ungezwungene Weise, oder man jagt ihm Angst ein.

Da die Eifersucht das schlimmste aller Übel ist, findet man eine angenehme Zerstreuung darin, sein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen. Dann ist unser Denken doch nicht durch und durch vergiftet und (infolge des oben geschilderten Vorganges) ganz in Nacht getaucht. Man kann sich bisweilen vorstellen, daß man den Rivalen tötet.

Nach dem Grundsatze, den Feind nie zu verstärken, muß man die eigene Liebe vor dem Nebenbuhler verbergen und ihm unter vier Augen, wie aus Eitelkeit und ohne den fernsten Gedanken an Liebe, mit der [106] größten Höflichkeit und der ruhigsten und einfachsten Miene sagen: „Mein Herr, ich weiß nicht, wie die Leute auf den Einfall kommen, mir die kleine So-und-so zuzuschreiben. Man hat sogar die Güte zu glauben, ich sei in sie verliebt. Wenn Sie sie haben wollen, trete ich sie Ihnen bereitwilligst ab; aber leider würde ich dabei eine sehr lächerliche Rolle spielen. In sechs Monaten geht es, wenn sie Ihnen dann noch gefallt. Heute aber verpflichtet mich die Ehre, die man, ich weiß selbst nicht warum, in dergleichen Dinge setzt, zu meinem lebhaften Bedauern, Ihnen zu sagen, daß, wenn Sie nicht die Gewogenheit haben zu warten, bis die Reihe an Sie kommt, unbedingt einer von uns beiden fallen muß.“

Der Rivale ist höchst wahrscheinlich kein leidenschaftlich verliebter Mann und vielleicht ein sehr vernünftiger Mensch, der diesen Standpunkt durchaus anerkennt und sich beeilen wird, einem die in Frage stehende Frau abzutreten, wenn er selbst nur einen halbwegs ehrenvollen Rückzug finden kann.

Man muß nur jene Erklärung in sorglosem Tone vorbringen und den ganzen Vorfall diskret behandeln.

Der Schmerz, den die Eifersucht verursacht, ist darum so nagend, weil die Eitelkeit ihn nicht ertragen hilft, und bei der eben genannten Methode findet ja gerade unsere Eitelkeit ihre Rechnung. Man kann sich immer noch für tapfer halten, wenn man sich auch nicht mehr für liebenswert halten darf.

Will man aber die ganze Sache nicht tragisch nehmen, so muß man verreisen und sich nicht allzufern mit irgend einer Tänzerin einlassen, deren Reize einen anscheinend auf der Durchreise gefesselt haben. Ist [107] der Rivale ein gewöhnlicher Mensch, so wird er uns für getröstet halten.

Oft ist es das Ratsamste, ohne mit der Wimper zu zucken, ruhig abzuwarten, bis der Nebenbuhler der Geliebten durch seine eigene Albernheit langweilig wird. Denn außer bei einer großen Leidenschaft, die allmählich und in früher Jugend entstanden ist, wird keine gescheite Frau einen gewöhnlichen Menschen lange lieben. Tritt die Eifersucht nach der völligen Hingabe ein, so muß noch scheinbare Gleichgiltigkeit oder tatsächliche Untreue dazutreten. Die meisten Frauen, die sich von einem immer noch geliebten Manne beleidigt fühlen, gehen dann zu dem Manne über, auf den jener vorher grundlos eifersüchtig war. So wird aus dem Spiele Ernst.[24]

Ich bin auf Einzelheiten eingegangen, weil man in solchen Augenblicken der Eifersucht sehr oft den Kopf verliert. Schon lange niedergeschriebene Ratschläge sind nützlich, und da es hauptsächlich auf äußerliche Ruhe ankommt, ist es angebracht, sie in philosophischem Ton zu geben.

Da man nur solange Gewalt über uns hat, als man uns die Hoffnung auf Dinge, die nur einen Leidenschaftswert haben, raubt oder läßt, so haben unsere Widersacher sofort keine Waffe mehr, wenn es uns gelingt, gleichgiltig zu scheinen.

Hat man nichts zu tun, was einen ablenkt, und will man sich eine Freude und eine Linderung verschaffen, so wird man viel Genuß beim Lesen des „Othello“ haben. Er wird uns an manchem irre machen, was uns bewiesen schien, und mit Entzücken werden unsere Augen bei der Stelle (III, 2) verweilen:

[108]

„...... Ein wertlos Wort,
Vom Wind gebracht: der Eifersüchtge nimmt’s
Wie heilges Evangelium auf.“

Ich habe empfunden, daß auch der Anblick eines schönen Meeres tröstlich ist.

The morning which had arisen calm and bright, gave a pleasant effect to the vaste mountain view which was seen from the castle on looking to the landward; and the glorious ocean crisped with a thousand rippling waves of silver, extended on the other side in awful yet complacent majesty to the verge of the horizon. With such scenes of calm sublimity, the human heart sympathizes even in his most disturbed moods, and deeds of honour and virtue are inspired by their majestic influence.[25]

Im Tagebuche meines Freundes finde ich: „Ich sehe oft, und wie ich glaube, höchst törichterweise das ganze Leben mit dem Gefühl eines Ehrgeizigen oder eines braven Untertanen an, der während einer Schlacht einen Fuhrpark bewachen muß, oder irgend einen andern Posten ohne Gefahr und Tätigkeit einnimmt.

„Mit vierzig Jahren würde ich es bedauern, die Jahre der Liebe ohne tiefe Leidenschaft verbracht zu haben. Ich würde ein bitteres und herabstimmendes Mißbehagen empfinden, wenn ich zu spät entdeckte, daß ich so töricht war, mein Leben dahingehen zu lassen, ohne zu leben.“

„Gestern war ich drei Stunden lang bei der Frau, die ich liebe, mit einem Nebenbuhler zusammen, den sie absichtlich gut behandelte. Ohne Zweifel waren es für mich bittere Augenblicke, wenn ich ihre schönen [109] Augen auf ihm ruhen sah, und als ich ging, fühlte ich in mir das namenloseste Unglück mit der letzten Hoffnung streiten. Welche nie erlebten Gefühle, welche lebendigen Gedanken, welche blitzschnellen Folgerungen! Trotz des Glückes meines Rivalen fühlte ich doch meine Liebe mit unbeschreiblichem Stolz und Entzücken turmhoch über die seine erhaben. Ich sagte mir: Erblassen würden seine Wangen in feiger Furcht vor dem geringsten der Opfer, die meine Liebe freudig, ich kann sagen spielend bringen würde. Ohne zu zögern, könnte ich zum Beispiel mit der Hand in einen Hut fassen, um eines der beiden Lose zu ziehen: „von ihr geliebt werden“ oder „sofort sterben“. Dieses Gefühl ist so mit mir eins, daß ich dabei der liebenswürdigste Gesellschafter sein kann. Hätte man mir das vor zwei Jahren gesagt, so hätte ich gelacht.“

In der Schilderung der Reise der Kapitäne Lewis und Clarke nach den Missouriquellen im Jahre 1806 lese ich auf Seite 215:

„Die Ricaras sind arm, aber gut und großmütig. Wir hielten uns ziemlich lange in dreien ihrer Dörfer auf. Ihre Frauen sind schöner, als bei den anderen Stämmen, auf die wir gestoßen sind, und lassen ihre Liebhaber nicht gern lange schmachten. Wir fanden einen neuen Beweis für die alte Wahrheit, daß man nur in die Welt hinauszugehen braucht, um zu sehen, wie wandelbar alles ist. Unter den Ricaras ist es eine große Beleidigung, wenn eine Frau ohne Einwilligung ihres Gatten oder Bruders Liebesbewerbungen erhört, aber die Männer und Brüder sind hoch erfreut, wenn sie diese kleine Höflichkeit ihren Freunden erweisen dürfen.

