ADB:Ott, Hans

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Artikel „Ott, Hans“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 551–553, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ott,_Hans&oldid=- (Version vom 28. April 2024, 11:15 Uhr UTC)
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Ott: Hans O. (Ottl, Otto), Buchhändler in Nürnberg und Herausgeber bedeutender Musik-Sammelwerke in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Ueber sein Leben selbst sind wir gar nicht unterrichtet, fälschlich wird er sogar mehrfach als Buchdrucker in neueren Werken bezeichnet, da er sich „Buchfuerer“ unterzeichnet. Ein Buchführer ist aber die alte Bezeichnung für Buchhändler. Seine Drucke ließ er bei Hieronymus Formschneider in Nürnberg herstellen. Ueber den Begriff und die Bedeutung der Musik-Sammelwerke des 16. Jahrhunderts ist es wohl nöthig einige erklärende Worte vorauszuschicken, da sie in damaliger Zeit eine weit höhere Bedeutung hatten als heute, und zeitweise fast die überwiegende Form der Veröffentlichungen von Compositionen bildeten. Die Werke der Meister aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts sind uns fast mehr durch Sammelwerke als durch Sammlungen von Compositionen eines Autors [552] bekannt. Unter Sammelwerken verstehen wir daher eine Auswahl von Compositionen verschiedener Autoren in einen Band vereint, während eine Sammlung nur Compositionen desselben Autors enthält. Das 16. Jahrhundert, besonders in seiner ersten Hälfte gab der ersteren Form eine ganz besondere Bevorzugung und die Werke eines Josquin Deprès, Finck, Stoltzer, Isaac, Senfl und vieler andrer sind uns fast nur in dieser Art der Veröffentlichung erhalten. – Hans O. ist nicht der Buchhändler gewöhnlichen Schlages, sondern der Sammler und Herausgeber der besten Meisterwerke seiner und der früheren Zeit, der wohlbewußt und mit Kenntniß und Geschmack wählt und nur dem Besten den Vorzug giebt. Bis heute haben sich von seinen Drucken folgende erhalten: 1) die deutsche Liedersammlung von 1534, betitelt: „Der erst teil. Hundert und ainundzweinzig newe Lieder von berümbtenn dieser kunst gesetzt“. Die kgl. Staatsbibliothek in München und die Rathsschulbibliothek in Zwickau besitzen vollständige Exemplare, während der kgl. Bibliothek zu Berlin der Altus und die quinta vox noch fehlen. 2) die Motettensammlung von 1537 und 1538, betitelt: „Novum et insigne opus musicum, sex, quinque et quatuor vocum. Tomus I. et Tomus II.“ mit zusammen 100 Motetten. Dies Sammelwerk hat sich in 8 Exemplaren erhalten, welche die Bibliotheken Berlin, Wien, München, Dresden, Jena, Kassel, Augsburg und Frankfurt a. M. besitzen. 3) eine Sammlung Messen von 1539: „Missae tredecim quatuor vocum a praestantiss. artificib. compositae“. Dies Werk ist in 9 Exemplaren bekannt, die sich in Berlin, Wien, Königsberg, Jena, Zwickau, Heilbronn, Regensburg, Kassel und in Privatbesitz befinden. 4) eine zweite Liedersammlung von 1544, betitelt: „Hundert vnd fünfftzehen guter newer Liedlein mit vier, fünff, sechs stimmen“, ist nur in einem vollständigen Exemplar in Berlin bekannt, während Zwickau und Jena unvollständige Exemplare besitzen. Die Gesellschaft für Musikforschung hat im J. 1873 davon eine Partiturausgabe veranstaltet (Leipzig, bei Breitkopf & Härtel). Den Schlußstein bildet die großartige Sammlung geistlicher Gesänge von Heinrich Isaac, betitelt: „Coralis Constantini“, in drei Bänden, nach deren Vollendung ihn aber der Tod ereilte, so daß erst die Erben dieselbe bei Formschneider drucken ließen. Da dieselbe das Datum 1550 trägt, so giebt uns dies zugleich einen Fingerweis, daß er gegen 1549 gestorben sein muß und nicht erst 1560, wie bisher angenommen wurde. – Nach wie strengen Kunstansichten O. die Werke zusammenstellte, ersieht man aus einzelnen Aeußerungen, die er in den Dedicationen einfließen läßt. So findet sich in der Dedication zum 2. Theil des „Novum et insigne opus musicum“ der Ausspruch, daß er nur „ausgezeichnete Denkmäler älterer Tonsetzer“ gewählt habe. „Es sind jetzt Zeiten und Sitten“, fährt er fort, „durch welche nicht der Musik allein, sondern allen andern ehrbaren Künsten die äußerste Sittenverwilderung droht. Darum muß es mit allen Kräften dahin gebracht werden, daß die Würde der Kunst, welche der gemeine Haufe in so niedrigdenkender Weise verachtet, mehr und mehr gefördert werde“. Einer strengen und sorgfältigen Prüfung unterwirft er die Werke und wählt nur „was sich durch Süßigkeit und Geist auszeichnet“. (Den lateinischen Wortlaut findet man abgedruckt im 4. Band der obigen Publication S. 11 u. ff.). Daher genügte ihm auch nur ein ganz kleiner Kreis Componisten, „unter tausend Künstlern, sagt er, gelingt es kaum einigen, dem Kunstwerke den eigenthümlichen Stempel göttlicher Herkunft aufzudrücken“. Wer diese feine Unterscheidungsgabe nicht besitze, oder durch die Süßigkeit der Harmonie nicht bewegt würde, der sei vollständig werth entweder keine oder des Midas ähnliche Ohren zu besitzen“. Wie tief er in den Geist der Werke eindringt, erkennen wir an dem Urtheile, welches er über zwei Gesänge von Josquin fällt, indem er sie ganz besonders auszeichnet; so die Passionsmotette [553] „Huc me sidereo“, wo er in die Worte ausbricht: „wann hat ein Maler das Angesicht des leidenden Erlösers ausdrucksvoller gemalt, als es hier in Tönen geschieht“! Josquin, Isaac und Senfl, diese drei Tonmeister sind es, die er vor allen bevorzugt, dann Arnold von Bruck und Wilhelm Breitengasser, während er von allen Uebrigen nur ein und den anderen Tonsatz aufnimmt.