„Lang’, lang’ ist’s her!“

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Ferdinand Freiligrath
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: „Lang’, lang’ ist’s her!“
Untertitel:
aus: Das Hermanns-Denkmal und der Teutoburger Wald
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1875
Verlag: Meyer
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Detmold
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: LLB Detmold, Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[30]

„Lang’, lang’ ist’s her!“
Eine Erinnerung aus dem Jahre 1824.

 Ich flehe den Genius des deutschen Alterthums an, daß er seine
 Flügel ausbreite über Hermanns wahrer Burg, und jede Entweihung von
 ihren kostbaren Trümmern schützend abwende!
 Clostermeier, Wo Hermann den Varus schlug. 1822.


1.

„Nicht, hier ist es kühl und frisch?
Quellen stürzen durch’s Gebüsch;
Ueber ihre Kiesel keck
Springt die lust’ge Berlebeck.

5
Vorwärts nun und aufwärts nun!

Vorwärts! oben magst du ruhn!
Vorwärts über Knick und Schling!
Sieh’ doch, schon der Hünenring!

Riesige Mauern alter Zeit;

10
Busch und Kraut ihr struppig Kleid!

Barhaupt, Knabe, schreit’ hindurch:
Dich umfängt die Teutoburg!

Hermanns Burg und Hermanns Haus!
Hier bedacht’ und führt’ er’s aus;

15
Hier am Berghang hielt er Wacht,

Schlug im Grund dort seine Schlacht.

Doch nun auf zur Bergesbrau!
Wir sind oben, – welche Schau!
Sieh’ dich um, hier sieht sich’s weit,

20
Weithin späht der alte Teut!


Um und um, das rauscht und wallt!
Wald und Berg, und Berg und Wald!
Tapfre Berge, wackres Holz!
Eichen und Buchen, schlank und stolz!

25
Sieh’, und drüben, warm besonnt,

Zwischen Gebirg und Horizont,
Leuchtend wie sie Hermann sah,
Liegt Norddeutschlands Ebne da!

Leuchtend, golden überhaucht!

30
Leuchtend, halb in Duft getaucht!

Fläche der Senne, wüst und wild,
Land wo Ems und Lippe quillt!

Dorthin geht’s dem Rheine zu;
Dorthinaus, das merke du,

35
Elsen heißt man jetzt die Stell’,

Lag Aliso, Roms Castell.

Nimm das Fernrohr! Laß den Blick
Rundum schweifen auf gut Glück!
Wo er immer schweife hier:

40
Herrliches nur zeigt er dir!


Kennst du dort die Waldesbucht?
Nein? Das ist die Dörenschlucht;
Aus dem Wald in’s offne Moor
Jenes altberühmte Thor.

45
Thor, das Hermann klug besetzt,

Als den Varus er gehetzt;
Thor, das borstig Schwert und Spieß
Des Caecina Kriegern wies.

Doch – die Sonne neigt sich schon;

50
Kaum noch hörst du einen Ton:

Vogel stumm und Biene stumm!
Laß uns niedersteigen drum!

Heim schon! Sieh’, vor eurem Haus
Schaut dein Vater nach dir aus!

55
Lauf’, und biet’ ihm Hand und Kuß! –

Morgen lesen wir Tacitus!“

[31]

2.

Lang’, o lange, lang’ ist’s her;
Fünfzig Jahre sind’s, und mehr;
An der Stelle war’s wo heut
Ragt das Denkmal auf dem Teut.

5
Lang’ ist’s her! O, manches Mal

Auf und ab im Werrethal,
Teut und Königsberg hinan
Führte mich so der theure Mann!

Gab mir Lehre so im Gehn;

10
Wies mir so die Gründ’ und Höhn,

Denen die Schlacht und ihre Statt
Tapfer er gerettet hat.

O, des Streits: Hier oder dort!
Da sprach Er: „Dies ist der Ort!

15
Hier die Schlacht, hier Teutoburg!“

Sprach’s und schrieb’s, – und das schlug durch!

Und nun flammt des Helden Bild,
Hünenleib mit Schwert und Schild,
Blitzt und flammt von Hermanns Horst

20
Nieder über Hermanns Forst.


Und dem Meister, der es schuf,
Jubelt tausendstimmiger Ruf:
Ruf des Volkes, das zur Fahrt
Auf den Hermann froh sich schart.

25
Ich, ob fern auch, juble mit –

Doch dann wend’ ich still den Schritt,
Schlag’ mich durch den Wald seitab,
Such’ im Thal ein liebes Grab.

Jenes, drin der Gute ruht,

30
Dem ich einst als junges Blut

Folgte über Heck und Schling,
Wenn er teutoburgen ging.

Teutoburger Wald, sag’ an,
Werthest du auch noch den Mann?

35
Gipfel und Gründe, wallend Grün,

Denkt ihr eurer Schuld an ihn?

Sicherlich! Ein ernster Kranz,
Dank und Lohn des Vaterlands,
Eichenlaub von seinem Teut,

40
Liegt auf seinem Hügel heut.


Und zu dem Kranz meinen Kranz,
Dankbartreuen Schülers Kranz,
Rauschend im Wehn der Werreluft,
Leg’ ich fromm auf seine Gruft.

45
Dank dir, Dank noch unter’m Sand,

Die mich zog, du theure Hand!
Forscherhand, die schrieb das Buch:·
Wo Hermann den Varus schlug!

 Ferdinand Freiligrath.

[32]

Die Dörenschlucht.