[110] Wir hatten einen Neger unter unseren Leuten. Er erregte viel Aufsehen bei diesem Volke, das zum erstenmal einen Menschen von seiner Hautfarbe sah. Bald war er der Günstling des schönen Geschlechtes, und wir bemerkten, daß die Männer, anstatt auf ihn eifersüchtig zu sein, entzückt waren, wenn sie ihn zu sich kommen sahen. Das Lächerlichste dabei war, daß man im Innern ihrer engen Hütten voreinander nichts verbergen konnte.“


34. Weiteres über die Eifersucht

Die der Unbeständigkeit verdächtige Frau verläßt uns, weil wir die Kristallbildung in ihr gestört haben. Vielleicht ist sie unserer überdrüssig oder zu sicher geworden. Wir haben die Furcht in ihr erstickt, so daß die kleinen Zweifel der glücklichen Liebe nicht mehr erstehen können. Wir müssen sie wieder beunruhigen, dabei uns jedoch besonders vor abgeschmackten Beteuerungen hüten.

In der langen Zeit des Umganges mit ihr haben wir sicherlich bemerkt, auf welche Frau aus der Stadt oder aus der Gesellschaft sie am eifersüchtigsten ist und welche sie am meisten fürchtet. Dieser Frau muß man den Hof machen, aber ja nicht auffällig, sondern möglichst heimlich. Man muß es redlich zu verbergen suchen und nur auf die Augen des Hasses rechnen, die alles sehen und alles merken. Der tiefe Widerwille, den man lange Zeit vor allen Frauen empfinden wird, erleichtert einem die Sache. Man muß sich vergegenwärtigen, daß man in der augenblicklichen Lage durch [111] das Sichtbarmachen der eigenen Leidenschaft alles verderben würde. Man besuche also die geliebte Frau nur selten und trinke sein Glas Sekt in guter Gesellschaft.

Um über die Liebe der Geliebten zu urteilen, ist folgendes zu bedenken:

1. Je mehr sinnlicher Genuß in einem Liebesverhältnis an Stelle dessen tritt, was einstmals die Hingabe begründete, um so mehr wird diese Liebe der Unbeständigkeit und der Untreue zugänglich. Am deutlichsten zeigt sich das bei einer Liebe, deren Entwickelung das Feuer der Jugend begünstigt hat.

2. Die Liebe zweier Liebenden ist fast nie die gleiche.[26] Die Liebe aus Leidenschaft hat ihren Kreislauf; abwechselnd liebt der eine mehr als der andere. Oft wird einfache Galanterie oder Liebe aus Eitelkeit mit Liebe aus Leidenschaft erwidert, und meist ist es die Frau, die wahr liebt. Welche Art Liebe aber auch der eine der beiden Liebenden empfindet, sobald er eifersüchtig wird, verlangt er vom andern immer Liebe aus Leidenschaft, und die Eitelkeit erheuchelt in ihm alle Bedürfnisse eines zärtlichen Herzens.

In der Liebe aus Galanterie ist nichts verdrießlicher, als wenn sie durch Liebe aus Leidenschaft erwidert wird.

Oft leitet ein geistvoller Mann das Denken einer Frau, der er den Hof macht, zur Liebe hin und macht ihre Seele empfänglich. Sie behandelt ihn gütig, weil er ihr diese Freude bereitet. Er beginnt zu hoffen. Eines schönen Tages aber begegnet jener Frau der Mann, der ihr wirklich solche Empfindungen einflößt, wie sie der andere geschildert hat.

[112] Ich weiß nicht, welchen Eindruck die Eifersucht eines Mannes auf das Herz der geliebten Frau macht. Die Eifersucht eines gleichgiltigen Verliebten erregt sicherlich viel Abscheu, der sich bis zum Haß steigern kann, wenn der Gegenstand der Eifersucht liebenswerter als der Eifersüchtige ist. Denn, wie Frau von Coulanges sagt, man mag nur die Eifersucht des Mannes, auf den man selbst eifersüchtig sein könnte. Wenn man den Eifersüchtigen liebt, er aber kein Recht hat, es zu sein, so kann die Eifersucht jenen weiblichen Stolz verletzen, der so schwer zu behandeln und zu verstehen ist. Die Eifersucht kann stolzen Frauen gefallen, weil sie eine neue Art ist, dem Manne ihre Macht zu zeigen.

Die Eifersucht kann gefallen, weil sie eine neue Möglichkeit ist, die Liebe zu beweisen. Überzarte Frauen freilich werden durch die Eifersucht in ihrem Schamgefühl verletzt.

Die Eifersucht kann gefallen als Beweis des Mutes des Liebenden. Ferrum est quod amant. Nur muß man auseinander halten, daß der „Mut“ geliebt wird, nicht die „Tapferkeit“ eines Turenne. Denn diese ist sehr gut im Verein mit einem kalten Herzen denkbar.

Es ist ein Gesetz der Kristallbildung, daß eine Frau dem betrogenen Manne das Geschehnis niemals eingestehen darf, wenn sie nicht alle Macht über ihn verlieren will.

So stark ist die Freude an dem idealen Bilde, daß wir uns von einem geliebten Wesen gemacht haben, daß man vor dem verhängnisvollen Eingeständnis lieber (wie André Chénier sagt)

„… Anstatt des Todes Selbstbetrug erwählt.
Der uns am Leben und im Leid erhält.“

[113] In Frankreich ist eine kleine Geschichte von Fräulein von Sommery allbekannt, die, von ihrem Geliebten auf frischer Tat ertappt, ihm den Vorfall kühn abstritt und, als er darauf nicht eingehen wollte, sagte: „Ah, nun sehe ich klar, du liebst mich nicht mehr, denn du traust deinen Augen mehr, als meinen Worten!“

Eine Wiederaussöhnung mit einer angebeteten Geliebten, die uns untreu war, heißt eine in uns immer wieder auflebende Leidenschaft mit Dolchstößen zerstören. Die Liebe muß sterben, mag auch dabei unser Herz mit gräßlichen Schmerzen alle Stadien des Todeskampfes durchmachen. Das ist die unglücklichste Mischung der Liebesleidenschaft mit dem Leben. Man müßte die Kraft haben, der Geliebten fortan nur noch ein Freund zu sein.


35. Von der Eifersucht bei den Frauen

Ich komme zu der Eifersucht bei den Frauen. Sie sind mißtrauisch, sie setzen viel mehr aufs Spiel, als wir Männer, sie bringen der Liebe größere Opfer, sie haben weniger Zerstreuungen und vor allem weniger Mittel, die Handlungen ihres Geliebten auf die Wahrheit hin zu prüfen. Eine Frau fühlt sich durch die Eifersucht erniedrigt; sie glaubt sich im Verdachte, als ob sie einem Manne nachliefe; sie fürchtet, daß sie ihrem Geliebten zum Gespött werde und daß er sich gar über ihre zärtlichsten Äußerungen lustig mache. Sie muß auf Grausamkeit geraten, zumal sie ihre Nebenbuhlerin nicht mit gesetzlichen Mitteln umbringen kann.

[114] Bei den Frauen ist die Eifersucht somit ein noch viel furchtbareres Leiden, als bei Männern. Sie ist das Schlimmste, was das Menschenherz, ohne zu brechen, an ohnmächtiger Wut und Selbstverachtung zu ertragen vermag.

Ich kenne kein anderes Heilmittel für ein so grausames Leiden, als den Tod dessen, der es verursacht hat, oder dessen, den es heimsucht. Aus der „Geschichte der Frau de la Pommeraie“ in Diderots „Jacques le Fataliste“ kann man sich ein Bild der französischen Eifersucht machen. Larochefoucauld[27] sagt: „Man schämt sich einzugestehen, daß man Eifersucht empfindet, und doch ist man stolz darauf, sie gefühlt zu haben und dieses Gefühls fähig zu sein.“ Die armen Frauen wagen es nicht einmal einzugestehen, wenn sie diese grausame Pein erleiden, so sehr macht sie die Eifersucht lächerlich. Eine so schmerzhafte Wunde kann niemals gänzlich vernarben.

Wenn sich die kalte Vernunft mit einem Schatten von Aussicht auf Erfolg dem Feuer der Einbildungskraft aussetzen könnte, so würde ich den armen, von Eifersucht gequälten Frauen sagen: „Es ist ein gewaltiger Unterschied zwischen der Untreue der Männer und der euren. Bei euch ist diese Tat teils wirkliche Handlung, teils Symbol. Beim Manne bedeutet sie infolge unserer militärischen Erziehung gar nichts. Bei der Frau dagegen ist sie infolge des Schamgefühls das entscheidendste Zeichen der Ergebenheit. Für die Männer hat die schlechte Sitte sie gerade zur Notwendigkeit gemacht. Während der ganzen ersten Jugend veranlaßt uns das Beispiel der tonangebenden Kameraden, daß wir alle unsere Eitelkeit und den alleinigen [115] Beweis unseres Wertes in der Zahl derartiger Erfolge sehen. Eure Erziehung läuft gerade auf das Gegenteil hinaus.“

Der Unterschied in der Untreue der beiden Geschlechter ist so wirklich und wahr, daß eine leidenschaftlich liebende Frau eine Untreue des Geliebten zu verzeihen vermag. Der Mann kann das unmöglich.

Das ist erfahrungsgemäß der Prüfstein der Liebe aus Leidenschaft und der Liebe aus Eitelkeit. Im Herzen einer Frau stirbt diese durch die Untreue des Geliebten, während sich jene verdoppelt.

Stolze Frauen verbergen ihre Eifersucht aus Stolz. Sie verbringen lange Abende schweigsam und kalt mit dem Manne, den sie anbeten, dessen Verlust sie fürchten und in dessen Augen sie nicht mehr liebenswert zu sein glauben. Das muß eine der größten Qualen sein, und es ist die häufigste Ursache des Unglücks in der Liebe. Um solche unserer Achtung so würdige Frauen wieder zu heilen, muß der Mann einen seltsamen, aber wirkungsvollen Weg einschlagen, und vor allem darf er sich nicht anmerken lassen, daß er weiß, wie die Dinge stehen. Zum Beispiel muß er binnen vierundzwanzig Stunden eine große Reise mit ihr antreten.


36. Vom Ehrgeiz und der Eitelkeit in der Liebe

Der Ehrgeiz ist eine Regung der Eitelkeit. Ich will nicht, daß mein Gegner den Vorrang vor mir hat. Dadurch mache ich diesen Gegner selbst zum Richter meines Wertes. Ich will auf sein Inneres einwirken. [116] Dabei geht man aber weit über das verständige Maß hinaus.

Um seine eigene Übertreibung zu rechtfertigen, kommt man manchmal dahin, sich zu sagen, der Mitbewerber sei bestrebt, uns zum Narren zu halten.

Der Ehrgeiz ist eine Krankheit der Ehre. Man findet ihn sehr häufig in Monarchien, viel seltener in Ländern, wo man Handlungen nach dem Grade ihrer Nützlichkeit zu schätzen pflegt, wie in den Vereinigten Staaten von Nordamerika.

Jedermann, in Frankreich noch mehr als anderswo, fürchtet sich, zum Narren gehalten zu werden. Indessen wird dieser Ehrgeiz durch die Leichtfertigkeit des altfranzösischen höfischen Geistes daran behindert, in anderen Dingen großes Unheil anzustiften, als in der Galanterie und in der Liebe aus Eitelkeit. Bedenkliche Schandtaten hat er nur in solchen monarchischen Ländern verursacht, wo das Klima den menschlichen Charakter verdüstert (in Portugal, in Piemont).

Der Provinzialfranzose macht sich eine lächerliche Vorstellung von dem, was in der Gesellschaft einen galanten Mann ausmacht. Er stellt sich auf die Lauer und beobachtet so sein ganzes Leben lang. Je unkultivierter, desto ehrgeiziger ist er, und das macht ihn sogar in seiner Liebe lächerlich. Hierdurch und durch den Neid wird der Aufenthalt in Kleinstädten so unerträglich. Daran muß man hauptsächlich denken, wenn uns die malerische Lage einer solchen zur Bewunderung anregt. Unsere edelsten und vornehmsten Regungen werden durch längeren Aufenthalt in diesen Niederungen der Kultur gelähmt. Dazu reden die Spießbürger greulicherweise immer von der Verderbnis der Großstädte.

[117] Dieser Ehrgeiz darf in der Liebe aus Leidenschaft nicht vorkommen. Nur der weibliche Stolz kennt ihn: „Wenn ich mich von meinem Geliebten schlecht behandeln lasse, wird er mich verachten und nicht mehr lieben.“ Oder er steigert die Eifersucht bis zur Raserei.

Der Eifersüchtige will den Tod dessen, den er fürchtet. Ganz anders der Ehrgeizige: er will, daß sein Feind lebe, er soll nur Zeuge seines Triumphes werden.

Ein ehrgeiziger Mann empfindet es schmerzlich, wenn sein Rivale von der weiteren Mitbewerbung abläßt, denn möglicherweise sagt sich jener innerlich voll Übermut: „Wenn ich mich fernerhin mit ihr beschäftigt hätte, würde ich über den andern gesiegt haben.“

Im Ehrgeiz denken wir nicht an das eigentliche Ziel, es handelt sich um den bloßen Sieg. So ist es bei den Liebeleien der kleinen Mädchen von der Oper. Sobald sie keine Rivalin mehr sehen, ist ihre angebliche Leidenschaft, derentwegen sie zum Fenster hinausspringen wollten, verraucht.

Im Gegensatz zur Liebe aus Leidenschaft vergeht die Liebe aus Eitelkeit sehr schnell. Es genügt, daß der Rivale durch einen entschiedenen Schritt verrät, daß er nicht mehr mitkämpft. Ganz sicher bin ich mir zwar über diese Behauptung nicht; ich kann nur ein Beispiel dafür anführen, das mich selbst im Zweifel läßt. Die Tatsache ist folgende.

Donna Diana ist ein junges Mädchen von dreiundzwanzig Jahren, die Tochter eines der reichsten und stolzesten Bürger Sevillas. Sie ist ohne Zweifel eine Schönheit, doch eine Schönheit in ihrer Art, und man spricht ihr sehr viel Geist und noch mehr Stolz [118] zu. Sie liebte leidenschaftlich, wenigstens dem Anscheine nach, einen jungen Offizier, von dem ihre Familie nichts wissen wollte. Der junge Mann ging mit Morillo nach Amerika. Sie schrieben sich ohne Unterlaß. Eines Tages, während einer großen Gesellschaft bei der Mutter Dianas, platzte ein Dummkopf mit der Nachricht vom Tode jenes liebenswürdigen jungen Mannes heraus. Aller Augen wandten sich nach Diana; sie sagte nur die Worte: „Wie schade, so jung!“ Wir hatten gerade an diesem Tage ein Stück des alten Massinger gelesen, das tragisch schließt, in dem aber die Heldin mit solcher scheinbaren Ruhe den Tod ihres Geliebten aufnimmt. Ich sah, wie die Mutter trotz ihres Stolzes und Hasses zitterte; der Vater ging hinaus, um seine Freude zu verbergen. Inmitten alles dessen und der fassungslosen Zuschauer, die den dummen Erzähler anstarrten, fuhr Donna Diana in völliger Ruhe fort, weiter zu plaudern, als wenn nichts gewesen wäre. Ihre erschreckte Mutter ließ sie durch ihre Kammerfrau beobachten, es schien sich an ihrem Wesen nichts geändert zu haben.

Zwei Jahre später machte ihr ein sehr schöner junger Mann den Hof. Auch diesmal und wieder aus dem gleichen Grunde, weil der Freier nicht adlig ist, waren die Eltern entschieden gegen diese Heirat; Diana erklärte, daß sie stattfinden werde. Es entwickelte sich der Ehrgeiz der Eigenliebe zwischen dem jungen Mädchen und ihrem Vater. Man verbot dem jungen Manne das Haus; man ließ Diana nicht mehr aufs Land und kaum noch in die Kirche; man nahm ihr mit peinlicher Sorgfalt alle Möglichkeiten, ihrem Geliebten zu begegnen. Er verkleidete sich und sah [119] sie in langen Zwischenräumen. Sie wurde immer hartnäckiger und schlug die glänzendsten Partien, selbst einen Titel und eine große Stellung am Hofe Ferdinands des Siebenten aus. Die ganze Stadt sprach von dem Unglück der beiden Liebenden und von ihrer heroischen Ausdauer. Endlich nahte sich die Mündigkeit Donna Dianas; sie gab ihrem Vater zu verstehen, daß sie von dem Rechte, über sich selbst zu verfügen, Gebrauch machen werde. Die Familie war nun in ihre letzten Verschanzungen zurückgedrängt und begann die Heiratsverhandlungen; als sie halb abgeschlossen waren, schlug der junge Mann bei einer feierlichen Zusammenkunft beider Familien nach sechs Jahren Ausdauer Dianas Hand aus.

Eine Viertelstunde später merkte man Diana nichts mehr an. Sie war getröstet. Hatte sie aus Eigensinn geliebt? Oder ist sie eine große Seele, zu stolz, um mit ihrem Schmerze der Welt ein Schauspiel zu bieten?

Oft läuft die Liebe aus Leidenschaft nur dann glücklich aus, wenn der Ehrgeiz der Eigenliebe mithilft. In diesem Falle erfüllen sich scheinbar alle Wünsche, so daß Klagen lächerlich und sinnlos erscheinen. Aber der Liebende hat niemanden, dem er seinen unglücklichen Zustand anvertrauen könnte. Er fühlt und vergegenwärtigt sich sein Unglück unaufhörlich. Das Geschehene ist, wenn ich so sagen darf, verflochten mit schmeichelhaften Umständen und Tatsachen, die eine berückende Illusion geben können. Aber in den köstlichsten Augenblicken zeigt das Unglück sein Medusenhaupt, wie um den Liebenden herauszufordern und ihm das große Glück, von einem reizenden Geschöpf [120] geliebt zu werden, recht fühlbar zu machen, und gleichzeitig, daß ihm jenes Glück niemals zu teil werden wird. Das ist, abgesehen von der Eifersucht, vielleicht die grausamste Qual.

Ich erinnere mich, daß in einer großen Stadt ein sanfter und zärtlicher Mann durch einen ähnlichen Zustand veranlaßt wurde, seine Geliebte zu ermorden, die ihn nur aus Ehrgeiz gegen ihre Schwester liebte. Er lud sie eines Abends zu einer Fahrt aufs Meer ein, in einem Boote, das er selbst vorbereitet hatte. Auf offener See zog er eine Klappe auf, das Boot sank und kehrte nie zurück.

Einem Sechzigjährigen fiel es ein, die launenhafteste, tollste, liebenswürdigste und wunderlichste Schauspielerin Londons, Miß Cornel, auszuhalten. Man sagte ihm: „Du bildest dir doch nicht etwa ein, daß sie dir treu bleibt?“ – „Keineswegs,“ meinte er, „aber sie wird mich lieben, vielleicht bis zur Raserei.“ Tatsächlich hat sie ihn ein volles Jahr geliebt, zeitweise über das vernünftige Maß hinaus, und drei Monate hindurch gab sie ihm keinerlei Anlaß zu Klagen. Er hatte es verstanden, ihren Ehrgeiz seiner Tochter gegenüber zu entflammen; freilich ein recht abstoßender Kunstgriff.

Der Ehrgeiz feiert seine Siege in der Liebe aus Sinnlichkeit, deren Schicksal er ist. Erfahrungsgemäß ist er der beste Prüfstein zur Unterscheidung von Liebe aus Galanterie und Liebe aus Leidenschaft. Es ist eine alte Kriegsregel, die man jungen Leuten beim Eintritt ins Regiment einprägt: „Wenn man einen Quartierzettel auf ein Haus erhält, in dem zwei Schwestern leben, so soll man der einen den Hof machen, wenn [121] man die andere haben will.“ Bei den meisten jungen Spanierinnen, die der Liebe zugänglich sind, genügt es, um ihre Liebe zu entfachen, ruhig und bescheiden so zu tun, als ob für die Dame des Hauses kein Raum in unserem Herzen übrig sei. Diesen nützlichen Grundsatz habe ich von dem liebeserfahrenen General Lasalle. Er lehrt die gefährlichste Art des Angriffes auf die Eigenliebe.

Das glücklichste Bindemittel einer Ehe ist, abgesehen von der wahren Liebe, der Ehrgeiz und die Eigenliebe. Viele Gatten sichern sich auf Jahre hinaus die Liebe ihrer Frauen, wenn sie sich zwei Monate nach der Hochzeit eine kleine Geliebte halten. Man erweckt damit die Gewohnheit, nur an einen einzigen Mann zu denken. Das Band der Familie macht sie bald unbesiegbar.

Um sich zu erklären, daß zu Zeiten und am Hofe Ludwigs des Fünfzehnten eine große Dame, Frau von Choiseul, ihren Gatten anbetete, muß man wissen, daß er reges Interesse für ihre Schwester, die Herzogin von Grammont, hegte.

Selbst eine vernachlässigte Geliebte raubt uns die Ruhe, sobald sie uns merken läßt, daß sie einen andern vorzieht; sie entflammt unser Herz wieder zur Leidenschaft.

Der Mut ist beim Italiener ein Wutanfall, beim Deutschen ein Moment der Begeisterung, beim Spanier ein Ausdruck des Stolzes. Wenn es eine Armee gäbe, in welcher der Mut lediglich auf Ehrgeiz beruhte, der unter den einzelnen Soldaten jeder Kompagnie und unter den einzelnen Regimentern jeder Division herrscht, dann hätte man bei einer allgemeinen Flucht [122] kein Mittel mehr, eine solche Armee zum Stehen zu bringen.

„Man braucht nur irgend eine Reiseschilderung über die Indianer Nordamerikas aufzuschlagen,“ sagt ein vortrefflicher französischer Philosoph,[28] „um zu wissen, daß es das gewöhnliche Los eines Kriegsgefangenen ist, nicht nur lebendig verbrannt und verzehrt, sondern vorher an einen Marterpfahl gebunden zu werden, vor dem ein Holzfeuer brennt, und stundenlang alle Qualen zu erdulden, die die Wut an wilder und durchtriebener Grausamkeit nur auszudenken vermag. Man muß lesen, was die Reisenden, die Zeugen solcher gräßlichen Szenen gewesen sind, von der kannibalischen Freude der Zuschauer und vor allem von der Tollheit der Weiber und Kinder und von ihrem wilden Vergnügen, sich in Grausamkeit zu überbieten, erzählen. Man muß lesen, was sie über die heldenhafte Festigkeit und die unerschütterliche Kaltblütigkeit des Gefangenen berichten, der kein Zeichen seiner Schmerzen von sich gibt, sondern vielmehr seine Henker mit dem heldenmütigsten Stolze, der bittersten Ironie und dem übermütigsten Hohn herausfordert. Er besingt seine eigenen Taten, zählt die von ihm getöteten Verwandten und Freunde der Zuschauer auf, schildert die ihnen bereiteten Todesqualen und beschuldigt alle, die ihn umringen, der Feigheit, der Kleinmütigkeit und der Unkenntnis im Martern, bis er in Fetzen zerfällt und noch lebend, gleichsam vor seinen eigenen Augen, von seinen vor Wut rasenden Feinden verschlungen wird; der letzte Hauch seiner Stimme erstickt in den letzten Schmähworten. Dergleichen klingt für Kulturmenschen unglaublich, es wird [123] unseren unerschrockensten Infanteriehauptleuten wie eine Fabel vorkommen und eines Tages wird die Nachwelt daran zweifeln.“

Diese physiologisch wunderliche Erscheinung erklärt sich aus einem besonderen Seelenzustande des Gefangenen, der zwischen sich und der Masse seiner Henker einen Kampf der Eigenliebe und einen Wettstreit der Eitelkeit anstiftet.

Unsere braven Militärärzte haben oft beobachtet, daß Verwundete, die in ihrem gewöhnlichen Geistes- und Nervenzustande während einer Operation vor Schmerzen laut aufgebrüllt hätten, Ruhe und Seelengroße zeigten, wenn man sie in richtiger Weise vorbereitet hatte. Man mußte ihr Ehrgefühl reizen und erst mit gleichgiltigen, dann, mit herausfordernden Worten behaupten, daß sie wohl nicht imstande sein würden, die Operation ohne lautes Geschrei zu ertragen.


37. Vom Streit in der Liebe

Es gibt zwei Arten von Streit in der Liebe, je nachdem der Streitsüchtige liebt oder nicht liebt.

Besitzt der eine der beiden Liebenden zu viele Vorzüge, die von beiden gleich geschätzt werden, so muß die Liebe des andern sterben, denn die Furcht vor Verachtung wird der Kristallbildung früher oder später plötzlich ein Ende machen.

Nichts ist dem Durchschnittsmenschen verhaßter, als geistige Überlegenheit. In der heutigen Welt liegt hier die Quelle alles Hasses, und wenn wir dieser Ursache nicht die furchtbarsten Folgen verdanken, so [124] liegt das einfach daran, daß die Leute, die der Haß trennt, nicht eng zusammenleben müssen. Wie ist das aber in der Liebe, wo jene Überlegenheit, besonders von seiten des Überlegenen, natürlicherweise nicht durch soziale Vorsichtsmaßregeln verdeckt wird?

Um die Leidenschaft rege zu erhalten, muß der Unterlegene den andern schlecht behandeln, sonst kann dieser nicht das Geringste mehr tun, ohne daß sich jener beleidigt fühlt.

Der Überlegene hingegen macht sich Illusionen. Seine Liebe ist nicht der geringsten Gefahr ausgesetzt, denn alle Schwächen an einem geliebten Menschen machen ihn uns nur teurer.

Unmittelbar nach der Liebe aus Leidenschaft kommt bei Menschen von gleichen geistigen Fähigkeiten in Hinsicht auf die Dauer die streitsüchtige Liebe, in welcher der Streitsüchtige nicht liebt. Beispiele hierzu liefern die Anekdoten von der Herzogin von Berri in den Memoiren von Duclos.

Die streitsüchtige Liebe kann länger währen, als selbst die Liebe aus Leidenschaft, weil sie ihrer Natur nach eng mit den kalten Gewohnheiten verbunden ist, die den prosaischen und selbstsüchtigen Elementen im Menschen entsprechen und bis zum Grabe seine unzertrennlichen Begleiter sind. Aber sie ist keine richtige Liebe mehr, sondern eine von der Liebe gezeitigte Gewohnheit, die mit jener Leidenschaft nichts als die Erinnerung und den sinnlichen Genuß gemeinsam hat. Diese Gewohnheit bedingt immer eine unedle Seele. Tagtäglich spielt sich ein kleines Schauspiel: „Wird er mich schelten?“ ab, durch das die Phantasie gerade so beschäftigt wird, wie in der Liebe aus Leidenschaft, wo [125] sie jeden Tag eines neuen Beweises der Zärtlichkeit bedarf.

Unter Umständen weigert sich der Stolz, sich an eine solche Art von Zuneigung zu gewöhnen; dann tötet der Stolz nach einigen stürmischen Monaten die Liebe. Aber man kann beobachten, daß edle Leidenschaft lange kämpft, ehe sie flieht. Die kleinen Streitfälle der glücklichen Liebe können ein Herz, das trotz schlechter Behandlung noch liebt, lange täuschen. Einige zärtliche Versöhnungen machen den Übergang erträglicher. Zur Entschuldigung des Mannes, den man so sehr geliebt hat, bildet man sich ein, er trage einen geheimen Kummer oder irgend ein Mißgeschick. Schließlich gewöhnt man sich daran, ausgezankt zu werden. Wo könnte man auch, außer in der Liebe aus Leidenschaft, außer beim Hazardspiel oder im Besitze unumschränkter Macht, eine gleich stark sprudelnde, nie versiegende Quelle der Beschäftigung finden? Nach dem Tode des Streitsüchtigen sieht man, wie das Opfer, das ihn überlebt, untröstlich bleibt. Darin beruht das Bindemittel vieler bürgerlicher Ehen. Der Ausgescholtene hört den ganzen Tag von dem reden, was er am meisten liebt.

Es gibt auch eine falsche Art von streitsüchtiger Liebe. Ich entnehme dem Briefe einer ausgesucht geistreichen Dame die Stelle:

„Ein kleiner Zweifel, den man täglich beschwichtigen muß, gibt der Liebe aus Leidenschaft immer neue Nahrung … Da die immer rege Furcht niemals schwindet, können auch ihre Freuden nie langweilig werden.“

Bei mürrischen, schlecht erzogenen oder von Natur sehr heftigen Menschen kommen jene kleinen Zweifel, [126] die Beschwichtigung verlangen, und jene leichten Befürchtungen durch Zank und Streit zum Ausbruch.

Besitzt die geliebte Person nicht sehr große Empfindsamkeit, die Frucht sorgfältiger Erziehung, so findet sie in einer solchen Liebe viel Anregung, also viel Annehmlichkeit. Ja, trotz vorhandenem Zartgefühl ist es gar nicht unmöglich, daß sie den Wüterich noch mehr liebt, da sie sieht, wie er selbst das erste Opfer seiner Heftigkeit ist. Lord Mortimer bedauerte, wenn seine Geliebte heftig wurde, höchstens die Leuchter, die sie ihm an den Kopf warf. In der Tat, wenn der eigene Stolz solche Gefühlsausbrüche verzeiht und zuläßt, so muß man zugeben, daß der Langeweile, diesem großen Feinde glücklicher Menschen, dadurch gewaltiger Abbruch geschieht.

Saint-Simon, der einzige Historiker, den Frankreich gehabt hat, erzählt (Band V, Seite 43):

„Nach allerlei flüchtigen Liebeleien hatte sich die Herzogin von Berri sterblich in Riom verliebt, einen jüngeren Sohn des Hauses Aydie und Schwesterkind der Frau von Biron. Er war weder hübsch noch geistreich, ein plumper Bursche, untersetzt, pausbäckig und blaß, mit Finnen im Gesicht, eine wahre Mißgeburt; nur schöne Zähne besaß er. Nie hätte er geglaubt, eine Leidenschaft zu erwecken, die zügellos wurde und kein Ende fand, wenn sie auch ein paar anderweitige Liebschaften und kleine Seitensprünge nicht verhinderte. Er hatte kein Vermögen, nur eine Menge Geschwister, die auch nichts hatten. Ein Herr von Pons, dessen Gattin Hofdame der Herzogin von Berri war, stammte aus derselben Gegend und war mit ihm verwandt. Er ließ den jungen Mann, der [127] Dragonerleutnant war, kommen, um vielleicht etwas aus ihm zu machen. Kaum war er da, so fand er schon Gefallen und wurde Herr im Palais Luxemburg.

Herr von Lauzun, sein Großonkel, lachte im stillen darüber. Er war entzückt und sah in Riom sich selbst wieder im Palais Luxemburg zu Zeiten von Mademoiselle. Er wurde sein Lehrmeister und Riom, der von Natur sanft, höflich und ehrerbietig war, ein guter, braver Junge, hörte ihm eifrig zu. Bald aber erkannte er die Macht seiner Reize, die eben nur die eigenartige Phantasie dieser Fürstin fesseln konnten. Ohne seine Stellung gegen irgend wen zu mißbrauchen, machte er sich bei aller Welt beliebt. Die Herzogin behandelte er genau so, wie Herr von Lauzun Mademoiselle behandelt hatte. Bald war er mit kostbaren Spitzen und Kleidern versehen, mit Geld, wertvollen Schuhschnallen und Juwelen überschüttet. Er wußte sich begehrlich zu machen und gefiel sich darin, die Eifersucht der Herzogin zu erregen und selbst eifersüchtig zu scheinen. Oft brachte er sie zum Weinen und bald beherrschte er sie so, daß sie nichts, nicht einmal die gleichgiltigsten Dinge, ohne seine Erlaubnis tat. Wenn sie in die Oper gehen wollte, hieß er sie zu Hause bleiben; oder auch, wenn sie nicht wollte, mußte sie gehen. Er nötigte sie, Damen, die sie nicht leiden konnte oder auf die sie eifersüchtig war, Wohltaten zu erweisen oder Leuten, die sie gern hatte, auf die er sich aber eifersüchtig stellte, Böses zu tun. Selbst in ihrer Kleidung hatte sie nicht die geringste Freiheit; es machte ihm Vergnügen, ihr eine andere Frisur anzuordnen oder sie die Toilette wechseln zu lassen, wenn sie gerade mit dem Ankleiden fertig war, [128] und das so oft und manchmal so öffentlich, daß er sie daran gewöhnte, abends seine Befehle für ihre Kleidung und ihre Beschäftigung am nächsten Tage einzuholen. Am andern Tage änderte er aber alles, so daß die Herzogin nur noch mehr weinte. Schließlich kam sie dahin, ihm durch vertraute Diener Zettel zu schicken, denn er wohnte beinahe von Anfang an im Luxemburg. Diese Zettel gingen während des Ankleidens mehrere Male hin und her, um festzustellen, was für Bänder, welches Kleid, welchen Schmuck sie wählen solle. Und fast alltäglich bestimmte er gerade das, was sie nicht tragen wollte. Wenn sie sich mitunter die geringste Freiheit ohne seine Genehmigung herauszunehmen wagte, behandelte er sie wie eine Magd und oft weinte sie dann tagelang.

Diese so hochmütige Prinzessin, die sich darin gefiel, den maßlosesten Stolz zur Schau zu tragen und zu betätigen, ließ sich herab, mit ihm und mit Leuten ohne Namen heimliche Gastmähler abzuhalten, sie, die sonst nur mit Prinzen von Geblüt zu speisen pflegte. Der Jesuit Riglet, den sie schon als Kind kannte und der sie erzogen hatte, wurde zu diesen Gastereien hinzugezogen, ohne daß er Scham oder die Herzogin Verlegenheit darüber empfunden hätte. Frau von Mouchy war ihre Vertraute bei allen diesen Sonderlichkeiten; sie und Riom luden die Gäste ein und bestimmten die Tage; sie war es, welche die Liebenden wieder miteinander aussöhnte. Und dieses Treiben war im Luxemburg allbekannt; jedermann wandte sich an Riom, der seinerseits darauf bedacht war, mit allen auf gutem Fuße zu stehen, und seine gewohnte würdevolle Miene nur vor seiner Herzogin offen fallen ließ. [129] In aller Gegenwart gab er ihr grobe Antworten, so daß die Umstehenden wegblickten, und die Herzogin, die ihre leidenschaftlichen Gefühle für ihn kaum verbarg, errötete.“

Riom war für die Herzogin ein fürstliches Mittel gegen die Langeweile.

Eine berühmte Frau sagte einmal ohne Zusammenhang zum General Bonaparte, der damals ein ruhmvoller junger Held war und sich noch nicht an der Freiheit vergangen hatte: „General, Ihnen kann eine Frau nur Gattin oder Schwester sein!“ Der Held verstand das Kompliment nicht.

Solche Frauen lieben es, von ihrem Liebhaber verachtet zu werden; sie lieben ihn nur, wenn er grausam ist.


38. Von den Heilmitteln der Liebe

Der Sprung vom leukadischen Felsen ist ein schönes Gleichnis aus dem klassischen Altertum. In der Tat gibt es kaum ein Heilmittel gegen die Liebe. Es bedarf nicht nur der Gefahr, die des Menschen Aufmerksamkeit lebhaft auf seine Selbsterhaltung richtet,[29] sondern auch, was viel schwieriger ist, einer andauernden, nervenreizenden Gefahr, deren Abwehr Geschicklichkeit verlangt, um dem Gedanken an die Selbsterhaltung Zeit zur Entwickelung zu lassen. Dazu genügt nur ein sechzehntägiger Sturm, wie ihn Don Juan (bei Byron) erlebte, oder ein Schiffbruch, wie der Cochelets bei den Mauren. Andernfalls gewöhnt man sich sehr rasch an die Gefahr und man beginnt sogar an die Geliebte mit noch größerem Entzücken [130] zu denken, wenn man zwanzig Schritte vom Feind entfernt auf Vorposten steht.

Ich habe unaufhörlich wiederholt, daß einem aufrichtig liebenden Manne alle Gebilde seiner Phantasie entweder Genuß oder Furcht einflößen, während es in der Natur nichts für ihn gibt, das ihm nicht von der Geliebten spricht. Nun aber sind Genuß und Furcht Beschäftigungen, die uns ganz in Anspruch nehmen und vor denen alle anderen verblassen.

Ein Freund, der dem Liebeskranken Heilung verschaffen will, muß sich vor allem immer auf die Seite der geliebten Frau stellen. Aber Freunde, die mehr Eifer als Geist besitzen, schlagen gewöhnlich den entgegengesetzten Weg ein. Mit lächerlich ungleichen Waffen greifen sie jenes Werk lieblicher Illusionen an, das ich Kristallbildung genannt habe.

Der helfende Freund muß im Auge behalten, daß ein Liebender, dem man das Unglaublichste zu glauben zumutet, es entweder ruhig hinnehmen oder auf alles, was ihn ans Leben kettet, verzichten muß. Er wird alles anhören und doch, wenn er noch so geistvoll ist, die offenkundigsten Laster und die schlimmste Untreue der Geliebten in Abrede stellen. Darum ist in der Liebe aus Leidenschaft nach kurzer Zeit alles verzeihlich.

Bei Verstandesmenschen und kalten Naturen müssen erst mehrere Monate der Leidenschaft vergangen sein, ehe sie Fehler bemerken dürfen und ruhig hinnehmen.

Der heilende Freund darf den Liebenden keinesfalls auf grobe und deutliche Art zu zerstreuen suchen, er muß vielmehr bis zum Überdruß von seiner Liebe und seiner Geliebten sprechen und gleichzeitig dicht [131] um ihn herum eine Menge kleiner Ereignisse sich abspielen lassen. Eine weite Reise ist kein Heilmittel, denn nichts erinnert zarter an die Geliebte, als Gegensätze. Gerade in den glänzendsten Salons in Paris, mitten unter den ob ihres Liebreizes gerühmten Frauen habe ich meine arme einsame trauernde Geliebte in ihrem armseligen Hause fern in der Romagna am glühendsten geliebt.

Ich erspähte auf der kostbaren Stutzuhr des glänzenden Salons, in den ich verbannt war, die Stunde, wo sie zu Fuß und im Regen ausging, um ihre Freundin zu besuchen. Während ich sie zu vergessen suchte, machte ich die Beobachtung, daß Gegensätze die Quelle von Erinnerungen sind, die wohl weniger lebhaft, aber viel himmlischer sind, als die an Orten, wo man der Geliebten einstmals begegnet ist.

Wenn die Abwesenheit etwas nützen soll, muß der heilende Freund immer zur Stelle sein und den Liebenden auf alle möglichen Gedanken über die Ereignisse seiner Liebe bringen. Er muß diese Gedanken durch ihre Länge oder durch ihren ungünstigen Zeitpunkt langweilig zu machen und ihnen sozusagen die Wirkung eines Gemeinplatzes zu geben suchen; zum Beispiel, indem er nach einem fröhlichen Mahle bei gutem Wein plötzlich wehmütig und gefühlvoll wird.

Darum ist es so schwer, eine Frau, bei der wir glücklich waren, zu vergessen, weil es gewisse Augenblicke gibt, die unsere Phantasie unermüdlich immer wieder zurückruft und vergoldet.

Ich spreche nicht vom Stolze, diesem grausamen und allmachtigen Heilmittel; es steht zarten Seelen nicht zu Gebote.

[132] Die ersten Szenen in Shakespeares „Romeo und Julia“ sind ein bewundernswertes Gemälde. Welch ein großer Unterschied ist zwischen dem Manne, der sich traurig sagt: „She hath forsworn to love!“ und dem, der auf dem Höhepunkt des Glückes ausruft: „Come what sorrow can!“


39. Kapitel
Her passion will die like a lamp for

want of what the flame should feed upon.
(Ihre Leidenschaft wird erlöschen wie eine

Lampe, deren Flamme keine Nahrung erhält.)
Scott, Braut von Lammermoor


Der heilende Freund muß sich wohl vor schlechten Gründen hüten, zum Beispiel darf er nie von Undankbarkeit reden. Man belebt die Kristallbildung wieder, wenn man ihr einen Sieg und eine neue Freude verschafft.

In der Liebe gibt es keine Undankbarkeit. Eine wirkliche Freude macht auch die scheinbar größten Opfer und noch weit mehr bezahlt. Es gibt nur ein Unrecht, Mangel an Offenheit. Man muß den Zustand seines Herzens richtig beurteilen.

Sobald der heilende Freund die Liebe in der Front angreift, antwortet der Liebende: „Lieben, und selbst unter dem Zorne der Geliebten, ist nichts anderes – um zu deinem Geschäftston herabzusteigen –, als ein Lotterielos besitzen, dessen Gewinst tausendfach über allem steht, was du mir bieten kannst in deiner Welt voll Gleichgiltigkeit und Eigennutz. Man muß sehr viel und sehr kleinliche Eitelkeit besitzen, um sich deshalb glücklich zu [133] fühlen, weil man freundliche Aufnahme findet. Keineswegs tadle ich die Menschen, die in ihrem Kreise so handeln. Aber bei Leonore habe ich eine andere Welt gefunden, in der alles göttlich, zart und edel war. Der erhabenste und unglaublichste Ruhm eurer Welt galt uns in unseren Gesprächen nur als etwas Gewöhnliches und Alltägliches. Laß mir darum wenigstens den Traum des Glückes, mein Dasein an der Seite eines solchen Wesens zu verbringen. Obwohl ich sehe, daß mich die Verleumdung zu grunde gerichtet hat, und ich keine Hoffnung mehr habe, will ich ihr wenigstens meine Rache opfern.“

Man kann die Liebe nur in ihrem Entstehen aufhalten. Außer einer schnellen Abreise und den unvermeidlichen Zerstreuungen der Gesellschaft gibt es noch verschiedene kleine Kniffe, die der heilende Freund anwenden kann. Zum Beispiel wird er wie zufällig in unserer Gegenwart die Bemerkung machen, die geliebte Frau bezeige uns – abgesehen von der Ursache des ganzen Zwistes – nicht die Rücksichten der Höflichkeit und Achtung, die sie einem Nebenbuhler zukommen lasse. Die geringsten Tatsachen genügen dazu, denn in der Liebe ist alles „Beweis“; zum Beispiel, wenn sie uns nicht den Arm gibt, um sich zu ihrer Loge führen zu lassen, so wird dieses Nichts von einem leidenschaftlich bewegten Herzen tragisch genommen. Es schwächt die Kristallbildung ab, vergiftet die Quelle der Liebe und kann sie sogar verschütten.

Man kann der Frau, die mit unserem Freunde schlecht umgeht, einen lächerlichen körperlichen Fehler nachsagen, der sich unmöglich feststellen läßt. Wenn der Liebende die Verleumdung nachweisen könnte, so [134] würde sie, selbst wenn er sie begründet fände, durch die Macht der Einbildung doch hinfällig werden und bald ganz vergessen sein. Nur die Phantasie kann sich selbst Trotz bieten. Heinrich der Dritte wußte das sehr gut, als er die berühmte Herzogin von Montpensier verleumdete.

Wenn man ein junges Mädchen vor der Liebe bewahren will, muß man also hauptsächlich seine Phantasie behüten. Je höher sein Geist, je edler und großmütiger seine Seele, je mehr es – mit einem Wort – unserer Achtung wert ist, um so größerer Gefahr geht es entgegen.

Es ist immer für ein junges Wesen gefährlich, wenn man duldet, daß sich seine Erinnerungen zu häufig und mit zuviel Wohlgefallen an einen bestimmten Menschen heften. Wenn Dankbarkeit, Bewunderung oder Neugierde die Fäden der Erinnerung fester knüpfen, so ist das Verderben fast unabwendbar. Je langweiliger das alltägliche Leben ist, um so wirksamer sind die Gifte, die Dankbarkeit, Bewunderung und Neugierde heißen. Dann hilft nur eine schnelle, rechtzeitige und energische Zerstreuung.

Daher ist ein wenig Rauheit und Sichgehenlassen beim ersten Zusammentreffen, auf natürliche Weise verabreicht, das sicherste Mittel, sich bei einer geistvollen Frau Respekt zu verschaffen.

Anmerkungen Stendhals

  1. [343] Epikur sagt, die Unterscheidung sei zum Besitze des Genusses nötig.
  2. [343] Aus: Dante, Hölle V, 133–136. [Die ganze Stelle lautet nach O. Gildemeisters Übertragung:

    „Wir lasen eines Tags zu unsrer Lust
    Vom Lanzelott, wie Lieb’ ihn hielt gebunden,
    Wir beid’ allein, uns keines Args bewußt.
    Oft hatten schon die Augen sich gefunden
    Bei diesem Lesen, oft erblaßten wir.

    [344]

    Doch eine Stelle hat uns überwunden:
    Da, wo das heißersehnte Lächeln ihr
    Zuerst geküßt wird von dem hohen Streiter
    Da küßte bebend meine Lippen mir
    Er, der hinfort mein ewiger Begleiter.
    Galeotto war das Buch und der es schrieb.
    An jenem Tage lasen wir nicht weiter.“]

  3. [344] Vgl. folgende Stelle in Walter Scotts „Ivanhoe“ [deutsch nach der Übersetzung in Reclams Universalbibliothek Seite 65 f.]: „Wer in der Physiognomie des Prinzen kühne Dreistigkeit, Hochmut und Gleichgültigkeit gegen die Empfindungen anderer las, konnte seinem Gesicht dennoch nicht jene Schönheit absprechen, die regelmäßige Gesichtszüge, ein Ausdruck wohlberechneter Höflichkeit und Freimütigkeit, jedem verleihen. Ein solcher Ausdruck wird oft fälschlich für männlichen Freimut gehalten, wo er doch nur der sorglosen Gleichgültigkeit eines leichtsinnigen Charakters entspringt, der sich sehr wohl der Vorzüge bewußt ist, die Geburt, Reichtum oder ein anderer zufälliger Vorteil ihm verleihen, der aber nichts mit persönlichem Verdienst zu schaffen hat.“
  4. [344] Vgl. Brown, „Amours de Stuensee dans les cours du Nord,“ 1819, 3 Bde.
  5. [344] Vgl. die Briefe von Madame Dudeffant und Mademoiselle de Lespinasse, die Memoiren von Bezenval, von Lauzun, von Madame d’Epinay, den „Dictionnaire [345] de Etiquettes“ von Madame de Genlis, die Memoiren von Dangeau und von Horace Walpole.
  6. [345] Vgl. Saint-Simon und Goethes „Werther“. – Die Seele ist vielseitig, wie ein feingeschliffener Brillant; ein Teil ihrer Einbildungskraft wird dadurch verbraucht, sich der Gesellschaft gegenüber vorzusehen. Charakter ist ein Reiz, der die meisten Frauenherzen bezaubert. Daher der Erfolg junger ernster Offiziere. Die Frauen verstehen es vortrefflich, zwischen dem Ungestüm leidenschaftlicher Regungen, deren Möglichkeit sie in ihrem Herzen fühlen, und der Stärke des Charakters zu unterscheiden. Die vornehmsten Frauen werden in dieser Hinsicht mitunter durch etwas Charlatanerie getäuscht. Man kann sie unbesorgt anwenden, sobald man merkt, daß die Kristallbildung begonnen hat.
  7. [345]

    Nessun maggior dolore
    Che ricordarsi del tempo felice
    Nella miseria...“
     Dante, Hölle V. 121 f.
    [Nichts schmerzt so tief,
    Als die Erinnerung an glückselge Zeiten
    Im Unglück ...]

  8. [345] Gerade dieser nervösen Sympathie möchte ich die wunderbare und unerklärliche Wirkung der Modemusik zuschreiben. (Dresden, Rossini, 1821.) Wenn sie nicht mehr mode ist, wird sie deshalb nicht schlechter, [346] aber sie macht keinen Eindruck mehr auf die leichtentflammten Herzen der Jugend. Vielleicht gefiel sie nur, weil sie die jugendliche Begeisterung erregte. Frau von Sévigné (Brief 202 vom 6. Mai 1672) schreibt ihrer Tochter: „Lully hat mit der königlichen Kapelle das Höchste erreicht. Dieses schöne Miserere enthält ein Libera, bei dem aller Augen tränenfeucht wurden ...“ Man kann ebensowenig an der Wahrheit jenes Eindrucks zweifeln, als Frau von Sévigné guten Geschmack abstreiten. Die Musik Lullys, die sie entzückte, würde heutzutage abstoßen. Damals regte sie die Kristallbildung an, heute nimmermehr.
  9. [346] Memoiren von Grammont.
  10. [346] Vgl. die meisterhafte Schilderung jener langweiligen Sitten am Ende von „Corinne“; dabei beschönigt Frau von Staël noch.
  11. [346] Das ist die Geschichte des melancholischen Temperaments im Vergleiche zum sanguinischen. Man betrachte eine tugendhafte Frau, selbst wenn sie die kaufmännische Tugend gewisser Betschwestern übt – jene Tugend, die im Paradiese hundertfach vergolten wird, – und einen blasierten Lebemann von vierzig Jahren. Obgleich Valmont in den „Liaisons dangereuses“ [von Choderlos de Laclos] das noch nicht ist, so ist doch durch das ganze Buch hin die Präsidentin von Tourvel glücklicher, als [347] er. Und wenn der geistvolle Verfasser noch geistvoller gewesen wäre, so hätte er diese Idee zur Moral seines hervorragenden Romanes gemacht.
  12. [347]The heart of Midlothian“, III.
  13. [347] Zitat aus Byron, „Don Juan“. [Deutsch:

    ... Wie der dunkelste Himmel
    Das schwerste Gewitter verkündet.]

  14. [347] Zitat aus „Mithridate“ von Racine.
  15. [347] Zitat aus Dante, „Fegefeuer“, V, 130 ff. [Deutsch:

    Ach, wenn du wieder auf der Erde weilst,
    – – – – – – – –
    Gedenke meiner dort: ich bin die Pia
    Aus Siena, die in den Maremnen starb.
    Der weiß es, der mir einstmals an die Hand
    Den Eh’ring mit dem Edelsteine steckte.]

  16. [347] Größe und Mut in Kleinigkeiten, aber mit leidenschaftlicher Sorgfalt dabei. Die Heftigkeit des cholerischen Temperaments. Sein Verhalten gegen Madame de Monaco (Saint-Simon, V, 383); sein Abenteuer unter dem Bett von Madame de Montespan, als der König bei ihr war. Ohne die Sorgfalt in Kleinigkeiten wäre ein solcher Charakter für Frauen unverständlich.
  17. [347]When Minna Toil heard a tale of woe of romance, ist was then her blood rushed to her cheeks, and shewed plainly how warm it beat notwithstanding [348] the generally serious composed and retiring disposition which her countenance and demeanour seemed to exhibit.
    (The Pirate I, 33.)

    Gewöhnliche Menschen halten Naturen wie Minna Toil, die alltägliche Ereignisse ihrer Gemütserregung nicht für wert erachten, für kalt.

  18. [348] Deutsch: Ich sage Euch, stolzer Templer, nicht in der wildesten Schlacht zeigtet Ihr mehr Todesmut, als ein Weib hat, das für ihre Pflicht oder ihre Liebe leidet.
  19. [348] Es ist allgemein bekannt, daß diese berühmte Frau wahrscheinlich im Verein mit Larochefoucauld ihren Roman „La Princesse de Clèves“ geschrieben hat, und daß beide die letzten zwanzig Jahre ihres Lebens durch die engste Freundschaft miteinander verbunden waren. Wahrlich, das ist Liebe nach italienischer Art!
  20. [348] Mordaunt Merton, Byrons „Pirate“, Bd. I.
  21. [348]

    Come what sorrow can,
    It cannot countervail the exchange of joy
    That one short moment gives me in her sight.
     (Shakespeare, „Romeo und Julia“.)

  22. [348] Zitat aus Dante. [Deutsch:

    ... O armer Mann,
    Es ging dahin in seiner Todesstunde

    [349]

    Manch holder Traum und mancher Hoffnungsstern.
    Wie schön er war, wie blond, wie stattlich groß.
    Mit einer Heldennarbe auf der Stirne ...]

  23. [349]Haec autem ad acerbam rei memoriam, amara quadam dulcedine scribere visum est ... ut cogitem nihil esse debere quod amplius mihi placeat in hac vita.“ Petrarca.
  24. [349] Wie in der Novelle „Le Curieux impertinent“ von Cervantes.
  25. [349] Zitat aus Walter Scotts „Braut von Lammermoor“, I, 198. [Deutsch: „Der Morgen, der ruhig und hell erwacht war, gab selbst der weiten Sumpflandschaft, die man vor der Burg landeinwärts erblickte, ein heiteres Ansehen. Auf der anderen Seite dehnte sich das ehrwürdige Meer, von tausend wogenden Silberwellen gekräuselt, in ernster, aber milder Hoheit bis zum äußersten Gesichtskreis hin aus. Das Menschenherz im aufgeregten Zustande liebt solche Bilder stiller Größe, und ihr mächtiger Einfluß begeistert zu edlen und guten Taten.“ Vgl. die Reclamsche Übersetzung, Seite 109.)
  26. [349] Ein Beispiel gibt die Liebe Alfieris zu Milady Ligonier, die nebenbei noch eine Liebschaft mit seinem Diener unterhielt und sich lächerlicherweise „Penelope“ nannte. (Vita 2.)
  27. [349]Maximes“, 495 [in der Reclamschen Übersetzung Nr. 463]. Wie man leicht ersehen kann, ohne daß ich es jedesmal [350] besonders bemerke, sind auch einige andere Gedanken berühmten Schriftstellern entnommen. Ich suche eine Art Geschichte zu schreiben, in der Gedanken die Tatsachen sind.
  28. [350] Volney, „Tableau des Etats-Unis d’Amérique“, Seite 491-496.
  29. [350] Zum Beispiel die Gefahr Henri Mortons im Clyde. Scott, „Old Mortality“, IV, 224.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Enstehen


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